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Informationspapier Schweine - Verein gegen tierquälerische ...

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PROVIEH – <strong>Verein</strong> <strong>gegen</strong> tierquälerische Massentierhaltung e.V.<br />

Küterstraße 7–9 ● 24103 Kiel<br />

Telefon 0431. 24828-0 ● Telefax: 0431. 24828-29<br />

info@provieh.de ● www.provieh.de<br />

Inhalt:<br />

<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong><br />

Zahlen<br />

Zucht<br />

Haltung<br />

Vermehrung<br />

Verstümmelungen, Verhaltensstörungen<br />

Umwelt<br />

Verbesserungsvorschläge<br />

Zahlen<br />

Im November 2012 gab es rund 28,3 Millionen <strong>Schweine</strong> in Deutschland, davon 12,5<br />

Millionen Mastschweine und 2,1 Millionen Zuchtsauen. Es werden zwei bis drei<br />

Mastdurchgänge pro Jahr durchgeführt. 2011 wurden über 59 Millionen <strong>Schweine</strong> in<br />

Deutschland geschlachtet. Etwa zwei Drittel der Mastschweine wird in Beständen<br />

über 1.000 Tieren gehalten. 1 Die Tendenz bei der Einrichtung neuer <strong>Schweine</strong>ställe<br />

geht zu immer größeren Einheiten von bis zu 100.000 Tieren. 2 Deutschland ist der<br />

größte <strong>Schweine</strong>fleisch-Exporteur der EU. Die EU und die USA sind die größten<br />

<strong>Schweine</strong>fleisch exportierenden Regionen der Welt. 3<br />

1 http://www.baerbelhoehn.de/cms/default/dokbin/412/412941.kleine_anfrage_tierschutz_bei_schlachtun.pdf<br />

(13.07.12).<br />

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaft/Viehbestand/Tabell<br />

en/Betriebe<strong>Schweine</strong>Bestand.html (19.04.13).<br />

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaft/TierischeErzeugun<br />

g/Tabellen/AnzahlSchlachtungen.html (19.04.13).<br />

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaft/Landwirtschaftszae<br />

hlung2010/Tabellen/3_7_LandwirtschaftlicheBetriebe<strong>Schweine</strong>_Betandsgr_RegionaleEinheit_end.htm<br />

l?nn=50902 (18.03.12).<br />

2 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.): Statistisches<br />

Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2008. Wirtschaftsverlag NW GmbH,<br />

Bremerhaven, S. 135.<br />

http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/landwirtschaft/20060300_landwirtschaft_boom_<br />

massentierhaltung_studie_kurzfassung.pdf (22.08.09). http://www.kritischeragrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2010/Niemann.pdf<br />

(13.11.10).<br />

3 http://www.bauernverband.de/64-tierische-erzeugnisse (11.05.13). http://www.agrarheute.com/chinawichtigster-exportmarkt<br />

(11.05.13).


<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong> – aktueller Stand: 11.05.13<br />

© PROVIEH – VgtM e.V. Seite 2 von 11<br />

Zucht<br />

<strong>Schweine</strong> werden auf schnelles Wachstum und hohen Magerfleischanteil gezüchtet. 4<br />

Daraus entstehen Muskel- und Skelettkrankheiten. Die rasant wachsende<br />

Muskelmasse führt dazu, dass das Herz es nicht mehr schafft, die Muskulatur<br />

ausreichend zu versorgen. Die Muskeln degenerieren oder sterben partiell ab. Das<br />

Skelett des jungen Schweins schafft es nicht, einen Körper zu tragen, der im 4. und<br />

5. Lebensmonat täglich ein Kilo und mehr zunimmt. Folgen sind schmerzhafte<br />

Skelett- und Gelenkschäden, die zu Bewegungsstörungen und Lahmheit führen.<br />

Auch Biobetriebe arbeiten mit solchen konventionellen Zuchten. 5<br />

1960 erhielt man pro Schwein 40 Prozent mageres Fleisch, heute sind es 55<br />

Prozent. 6 Aufgrund der Züchtung auf hohe tägliche Gewichtszunahme und mageres<br />

Fleisch wurden die <strong>Schweine</strong> so stressanfällig, dass viele von ihnen aufgrund der<br />

Aufregung beim Transport zum Schlachten durch plötzliches Herzversagen sterben<br />

(Transportverluste: rund 0,5 Prozent, also rund 200.000 Tiere im Jahr in<br />

Deutschland) oder nur noch minderwertiges PSE-Fleisch abgeben (10 bis 20 Prozent<br />

der Tiere), dass beim Braten viel Wasser lässt. 7 Die Stressresistenz der Tiere ist in<br />

den letzten Jahren in die Zuchtziele aufgenommen worden, was aber nicht heißt,<br />

dass heutige <strong>Schweine</strong> gar nicht mehr stressanfällig wären und solche<br />

"Qualitätsmängel" beseitigt wären. 8 Den Stress, der aus hoher Gewichtszunahme<br />

und magerem Fleisch resultiert, nimmt man weiterhin in Kauf. Lediglich die maligne<br />

Hyperthermie (MHS) – ein Gendefekt, der durch Züchtung aber leicht vermieden<br />

werden kann – hat man inzwischen reduziert. Tiere, die genetisch bedingt unter MHS<br />

leiden, entwickeln bei Stress eine so hohe Körpertemperatur, dass es zu<br />

lebensbedrohlichen Zuständen kommen kann, die mit Schmerzen und Leiden<br />

verbunden sind. 9<br />

http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Landwirtschaft/Agrarmaerkte/Agrarmarkt-in-<br />

Zahlen/Analyse-BEE-<strong>Schweine</strong>-2009.html (09.10.11).<br />

4 http://www.topagrar.com/index.php?option=com_content&task=view&id=14605&Itemid=520<br />

(20.01.10).<br />

5 http://orgprints.org/15131/01/reuter-etal-2007-Tagungsband_Tierzucht_Kassel.pdf, S. 30ff<br />

(30.08.09). http://orgprints.org/1675/01/1675-postler-g-2003-schweine-oezw.pdf (30.08.09).<br />

http://www.lowinputbreeds.org/?id=140 (29.01.10). "Mastferkel: Zu schnell zu schwer". VETimpulse,<br />

21. Jg., Aug. 9, 01.05.2012, S. 7.<br />

6 http://www.pastoralpeoples.org/docs/livestock_genetics_de.pdf, S. 16 (21.08.09).<br />

7 PSE-Fleisch: "pale, soft, exudative" = "hell, weich, wässrig". K. Bickhard: Zuchtbedingte Krankheiten<br />

und Todesfälle beim Schwein. In: Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (Hrsg.): Tagung zum<br />

Thema Tierschutz und Tierzucht, Nürtingen, 20.-22.2.1997, S. 97-108. http://edoc.ub.unimuenchen.de/3880/1/Maier_Christophe.pdf,<br />

S. 17 (19.12.09).<br />

8 Bärbel Hüsing, René Zimmer, Fraunhofer ISI: Reproduktion und Gentechnik bei Tieren.<br />

Dokumentation einer interdisziplinären Fortbildungsveranstaltung für Lehrerinnen und Lehrer.<br />

Karlsruhe 2001: http://www.ls-bw.de/Archiv%20Tasci/publikationen/online/gentechnik/Repro-Gen-<br />

Tier.pdf, S. 10 (09.10.11).<br />

http://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2004/Idel-Mathes.pdf, S. 200<br />

(03.10.09).<br />

9 Thomas Richter (Hrsg.): Krankheitsursache Haltung. Beurteilung von Nutztierställen – Ein<br />

tierärztlicher Leitfaden. Enke Verlag, Stuttgart 2006; S. 114, 120.


<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong> – aktueller Stand: 11.05.13<br />

© PROVIEH – VgtM e.V. Seite 3 von 11<br />

Aufgrund der extremen Zuchtziele sind die heute meist verwendeten<br />

<strong>Schweine</strong>rassen als Qualzuchten einzustufen, die nach § 11b Tierschutzgesetz<br />

verboten sind. 10<br />

Haltung<br />

<strong>Schweine</strong> sind ursprünglich Waldbewohner, und die Bedürfnisse des<br />

hochgezüchteten Hausschweins unterscheiden sich nicht wesentlich von denen des<br />

Wildschweins. 11 Schränkt man die im Folgenden beschriebenen Bedürfnisse 12 des<br />

Hausschweins über ein gewisses Maß hinaus ein, kann das bei den Tieren<br />

Schmerzen, Leiden und Schäden auslösen.<br />

<strong>Schweine</strong> sind bewegungsaktive Tiere. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung 13<br />

sieht für Mastschweine bis zu 110 kg jedoch nur 0,75 m 2 Platz vor (und für Ferkel<br />

über 20 kg 0,35 m²). Auf dieser Fläche können nicht einmal alle Tiere gleichzeitig<br />

ungestört ruhen, was für ein artgerechtes Ruhen notwendig wäre, von einer<br />

artgerechten Bewegung (laufen, galoppieren) oder einem intakten Sozialverhalten<br />

ganz zu schweigen. 14<br />

<strong>Schweine</strong> sind sehr reinliche und ordentliche Tiere, die streng zwischen Liege-,<br />

Fress-, Aktivitäts- und Kotplatz unterscheiden. 15 Auf der vorgeschriebenen<br />

Minimalfläche bleibt für diese Trennung jedoch nicht genug Raum, ebensowenig wie<br />

zum seitlichen Hinlegen. 16 Auch können die üblichen Abstände zwischen den<br />

Individuen nicht eingehalten werden, schwächere Tiere können bei Auseinandersetzungen<br />

(Rangkämpfen) nicht ausweichen. Deshalb kommt es immer wieder zu<br />

Verletzungen.<br />

Die Mehrzahl der <strong>Schweine</strong> leidet unter den gegebenen Bedingungen an<br />

sogenannten Faktorenkrankheiten, also an Krankheiten, die durch das<br />

Zusammenwirken mehrerer nachteiliger Umstände ausgelöst werden. An sich<br />

harmlose Viren können im Zusammenwirken mit anderen "Faktoren" (z.B.<br />

10 Almuth Hirt, Christoph Maisack, Johanna Moritz: Kommentar zum Tierschutzgesetz, Verlag Franz<br />

Vahlen, München, 2007, §11b, Rn. 19.<br />

11 http://www.ign-nutztierhaltung.ch/<strong>Schweine</strong>haltung/ (22.08.09). Thomas Richter (Hrsg.):<br />

Krankheitsursache Haltung. Beurteilung von Nutztierställen – Ein tierärztlicher Leitfaden. Enke Verlag,<br />

Stuttgart 2006; S. 115.<br />

12 S. auch: Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL; Hrsg.): Nationaler<br />

Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren, Darmstadt, 2006, S. 19ff.<br />

13 http://bundesrecht.juris.de/tierschnutztv/BJNR275800001.html#BJNR275800001BJNG000501377<br />

(22.08.09). Außerdem gibt es unverbindliche Europaratsempfehlungen für die Haltung von<br />

<strong>Schweine</strong>n: http://www.bmelv.de/cae/servlet/contentblob/383082/publicationFile/22237/EU-<br />

Haltung<strong>Schweine</strong>.pdf (22.08.09).<br />

14 Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL; Hrsg.): Nationaler<br />

Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren, Darmstadt, 2006, S. 47f.<br />

15 http://www.rentenbank.de/cms/dokumente/10011465_262637/2be9400b/Rentenbank_Schriftenreih<br />

e_Band17_.pdf, S. 75 (22.08.09).<br />

16 Thomas Richter (Hrsg.): Krankheitsursache Haltung. Beurteilung von Nutztierställen – Ein<br />

tierärztlicher Leitfaden. Enke Verlag, Stuttgart 2006; S. 116.


<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong> – aktueller Stand: 11.05.13<br />

© PROVIEH – VgtM e.V. Seite 4 von 11<br />

Hygienemängel, zu hohe Tierzahl pro Stall) Krankheiten auslösen, deren Ursache oft<br />

gar nicht genau festgestellt werden kann. 17<br />

<strong>Schweine</strong> sind sehr neugierige und intelligente Tiere. Sie beweisen in Versuchen<br />

einen hohen Bewusstseinsgrad und komplexe intellektuelle Fähigkeiten. 18 <strong>Schweine</strong><br />

erkunden ihre Umgebung mit dem Geruchssinn und dem Tastsinn über ihre<br />

empfindlichen Rüssel. Die Nutztierhaltungsverordnung schreibt<br />

Beschäftigungsmaterial vor, "das a) das Schwein untersuchen und bewegen kann<br />

und b) vom Schwein veränderbar ist". Oft erhalten <strong>Schweine</strong> aber nur Ketten mit<br />

daran befestigten Gummi-, Plastik- oder Holzstücken, Reifen oder Bälle, die ihnen<br />

sehr schnell langweilig werden, weil sie das elementare Bedürfnis, nach Futter zu<br />

stöbern und zu wühlen, nicht erfüllen. Das Minimum, das die<br />

Nutztierhaltungsverordnung vorschreibt, ist damit erfüllt, 19 auch wenn es zur<br />

Beschäftigung der <strong>Schweine</strong> nicht hinreicht. Die Europäische Richtlinie zur<br />

<strong>Schweine</strong>haltung ist durch die Nutztierhaltungsverordnung damit auch nicht<br />

ausreichend in deutsches Recht umgesetzt. In der Richtlinie heißt es nämlich, dass<br />

<strong>Schweine</strong> "ständigen Zugang zu ausreichenden Mengen an Materialien haben, die<br />

sie untersuchen und bewegen können, wie z. B. Stroh, Heu, Holz, Sägemehl,<br />

Pilzkompost, Torf oder eine Mischung dieser Materialien". 20 Das ideale<br />

Beschäftigungsmittel ist viel frisches Stroh oder Heu, das neben dem<br />

Erkundungstrieb auch das Wühl- und Kaubedürfnis befriedigt. Außerdem sorgt es für<br />

eine bessere Darmgesundheit, weil es mehr Rohfaser zur Verfügung stellt. 21 Es wird<br />

jedoch oft nicht oder in völlig unzureichender Menge zur Verfügung gestellt, da man<br />

sich die Kosten und das Ausmisten ersparen will.<br />

Stattdessen sind <strong>Schweine</strong>ställe üblicherweise mit Spaltenböden versehen, durch<br />

die die Exkremente von den <strong>Schweine</strong>n selbst durchgetreten werden müssen. 22 Die<br />

Spalten führen häufig aufgrund zu großer Spaltenweiten, Materialschäden bzw.<br />

ungeeigneten Materials und starker Verschmutzung (Rutschgefahr) zu<br />

Klauenverletzungen. Klauenverletzungen sind nicht harmlos, sondern sind meist<br />

schmerzhaft und können bis zum Tode führen. 23 Eine Untersuchung an<br />

17 Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL; Hrsg.): Nationaler<br />

Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren, Darmstadt, 2006, S. 42f.<br />

18 Donald M. Broom, Hilana Sena, Kiera L. Moynihan: Pigs learn what a mirror image represents and<br />

use it to obtain information. In: Animal Behaviour 78, 2009, S. 1037-1041.<br />

http://www.nzz.ch/nachrichten/wissenschaft/schweine_verwoehnen_1.4048835.html?printview=true<br />

(20.01.10).<br />

http://rosdok.uni-rostock.de/file/rosdok_derivate_000000004082/Dissertation_Zebunke_2009.pdf<br />

(12.06.10)<br />

19 Jörg Baumgarte, M. Dayen, J. Hies, S. Petermann, K. Maiworm: Änderung der Tierschutz-<br />

Nutztierhaltungsverordnung. In: Deutsche Tierärtztliche Wochenschrift 114, Heft 4, 2007, S. 149-152.<br />

http://rosdok.uni-rostock.de/file/rosdok_derivate_000000004082/Dissertation_Zebunke_2009.pdf.<br />

20 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:047:0005:0013:DE:PDF<br />

(11.05.13).<br />

21 http://edoc.ub.uni-muenchen.de/8161/1/Schultze_Corinna.pdf (22.08.09).<br />

http://www.bfr.bund.de/cm/343/beschaeftigungsmoeglichkeiten-fuer-schweine.pdf (09.03.2013).<br />

Friedhelm Jaeger: Das Projekt „intakter Ringelschwanz“ beim Schwein – stehen wir vor dem<br />

Durchbruch? Tierärztliche Umschau, Terra Verlag, 68. Jahrgang · Januar/Februar 2013, S. 3 – 11<br />

(http://www.provieh.de/downloads_provieh/Jaeger-Projekt%20intakter%20Ringelschwanz.pdf).<br />

22 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaft/Landwirtschaftsz<br />

aehlung2010/Tabellen/9_2_LandwBetriebHaltungsplaetze<strong>Schweine</strong>.html (18.03.12).<br />

23 Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL; Hrsg.), Nationaler<br />

Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren, Darmstadt, 2006, S. 45.


<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong> – aktueller Stand: 11.05.13<br />

© PROVIEH – VgtM e.V. Seite 5 von 11<br />

Mastschweinen ergab, dass jeweils rund 61 Prozent der <strong>Schweine</strong> an Klauenrissen<br />

litten, ebenfalls rund 61 Prozent an Ballenveränderungen, rund 59 Prozent an<br />

Druckstellen und Quetschungen, 40 Prozent an Rillen und Rinnen und 20 Prozent an<br />

Deformationen der Klauen. Wesentlich besser zeigte sich die Klauengesundheit in<br />

Ställen mit Einstreu. In Deutschland werden allerdings 89 Prozent aller <strong>Schweine</strong> in<br />

einstreulosen Ställen gehalten.<br />

Kaum einer der untersuchten Betriebe hielt die Vorschriften der <strong>Schweine</strong>haltungsverordnung<br />

hinsichtlich der Spaltenweite ein, und rund 50 Prozent der<br />

Betriebe hielten nicht einmal die Spaltenweite der Vorgängervorschrift ein, 24 was auf<br />

eine große Gleichgültigkeit sowohl der Halter als auch der Behörden <strong>gegen</strong>über<br />

staatlichen Regelungen schließen lässt.<br />

Spaltenböden lösen aber nicht nur Klauenverletzungen aus: Von der Gülle, die sich<br />

unter dem Boden sammelt, steigen Ammoniakdämpfe auf, die die Atemwege der<br />

<strong>Schweine</strong> belasten. Laut Nutztierhaltungsverordnung darf sogar der Liegebereich<br />

perforiert sein, wodurch die Atmungsorgane im Liegen noch stärker mit<br />

Ammoniakdämpfen belastet werden - und das bei einer Nase (eigentlich: einem<br />

Rüssel), die geruchsempfindlicher ist als eine Hundenase.<br />

Die Perforationserlaubnis im Liegebereich widerspricht zudem der Regelung der<br />

Nutztierhaltungsverordnung, dass der Liegebereich trocken sein solle, denn sie geht<br />

davon aus, dass im Liegebereich Feuchtigkeit durch Kot und Urin entsteht. Mit der<br />

Intensivierung der <strong>Schweine</strong>haltung hat auch die Zahl der Atemwegserkrankungen<br />

zugenommen, was aber nicht nur an der Bodenbeschaffenheit, sondern auch an der<br />

Besatzdichte und der Gruppengröße der <strong>Schweine</strong> liegt. 25 Es kann durchaus über<br />

die Hälfte der Tiere von Atemwegserkrankungen befallen sein. Auch in Biobetrieben<br />

liegen die Zahlen oft nicht erheblich darunter. 26<br />

Auch unter Zuchtsauen sind Schäden am Bewegungsapparat ein großes Problem.<br />

Schon beim Kauf von Jungsauen gaben laut einer Studie 25 Prozent aller befragten<br />

Betriebe "Fundamentprobleme" als "Hauptmangel" der gekauften Tiere an. Vor der<br />

zweiten Abferkelung leiden der Studie zufolge bereits rund 90 Prozent der<br />

untersuchten Sauen unter Verletzungen. Ursachen hierfür sind u.a. Spaltenböden,<br />

das Fehlen eingestreuter Liegebereiche und mangelnde Klauenpflege. 27 Ob sich die<br />

24 Eva Rähse, Steffen Hoy: Untersuchungen zu Häufigkeit und Schweregrad unterschiedlicher<br />

Klauenveränderungen bei Mastschweinen unter Berücksichtigung der Haltungsbedingungen. In: Der<br />

Praktische Tierarzt 88, 1, 2007, S. 40-47. http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-<br />

<strong>Schweine</strong>staelle-Schlitzweiten-mit-Toleranz-856605.html (13.07.12). http://www.vet-<br />

magazin.com/wissenschaft/grosstiermedizin/Grosstiermedizin-<strong>Schweine</strong>/Klauenschaeden-<br />

<strong>Schweine</strong>n.html (11.05.13).<br />

25 Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL; Hrsg.): Nationaler<br />

Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren, Darmstadt, 2006, S. 43ff.<br />

26 Christina Werner, Rainer Löser, Karl Kempkens, Albert Sundrum: Leitlinien zur Sicherung der<br />

Tiergesundheit in der ökologischen <strong>Schweine</strong>erzeugung. In: Gerold Rahmann, Ulrich Schumacher<br />

(Hrsg.): Praxis trifft Forschung. Neues aus der ökologischen Tierhaltung 2008, Branuschweig, 2008,<br />

S. 99-107.<br />

27 Dirk Schäffer, Heidrun Nitzer, Eberhard von Borell: Gliedmaßengesundheit von Zuchtsauen – erste<br />

Erfahrungen einer Verlaufsuntersuchung. In: Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (Hrsg.):<br />

Tagung der Fachgruppe Tierschutz, Nürtingen, 21.-22. Februar 2008.


<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong> – aktueller Stand: 11.05.13<br />

© PROVIEH – VgtM e.V. Seite 6 von 11<br />

Klauengesundheit mit Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht ab 2013<br />

verbessert, bleibt abzuwarten. 28<br />

Wie nicht nur Untersuchungen, sondern auch das praktische Beispiel des<br />

NEULAND-Qualitätsfleischprogramms zeigen, ist eine wirtschaftliche und<br />

umweltschonendere Haltung von <strong>Schweine</strong>n in Deutschland durchaus möglich. 29 In<br />

Südengland werden inzwischen 15 Prozent der Sauen (nicht: der Mastschweine)<br />

ganzjährig mit Hütten als Witterungsschutz im Freiland gehalten. Nicht nur die Tiere<br />

sind in dieser Haltungsform in der Regel gesünder, auch die Tierhalter können sich<br />

dadurch die Arbeit in schadgasbelasteter Stallluft ersparen. 30<br />

Vermehrung<br />

Zuchtsauen müssen möglichst viele Ferkel werfen. Pro Jahr soll eine Sau heute 25<br />

Junge liefern, bei dänischen Sauen liegt der Zielwert sogar bei 30 Ferkeln pro Jahr.<br />

1960 warf eine Sau noch 14 Ferkel im Jahr. Die Überzüchtung auf hohe Wurfgrößen<br />

führt sogar dazu, dass Sauen immer häufiger mehr Ferkel werfen, als sie<br />

funktionsfähige Zitzen haben. 31 1950 betrug der zeitliche Abstand zwischen zwei<br />

Würfen noch 190 Tage, heute sind es nur noch 155 Tage, also zwei bis drei Würfe<br />

im Jahr. 32 Auch die Säugezeiten wurden entsprechend auf drei bis vier Wochen<br />

verkürzt. 33 Die EU-Richtlinie sieht 28 Tage Säugezeit als Regelfall, das Absetzen<br />

nach nur 21 Tagen als Ausnahme vor. In der Praxis ist es jedoch meist genau<br />

umgekehrt. Die frühe Trennung von der Mutter bedeutet nicht nur emotionalen Stress<br />

für die Tiere. Durch das frühe Absetzen von der Muttermilch bekommen viele Ferkel<br />

Durchfälle, die sogar tödlich enden können. Der noch nicht fertig entwickelte Darm<br />

der Ferkel wird durch das energiereiche Futter anstelle der Muttermilch überfordert,<br />

was häufig zu chronisch verlaufenden Endotoxinvergiftungen führt, in deren Folge<br />

Ohren- und Schwanzränder der Tiere absterben. 34<br />

28 http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-910122.html (25.10.12).<br />

29 http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/pfeiler-ute-1999-07-01/PDF/Pfeiler.pdf, S. 109 (22.08.09).<br />

30 Thomas Richter (Hrsg.): Krankheitsursache Haltung. Beurteilung von Nutztierställen – Ein<br />

tierärztlicher Leitfaden. Enke Verlag, Stuttgart 2006; S. 147ff.<br />

31 Onno Poppinga: „Rückblick 2008: Witterung, Bodennutzung und Preise. In: Agrarbündnis e.V.,<br />

Kassel, ABL Bauernblatt Verlags-GmbH (Hrsg.): Der kritische Agrarbericht 2009. Kassel 2009, S. 125-<br />

135; S. 134. http://www.pastoralpeoples.org/docs/livestock_genetics_de.pdf (21.08.09), S. 16.<br />

https://www.landwirtschaft-bw.info/servlet/PB/show/1380697/index.pdf (25.10.12).<br />

http://www.milkivit.de/hendrixillesch_de/Home.nsf/?Open&DirectURL=958BD8907D64DDC2C1256ED10020ECDC<br />

(11.05.13).<br />

32 Wolfgang Nentwig: Humanökologie. Berlin, Heidelberg 2005, S. 121.<br />

33 Christine Leeb: Absatzmanagement für Aufzuchtferkel. In: Gerold Rahmann, Ulrich Schumacher<br />

(Hrsg.): Praxis trifft Forschung. Neues aus der ökologischen Tierhaltung 2008, Braunschweig, 2008,<br />

S. 69-73. Theresa Hameister, Birger Puppe, Margret Tuchscherer, Ellen Kanitz: Einfluss des<br />

Absetzalters von Ferkeln auf Verhaltensbiologische und physiologische Reaktionen – eine<br />

Literaturübersicht. In: Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 123, Heft ½ (2010), S. 11-<br />

19.<br />

34 R. Bussemas, F. Weißmann, Institut für ökologischen Landbau Trenthorst: Verlängerte Säugezeit<br />

bei Sauen. O.J.:<br />

http://www.bioland.de/fileadmin/bioland/file/aktuelles/fachtagung/tagungsbericht_schweinetagung%20<br />

2007/Readerbeitrag_Bussemas.pdf (22.08.09). Friedhelm Jaeger: Das Projekt „intakter


<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong> – aktueller Stand: 11.05.13<br />

© PROVIEH – VgtM e.V. Seite 7 von 11<br />

Die meist bewegungsarme, strohlose Haltung verkürzt auch die "Nutzungsdauer" der<br />

Sauen, die heute im Durchschnitt unter zwei Jahren liegt. Krankheiten oder<br />

mangelnde Fruchtbarkeit sind die Begründung dafür, dass die Betriebe heute jedes<br />

Jahr rund 40 Prozent ihres Sauenbestandes "erneuern". 35<br />

Weiterhin sind weltweit "Ferkelschutzkörbe" üblich: Eisenkäfige, in denen die Sauen<br />

nur aufstehen oder sich hinlegen, sich aber nicht umdrehen können. 36 Ihr<br />

Nestbaubedürfnis kann die Sau nicht ausleben, von natürlichen Bewegungsabläufen<br />

ganz zu schweigen. Ihre Ferkel kann die Sau nach der Geburt im "Ferkelschutzkorb"<br />

nur dann beschnuppern, um Kontakt mit ihnen aufzubauen, wenn sie zu ihr in den<br />

Kopfbereich gelaufen kommen, wo es ihnen aber in der Regel zu kalt ist (Sauen ist<br />

es ab 19 Grad zu warm, Ferkel brauchen 38 Grad). Da die Sau die Fixiereinrichtung<br />

auch nicht zum Kot- und Urinabsetzen verlassen kann, liegt sie in ihren eigenen<br />

Ausscheidungen. Auch die Ferkel können ihre angeborenen Verhaltensweisen in<br />

diesen Abferkelbuchten nicht ausreichend ausleben und Sozialkontakte nicht<br />

entwickeln. 37<br />

Solche Fixiereinrichtungen sollen die Zahl der Ferkelverluste vermindern. Ferkel<br />

können von der Sau erdrückt werden, wenn diese sich hinlegt. Dies geschieht jedoch<br />

in einer artgerechten Umgebung nicht häufiger als in einem "Ferkelschutzkorb" –<br />

eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache, die schon seit vielen Jahren bekannt ist<br />

und der durch die Entwicklung verschiedener Alternativsysteme bereits Rechnung<br />

getragen wurde. 38 Untersuchungen haben auch gezeigt, dass die Gesamtzahl der<br />

Ferkelverluste (ca. 14 Prozent) 39 mit und ohne Ferkelschutzkorb gleich bleibt,<br />

möglicherweise, weil lebensschwache Ferkel ohnehin aus dem einen oder anderen<br />

Grund (Erdrücken, Totbeißen, Krankheiten) frühzeitig sterben. 40 In der Schweiz<br />

verzichten die meisten Sauenhalter auf Abferkelkäfige und haben gute Erfahrungen<br />

mit der "freien Abferkelung" gemacht. Der Mythos, dies brächte<br />

Ringelschwanz“ beim Schwein – stehen wir vor dem Durchbruch? Tierärztliche Umschau, Terra<br />

Verlag, 68. Jahrgang · Januar/Februar 2013, S. 3 – 11<br />

(http://www.provieh.de/downloads_provieh/Jaeger-Projekt%20intakter%20Ringelschwanz.pdf).<br />

35 http://www.landwirt.com/schweineberichte/Zuchtsauenselektion,1,Remontierungsrate-sollte-etwabei-40--liegen.html<br />

(11.05.13).<br />

36 Bilder von Abferkelbuchten mit "Ferkelschutzkörben" finden Sie hier:<br />

http://www.dlg.org/stall.html#Aufstall_schw (22.08.09).<br />

http://www.rentenbank.de/cms/dokumente/10011465_262637/2be9400b/Rentenbank_Schriftenreihe_<br />

Band17_.pdfS. 79 (22.08.09).<br />

37 Thomas Richter (Hrsg.): Krankheitsursache Haltung. Beurteilung von Nutztierställen – Ein<br />

tierärztlicher Leitfaden. Enke Verlag, Stuttgart 2006; S. 138.<br />

38 Z. B. http://www.agroscope.admin.ch/data/publikationen/FAT_Bericht_452_D.pdf (09.10.11).<br />

39 Mary-Ann Sommer: Epidemiologische Untersuchungen zur Tiergesundheit in<br />

<strong>Schweine</strong>zuchtbeständen unter besonderer Berücksichtigung von Managementfaktoren und des<br />

Einsatzes von Antibiotika und Homöopathika. Hannover 2009: http://elib.tihohannover.de/dissertations/sommerm_ws09.pdf,<br />

S. 27 (25.10.12).<br />

40 Roland Weber, Nina Maria Keil, Max Fehr, René Horat: Kann die Haltung von abferkelnden Sauen<br />

in Kastenständen mit einer Reduktion der Ferkelverluste begründet werden? In: Kuratorium für<br />

Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft, Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (Hrsg.):<br />

Aktuelle Arbeiten zur artgemäßen Tierhaltung, Darmstadt 2005, S. 31-39.<br />

Johannes Baumgartner, Doris Verhovsek, Josef Troxler: Verhalten, haltungsbedingte Schäden und<br />

biologische Leistungen von Sauen in drei Typen von Abferkelbuchten. In: Kuratorium für Technik und<br />

Bauwesen in der Landwirtschaft, Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (Hrsg.): Aktuelle<br />

Arbeiten zur artgemäßen Tierhaltung, Darmstadt 2005, S. 265-273.


<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong> – aktueller Stand: 11.05.13<br />

© PROVIEH – VgtM e.V. Seite 8 von 11<br />

Arbeitsschutzprobleme mit sich, weil die laktierenden Sauen aggressiv seien und die<br />

Betreuer angriffen, wird von Schweizer Sauenhaltern widerlegt. 41<br />

Ähnliche Haltungsvorrichtungen, sogenannte Kastenstände, erleichtern auch die<br />

künstliche Besamung. Sie sind meist noch etwas enger als die "Ferkelschutzkörbe".<br />

Seit Beginn 2013 ist es verboten, die Sauen dauerhaft (also 365 Tage im Jahr) in<br />

solchen Fixiereinrichtungen zu halten. Für "einen Zeitraum, der 4 Wochen nach dem<br />

Decken beginnt und 1 Woche vor der letzten Woche vor dem voraussichtlichen<br />

Abferkeltermin endet", sind die Sauen in Gruppen zu halten. 42<br />

Faktisch stehen die Sauen damit allerdings noch immer fast das halbe Jahr in einer<br />

solchen Fixiereinrichtung, da der Zeitraum des Deckens, also der künstlichen<br />

Besamung, sich über einige Wochen erstrecken kann (Trockenstehen, Besamen,<br />

Erfolgskontrolle, evtl. Nachbesamen) und sie zum Abferkeln ebenfalls bis zu fünf<br />

Wochen in einer Fixiereinrichtung gehalten werden. Für die Umsetzung dieser<br />

Vorschrift gab es zwölf Jahre Übergangszeit. Dennoch wurden zu Beginn des Jahres<br />

2013 in Deutschland, Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Polen, Portugal und<br />

Zypern noch immer in vielen Betrieben die Sauen ganzjährig fixiert gehalten. Die<br />

Europäische Kommission hat deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren <strong>gegen</strong> die<br />

genannten Länder eingeleitet. 43<br />

Verstümmelungen, Verhaltensstörungen<br />

Die Ferkel bekommen in der ersten Lebenswoche ohne Betäubung den Schwanz<br />

abgeschnitten und die Eckzähne abgeschliffen. 44 Diese Maßnahmen dienen der<br />

Anpassung des Tiers an das Haltungssystem: Die Schwänze werden kupiert, da sie<br />

sonst zum Beschäftigungsobjekt für andere <strong>Schweine</strong> werden und dabei verletzt und<br />

zu einem möglichen Einfallstor für Keime in den Körper werden können.<br />

<strong>Schweine</strong> entwickeln in der Intensivtierhaltung oft Stereotypien, Störungen im<br />

Sozialverhalten und Neurosen wie zum Beispiel das <strong>gegen</strong>seitige Schwanzbeißen<br />

oder das Ohrenbeißen. Diese werden unter anderem als Ersatzhandlungen aufgrund<br />

der Einschränkung natürlicher Bedürfnisse (z.B. Wühlen, Stöbern, Kauen) erklärt, die<br />

durch mangelndes Sozialleben, Erkrankungen und weitere Faktoren verstärkt<br />

werden können. 45 Einer neueren Studie zufolge setzt das Problem des<br />

41 http://www.raumberggumpenstein.at/c/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=5412&Itemid=100054<br />

(11.05.13).<br />

42 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2001:316:0001:0004:DE:PDF<br />

(08.03.2013); http://www.lkstmk.at/?+Gruppenhaltung+von+Sauen++ndash++Ende+der+UEbergangsfrist+&id=2500%2C173357<br />

0%2C%2C%2C (08.03.2013).<br />

43 http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11177_de.htm (19.04.13).<br />

https://www.landwirtschaft-bw.info/servlet/PB/show/1373431/index.pdf (19.04.13).<br />

44 Thomas Richter (Hrsg.): Krankheitsursache Haltung. Beurteilung von Nutztierställen – Ein<br />

tierärztlicher Leitfaden. Enke Verlag, Stuttgart 2006; S. 140.<br />

http://www.efsa.europa.eu/en/supporting/doc/178e.pdf, S. 31f (09.10.11).<br />

45 http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000003024 (22.08.09).


<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong> – aktueller Stand: 11.05.13<br />

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Schwanzbeißens jedoch nicht erst in der Mast, sondern schon im Ferkelalter von ein:<br />

Durch ein Fütterungs- und Tränkemanagement, das nicht ausreichend auf die<br />

Bedürfnisse der Ferkel eingeht, können Endotoxine im Darm der Ferkel ein<br />

Krankheitsgeschehen auslösen, das die Durchblutung in Schwanz und Ohren stört<br />

und schließlich zum Absterben eines Teils des Schwanzes führt, was mit Schmerzen<br />

und Juckreiz verbunden ist. Die Ferkel empfinden das Beknabbern des Schwanzes<br />

durch ihre Artgenossen als Erleichterung des Juckreizes und provozieren es daher.<br />

Schätzungsweise 60 Prozent der unkupierten Ferkel sind in konventioneller Haltung<br />

davon betroffen, wenn die Schwänze einfach nicht kupiert werden, die<br />

Haltungsbedingungen aber nicht entsprechend verbessert werden. 46<br />

Das Abschleifen der Eckzähne soll <strong>gegen</strong>seitige Verletzungen und eine Verletzung<br />

der Mutter am Gesäuge verhindern. Allerdings hat die Kürzung der Zähne nur<br />

geringe Auswirkungen auf den Gesäugezustand und auch auf die Entwicklung der<br />

Würfe. Es führt zwar zu einer Verringerung der Verletzungen der Ferkel, diese wird<br />

aber mit zum Teil massiven Schädigungen der Zähne erkauft. 47<br />

Zurzeit werden Ferkel auch noch ohne Betäubung kastriert – hier ist jedoch in den<br />

nächsten Jahren Besserung zu erwarten. Bei der Diskussion, ob eine<br />

Betäubungspflicht bei der Kastration eingeführt werden oder die Kastration<br />

zugunsten der Ebermast abgeschafft werden sollte, ist zu bedenken, dass sich im<br />

Nachhinein kaum nachweisen lässt, ob ein Ferkel bei der Kastration (ausreichend)<br />

betäubt wurde oder nicht.<br />

Die hier beschriebenen Verstümmelungen sind auch in der ökologischen<br />

Landwirtschaft nicht verboten, sollen dort aber "so gering wie möglich" gehalten<br />

werden. 48<br />

Durch Futter mit hohem Energie- und Nährstoffgehalt bleibt das Sättigungsgefühl<br />

mangels Ballaststoffen aus. Auch dauert die Nährstoffaufnahme nicht lange, so dass<br />

dabei die arttypische Futtersuche und –aufnahme nicht durchgeführt werden kann.<br />

Ersatzweise kommt es zu Verhaltensstörungen wie Stangenbeißen und Leerkauen,<br />

http://www.landwirtschaft-mlr.badenwuerttemberg.de/servlet/PB/show/1206803/mlr_Forschungsbericht%20Bewertung%20<strong>Schweine</strong>mast<br />

verfahren%20-%20MLR%20Stand%20Mrz%202007.pdf (22.08.09). http://www.diss.fuberlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000003024/05_vbhs.pdf;jsessionid<br />

=D02B4F7D11AFED5BA5BBB8669B2A545F?hosts= (08.11.09). Kevin J. Stafford: Tail biting: An<br />

important and undesirable behaviour of growing pigs. In: The Veterinary Journal 186 (2010), 131-132.<br />

https://www.landwirtschaftbw.info/servlet/PB/show/1306904_l1/LSZ_Literaturauswertung_Schwanzbei%C3%9Fen.pdf<br />

(09.03.2013).<br />

46 Friedhelm Jaeger: Das Projekt „intakter Ringelschwanz“ beim Schwein – stehen wir vor dem<br />

Durchbruch? Tierärztliche Umschau, Terra Verlag, 68. Jahrgang · Januar/Februar 2013, S. 3 – 11<br />

(http://www.provieh.de/downloads_provieh/Jaeger-Projekt%20intakter%20Ringelschwanz.pdf).<br />

47 M. Gallois, Y. Le Cozler, A. Prumier: Influence of tooth resection in piglets on welfare and<br />

performance. In: Preventive Veterinary Medicine, Nr. 69, 2005, S. 13-23. Daniel M. Weary, Lee Niel,<br />

Frances C. Flower, David Fraser: Identifying and preventing pain in animals. In: Applied Animal<br />

Behaviour Science Nr. 100, 2006, S. 64-76, S. 71.<br />

48 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:189:0001:0023:DE:PDF<br />

(22.08.09).


<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong> – aktueller Stand: 11.05.13<br />

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gerade bei Muttersauen, deren Futterzufuhr beschränkt wird, weil sie nicht so schnell<br />

zunehmen sollen wie Mastschweine. 49<br />

Zu den Verhaltensstörungen und emotionalen Belastungen durch die nicht<br />

bedürfnisgerechte Umgebung kommen Kreislaufschwäche, Gelenk- und<br />

Muskelkrankheiten, Haut- und Klauenverletzungen. Todesfälle durch die<br />

Belastungen bei Zucht, Mast und Transport sind wirtschaftlich einkalkuliert. 50<br />

Mit zehn Wochen wiegen die jungen <strong>Schweine</strong> bereits rund 25 Kilo. Sie werden dann<br />

– zum Teil über lange Strecken - in die Mastbetriebe transportiert. Zucht und Mast<br />

finden oft auf verschiedenen Betrieben statt, wobei die Betriebe weit über Europa<br />

und sogar darüber hinaus verstreut liegen.<br />

Umwelt<br />

Seit Jahren bauen niederländische Investoren von industriellen<br />

Massentierhaltungsanlagen gern in Deutschland, da sie in Holland noch mindestens<br />

bis 2015 für jeden Mastplatz eine Verschmutzungsgebühr zahlen müssen, während<br />

man in Deutschland die Umwelt umsonst verschmutzen darf. 51 Unter Inkaufnahme<br />

erheblicher Seuchenverbreitungsgefahr und unter hohem Treibstoffverbrauch für<br />

LKW-Transporte wird die Gülle aus solchen Ställen zu Biogasanlagen fahren, wo<br />

daraus sogenannter "Ökostrom" hergestellt wird 52 , oder sie wird über weite Strecken<br />

auf häufig überladenen LKWs zu Feldern gefahren, auf denen die Gülle ausgebracht<br />

wird – fast unkontrolliert. 53<br />

Verbesserungsvorschläge<br />

- kurzfristig: Anwendung des Verbots des routinemäßigen Schwanzkupierens<br />

- kurzfristig: Gebot von ausreichend Heu oder Stroh als Beschäftigungsmaterial<br />

(nicht nur als Einstreu)<br />

49 Thomas Richter (Hrsg.): Krankheitsursache Haltung. Beurteilung von Nutztierställen – Ein<br />

tierärztlicher Leitfaden. Enke Verlag, Stuttgart 2006; S. 113. Nina R. Taylor, David C.J. Main, Mike<br />

Mendl, Sandra Edwards: Tail-biting: A new perspective. In: The Veterinary Journal 186 (2010), 137-<br />

147.<br />

50 ARD-Brisant Video von <strong>Schweine</strong>haltung: http://www.youtube.com/watch?v=lkbQCS7tmj0.<br />

51 http://www.varkensrechten.nu/ (22.08.09). http://www.landwirtschaft-mlr.badenwuerttemberg.de/servlet/PB/show/1238365_l1/LSZ_Was%20machen%20die%20Holl%C3%A4nder%<br />

20anders?pdf (04.10.09). http://www.landwirtschaft-mlr.badenwuerttemberg.de/servlet/PB/show/1225119_l1/LSZ_%20Exkursion_%20Niederlande.pdf<br />

(30.12.09).<br />

http://www.topagrar.com/news/Schwein-News-Holland-Kein-Interesse-an-Produktionsrechten-<br />

867770.html (25.10.12).<br />

52 http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/energie/20080200_energie_eeg_hintergrund.p<br />

df (22.08.09).<br />

http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/landwirtschaft/20060300_landwirtschaft_boom_<br />

massentierhaltung_studie_kurzfassung.pdf (22.08.09).<br />

http://www.landundforst.de/index.php?redid=220193 (22.08.09).<br />

53 http://www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Umwelt/AbL-enthuellt-unkontrollierte-Trockenkot-und-<br />

Guelle-Flut-aus-Agrarfabriken_article1330928536.html<br />

(16.03.12);http://www.noz.de/lokales/61159075/zu-wenig-land-fuer-den-duenger (16.03.12).<br />

http://www.taz.de/!94987/ (21.04.13).


<strong>Informationspapier</strong> <strong>Schweine</strong> – aktueller Stand: 11.05.13<br />

© PROVIEH – VgtM e.V. Seite 11 von 11<br />

- kurzfristig: Biogas aus Gülle aus Massentierhaltung dem konventionellen<br />

Strom zurechnen<br />

- kurzfristig: Einhaltung der Säugezeit von 28 Tagen<br />

- mittelfristig: Verbot der Ferkelschutzkörbe und Kastenstände in der<br />

Sauenhaltung<br />

- mittelfristig: Durchsetzung der vorhandenen Vorschriften zur Spaltenbreite von<br />

Spaltenböden<br />

- mittelfristig: Vorschrift ausreichend großer Platzangebote, die eine Trennung<br />

von Kot-, Fress-, Aktivitäts- und Liegebereichen ermöglichen<br />

- mittelfristig: Änderung der Zuchtziele zu weniger Wachstum und<br />

Muskelbildung für mehr Tiergerechtheit<br />

- langfristig: Freilandhaltung in Familiengruppen mit Hütten und Suhlen<br />

Irene Wiegand<br />

Erstellungsdatum: Oktober 2009<br />

Letzte Aktualisierung: 11. Mai 2013

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