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Nützliche Hinweise bei Geschädigten mit HWS-Schleudertrauma

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Nützliche <strong>Hinweise</strong> <strong>bei</strong> Geschädigten <strong>mit</strong> <strong>HWS</strong>-<strong>Schleudertrauma</strong><br />

Gewaltsame Einwirkungen auf den Halswirbelsäulenbereich können dazu führen, dass die<br />

Substanz der betroffenen Körperteile sichtbar beschädigt wird, z.B. wenn es zu<br />

Knochenbrüchen, Wirbelverschiebungen, Bandscheibenvorfällen und Bänder- oder<br />

Muskelrissen kommt. In vielen Fällen, vor allem wenn es sich um Weichteilverletzungen handelt,<br />

wie z.B. Distorsionen, Zerrungen und Quetschungen von Muskeln und Nervenbahnen, können<br />

Substanzschäden <strong>mit</strong> Hilfe der zur Zeit bekannten Bild gebenden Verfahren nicht einwandfrei<br />

festgestellt werden. Eine Verletzung lässt sich deshalb sehr oft nur durch die<br />

Funktionsstörungen, die sich <strong>bei</strong> den von ihr betroffenen Organen zeigen, und durch die für den<br />

Verletzten daraus folgenden subjektiven Beschwerden erfassen. Diese Beschwerden müssen<br />

nicht sofort nach der gewaltsamen Einwirkung auf den Halswirbelsäulenbereich auftreten. Sie<br />

machen sich vielmehr sehr oft, vor allem <strong>bei</strong> leichteren Fällen erst nach einer gewissen<br />

Latenzzeit bemerkbar (vgl. sehr instruktiv Dr. Gerhard Dannert: „Rechtsprobleme <strong>bei</strong> der<br />

Feststellung und Beurteilung unfallbedingter Verletzungen der Halswirbelsäule“, in NZV 1999,<br />

453 f.).<br />

Dennoch sind Weichteilverletzungen häufig Folge eines Halswirbelsäulenschleudertraumas (vgl.<br />

Dr. Dannert, a.a.O.).<br />

Der Orthopäde Dr. Jörg Zeeh führt hierzu in der Zeitschrift „Orthopress“, Heft 1, 2002, Seite 16-<br />

17, Folgendes aus:<br />

„Grundsätzlich kommt es <strong>bei</strong> einer Beschleunigungsverletzung zu<br />

Verstauchungsverletzungen an den Weichteilen des Nackens. Das bedeutet, Muskeln,<br />

Sehnen, Bänder und die kleinen Nervenverbindungen in diesen Bereichen werden<br />

überdehnt. Diese Schädigungen sind nicht auf Röntgenaufnahmen oder MRTs<br />

darstellbar.“.<br />

Weichteilverletzungen im Bereich der Halswirbelsäule fallen schwerpunktmäßig in den Bereich<br />

der Neurochirurgie und – im Fall von hieran anknüpfenden psychischen Folgenschäden – in den<br />

Bereich der Neuropsychologie und Neuropsychiatrie ( vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.08.2000<br />

GZ: 6 U 149/99 in VersR 2002,448; Jörg Zeeh aa0 )..<br />

Sehr häufig wird übersehen, dass die Beschwerden infolge von Weichteilverletzungen zur so<br />

genannten „haftungsausfüllenden Kausalität“ gehört, für die das reduzierte Beweismaß des §<br />

287 ZPO gilt.<br />

Während gemäß § 286 ZPO der Geschädigte darlegen muss, dass der Schaden <strong>mit</strong> einer<br />

bestimmten Gewissheit, die jedoch nicht alle Zweifel ausschließen muss (vgl. BGH, VersR 1977,<br />

721), durch ein bestimmtes Ereignis verursacht wurde, ermäßigt § 287 ZPO das Beweismaß<br />

(vgl. z.B. BGH, NJW 1992, 2694, 2695; sowie OLG Hamm, Urteil vom 09. September 1993, 6 U<br />

58/89). § 287 ZPO erleichtert dem Geschädigten die Darlegungslast hinsichtlich der Kausalität.<br />

Die strengen Beweisanforderungen des § 286 ZPO beschränken sich auf die eigentliche<br />

Fahrzeugkollision und die eigentliche Schleuderbewegung, die im Rechtssinne bereits eine<br />

„Verletzung“ darstellt, da sie das körperliche Wohlbefinden fühlbar beeinträchtigt (sie ist<br />

angesichts der Stärke häufig <strong>mit</strong> einer Ohrfeige mindestens vergleichbar). Die Nervenreizung<br />

und die sonstigen Folgen unterliegen dagegen der Beweissenkung des § 287 ZPO. Die richtige<br />

Grenzziehung zwischen den <strong>bei</strong>den Beweismaßbereichen wird häufig prozessentscheidend<br />

sein. Bei der Abfassung der Beweisthemen ist den Verkehrsgerichten häufig vorzuwerfen, dass<br />

sie im Hinblick auf die Kausalität an das erhöhte Beweismaß des §286 ZPO anknüpfen.


2<br />

Geht man nach alledem davon aus, dass bereits nach dem strengeren Beweismaß im Sinne<br />

des § 286 ZPO der Geschädigte nicht eine <strong>mit</strong> an 100-%-ige Sicherheit grenzende<br />

Wahrscheinlichkeit, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit darlegen muss, die gewiss ist, ohne<br />

dass sie sämtliche Zweifel ausschließt, so genügt im Rahmen von § 287 ZPO eine<br />

Wahrscheinlichkeit, die man <strong>mit</strong> einer 51-%-igen Wahrscheinlichkeit beschreiben kann (vgl.<br />

BGH, NJW 1992, 2694, 2695 unten; sowie OLG Hamm, Urteil vom 09. September 1993, 6 U<br />

58/95; OLG Hamm, Urteil vom 20.06.01 GZ: 13 U 136/99 in VersR 2002, 491)..<br />

Das OLG Hamm, Urteil vom 09. September 1993, Aktenzeichen 6 U 58/95, hat das reduzierte<br />

Beweismaß des § 287 ZPO wie folgt formuliert:<br />

„Vielmehr kann es durchaus genügen, dass für die Kausalität eine überwiegende<br />

Wahrscheinlichkeit spricht. Diese Maßstäbe, die nicht nur für die Frage des<br />

Kausalzusammenhangs gelten, sondern (...) auch für die Frage, ob überhaupt und in<br />

welchem Umfang weitere Schäden vorhanden sind, werden von medizinischer Seite<br />

<strong>mit</strong>unter verkannt. Bisweilen legen auch medizinische Sachverständige <strong>bei</strong> der Frage<br />

nach unfallbedingten Folgeschäden einen zu strengen Maßstab an, der den<br />

gesetzlichen Beweiserleichterungen des § 287 ZPO nicht gerecht wird. Vor allem dann,<br />

wenn ein Sachverständiger <strong>bei</strong> der Beauftragung hierüber nicht ausreichend instruiert<br />

worden ist (z.B. wegen fehlerhaft formulierter Beweisfragen) bedarf ein<br />

Gutachterergebnis einer besonders kritischen Würdigung hinsichtlich des<br />

Beweismaßstabes. Im vorliegenden Fall hält der Senat eine Verursachung der<br />

Beschwerden der Klägerin durch den Unfall für deutlich wahrscheinlicher als eine<br />

unfallunabhängige Entwicklung.“.<br />

Abschließend noch etwas zu den psychischen Folgeschäden:<br />

Der BGH bekräftigt in der Regel die Haftung für seelisch bedingte Folgeschäden. Er neigt dazu,<br />

die Kausalität grundsätzlich zu bejahen und Schadenersatz für psychische Folgeerkrankungen<br />

anzuerkennen, wenn der Unfall den Auslöser für die psychischen Reaktionen des Geschädigten<br />

bildet ( vgl. BGH, Urteil vom 11.11.97 GZ: IV ZR 376/96 in VersR 98,201 und BGH, Urteil vom<br />

11.11.97 GZ: VI ZR 146/96 ).<br />

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