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mega beta<br />

August 2013<br />

„Tennis, P p & Anmachsprüche für Veganer“<br />

Die<br />

Psychopathin<br />

von<br />

Nebenan<br />

Alex Gross<br />

Sam Vaknin: iPsychopath // Ist dein Nachbar<br />

Psychopath? // Miniposter: Abenteuer Alltag mit<br />

Riesenhafte Yen i<br />

32 März 13 Heimat


INTRO<br />

Wir<br />

müssen<br />

reden!<br />

Fenster, untätiges Träumen in hügelloser<br />

Landschaft. Also, alles in allem: schon ein<br />

bisschen langweilig. MEGABETA dagegen<br />

ist eine respektlos freche Großstadtratte,<br />

intelligent, informiert, bejahend was ihr<br />

so passt und wegferfend wessen sie überdrüssig<br />

geworden ist. MEGABETA ist<br />

Non-Aachen, alles was an aufmüpfigem,<br />

satirsch riskantem, elitär hochtrabendem<br />

bisher in MOVIEBETA zwar auch vorhanden,<br />

aber versteckt war. Und zwar viel zu<br />

gut versteckt, denn man musste in den Ausgaben<br />

die coolen, dem heiligen Wahnsinn<br />

geschuldeten Inhalte immer erst mühsam<br />

suchen. Jetzt nicht mehr. Mit eigenem Cover<br />

wird bei MEGABETA alles, was wirklich<br />

Relevanz und einen Schwanz hat, dem<br />

Leser unzweideutig ans Gehirn genagelt.<br />

mega beta<br />

August 2013<br />

„Muskeln, P p & Clever sparen“<br />

Die<br />

Psychopathin<br />

von<br />

Nebenan<br />

Ich finde die grünlich-gelbe Drainageflüssigkeit,<br />

die manchmal aus den Nasenlöchern<br />

meiner Mitmenschen austritt,<br />

weitaus ekliger als A-a. Warum das so ist,<br />

glaube ich, dank gründlicher Selbsterforschung,<br />

auch zu wissen und würde das hier<br />

gerne darlegen, wenn es mir nicht von unserer<br />

Anzeigenabteilung verboten worden<br />

wäre.<br />

Deshalb also zu etwas völlig anderem. Vor<br />

10 Jahren brachten coole Menschen, vornehmlich<br />

aus dem englischsprachigen<br />

Raum, ihr postmodernes Selbst zum schillern,<br />

indem sie halbironische, ins Paradoxe<br />

verschärfte Redewendungen lässig fallen<br />

ließen: „quiet is the new loud“ oder „small<br />

is the new big“ usw. Spätestens seit dem<br />

2007er Album von Jonathan Byrd: „this is<br />

the new that“, hat sich das aber totgelaufen.<br />

Inzwischen findet man die Phrase nur<br />

noch in mäßig coolen Damenverblödungsblättern<br />

wie Gala: „spießig ist das neue sexy“<br />

oder „grau ist das neue blond“ (Brigitte<br />

Woman) oder eben – Überraschung! – in<br />

unserem bescheidenen Brevier der Trends<br />

von Vorvorgestern, in MOVIEBETA. Tatsächlich<br />

steht hier in dokumentenechtem<br />

schwarz auf weiß der etwas peinliche Satz<br />

abgedruckt: „MEGABETA ist das neue<br />

MOVIEBETA.“ Der tiefere Sinn dieser<br />

Formel erschließt sich aber sogleich: MO-<br />

VIEBETA ist Aachen, Kulturtermine, Kino,<br />

Altvertrautes, Provinz, Melancholie, die<br />

Staubschicht auf dem Süßigkeitenteller,<br />

gedankenverlorenes Sitzen am einsamen<br />

Die Namenssuche hat fast ein Jahr lang gedauert.<br />

Die allererste Idee war MEGABE-<br />

TA, als naheliegende Verballhornung von<br />

MOVIEBETA, deren ranschmeißerischer,<br />

primitivzeitgeistiger Größenwahn (Mega)<br />

in ein und demselben Wortpaar in eleganter<br />

Weise ad Absurdum geführt wurde (Beta).<br />

Aber, es klang irgendwie nicht gut. Deshalb<br />

begab sich das Projekt in eine fruchtlose<br />

Unentschlossenheitsschleife. Index, Plan B,<br />

Betamag oder einfach nur Beta wurden erwogen<br />

und wieder verworfen. Das geradezu<br />

biblische Ausmaß unserer Verzweiflung,<br />

zeigte sich in der bodenlosen Blödheit der<br />

allen Ernstes ins Spiel gebrachten Idee, Indaix<br />

mit „aix“ zu schreiben, weil man so geschrieben,<br />

damit eine eigene .de-Domain<br />

bekommen könnte.<br />

Einer der allerherrlichsten Namen, der es<br />

fast geschaffte hätte und der uns nach dem<br />

zwanzigsten Wein beim Weihnachtsessen<br />

eingefallen ist, lautete: Dein Supergratis.<br />

Von allen Alternativen wurde diese am<br />

ernsthaftesten erwogen. Der kühne Hasardeusritt<br />

mitten ins Herz der Finsternis des<br />

megaschwachsinnigen Zeitgeistballaballa<br />

klang einfach zu verführerisch. Rich Boy/<br />

Bich Roy (siehe Interview mit Sam Vaknin)<br />

schickte begeistere Eildepeschen aus<br />

Leipzig: “Jaaa! Enthirnte Konsumeuphorie<br />

ist der Weg!“ Obwohl wir es vom eilig<br />

eingeschalteteten Patentanwalt schriftlich<br />

bekamen, dass von den rechtmäßigen Alleinbesitzern<br />

und quasi „Erfindern“ des<br />

Wortes Super im lokalen Zeitungsmarkt<br />

kein ernsthaftes Ungemach zu drohen<br />

schien, haben wir uns aus rein praktischen<br />

Erwägungen für das pflegeleichtere ME-<br />

GABETA entschieden.<br />

Unsere heiligste Pflicht wird es sein, mit allen<br />

Mitteln von Satire, gehobenem Schund,<br />

und universalpoetischem Zartgefühl den<br />

08/13 „Wissen, Sex und Semiotik“<br />

Die Psychopathin von Nebenan<br />

Die Psychopathin<br />

von Nebenan


wirklich bedeutenden Menscheitsfragen<br />

nachzugehen. Dies ist keineswegs selbstverständlich.<br />

Während unsere Generationgenossen<br />

beim langen Marsch in den Arsch<br />

(Wiglaf Droste) längst das braune Gold gehobener<br />

Lebensart zutage gefördert haben,<br />

und dieses so unglaublich arriviert, erwachsen<br />

und weinkennerhaft aufführen, dass es<br />

einem graust, stehen wir immer noch vor<br />

derselben Frage wie anno 1979: Warum<br />

Sam Vaknin: Psychopath unseres Vertrauens<br />

schmerzt ein Mädchenlächeln mehr und<br />

tiefer innen, als ein Darmaparasit mit Messern<br />

anstatt Zähnen? Und: Kann man so<br />

ein Lächeln einpacken und mit nach Hause<br />

nehmen? Wie ist so ein betörender Schmunzelzauber<br />

einwandfrei zu deuten? (Geduld,<br />

zur Psychopathologie des Mädchenlächelns<br />

kommen wir in wenigen Augenblicken.)<br />

Auf jeden Fall reicht die vorliegende Weltliteratur<br />

zur Lösung solcher Schicksalsfragen<br />

bei weitem nicht aus und wird deshalb logischerweise<br />

mit hochwertigen Erkenntnisangeboten<br />

von MEGABETA ergänzt.<br />

Stellen wir uns für den Anfang folgende<br />

Frage: Wie erkenne ich eigentlich eine Psychopathin?<br />

Liest man Depeschen, wie die folgende, erschließt<br />

sich der psychopathische Anteil<br />

nicht auf den ersten Blick: „Ich bin dir für<br />

die Kommunikation unendlich dankbar (ein<br />

besseres Wort finde ich gerade nicht, auch<br />

wenn ich weiß, dass Unendlichkeit ein dummer<br />

Irrtum ist). Die hat mir wahnsinnig viel<br />

Kraft gegeben. Ich weiß gar nicht, ob ich das<br />

ohne deinen Beistand und deine Präsenz so<br />

gut geschafft hätte. Du Vollidiot!“ Hier ist<br />

handfeste Lebenshilfe und kunstvolle Textauslegung<br />

von Nöten, allerdings erst im<br />

nächsten Heft. Aus Platzgründen beschränken<br />

wir uns hier auf das viel ausführlicher<br />

als ursprünglich geplant verlaufene Interview<br />

mit einem der berühmtesten Psychopathen<br />

des Internet, Sam Vaknin. Dieser<br />

amtlich mit „Narcissistic Personality Disorder“<br />

(NPD) diagnostizierte Gesitesgestörte<br />

betreibt einen klugen, entwaffnend ehrlichen<br />

Blog: http://samvak.tripod.com.<br />

Was den Psychopathen vom Psychotiker<br />

unterscheidet, ist das Fehlen jeglicher<br />

Einfühlungskraft für die Gefühle Anderer.<br />

Die sentimentalen Anwandlungen seiner<br />

Mitmenschen, wertet der Psychopath<br />

als Schwäche und nutzt sie zur Manipulation<br />

eben dieser Mitmenschen. Dies ist oft<br />

gepaart mit Charme und Intelligenz, so dass<br />

man meinen könnte, dieses Krankheitsbild<br />

sei eigentlich die beste Zugangsvoraussetzung<br />

für gesellschaftlichen Erfolg in unserer<br />

Ellenbogengesellschaft. Nun ist der Anteil<br />

an Psychopathen in gesellschaftlichen Führungspositionen<br />

überdurchschnittlich hoch,<br />

aber nicht absolut. Das liegt u.a. daran, dass<br />

Psychopathen schnell gelangweilt sind, ständig<br />

neue Kicks brauchen und deshalb schwer<br />

eine Sache zu Ende bringen können. All dies<br />

erklärt uns Sam geduldig und brillant im<br />

Gespräch.<br />

Ähnlich wie man im Umgang mit schizoiden<br />

Psychotikern sehr viel im positiven<br />

Sinn über Körperwahrnehmung und Kreativität<br />

lernen kann, hat der schmerzhafte Umgang<br />

mit Psychopathen, die einen verführen,<br />

benutzen und wieder ausspucken, entscheidendes<br />

über das oben genannte Mysterium<br />

des Mädchenlächelns mitzuteilen.<br />

In Wirklichkeit lieben wir ja niemanden, nie.<br />

Wir lieben allein die Vorstellung, die wir von<br />

jemandem haben. Unsere eigene Idee - uns<br />

selbst also - lieben wir. Das gilt für die ganze<br />

Bandbreite der Liebe. In der sexuellen<br />

Liebe suchen wir unser Vergnügen vermittels<br />

eines fremden Körpers. In der nichtsexuellen<br />

Liebe suchen wir unser Vergnügen<br />

vermittels unserer Vorstellung. Der Onanistist<br />

ist im Grunde der vollkommene logische<br />

Ausdruck des Liebenden. Psychopathen bilden<br />

als Virtuosen der Onanie und Experten<br />

im Sich-selber-lieben die quasi-Avantgarde<br />

der emanzipierten Autoerotik des 21. Jahrunderts.<br />

Laut Sam ist die Zukunft der Gesellschaft<br />

eindeutig narzisstisch. Virtuelle<br />

Beziehungen mit semi-realen Spiegelwesen<br />

vom einsamen Bedienpult der heimischen<br />

Schnittstelle zu nichts und niemandem.<br />

Schade. Wir hätten uns doch besser DEIN<br />

Supergratis nennen sollen.<br />

Gabor Baksay<br />

Dein<br />

Supergratis!<br />

Elviserscheinungen<br />

in Maastricht<br />

MEGABETA<br />

RELeaSe PARTY<br />

Mit Starship Kowalski<br />

& B-Yond & David Joost<br />

Samstag 31.08<br />

20 Uhr<br />

Hotel Europa


SympAthy for the Devil<br />

Interview mit Sam Vaknin // Von Bich Roy<br />

Wer verstehen will, was sich hinter den emotional<br />

aufgeladenen Begriffen „Psychopath“<br />

und „Narzisst“ verbirgt (alle Psychopathen sind<br />

auch Narzissten), wendet sich am besten an<br />

Sam Vaknin.<br />

Der in Israel geborene Publizist und bekennende<br />

Sadist bietet entwaffnend ehrliche<br />

Einblicke in die Geisteswelt von Tätern und<br />

Opfern. Als Autor der Aufklärungsschrift<br />

„Malignant Self Love - Narcissism Revisited“<br />

erfreut er sich als Internet-Berühmtheit allerhöchster<br />

Aufmerksamkeit.<br />

MEGABETA-Forensikbeauftragter Bich Roy<br />

hat den schillernd-eloquenten Narzissten um<br />

eine Audienz ersucht und wurde - erhört.<br />

Roy: Sie sind ein diagnostizierter Psychopath<br />

und Narzisst. Stimmt das so?<br />

Sam: Ich bin zweifach diagnostizierter Narzisst,<br />

allerdings kein lupenreiner Psychopath, wobei<br />

ich letzterem sehr nahe kam, ich habe da ein paar<br />

Punkte nicht erfüllt. Allerdings werde ich als psychopathischer<br />

Narzisst eingestuft – ein Mensch<br />

mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, der eine<br />

signifikante Menge psychopathischer Eigenschaften<br />

und Verhaltensmuster aufweist.<br />

Roy: Das interessante an Ihnen ist ja, dass Sie<br />

Informationen und Hilfestellung für Leute anbieten,<br />

die mit solchen Störungen konfrontiert werden<br />

– für die Betroffenen selbst, aber speziell<br />

auch für deren Opfer.<br />

Sam: Hauptsächlich für die Opfer, so sieht es<br />

aus.<br />

Roy: Wie lange leben Sie schon im Bewusstsein<br />

Ihrer pathologischen Situation?<br />

Sam: Zum allerersten mal habe ich meine Diagnose<br />

im Gefängnis akzeptiert. Ein Gefängnispsychiater<br />

diagnostizierte mich. Ich war ganz<br />

unten, am Tiefpunkt meines Lebens, hatte meinen<br />

Besitz und mein Geld verloren, meine Frau<br />

hatte mich verlassen, meine Ausreden waren<br />

zerbröckelt. Ohne meine Rechtfertigungen war<br />

ich endlich in der Lage, der Wahrheit ins Auge<br />

zu sehen. Das war um 1995.<br />

Roy: Sie sagten einst, ihre Diagnose zu akzeptieren,<br />

fühlte sich wie eine Erleichterung an und<br />

habe Ihnen sehr geholfen. Wie hat sich das auf<br />

ihr Leben ausgewirkt?<br />

Sam: An meiner psychodynamischen Umgebung<br />

hat sich nichts verändert. Ich bin nach wie<br />

vor genauso bösartig, ein gemeingefährlicher<br />

Narzisst und hochpsychopathisch. Aber jetzt<br />

beherrsche ich die Bedienungsanleitung. Zuvor<br />

war ich mir nur bewusst, dass da gewisse<br />

Prozesse in mir statt fanden, die bestimmte Ergebnisse<br />

hervorbrachten die ich nicht erklären<br />

konnte. Mit der Diagnose gab es eine Bezeichnung,<br />

zu der Bezeichnung gab es Literatur und<br />

mit der Literatur kamen höhere Verständnisebenen,<br />

Erkenntnispfade. Das brachte mir zweierlei:<br />

Gesundes Selbstbewusstsein, was ich nie zuvor<br />

hatte, und die Möglichkeit narzisstische Nahrung<br />

(„narcissistic supply“) in einer gesellschaftlich<br />

akzeptierten Art und Weise zu beziehen.<br />

Roy: Tun Sie das durch Ihre Arbeit? Helfen Sie<br />

den Opfern von Narzissten, um selbst narzisstische<br />

Bestätigung zu beziehen?<br />

Sam: Diese Bestätigung zu beziehen, ist keine<br />

Arbeit für mich, es ist die wichtigste Dynamik<br />

der narzisstischen Persönlichkeit. Der Narzisst<br />

braucht Aufmerksamkeit, bevorzugt postitive, wie<br />

Bewunderung und Verehrung, um seinen labilen<br />

und schwankenden Selbstwert zu stabilisieren.<br />

Wobei die Aufmerksamkeit nicht zwingend positiv<br />

sein muss um ihren Zweck zu erfüllen. Es ist<br />

ein innerer Zwang, keine Arbeit. Auf jeden Fall<br />

erhalte ich narzisstische Bestätigung, indem ich<br />

mein Wissen über die Narzisstische Persönlichkeitsstörung<br />

verbreite und mit Opfern in Verbin-<br />

Illustrationen: Cosmic Nuggets


dung trete, was durchaus sozialverträglich ist. Ausserdem muss ich keine<br />

Verbrechen mehr begehen oder Menschen sadistisch Schmerzen zufügen<br />

– das bedeutet weniger unangenehme Konsequenzen für mich und natürlich<br />

einige Vorteile für die Gesellschaft.<br />

Roy: Ist das eine altruistische Lösung?<br />

Sam: Nein, überhaupt nicht. Die Opfer sind mir scheißegal, ich brauche<br />

narzisstische Bestätigung, also tausche ich diese gegen mein beträchtliches<br />

Fachwissen ein.<br />

Roy: Leiden Sie weniger unter Ihrem Zustand, seit sie sich mit der Gesellschaft<br />

derart arrangiert haben?<br />

Sam: Nein, ich leide nicht weniger. Die Voraussetzungen sind dieselben,<br />

es bleibt stabil. Es ist dasselbe, wenn nicht schlimmer. Die Mittel haben<br />

sich geändert, ich habe die Werkzeuge getauscht, mit denen ich aber<br />

nach wie vor die selben Häuser baue. Ich leide immernoch unter allen Erscheinungsformen<br />

meiner Störung. Narzissmus ist, als würde man sich<br />

selbst überlassen in einem Raumschiff wiederfinden, auf dem Weg nach<br />

Nirgendwo, als einziger überlebender Astronaut, alle anderen tot. Das ist<br />

ein sehr solistischer und furchterrregender Zustand. Der<br />

Narzisst kann andere nicht als vollwertige menschliche<br />

Wesen begreifen, sie sind für ihn wie ausgeschnittene<br />

Pappfiguren oder wie Figuren aus einem Comic-Strip,<br />

sie sind Versorgungsquellen, Funktionen. Dem Narzissten<br />

fehlt Empathie, und durch Empathie interagieren<br />

Menschen miteinander. Das Einfühlungsvermögen errichtet<br />

Brücken und befähigt uns, diese zu überqueren<br />

und reale Kontakte zu knüpfen, oder das, was wir dafür<br />

halten. Dem Narzissten fehlen diese Brücken, er lebt auf<br />

einer Insel. Er kann deshalb nicht wahrnehmen, dass er<br />

nicht alleine ist. Das ist sehr sehr beängstigend.<br />

Roy: Und wenn man diese Pappfiguren, die menschlichen<br />

Quellen narzisstischer Nahrung, tatsächlich wegnehmen<br />

würde? Kann ein Narzisst ohne die Bestätigung<br />

anderer existieren?<br />

Sam: Ein pathologischer Narzisst ist zwingend auf<br />

die Bestätigung anderer angewiesen und er hasst das<br />

damit verbundene Abhängigkeitsgefühl, weil es nicht in sein Selbstbild<br />

der Omnipotenz, des Allwissenden, Großartigen, Perfekten passt. Diese<br />

Selbstwahrnehmung ist ein unausweichlicher Teil seiner Persönlichkeitsstörung.<br />

Einerseits fühlt er sich als „Übermensch“, andererseits haben andere<br />

Menschen Macht über ihn. Wie soll man das in Einklang bringen?<br />

Diese Zerrissenheit zwischen dem Anspruch gottgleich zu sein und der<br />

Gewissheit, in absoluter Abhängigkeit zu leben, ist Ursache für diverse<br />

Verhaltensauffälligkeiten.<br />

Roy: Gibt es gewisse gesellschaftliche Nischen, in denen sich Narzissten<br />

verstärkt ansiedeln? Positionen, in denen sich ihre Kaltblütigkeit auszahlt?<br />

Sam: Narzissten werden von Berufen und Ämtern angezogen, die ihnen<br />

Macht über andere Menschen geben. Wo sie über deren Schicksale entscheiden<br />

und ihre Aufmerksamkeit erzwingen können. So trifft man Narzissten<br />

in der Unterhaltungsindustrie und auf Bühnen, im Medienbereich,<br />

in Politik und Rechtsprechung, der Exekutive und im Klerus, in Kirchen an<br />

– wo immer sich ein Publikumsauflauf findet, der sich in Geiselhaft nehmen<br />

lässt und den Narzissten mit seiner Nahrung versorgt – weil man ihm<br />

zuhört und seine Weisungen befolgt. Ja, in solchen Bereichen sind Narzissten<br />

wohl überrepräsentativ vertreten.<br />

Roy: Bei all der Affinität für Machtpositionen - Könnte es sein, dass wir von<br />

Narzissten regiert werden?<br />

Sam: Es ist gut möglich, dass Narzissmus unter Politikern stärker ausgeprägt<br />

ist, als in der Durchschnittsbevölkerung, aber ich würde das nicht<br />

verallgemeinern und behaupten, dass alle Politiker Narzissten sind. Natürlich<br />

müssen sie alle narzisstische Züge und Verhaltensweisen aufweisen<br />

- und einige von ihnen leiden sicherlich an einer voll ausgebildeten Narzisstischen<br />

Persönlichkeitsstörung.<br />

Roy: Waren Sie schon immer Narzisst?<br />

Sam: Man wird nicht als solcher geboren, womöglich gibt es eine genetische<br />

Prädisposition, doch müssen gewisse Dinge in der Kindheit und<br />

Jugend eintreten, um die entsprechende Entwicklung anzustoßen. Missbrauch<br />

und traumatische Erfahrungen. Das kann sich in vielen Formen<br />

darstellen: Wenn man ein verzogenes Kind ist, von elterlicher Fürsorge erstickt<br />

wird, oder gezwungen, die Träume und Wünsche der Eltern zu verwirklichen<br />

– auch das sind Formen des Missbrauchs. Missbrauch in der<br />

Kindheit ist, wenn ein Kind nicht als eigenständiges, autonomes Wesen<br />

wahrgenommen wird, keine eigenen Grenzen entwickeln und keine eigenen<br />

Wünsche, Bedürfnisse, Vorlieben und Gefühle entwickeln kann; wenn<br />

Erziehung nur externe Ziele oktRoyiert, und dem Kind nicht erlaubt wird eine<br />

eigene Persönlichkeit zu entfalten. Narzissmus kann auch durch zu viel<br />

Aufmerksamkeit, Verwöhnen, zu viel Liebe entstehen.<br />

Roy: Können Sie sich noch daran erinnern wie es ist, kein Narzisst zu<br />

sein?<br />

Sam: Das ist eine wirklich gute Frage. Ich erinnere mich an eine Zeit, bevor<br />

ich Narzisst wurde, ich muss um die drei oder vier<br />

Jahre alt gewesen sein. Ich erinnere mich, dass mir ein<br />

IQ von über 180 diagnostiziert wurde, sehr hoch, was<br />

mir ermöglichte Resultate zu erzielen, die nicht altersentsprechend<br />

waren, meinem Alter voraus. In diesem<br />

Alter habe ich Erzählungen erfunden die später in meinen<br />

Narzissmus übergingen. Fiktive Geschichten über<br />

meine Allwissenheit, Erfindungen die sehr mächtig waren<br />

und daraus baute mir eine übermächtige Persönlichkeit<br />

wie aus Lego zusammen, die keinen Schmerz fühlen<br />

musste, wenn sie es nicht wollte. Ich erinnere mich, dass<br />

ich ein verzogenes Kind war, bewundert und geliebt wegen<br />

meiner ausserordentlichen Begabungen, erst von<br />

der Nachbarschaft, dann von der ganzen Nation (Israel,<br />

Anm. d. Verf.). So wurde ich ein verzogenes Gör. Später<br />

wurde ich schrecklichem körperlichen Missbrauch unterzogen,<br />

der bis zu meinem 16. Lebensjahr andauerte.<br />

Die Antwort auf die Frage lautet: Ja. ich erinnere mich an<br />

den exakten Moment, an dem ich beschloss, Narzisst zu sein.<br />

Roy: Können Sie sich an die empathischen Fähigkeiten erinnern, die in<br />

diesem Prozess verloren gingen?<br />

Sam: Nein, ich war zu jung um echte Empathiefähigkeit zu entwickeln.<br />

Roy: Und ein wenig Mitgefühl? Können Sie sich daran erinnern?<br />

Sam: Ich erinnere mich daran, mitfühlend gewesen zu sein. Dass ich weinte,<br />

wenn meine Mutter traurig war. Dass ich ein gutherziges Kind war. Ich<br />

habe meine Sachen verschenkt, versucht, die Gefühle anderer zu verstehen.<br />

Doch das sind nur Momentaufnahmen, die Schatten an der Wand aus<br />

Platons Höhlengleichnis. Ich erlebe diese Gefühle nicht mehr, habe keinen<br />

Zugang zu ihnen. Ich weiß nur, dass es sie gibt.<br />

Roy: Wächst der narzisstische Durst nach Aufmerksamkeit, sobald es<br />

mehr davon gibt? Ist es für Sie schlimmer geworden, seit sie mit ihren Veröffentlichungen<br />

und Ihrer Medienpräsenz im Fokus der Öffentlichkeit stehen?<br />

Sam: Ja, denn die Narzisstische Persönlichkeitsstörung ist wie Drogenabhängigkeit.<br />

Je mehr man davon bekommt, desto mehr muss man kriegen.<br />

Die Jagd nach narzisstischer Nahrung wird zum absoluten Zwang der<br />

sämtliche Lebensaspekte überlagert und bestimmt, der einen verschlingt.<br />

Genau wie Heroin. Es frisst dein Leben einfach auf. Der Harvard-Professor<br />

Millmann ist der Meinung Narzissmus kann auch noch im Erwachsenenalter<br />

hervorgerufen werden, wenn jemand plötzlich sehr erfolgreich wird, er<br />

nennt es erworbenen situativen Narzissmus („acquired situational narcissism“).<br />

Rockstars, erfolgreiche Geschäftsleute, angesehene Ärzte - von<br />

der Gesellschaft bewundert, von den Medien der Öffentlichkeit ausgeliefert,<br />

entwickeln nicht selten einen entsprechenden Zustand, ohne den entsprechenden<br />

Hintergrund in der Kindheit. Aus heiterem Himmel.


Foto: Tom Georgiev<br />

Roy: Gibt es viele Narzissten, die, von ihrer Geltungssucht getrieben, tatsächlich<br />

berühmt werden?<br />

Sam: Nach Millman ist jemand der berühmt ist, durch seinen Narzissmus<br />

zu diesem Punkt getrieben worden, oder er entwickelt durch die Begleiterscheinungen<br />

des Ruhms, des Stress und der Medienaufmerksamkeit eine<br />

Narzisstische Persönlichkeitsstörung. Das ist nicht die orthodoxe Lehrmeinung,<br />

die davon ausgeht, dass man als Erwachsener eine solche Störung<br />

nicht mehr entwickeln kann.<br />

Roy: Demnach ist Ruhm in jedem Fall eine schlimme und gefährliche Sache?<br />

Sam: Es ist eine Droge. Und Drogen machen dich zum Junkie – egozentrisch,<br />

unmoralisch, niemandem wirklich nahe stehend, bereit die eigene<br />

Mutter zu verkaufen, um Geld für die Droge zu bekommen. Narzissten sind<br />

getriebene Wesen und ihre Droge ist die narzisstische Zufuhr in Form von<br />

Bestätigung und Aufmerksamkeit und sie machen vor nichts halt, wenn<br />

es um die Beschaffung dieser Droge geht. Manche werden zu Serienmördern,<br />

andere werden Adolf Hitler oder Josef Stalin – beiden wurde<br />

eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Ohne die Droge<br />

löst der Narzisst sich auf und das ist sehr angsteinflößend. Ich habe das<br />

schon oft durchgemacht, kalten Entzug für die Seele. Die ganze Persönlichkeit<br />

beginnt sich zu zersetzen, Stein für Stein. Man fühlt sich wie Galatea<br />

von Dali, die Dame, die sich in Partikel auflöst. Einzelne Moleküle, und<br />

es gibt keinen Kleber der das Persönlichkeitskonstrukt zusammenhalten<br />

kann. Und es ist wirklich nichts vorhanden. Im Kern des Narzissten befindet<br />

sich ein riesiges Vakuum, eine unersättliche Leere, die ständiges Futter<br />

braucht, um existieren zu können. So erfindet der Narzisst eine Art Fake-<br />

Selbst, das alles darstellt, was er sein will, aber nicht kann: Es ist allwissend,<br />

allmächtig, perfekt, brilliant und gewinnt immer. Und das projiziert er<br />

nach aussen. Die Leute reagieren nur auf dieses Fake-Selbst, eine lebende<br />

Lüge. Im Versuch in dieser Lüge aufzugehen, opfert der Narzisst sein eigenes<br />

Wesen, sein wahres Selbst. Er geht einen Pakt mit dem Teufel ein:<br />

Gib mir Ruhm, Bestätigung, lass mich berüchtigt sein, bring mich ins Zentrum<br />

der Aufmerksamkeit – und du bekommst meine Seele.<br />

Roy: Also sind Narzissten ausgehöhlt und ihr wahres Wesen ist unwiederbringlich<br />

verloren?<br />

Sam: Es ist unmöglich, dem wieder Leben einzuhauchen. Alles was bleibt,<br />

ist die Lüge.<br />

Roy: Ist allen Narzissten bewusst, dass sie ein schillerndes Trugbild erschaffen<br />

haben, das sie jedoch nicht selbst sind? Dass sie es nur benutzen,<br />

um sich Aufmerksamkeit und Bestätigung zu angeln?<br />

Sam: Die große Mehrheit der Betroffenen verfügt nicht über diese Selbsterkenntnis.<br />

Sie glauben sie selbst zu sein. Trotzdem verspüren sie den latent<br />

nagenden Gedanken im Hinterkopf, dass sie falsch sind, betrügen,<br />

Schwindler sind. Aber sie wissen selbst nicht weshalb. Im persönlichen<br />

Gespräch könnte ein Narzisst vielleicht sogar sagen, dass er sich wie ein<br />

Betrüger fühlt und Angst hat entlarvt zu werden, er könnte jedoch nicht erklären<br />

warum. Das Fake-Selbst hat mit dem Betroffenen wenig zu tun, es<br />

ist eine gute, eine göttliche Gestalt, doch der Narzisst ist ein Mensch. Es<br />

kann da keine echte Verbindung geben. Der Narzisst möchte ein Gott werden,<br />

doch diese Bestrebung ist zum Scheitern verurteilt. Er weiß, wenn die<br />

Leute auf sein Fake-Selbst reagieren, dann reagieren sie auf die falsche<br />

Reklame, die falschen Daten die er ständig aussendet. Aber nur auf der<br />

unbewussten Ebene. Er ist sich nicht wissentlich darüber im Klaren. Nur<br />

im Unterbewusstsein spürt er, dass er ständig lügt und sich deshalb wie<br />

ein Betrüger fühlt.<br />

Roy: Ist der Leidensdruck derer, die sich ihres Zustands nicht bewusst<br />

sind, und der eines reflektierten Narzissten wie Ihnen vergleichbar? Leiden<br />

die weniger?<br />

Sam: Nein, Freud sagte schon, etwas zu wissen oder nicht zu wissen,<br />

ist bedeutungslos, wenn es keine emotionale Resonanz erzeugt. Das kognitive<br />

Element und die entsprechenden Emotionen sind voneinander<br />

getrennt. Narzissten haben unterdrückte Gefühle, insofern ist es nicht sonderlich<br />

erhellend, sich seines Zustandes bewusst zu sein, es ist lediglich<br />

ein Stück Wissen. Ich bin 1.73 Meter groß, habe braune Augen und bin<br />

habe eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Es erzeugt keinerlei innere<br />

Resonanz und hat keinerlei Einfluss auf meine Psychodynamik. Es gibt<br />

mir höchstens bessere Mittel an die Hand, mein narzisstisches Futter zu


maximieren und zu optimieren. Ich bin mir dadurch bewusster, wie ich die<br />

Menschen um mich herum benutzen kann. Ich bin geschickter in meinen<br />

Beziehungen, z.B. mit meiner Frau, weil ich nun besser weiß, wie ich sie<br />

dazu bringen kann, meine Bedürfnisse noch wirkungsvoller zu befriedigen.<br />

Oder meine Mitarbeiter, mein Boss, die Gesellschaft im Ganzen, das Internet:<br />

Ich werde versierter darin, meinen narzisstische Nutzen daraus zu<br />

ziehen. Es gibt den beständigen Irrglauben, dass es sich dabei um positive<br />

Aufmerksamkeit handeln muss. Wenn ich nicht geliebt und bewundert<br />

werden kann, nehme ich auch gerne Hass und Angst.<br />

Roy: Wenn Sie wählen können zwischen positiver und negativer Aufmerksamkeit<br />

– was ist Ihnen lieber?<br />

Sam: Ich persönlich ziehe es vor, gehasst und gefürchtet zu werden. Ich<br />

kann das Vorgehen Adolf Hitlers besser nachvollziehen als das von Albert<br />

Schweitzer, zum Beispiel. Aber das betrifft mich persönlich, die grobe<br />

Mehrheit ist darauf bedacht, geliebt und bewundert zu werden. Psychopathische<br />

Narzissten und Sadisten wie ich, ziehen es vor gehasst und gefürchtet<br />

zu werden. Liebe und Hass sind äquivalent, beides Formen der<br />

Aufmerksamkeit, die es erlauben, andere Menschen wirkungsvoll zu manipulieren.<br />

So schätzen diejenigen, die sich auf Liebe spezialisiert haben,<br />

nicht das Gefühl geliebt zu werden, sondern betrachten es als das effizientere<br />

Werkzeug. Und gleichermaßen will ich gehasst und gefürchtet werden,<br />

weil es mir die Möglichkeit gibt, meinen Profit möglichst effektiv zu<br />

erzielen.<br />

Roy: Wie ist es für Sie möglich, eine intime Beziehung zu einem Menschen<br />

zu unterhalten, der sich ihrer Störung bewusst ist?<br />

Sam: Der Partner braucht einen äußerst spezifischen Hintergrund, damit<br />

die Beziehung überleben kann. Er muss das Gefühl haben, von der Beziehung<br />

zu profitieren. Natürlich starten viele Beziehungen mit Narzissten<br />

auf einer unwahren Grundlage, da der Partner ja mit seinem Fake-Selbst<br />

interagiert, welches charmant und unwiderstehlich ist und Einfühlungsvermögen<br />

sowie emotionale Mimik imitiert. Somit basieren die meisten Beziehungen<br />

mit Narzissten auf einer Lüge und zerbrechen deshalb meistens.<br />

Es gibt allerdings eine nicht allzu kleine Minderheit von Beziehungen, die<br />

bestehen, was mit dem persönlichen Hintergrund der Partner zusammenhängt.<br />

Diese müssen gelernt haben mit mindestens einem narzisstischen<br />

Elternteil klar zu kommen und aus deren Narzissmus Vorteile zu ziehen,<br />

auch emotionalen Gewinn. Sie haben gelernt indirekt über den Narzissten<br />

die narzisstische Befriedigung mit zu geniessen. Ist der Narzisst erfolgreich,<br />

fühlen sie sich auch erfolgreich. Es handelt sich um sehr spezifische<br />

Partner-Typen die ich als umgedrehte Narzissten bezeichne.<br />

Roy: Eine anerzogene Co-Abhängigkeit?<br />

Sam: Ja, entweder anerzogen oder durch die Lebensumstände begründet,<br />

oder sie sind kaltblütig und auf eigene Art psychopathisch. Es gibt<br />

durchaus Paare, die mordend durch die Gegend ziehen, aber in ihrer Beziehung<br />

sehr glücklich sind. Es gibt vier oder fünf psychologische Profile,<br />

die hervorragend zu Narzissten passen. Die können nur in der Beziehung<br />

zu einem Narzissten aufblühen. Ohne einen solchen Partner würden sie<br />

das Leben nur grau-in grau sehen, und nicht in Technicolor. Adrenalinjunkies<br />

zum Beispiel oder Personen die ihre Erregung vom Erfolg des Partners<br />

ableiten. Es gibt einen Personenkreis, der findet, dass ein Narzisst am<br />

besten zu ihm passt.<br />

Roy: Sind das Masochisten?<br />

Sam: Einige, aber nicht alle.<br />

Roy: Es gibt also nur wenige Menschen die mit einem Narzissten auskommen<br />

können?<br />

Sam: Ja, deshalb wechseln Narzissten auch so oft die Partner.<br />

Roy: Sie selbst leben allerdings in einer langen Beziehung.<br />

Sam: Ja, meine Beziehung hält schon sechzehn Jahre. Es gibt Narzissten,<br />

deren Liebesleben sehr stabil ist, alles andere hingegen ist völlig chaotisch.<br />

Sie wechseln Arbeitsplatz, Wohnung, Stadt und Land – aber nicht<br />

den Partner. Dann gibt es welche, die sich an ihrer Karriere festhalten und<br />

ihre Partner wie Socken wechseln. Es muss einen Stabilitätsfaktor geben<br />

im Leben eines Narzissten. In meinem Fall sind das meine Ehe und romantische<br />

Beziehungen, Internetbeziehungen. In allem anderen bin ich extrem<br />

wechselhaft, mein Lebenslauf umfasst elf Seiten, weil ich Arbeitsplatz und<br />

Wohnort so oft gewechselt habe. Zur Zeit lebe ich im dreizehnten Land.<br />

Roy: „Ich liebe es gehasst zu werden, hasse es geliebt zu werden.“ Erklären<br />

Sie das bitte.<br />

Sam: Ich bin ein psychopathischer Narzisst und Sadist, es bereitet mir<br />

Freude, anderen Schmerz zuzufügen. Darüber hinaus fehlt mir jegliches<br />

Mitgefühl und ich betrachte Menschen um mich herum als Quellen der Bestätigung<br />

und Vorteilsnahme. Menschen sind Werkzeuge für mich, Instrumente,<br />

Objekte. Es ist leichter die gewünschten Ergebnisse von meiner<br />

Umwelt zu erhalten, wenn die Leute mich hassen, als wenn sie mich lieben.<br />

Ich habe festgestellt, dass Angst die kontrolliertere und besser justierbare<br />

Emotion ist, weshalb die Menschen darauf effizienter reagieren als auf Liebe.<br />

Hass und Angst lassen sich viel besser fine-tunen, es sind Ur-Emotionen.<br />

Das ist nur eine Frage der Effizienz. Obendrein macht es mir Freude,<br />

wenn ich Hass und Angst verbreite und die Leute sich füchten und unbehaglich<br />

fühlen. Es ist ein gutes Gefühl für mich, dass ich Ihnen das zugefügt<br />

habe. Menschen sind hassenswert. Zwei Fliegen mit einer Klappe<br />

also. Mit anderen Worten: Ich liebe meinen Job.<br />

Roy: Würden Sie es auch vorziehen, wenn die in überwältigender Mehrheit<br />

positiven Buchrezensionen auf Amazon, negativ und hasserfüllt wären?<br />

Sam: Mein Buch ist eine Geschäftsidee. Besser also, wenn Leute es mögen<br />

– weil das in diesem Fall effektiver ist. Ich bin psychopathisch, was<br />

nicht heißt, dass ich irrational bin. Ich finde es gut, wenn mein Buch gut ankommt<br />

– ich selbst, als Person mit gewissen psychodynamischen Bedürfnissen,<br />

ziehe es vor, gehasst zu werden, weil mich das mehr motiviert. Ich<br />

möchte, dass die Leute mich hassen und mein Buch lieben.<br />

Roy: Ist der Narzisst besser ausgerüstet, als der empathische Mensch, um<br />

in unserer Gesellschaft und im Überlebenskampf zu bestehen?<br />

Sam: Ich bin nicht der erste der diese These anführt. Wir leben in einer<br />

narzisstischen Gesellschaft die Narzissmus belohnt. In unserer kranken Zivilisation<br />

sind narzisstische Verhaltensweisen ein sehr wirkungsvoller Weg,<br />

in Verbindung mit der Welt zu treten. Dass Narzissten die erfolgreichsten<br />

Menschen sind, an der Spitze der Gesellschaft stehen, diese formen und<br />

gestalten, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, und sich dabei wohl<br />

fühlen, ist ein Indikator dafür, wie krank und pathologisch unsere Gesellschaft<br />

geworden ist. Narzissmus in Verbindung mit befähigender Technologie<br />

ist der Weg der Zukunft. Ich persönlich glaube, dass in 50 Jahren<br />

Narzissmus die Norm sein wird. Man wird es nicht so nennen, aber narzisstische<br />

Verhaltensmuster, Eigenschaften und Technologien werden dann<br />

gewöhnlich sein. Vielleicht sogar schon in 20 Jahren. Und das bedeutet<br />

die Atomisierung der Gesellschaft, weil die Menschen nicht mehr interagieren<br />

können. Es wird eine Gesellschaft ohne Empathie, bestehend aus<br />

einsamen Leuten, auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse und sich selbst<br />

reduziert. Sie werden nur noch in Beziehung treten, um ihren Nutzen zu<br />

ziehen und die Verbindung dann sofort wieder abbrechen.<br />

Jüngste Entwicklungen in virtuellen und erweiterten Realitäten weisen die<br />

Richtung auf – die Leute werden zu Hause bleiben, Kontakte zur Aussenwelt<br />

von narzisstischer Technologie verrichten lassen, die Ihnen ihre<br />

narzisstische Zufuhr als schnelle Dröhnung verschafft, wie eine Droge.<br />

Menschen werden sich nicht mehr zusammentun, keinen Sex haben, nicht<br />

mehr miteinander reden, wenn es keinem bestimmten Nutzen dient. All diese<br />

Phänomene werden der Vergangenheit angehören. Es wird keine übergeordneten<br />

Strukturen wie Familien und Gemeinschaften mehr geben. Wir<br />

werden eine Gesellschaft von Individualisten werden.<br />

Um die Frage zu beantworten: Ja, der narzisstische Mensch ist besser gerüstet.<br />

Wie Nietzsches „Übermensch“, in vielerlei Hinsicht.


30 August 13 <strong>Megabeta</strong><br />

Im Kopf von DerSuk 012:<br />

Neighburlesque<br />

RInderLUNGE<br />

Wenn ich die Jalousien hochziehe, sehe ich<br />

schon seine Kniescheiben, seine Shorts, seinen<br />

Bauch wippend vor meinem Fenster. Doch<br />

bevor er mir sein vernarbtes Gesicht schenkt,<br />

geht er weg. Will sicherlich nicht zu aufdringlich<br />

sein, der Herr. Hat bestimmt wieder die<br />

ganze Nacht mein Haus bewacht. Aufgepasst,<br />

dass kein böser Mensch seinen Dackel an den<br />

Briefschlitz hält und ihn rein scheissen lässt;<br />

was bisher auch nur ihm passiert ist. Vielleicht,<br />

weil er es ihm vorgemacht hat. Ich kenne<br />

ihn nur unter -der Nachbar-, diesen König<br />

der ungefragten Ratschläge, diesen -Pass upp<br />

du!-. Nun, ich würde ihn nicht als total verrückt<br />

beschreiben, nein, eher als wahnsinnig.<br />

Schleichend wahnsinnig, versteht sich. Seine<br />

Weltanschauung findet man in jedem siebten<br />

Ei. Seine Gegenwart ist ein ruheloser Tango<br />

mit der Vergangenheit. Einmal im Monat tanzt<br />

er in Unterwäsche im Fenster vor seiner öligen<br />

Musikanlage. Lieder von Heintje, Mouskouri,<br />

Freddy Quinn singt, nein, weint er mit. Denn<br />

sie beißen in sein Herz, diese Texte über Mütter<br />

und Omas. Im Winter trägt er deren Pelzmäntel<br />

auf, läuft durch die Straßen mit dem<br />

Blick eines Marders, eines Massenmarders. Die<br />

Musik, orgiastisch laut, teilt er mit der ganzen<br />

Straße. Nachts, wenn Dracula erwacht. Ruft jemand<br />

„Weißt du wie spät es ist?!“, antwortet er<br />

mit „Du dumme Sau, ich komm gleich rüber!“<br />

Ja, so sind sie, die neuen Missionare. Dummen<br />

Säuen hilft man immer. Egal wie spät es ist. Er<br />

ist kein schlechter Mensch, aber in seiner Brust<br />

liegt eine feucht gewordene Dynamitstange.<br />

Ich glaube, ich brauche ihn nicht. Aber, wissen<br />

tue ich es nicht...<br />

der Suk<br />

Ein kühnes Werk,<br />

das uns mit der<br />

Unsicherheit des Individuums<br />

im öffentlichen<br />

Raum<br />

konfrontiert.<br />

Schon um den vermeintlichen<br />

Ruhepunkt<br />

zu erreichen,<br />

muss der Mensch die<br />

Hürde einer Fahrbahn<br />

überschreiten,<br />

um sich anschließend<br />

inmitten derselben<br />

wiederzufinden, wo<br />

er prompt auf seine<br />

eigenen Unvollkommenheit<br />

stößt: sind<br />

die Beine zu kurz<br />

oder etwa zu lang?<br />

Ein Ring im Ring:<br />

Abbild der Kreise<br />

von Dantes Hölle?<br />

mat<br />

M<br />

ILLU: GABOR BAKSAY<br />

MARTIN HEINEN: MEINE<br />

BLOCK UND DIE ALLERLETZ-<br />

TE ZIGARETTE DANACH…<br />

Ich wollte ja nur…wie nannte man das früher?…na,<br />

genau…eine…rauchen…gar nicht<br />

so einfach, nachdem mein Vermieter mir `nen<br />

Rauchmelder auf die Zunge getackert hat…<br />

halb so schlimm…schlimmer ist dieses glimmende<br />

Schmachtgefühl überall an und in<br />

mir, dass es in meinem Leben keinen einzigen<br />

Menschen mehr gibt, dem ich noch verliebt sagen…kann…“…bin<br />

nur mal eben Zigaretten<br />

holen“…(und dann mit einem Zigarettenautomaten<br />

zurückkomme, der wie zerrissene Jeans<br />

aussieht)…in der Welt da draußen stellt sowieso<br />

niemand mehr die Stühle hoch, während<br />

wir noch am letzten Stummel der Unendlichkeit<br />

saugen…niemand darf mehr voller Begierde<br />

sagen: „Vielleicht hab ich noch `nen Rest<br />

Drum` zuhause oder vielleicht finden wir noch<br />

ein Blättchen bei Dir…?!“, ja, ich weiß, Du hast<br />

aufgehört…mit dem Rauchen und mit mir…in<br />

der gleichen Sekunde…gestern…es war doch<br />

gar nicht Silvester, oder…ach, egal…löst sich<br />

eh` alles einfach so auf, die Liebe, der Mundgeruch,<br />

die Lust, die Abschiedsentwöhnung…<br />

als unerfüllte Sehnsucht kom-biniert…sogar<br />

ohne Rauch… ich hab dann auch alles, was<br />

mich an Dich erinnert, in einem zerbrochenen<br />

Aschenbecher dekoriert…ich kann Dich nicht<br />

vergessen, ich hab die vorletzte Zigarette dann<br />

auch häppchenweise gegessen…und mit allen<br />

Nachttischfotos von Dir (…vorne drauf, hinten,<br />

von hinten auch…) die schönste Ziggi-<br />

Packung des Universums zusammen…geflickt,<br />

ILLU: GABOR BAKSAY<br />

gefingert…keine Angst, Du warst nicht nackt,<br />

also nicht ganz, ein bisschen blass vielleicht…<br />

und dann bin ich nochmal los…aber niemand<br />

hat mich rein…gelassen…nicht mal in der abgewichsesten<br />

Kneipe…ich hab sie sogar richtig<br />

auf die Fresse gekriegt, weil ich noch so `nen<br />

Tabakkrümel auf der Backe kleben hatte…<br />

bis ich sie traf, sie hat sogar ein Fenster aufgerissen…hat<br />

mich an Dich erinnert…Du hast<br />

ja auch immer im Schlafzimmer gesagt „…<br />

setz` Dich… beim Rauchen` hin !!!!“…und<br />

raus - zwischen die vertrockneten Fensterblumen…sie<br />

hat sogar mit einem Feuerzeug gewunken…und<br />

geflüstert…“…hier darfst Du<br />

alles, Süßer“…ich musste aber vorher `ne Flasche<br />

Champagner kaufen und bei ihrem Bruder<br />

alles abgeben…außer der Ziggi-Packung mit<br />

Dir drauf…bis ich das recycelte Handtuch sah,<br />

auf dem stand: „Alles erlaubt – außer RAU-<br />

CHEN!“. Ach, ich geb` die Hoffnung jetzt<br />

endgültig auf, ich kann nicht mehr – und ich<br />

weiß – für mich wird es die Zigarette danach<br />

und nach Dir vor allem - nie mehr geben.<br />

Martin Heinen


MADxxx<br />

Psychopathen, also! Die haben so 1 Region im<br />

Gehirn nicht ausgebildet 4 Empathie! Die sich<br />

bei allen anderen im Kleinkindalter bildet. Bei<br />

denen nicht. Was hat wohl die MUTTER von<br />

Ted Bundy falsch gemacht? Es sind immer die<br />

Mütter SCHULD bei den Söhnen, die werden<br />

entweder Junkies (Selbstzerstörung) oder Psychopathen<br />

(Fremdzerstörung).<br />

WAS muss ich also als Mutter tun, um so 1 zu<br />

formen? (Töchter lasse ich mal außer 8 - die<br />

werden keine Psychos, nur später medikamentenabhängig!)<br />

Bereits als Baby (er, nicht ich) muss ich von<br />

dem Sohn komplett genervt sein/oder dessen<br />

Vater hassen; weil ich mich aber nicht traue,<br />

den Kleinen mit 1 Kissen zu ersticken, wende<br />

ich eben andere Mittel an, um mich zu ergötzen:<br />

Schon in der Wiege sollte ich also den<br />

Kleinen immer wieder mit kaltem Wasser übergießen<br />

- jedesmal, wenn er schreit, dann das<br />

Fenster öffnen, um ihn 1 Luftzug auszusetzen,<br />

kurz 4 Herzstillstand dann den Kleinen<br />

wärmen und trocknen. Er darf kein 4trauen<br />

zu mir entwickeln. Später als Kleinkind darf<br />

ILLU: GABOR BAKSAY<br />

er nicht mit anderen spielen, sondern sollte in<br />

hässlichen Klamotten mir in der Küche Gesellschaft<br />

leisten beim Kochen, wobei ich ihm<br />

dann die kleinen Patschehändchen immer mal<br />

wieder auf die heiße Herdplatte drücke, das<br />

Brüllen anhand 1nes Knebels unterdrücken.<br />

Der Kleine sollte lernen, dass es nun mal keinen<br />

Rückhalt gibt, nirgendwo. In der Grundschule<br />

dann: Kein Pausenbrot mitgeben, so dass<br />

August 13 <strong>Megabeta</strong><br />

er Reste aus den Mülleimern essen muss; dabei<br />

sollte er sich extrem schämen. Als Heranwachsender<br />

sollte er schon 1zelgänger sein, der<br />

viel von anderen Kindern gemobbt oder gemieden<br />

wird, er sollte zunächst kleine Tiere quälen<br />

und töten, dann größere (sowie deren Köpfe im<br />

Garten auf Stecken aufspießen und ausstellen),<br />

er sollte auch Spaß an Selbstgeißelung haben<br />

(mit der 9-schwänzigen Katze) und viel in der<br />

Bibel lesen, was ich ihm vorlebe. ( Jedes 4gehen<br />

gegenüber mir sollte mit 1sperren in den<br />

Schrank oder Keller beantwortet werden, auch<br />

Anketten an die Heizung kommt da gut.) Naja-><br />

Ich glaub, so würde man das erste OPFER<br />

dieses Mannes sein... der dann auf die Menschheit<br />

losgeht, wo er dank seines guten Aussehens<br />

vielleicht um die 60-70 Frauen anlocken und<br />

anschließend umbringen kann.<br />

Ich kenne viele derer: Die hübschen, redegewandten,<br />

manipulativen Typen, wo man drauf<br />

reinfällt - 4 allem als FRAU - besser, man hätte<br />

die Mutter zuerst gekannt!!! Traurig, was?<br />

MADxxx<br />

31<br />

IMPRESSUM<br />

GROTESK: O. Texier<br />

33. Jahrgang<br />

Verbreitete Auflage: 13.850 verteilte Exemplare in 261<br />

Verteilstellen ( IVW II. Quartal 2011) im Großraum Aachen<br />

HERAUSGEBER / VERLAG<br />

Pixel Produktion-Gabor Baksay<br />

redaktion@moviebeta.de<br />

REDAKTION & ANZEIGEN<br />

fon 0241/18928-00 | fax 0241/1892801<br />

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fon 0234/9419-10 | fax 0234/9419-191<br />

TERMINKALENDER<br />

Carla Asten : termine@moviebeta.de<br />

MUSIK- UND GAMESREDAKTION<br />

Mathias Dubois: musikredaktion@moviebeta.de<br />

TEXTBEITRÄGE<br />

Gabor Baksay (gb), Alexandra Hladik (alx), Mathias Dubois<br />

(mat), Martin Heinen (mh),Thomas Bünten , Thomas Glörfeld,<br />

Lars Tunçay<br />

COMIC<br />

Olivier Texier, otexier.blogspot.de<br />

LAYOUT<br />

Mathias Dubois (Ton, Kino, Game, Rinderlunge),<br />

Carla Asten, Gabor Baksay<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 8 vom 1.2.2011<br />

Anzeigen- & Terminschluss ist der 15. des Vormonats.<br />

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