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Wertebildung oder Werteerziehung? - Religionspädagogisches ...

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Von Hoffmanns Struwwelpeter lässt sich lernen, sehr genau abzuwägen, an<br />

welchen Stellen Autoritätspersonen eingesetzt werden, um den Wert von Werten zu<br />

vermitteln. Im Unterschied zu Kohlbergs Stufentheorie setzt Hoffmann darauf, dass<br />

schon kleine Kinder Gründe für moralisches Handeln, für Werte, verstehen können.<br />

Lehrende müssen sich deshalb die Mühe machen, Kindern diese Gründe verständlich<br />

zu machen. Dies hat allerdings zur Voraussetzung, dass sie sie selbst verstehen.<br />

Alle drei Konzepte stehen demnach für unterschiedliche Varianten eines<br />

moralischen Lernens als Selbstbindung aus Einsicht. Sie schließen sich keineswegs<br />

wechselseitig aus, sondern ergänzen sich und sind offen für Erweiterungen.<br />

Wie jedes Lernen, so führt auch moralisches Lernen nicht zur Perfektheit,<br />

sondern ist bestenfalls Ausdruck des Bemühens um Vervollkommnung. Um ein<br />

Weiterlernen, Umlernen, Neulernen, Verwerfen kommen Menschen auch auf dem<br />

Gebiet der Moral, also jenes Handlungsfeldes, wo es um die Werte und Normen in<br />

Frage stehen, die als Richtschüre eigenen guten Handelns sind, nicht herum.<br />

Enttäuschungen, in einer Erweiterung des Oserschen Gedankens durchaus auch<br />

über eigenes moralisches Versagen, kann hier Anlass eines weiteren moralischen<br />

Lernens sein – die Bedeutung des „Gewissens“ und einer „Gewissensbildung“ für<br />

moralisches Lernen sei deshalb zum Abschluss zumindest noch angedeutet (vgl. Weiß<br />

2004).<br />

Eine Begebenheit, in deren Zentrum wiederum Wieland Herzfelde steht, kann<br />

das an einer Extremsituation veranschaulichen. Stefan Heym und Wieland Herzfelde<br />

mussten beide vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen und emigrierten<br />

zunächst nach Prag, wo sie sich an einem literarischen Stammtisch für deutsche<br />

Exilanten kennenlernten. Herzfelde ging später weiter in die Sowjetunion und von<br />

dort in die USA. Heym direkt in die USA. Im Ostberlin der frühen fünfziger Jahre<br />

trafen sie sich wieder und Herzfelde berichtete über das Geschick der Freunde und<br />

Genossen, die damals in Prag im Cafe Continental beisammen waren. Auf die Frage<br />

nach Ernst Ottwalt, dem Oberhaupt der Tafelrunde, antwortete Herzfelde: Dass er<br />

ihn in Moskau dem Geheimdienst anzeigt habe, da dieser zum zweiten Mal ein<br />

Telegramm bekommen habe, mit der Mitteilung, dass sein Vater gestorben sei, ein<br />

Vater aber nur einmal sterben könne (vgl. Heym 1990, 545).<br />

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