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DRITTES KAPITEL Finanzsystem auf der Intensivstation

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Reaktion <strong>der</strong> Zentralbanken 131<br />

tiplen Bankinsolvenzen ausweiteten. Zudem garantierte die Umsetzung <strong>der</strong> Operationen, dass die<br />

mit <strong>der</strong> Wahrung von Finanzmarktstabilität verbundenen Maßnahmen nicht entscheidend zu den<br />

zur Umsetzung <strong>der</strong> geldpolitischen Ziele notwendigen Operationen im Wi<strong>der</strong>spruch standen.<br />

In normalen Zeiten besteht das wesentliche Ziel <strong>der</strong> Liquiditätsoperationen von Zentralbanken<br />

darin, zu garantieren, dass sich <strong>der</strong> Zinssatz, zu dem sich Banken kurzfristig Geld leihen, möglichst<br />

nahe bei dem <strong>auf</strong> Basis makroökonomischer Zielsetzungen bestimmten Leitzins bewegt.<br />

Üblicherweise wird die Festsetzung dieses Leitzinses als Geldpolitik, die Bereitstellung von Liquidität<br />

als Umsetzung <strong>der</strong> Geldpolitik verstanden. Während einer Finanzkrise tritt neben dieses<br />

Ziel die Notwendigkeit, den zusätzlichen Liquiditätsbedarf des <strong>Finanzsystem</strong>s soweit zu akkomodieren,<br />

dass es nicht zu einer Situation kommt, in <strong>der</strong> eine solvente Institution zahlungsunfähig<br />

wird und die Gefahr von Dominoeffekten stark ansteigt. Dabei muss vermieden werden, dass es zu<br />

starken Abweichungen <strong>der</strong> kurzfristigen Zinssätze vom Leitzins o<strong>der</strong> zu einer mit dem Ziel <strong>der</strong><br />

Preisniveaustabilität nicht zu vereinbarenden Ausweitung <strong>der</strong> Geldmenge kommt.<br />

190. Gleichwohl gelang es den Zentralbanken nicht, das Stressniveau <strong>auf</strong> den Märkten in einem<br />

Ausmaß zu stabilisieren, das mit einer dauerhaften Wie<strong>der</strong>herstellung des Vertrauens in die Stabilität<br />

des Systems einhergegangen wäre. Insbeson<strong>der</strong>e blieben die Zins<strong>auf</strong>schläge an den Interbankenmärkten<br />

<strong>auf</strong> einem Niveau, das nicht nur die Refinanzierung von Finanzinstitutionen,<br />

son<strong>der</strong>n auch die reibungslose Transmission <strong>der</strong> Geldpolitik erschwerte. Bis September 2008<br />

konnte allerdings eine extreme Zuspitzung verhin<strong>der</strong>t werden, weil das fehlende Vertrauen in das<br />

System zunehmend durch die Überzeugung ersetzt wurde, dass geld- und fiskalpolitische Entscheidungsträger<br />

es nicht zuließen, dass die Probleme einer Institution einen Zusammenbruch des<br />

ganzen Systems auslösten. Dieses än<strong>der</strong>te sich mit <strong>der</strong> Insolvenz <strong>der</strong> Investmentbank Lehman<br />

Brothers.<br />

191. Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> anhaltend hohen Nervosität an den Märkten wird schließlich gefragt,<br />

warum es den großen Zentralbanken nicht gelang, die Lage dauerhaft zu beruhigen. Es zeigt<br />

sich, dass Beschränkungen im institutionellen und operativen Bereich die Handlungsmöglichkeiten<br />

und Erfolgsaussichten <strong>der</strong> Zentralbanken zwar begrenzten, dass sie jedoch als Erklärungsansatz für<br />

die Zuspitzung bei Weitem nicht ausreichen. Vielmehr kam es zu dem in vielen schwerwiegenden<br />

Finanzkrisen typischen Übergang von zentralbankpolitischem zu finanzpolitischem Krisenmanagement.<br />

1. Zentralbankpolitische Maßnahmen zur Bewältigung <strong>der</strong> Krise<br />

192. Nachdem die französische Bank BNP Paribas im August 2007 angekündigt hatte, einen Teil<br />

ihrer Wertpapiere wegen fehlen<strong>der</strong> Marktliquidität nicht mehr bewerten zu können, traten erhebliche<br />

Verspannungen <strong>auf</strong> dem Geldmarkt <strong>auf</strong>. Bei drastisch sinkenden Umsätzen erhöhten sich die<br />

Zinssätze für unbesicherte Kredite zwischen Banken sprunghaft, weil die verleihenden Banken<br />

einen Ausfall <strong>der</strong> jeweiligen Gegenpartei befürchteten und als Vorsichtsmaßnahme Liquidität horteten.<br />

Für viele Banken hatte dies erhebliche Liquiditätsprobleme zur Folge, da sie einen Teil<br />

ihrer längerfristigen Kredite durch Überrollen von kurzfristigen Verbindlichkeiten finanzierten,<br />

<strong>der</strong>en Verfügbarkeit und Verzinsung meist von den Interbankenmärkten abhängt. Außerdem mussten<br />

ihre Zweckgesellschaften wegen des Zusammenbruchs des Markts für ABCP die ihnen eingeräumten<br />

Kreditlinien ziehen, was für weiteren Liquiditätsbedarf sorgte. Um Engpässen vorzubeugen,<br />

halfen die Notenbanken mit zusätzlicher kurzfristiger Liquidität.

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