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Zum Tod einer Muttergöttin<br />
Fragmente des Menschlichen in der Natur<br />
Notizen zu Julius von Bismarcks „Punishment I“<br />
von Lukas Mathis Töpfer<br />
Wir können nicht anders, wir müssen uns die Natur als eine harmonische<br />
vorstellen, wohlgeordnet und autonom, die perfekte Folge von Wachstum und<br />
Fäulnis. Wir müssen uns den Menschen als ein ruheloses Tier vorstellen, das<br />
seine Natur (das Tier in ihm) überwunden zu haben glaubt. Der Mensch, so<br />
denken wir, trennt die Natur von sich ab und beobachtet sie von außen. Er glaubt,<br />
das Leben verstanden zu haben und greift in seine Prozesse ein. Und er bereut<br />
diesen Eingriff bald, weil er glaubt, die Harmonie zu zerstören. Die Welt, so<br />
denken wir, funktioniert am besten ohne den Menschen.<br />
Erhaben wirkt der Berg, der den Peitschenhieben mühelos standhält. Der<br />
Peitschende auf ihm wirkt wie aus der Welt geworfen, die ihn umgibt. Die<br />
Komposition der Fotografie, die ihn zeigt, vermittelt die Harmonie, die nur durch<br />
die Gewalt des störenden Menschen gebrochen zu werden vermag. Hier der<br />
Fremde, dort die Natur, gleichgültig und ungerührt. Der Ausbruch bleibt<br />
vergeblich, die Provokation des Berges ohne Antwort.<br />
„Punishment II“: Julius von Bismarck rittlings auf einem hohen Felsen. Die<br />
Fotografie zerfällt in Mittel- und Hintergrund, ein Vordergrund fehlt. Die obere<br />
Hälfte des Bildes zeigt einen indifferenten, blauen Himmel. Die Felsen im<br />
Mittelgrund bleiben im Dunkeln, die Berge dahinter sind weit und hell. Der höchste<br />
Punkt des Felsens ragt in die obere Hälfte des Bildes hinein – und mit ihm die<br />
winzige Figur und seine Peitsche, die eine dünne, dunkle Linie in den Himmel<br />
zeichnet. Der Mensch ginge verloren, ragte er nicht in diesen Himmel hinein.<br />
Der Vergeblichkeit seiner Handlung trotzt er mit einem beharrlichen, stolzen<br />
Kampf. 1<br />
In die ideale, exemplarische, ungerührte Landschaft der Berge bricht eine offene<br />
Frage ein, die nach einer Antwort verlangt. Warum das Ganze? Mit welchem<br />
Recht wird der Berg (wird „die Natur“) bestraft? Auch wir werden wohl oder übel<br />
eine Antwort auf sie finden müssen.<br />
1<br />
Auch wenn es immer wieder, hin zur völligen Entleerung zitiert wurde (und möglicherweise auch in<br />
unserem Kontext in die Irre führt): „Der Kampf gegen den Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.<br />
Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Albert Camus: Der Mythos von<br />
Sisyphos. Ein Versuch über das Absurde, Reinbek bei Hamburg 1992, S. 101.<br />
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Die Natur wird bestraft, der Berg, das Meer, der Wald, der See, die Wiese. Die<br />
Bilder zeigen uns Prototypen, Vorstellungsbilder „der Natur“. 2 Von welchem<br />
Konzept der „Natur“ wir sprechen, bleibt jedoch mehr oder minder unklar.<br />
Offenkundig ist nur, dass nicht „die Realität“ ins Bild gesetzt wird. Gewählt<br />
wurden Momente, in denen die Natur zum Bild gerät und den Motiven<br />
gleicht, die uns die Tradition als „natürlich“ vermittelt. Die Natur wird so zur<br />
charakteristischen, idealischen „Landschaft“, zu einem Postkartenmotiv (oder zu<br />
einem seiner vielen Vorläufer). 3 Die „Natur“ tritt so als eine komponierte Ordnung<br />
in den Bildraum, in der alle Teile in perfekter Harmonie zusammenwirken.<br />
Gebrochen wird sie nur durch die Gewalt der winzigen menschlichen Figur – ein<br />
Kratzer in der Oberfläche, ein Makel, eine offene Wunde. Die idealen Bilder der<br />
Natur werden so zu einer Frage nach unserem Konzept der „Natur“. Drei<br />
Möglichkeiten, die „Natur“ zu begreifen, können im Folgenden unterschieden werden:<br />
Die „Natur“ kann als bedeutungsloser, weil nicht auf den Menschen<br />
bezogener Begriff verstanden und kritisiert werden (Natur oder Mensch); sie kann<br />
als hybride Lebensform mit Bezug auf den Menschen gedacht werden (Natur und<br />
Mensch); und sie kann als Teil des Menschen begriffen werden, der seiner<br />
Kontrolle entzogen ist (Mensch/Natur).<br />
1. Mit dem Aufkommen des wissenschaftlichen Denkens der Moderne wurde die<br />
Welt in zwei voneinander getrennte Bereiche geteilt. Es sollte „eine vollkommene<br />
Trennung zwischen der Naturwelt – obwohl vom Menschen konstruiert – und der<br />
Sozialwelt – obwohl von den Dingen zusammengehalten – geben […]“. 4 Die Natur<br />
musste von nun an ohne den Eingriff der Menschen gedacht werden, wenn<br />
die naturwissenschaftliche Objektivität garantiert werden sollte. Die Trennung<br />
war rigoros und blieb nicht ohne Wirkung auf unser Denken. 5 Sie führte jedoch zu<br />
einem ungewöhnlichen Paradox. Je mehr Kontrolle über die Natur und ihre<br />
Prozesse gewonnen wurde, desto neutraler und objektiver trat sie den Menschen<br />
2<br />
Man wird den einen exemplarischen Berg, den einen typischen Wald oder See als pars pro toto „der<br />
Natur“, ihres Urbildes oder Konzepts begreifen müssen.<br />
3<br />
Die Rückwirkung der malerischen Tradition auf die Realität (resp. auf unsere Wahrnehmung der<br />
Realität) kann an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Viele „englische Gärten“ wurden im<br />
frühliberalen 18. Jahrhundert als Abfolge idealer „begehbarer Bilder“ konzipiert, die Motive der<br />
traditionellen Malerei (beliebt war vor allem Lorrain) als Vorbilder und Wahrnehmungsschule für ihre<br />
Kompositionen nutzten. Vgl. hierzu Adrian von Buttlar: Der Landschaftsgarten. Gartenkunst des<br />
Klassizismus und der Romantik, Köln 1989.<br />
4<br />
Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie“, Frankfurt<br />
a. M. 2008, S. 46.<br />
5<br />
Ohne die genannte Trennung in „Natur“ und „Kultur“ hätte weder die Evolutionstheorie (der Mensch<br />
als Tier) noch die Psychoanalyse (das Tierische im Menschen) eine solch enorme Kränkung des<br />
modernen Menschen bewirken können.<br />
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entgegen. 6 Naturwissenschaft und Technik (die beiden Garanten menschlicher<br />
Herrschaft) rückten die Natur in eine uneinholbare Distanz. Die Verbindung zwischen<br />
Natur und Mensch wurde genau in dem Moment gekappt, als sie stabil<br />
genug und letztlich unauflösbar geworden war. War die Natur aber einmal von den<br />
Menschen getrennt, konnte sie zum Idealbild erhoben und „der alte Mythos von<br />
der essentiellen Güte der Natur“ wiederbelebt werden. Die natürliche Welt<br />
wurde observiert, kontrolliert und ausgebeutet, wurde objektiviert, neutralisiert und<br />
wissenschaftlich ausgewertet. Und doch wurde – bei aller Distanz – die Natur zu<br />
einer Metapher, „auf die [die] Menschen ihre Wunschphantasien projizieren<br />
können“, zur „allzeit gütigen und wohltätigen Muttergöttin“ 7 , die dem Weltenlauf<br />
harmonische und ewige Gesetze gibt. Um jedoch „an die Güte der Natur zu<br />
glauben“, schreibt Elias, „muss man die Schrecken der Nahrungsketten<br />
vergessen, in denen sich die listigeren und kräftigeren Tiere von den weniger<br />
listigen und kräftigen ernähren […]. Tatsächlich gibt es so etwas wie die ‚Natur’<br />
gar nicht. Es gibt nur diese Menge von Ereignissen, große Massen unorganisierter<br />
Materie, wo Zufall und Notwendigkeit nicht zu unterscheiden sind, und die vielgestaltigen<br />
Vertreter zahlreicher Integrationsebenen, die leben, zerfallen und<br />
miteinander kämpfen.“ 8 Wenn die Natur daher als gütige begriffen werden soll,<br />
müssen die Menschen sie zu einer solchen gütigen Natur machen. Die<br />
Verantwortung liegt bei ihnen und zwar nur bei ihnen. „Natur“ ist zuallererst ihre<br />
eigene Schöpfung.<br />
Wenn die winzige Figur daher den idealen Berg peitscht und die Harmonie des<br />
Bildes durch die Aggressivität zerbricht, muss vielleicht die im Titel genannte<br />
„Bestrafung“ mit dem Begriff der „Natur“ im Ganzen verbunden werden. „Natur“<br />
(ohne Eingriff der Menschen gedacht) wird damit zur Wunschphantasie degradiert,<br />
die den Menschen von der Bürde seiner Verantwortung befreien soll. Die Idealität<br />
der Darstellung wäre somit im Fokus der Deutung. Deutung Nummer 1: Julius<br />
von Bismarck bestraft ein „Idealbild“.<br />
Exkurs: Die Konzeption der Fotografien ist von mythologischem Format: Das<br />
Aufbegehren gegen die Gottheit, gegen die unangetasteten Ideale („Natur“ etc.)<br />
6<br />
Wir orientieren uns hier an einem zentralen Gedanken Bruno Latours: „Die Hypothese dieses Essays“,<br />
heißt es in Wir sind nie modern gewesen, „ist, daß das Wort ‚modern’ zwei vollkommen verschiedene<br />
Ensembles von Praktiken bezeichnet, die, um wirksam zu sein, deutlich geschieden bleiben müssen, es<br />
jedoch seit kurzem nicht mehr sind. Das erste Ensemble von Praktiken schafft durch ‚Übersetzung’<br />
vollkommen neue Mischungen zwischen Wesen: Hybriden, Mischwesen zwischen Natur und Kultur.<br />
Das zweite Ensemble schafft, durch ‚Reinigung’, zwei vollkommen getrennte ontologische Zonen, die<br />
der Menschen einerseits, die der nicht-menschlichen Wesen andererseits.“ Latour, a.a.O., S. 19.<br />
7<br />
Norbert Elias: Über die Natur, in: Merkur 40 (1986), S. 469 - 481.<br />
8<br />
Ebd.<br />
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wird für unsere „entzauberte“ Zeit erneuert. 9 Urvater des Aufstands ist ohne Frage<br />
Prometheus, der Titan, der den Göttern das Feuer entwendet hatte. Mögliches<br />
Vorbild hier ist aber der persische Großkönig Xerxes, der den Helespont (und<br />
damit letztlich Poseidon, den Gott des Meeres) auspeitschen ließ, weil ihm zwei<br />
kriegswichtige Brücken über die Meerenge nach Thrakien durch ein Unwetter<br />
zerstört worden waren. Die Geste von Bismarcks ist daher die Geste der radikalen<br />
Infragestellung, eine wütende Geste gegen die Herrschaft der positiven (und<br />
leeren) Begriffe. 10 Die Dinge, die immer als „objektiv“ (als gegeben) betrachtet<br />
worden sind, werden hier als kontingente Konventionen bloßgelegt: Denn die<br />
„objektive“ Welt muss nicht so sein, wie sie geworden ist. Die Götter,<br />
behauptet der revoltierende Mensch, können gestürzt werden.<br />
(In „Punishment X“ wendet sich von Bismarck daher folgerichtig gegen Gott<br />
selbst, den monumentalen „Christus Erlöser“ hoch über den Dächern von Rio, und<br />
parallelisiert damit die Vorstellungen „Gott“ und „Natur“ [und vielleicht ihre Auswüchse:<br />
Kirche und Naturwissenschaft].)<br />
2. „Das Ozonloch ist zu sozial und zu narrativ, um wirklich Natur zu sein […].“ 11 Mit<br />
der Frage nach der Natur verbindet sich die grundlegende Frage nach der eigenen<br />
Haltung, dem eigenen politischen „Weltbild“. Denn wenn wir die Natur zu der<br />
machen, die sie ist (die sie für uns ist 12 ), müssen wir wohl oder übel Verantwortung<br />
für ihren Zustand übernehmen. Ihr Zustand ist jedoch, gelinde gesagt,<br />
problematisch, und wenn wir meinen, die Natur zu zerstören, zerstören wir<br />
lediglich unsere eigene. (Die Materie werden wir nicht zerstören, so mächtig sind<br />
wir nun wirklich nicht.) Wenn von Bismarck daher den Berg auspeitscht, kommt<br />
der Peitschenhieb auf ihn selbst zurück: die Bestrafung des eigenen Handelns<br />
wird am „Anderen“ vollzogen. Die Menschheit wird symbolisch „zur Verantwortung“<br />
gezogen (in effigie [im Bildnis], wie man es früher genannt hat).<br />
In einem der Motive, das ein wenig aus der Reihe fällt, wird die Rückwirkung der<br />
menschlichen Handlungen auf die Menschen ins Bild gebracht. Die „Distanz“ der<br />
9<br />
Man könnte daher behaupten, von Bismarck knüpfe an die Tradition der „heroischen Landschaft“ an,<br />
vor allem an die Malerei Nicolas Poussins, aber auch an ihre Verkehrung in der deutschen Romantik<br />
(man denke an die winzige Figur in C. D. Friedrichs „Mönch am Meer“).<br />
10<br />
Von Bismarck, ein Waldorfschüler, erwartete jeden morgen der folgende Kanon von Christian<br />
Morgenstern: „Liebe Sonne, liebe Erde, euer nie vergessen werde.“<br />
11<br />
Latour, a.a.O., S. 14.<br />
12<br />
„Der Mann der Wissenschaft“, heißt es in der Dialektik der Aufklärung, „kennt die Dinge, insofern er<br />
sie machen kann. Dadurch wird ihr An sich Für ihn.“ Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik<br />
der Aufklärung, in: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 3, hg. v. Rolf Tiedemann,<br />
Frankfurt a. M. 1981, S. 25.<br />
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Umgebung, ihre ungerührte, gleichgültige Ordnung wird in „Punishment VII“ ins<br />
Aggressive und Unmittelbare verkehrt. Von Bismarck peitscht inmitten von Wellen,<br />
die ihm „antworten“, die gegen ihn „kämpfen“, ihn umwerfen und die, so könnte<br />
man sagen, beginnen, „zurückzuschlagen“. Anders gewendet: Die uns<br />
umgebende Welt wird wieder zur indifferenten Folge, die sie war, bevor wir sie zur<br />
Muttergöttin geformt haben. Die Bewegtheit des Meers wird daher zu einer<br />
Metapher für die Natur, die uns entgleitet, die wir nicht mehr kontrollieren und<br />
beherrschen können (vielleicht, weil wir sie eigenhändig zur Katastrophe geführt<br />
haben, vielleicht aber auch, weil wir sie von uns abgetrennt und nicht geführt<br />
haben). Wir wählen die Natur, die wir brauchen, und wir wählen sie häufig ohne<br />
Bewusstheit. Deutung Nummer 2: Julius von Bismarck bestraft uns.<br />
3. Genug der Politik, so bedeutsam sie sein mag. Nicht alles muss immer politisch<br />
sein. „Punishment“ zur politischen Agitation zu machen, wäre fatal – zumindest<br />
wenn es die einzige der vielen möglichen Deutungen bliebe. Neben Xerxes, dem<br />
persischen König (der politisch-kriegerischen Figur), dürfte eine andere Referenz<br />
mehr oder minder offenkundig sein: Sisyphos, der Zeus verraten und Thanatos<br />
unterjocht hatte, der Hades in der Unterwelt betrogen und verlacht hatte –<br />
Sisyphos, dem alles gelungen war, endete im Kampf gegen die eigene<br />
Unfähigkeit: gegen den Stein, der ihm, am höchsten Punkt des Berges, immer<br />
wieder entglitt. Wer würde nicht an den eigenen Grenzen, den eigenen Fähigkeiten<br />
verzweifeln? Wer würde nicht mit allen Mitteln versuchen, die Grenzen zu<br />
überwinden (oder doch den Körper mit Ketamin und den anderen, leichteren<br />
Drogen betäuben)? Die Bilder wären damit Bilder des existentiellen Aufruhrs, eines<br />
Kampfes gegen die undefinierbare Last, die auf uns (in uns) liegt. Wir müssen uns<br />
Sisyphos als einen begrenzten Menschen vorstellen. „Das Sein ist als Last<br />
offenbar geworden. Warum, weiß man nicht.“ 13 Und wenn man es wüsste?<br />
Vielleicht genügt die Tatsache, dass ich essen muss und schlafen muss, um mich,<br />
der sich doch anderes vorstellen kann, zutiefst zu kränken. Vielleicht aber genügt,<br />
nach all der Züchtung und Zurichtung auf Erfolg, bereits die Forderung,<br />
„natürlich“ zu sein, um mich gegen meine „Natur“ zu wenden. Die Oberflächen<br />
zwingen uns, den eigenen „Kern“ verachten zu lernen (oder zumindest jenen Teil<br />
in uns, den wir als Kern begreifen würden). Da gibt es eine Natur in mir, die nicht<br />
mit mir vereinbar ist, die Kränkung meines unüberwindbaren Narzissmus. Der<br />
Kampf mit dem Berg wird daher zum Kampf mit den eigenen Grenzen (dem Tier in<br />
13<br />
Martin Heidegger: Sein und Zeit, Tübingen 1960, S. 134.<br />
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uns). Deutung Nummer 3: Julius von Bismarck bekämpft die Natur in sich.<br />
In den Landschaftsaquarellen Albrecht Dürers, den ersten neuzeitlichen<br />
Landschaftsbildern überhaupt, wird die Natur „zu einem Ort der<br />
Selbstoffenbarung des Menschen“. „Die tatsächliche, reale Örtlichkeit ist nur<br />
Anlass und Anreger, den eigenen geistigen und inneren Standort zu ermitteln.“ 14<br />
Julius von Bismarck verkehrt die traditionelle, kontemplative Haltung<br />
gegenüber der Natur in eine aggressive, konfrontative. Er bricht die leere Idylle<br />
auf und nimmt der Natur die Maske ab. Der „innere Standort“ vor der Natur wird<br />
plötzlich ein problematischer. Und doch geht es in „Punishment“ wohl letztlich um<br />
den Menschen – wie in den Aquarellen Dürers auch, vor gut einem halben<br />
Jahrtausend. Befragt werden die „Idealbilder“ (1), Handlungen und „Weltbilder“<br />
(2), die existentiellen Ängste und uneinlösbaren Forderungen (3) der Menschen.<br />
Der Mensch tritt der Natur gegenüber – und findet eine vermenschlichte.<br />
Natur und Mensch bilden, wie zuvor im Mythos, eine Einheit. Die Natur als<br />
solche ist gleichgültig, Harmonie kann nur der Mensch ihr geben. Die gütige<br />
Muttergöttin ist tot. – Trauern wir nicht zu lange um sie.<br />
14<br />
Matthias Eberle: Individuum und Landschaft. Zur Entstehung und Entwicklung der<br />
Landschaftsmalerei, Gießen 1980, S. 173.<br />
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