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Dracontius' Konzeption des Kleinepos De raptu Helenae

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366 Gerlinde Bretzigheimer<br />

durch die Reminiszenz an einen weiteren illustren geistigen Ahnen.<br />

Wasser- und Wegmetaphorik begegnen in der Literatur oft gemeinsam,<br />

seit Kallimachos seinen Vorsatz verkündet hat, einen<br />

neuen, wenngleich engen Weg statt der ausgetretenen, breiten Bahn<br />

zu suchen (ait. 1,1,25–28) 14 . So scheint mir, auch Dracontius könne<br />

diese Kombination beabsichtigen und das Wegmotiv verwenden,<br />

um seine Position im Spannungsfeld zwischen Traditionalismus<br />

und Originalität anzudeuten. In Neuland will er nicht vorstoßen<br />

(bekannter Stoff, Anschluss an Vorbilder), und <strong>des</strong>halb scheidet der<br />

Topos via non trita aus. Steht die viel diskutierte programmatische<br />

Formulierung (aggrediar meliore via, 3) 15 in diesem Zusammenhang,<br />

dann muss sie wohl besagen: keine Neuerung durch Aus -<br />

brechen aus der Tradition, sondern eine Verbesserung im Sinne der<br />

aemulatio, und wird zum einen die komplexe Ausgestaltung <strong>des</strong><br />

Themas zu einem <strong>Kleinepos</strong> meinen, die Kombination unterschiedlicher<br />

Elemente und Kontamination verschiedenster Quellen<br />

zu einem Gesamtgefüge, zum anderen die persönlichen Akzentuierungen<br />

bis ‚Berichtigungen‘ <strong>des</strong> überkommenen Materials 16 .<br />

14) Dazu Wimmel 1960, 103–111, Kambylis 1965, 155–162. Für das Fort -<br />

leben <strong>des</strong> Topos zeugt z. B. Nemes. Cyn.: Castaliusque [sc. Apollo] mihi nova pocula<br />

fontis alumno / ingerit (5 f.); ducitque per avia, qua sola numquam / trita rotis<br />

(8 f.).<br />

15) Ein Überblick über die unterschiedlichen <strong>De</strong>utungen bei Wolff 1996, 115<br />

Anm. 3, Simons 2005, 286 f., 292 f., Weber 1995, 235–238, vgl. Anm. 16. Die Konjektur<br />

von Ribbeck 1873, 462 maiore via („Gedicht von größerem Umfang“) fand<br />

keine Akzeptanz. – Bei den anschließenden Versen 7–10 über den Anteil von Mutter<br />

und Vater bei der Zeugung eines Kin<strong>des</strong> (dazu Simons, 2005, 224–226) könnte<br />

man zunächst vermuten, seine ‚Verbesserung‘ bestehe in einer Bereicherung <strong>des</strong><br />

Sagenguts mit naturphilosophischen Reflexionen.<br />

16) Ähnlich Barwinski 1888, 6 f. (Abweichung von den Quellen und Neuerung)<br />

und Weber 1995, 235 („literarischer Anspruch und experimentelle Neuerung“).<br />

Die Ankündigung einer Moralintention sehen in der Wendung Provana<br />

1912, 64 f. [42 f.], Bertini 1974, 90, Romano 1959, 34. Simons 2005, 287 macht bei<strong>des</strong><br />

geltend, eine neuartige Zusammensetzung bestehender Motive und eine Ausrichtung<br />

an ethischen Normen. Diaz 1978, 126–128 negiert Moralabsicht und literarische<br />

Neuerung und erklärt den Ausdruck von seiner Gesamtthese her, nach<br />

der Romul. 8 und 9 den Anfang eines epischen Ensembles über den Beginn <strong>des</strong> römischen<br />

Reichs bildeten. (Kritische Stellung zu dieser nehmen Bouquet / Wolff<br />

1995, 22–24 und weitere, im Forschungsüberblick von Simons 2005, 291 Anm. 219<br />

genannte Autoren.) <strong>De</strong>r Leser <strong>des</strong> Einzelwerks kann m. E. die einleitende Wegmetapher<br />

nicht in diesen Zusammenhang bringen und das thematisierte Verbrechen<br />

nicht als Mittel zu einem höheren Zweck verstehen. Ebenso wenig dürfte für ihn

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