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Auffällig ist an den gleichzeitigen Sparbeschlüssen und Pastoralkonzepten, wie sehr<br />
sich die kirchliche und staatliche Rhetorik einer Erneuerung bzw. Reform ähnelt, mit der<br />
sowohl die "unvermeidlichen" Sachzwänge als auch die "alternativlosen" Kürzungen<br />
begleitet werden. Da ist sowohl bei den politischen als auch bei den kirchlichen Eliten<br />
die Rede von einer überzogenen Anspruchshaltung der Gemeindemitglieder, die sich<br />
pastoral bedienen lassen, von einem unerweckten Versorgungsdenken der Laien, die<br />
ihre eigene priesterliche Kompetenz nicht in die Hand nehmen, oder von einem Mangel<br />
an Eigenverantwortung und von der Neigung, aus kirchlichen Verteilungsquellen zu<br />
schöpfen, anstatt auf die Freigebigkeit privater Sponsoren zu vertrauen. Den Gemeinden<br />
wird ein unverkrampftes Selbstbewusstsein der laikalen Position nahegelegt sowie<br />
eine unverkrampfte Wertschätzung der Geweihten.<br />
Diejenigen, die ein "Sparen" verordnen, können damit nur eine Umverteilung knapper<br />
Finanzmittel meinen, die spärlicher fließen. Deshalb sollen in allen Handlungsfeldern<br />
einer komplexen Pastoral Sparpotenziale aufgespürt werden. Dazu soll eine Prioritätenliste<br />
erstellt werden. Diese ist sinnvoller Weise an konzeptionellen Gesichtspunkten<br />
orientiert, der die finanztechnischen Reaktionen folgen. So wurden in den Bistümern<br />
gleichzeitig mit den Sparkommissionen, die Streich- und Kürzungslisten liefern sollten, weitere<br />
Kommissionen berufen, um pastorale Konzepte zu entwerfen. Allerdings konnte man den<br />
Eindruck gewinnen, dass die Gremien eher getrennt und isoliert gearbeitet haben, als<br />
dass sie kooperiert und ihre konzeptionellen und finanztechnischen Optionen<br />
aufeinander abgestimmt hätten.<br />
Die erarbeiteten pastoralen Konzepte gaben drei Richtungen vor: Erstens drängten<br />
Beraterfirmen, die sich bei der Sanierung gewerblicher Unternehmen und bei der Privatisierung<br />
öffentlicher Dienste bewährt zu haben schienen, die kirchlichen Leitungsgremien dazu,<br />
ein unverwechselbares Profil herauszuarbeiten. Außerdem sollte die Kirche sich auf ihr<br />
Kerngeschäft konzentrieren und die Rangordnung liturgischer, prophetischer und diakonischer<br />
Grundfunktionen wieder in Kraft setzen. Zweitens wurden weiträumig angelegte Strukturen<br />
empfohlen, die einer global operierenden Großorganisation und dem Leitbild einer Weltkirche<br />
eher angemessen seien. Der Priestermangel nötige eh dazu, die liebgewordene Vorstellung<br />
preiszugeben, dass sich die liturgischen und sakramentalen Vollzüge in allen noch<br />
existierenden Ortsgemeinden optimal realisieren ließen. So sei es sinnvoll, einzelne Ortsgemeinden<br />
zu großräumigen pastoralen Einheiten zu fusionieren. Innerhalb solcher Großräume<br />
könne man gezielt und konzentriert die bisher vernachlässigten spezifischen modernen und<br />
postmodernen Milieus der "Performer", "Experimentalisten" und "Hedonisten" ansprechen,<br />
indem Jugend-, Trauer- und Meditationskirchen eingerichtet werden. Drittens sollten die<br />
geistlichen Berufe gemäß den Erfordernissen der pastoralen Räume differenziert und<br />
gegeneinander profiliert werden. So lasse sich auch weiterhin eine priesterzentrierte,<br />
hierarchische und patriarchale Struktur pastoraler Räume erhalten und sogar festigen.<br />
Pastoralreferenten sollten im grenznahen Bereich von Kirche und Gesellschaft, also liturgieund<br />
altarfern operieren, Gemeindereferentinnen und ständige Diakone sollten den Priestern<br />
bei der gemeindlichen Seelsorge und Liturgie zuarbeiten. Den geweihten und zur Ehelosigkeit<br />
verpflichteten Amtsträgern sei das Management dieser pastoralen Großräume zugewiesen.<br />
Der offiziell propagierte Zusammenhang finanztechnischer Beschlüsse mit den<br />
pastoralen Konzepten war für die meisten Christen nicht ohne weiteres erkennbar.<br />
Vermutlich gibt es ihn auch gar nicht. Zwar ist denkbar, dass sich durch die Fusionen<br />
von Gemeinden zu größeren "Seelsorgeeinheiten", "pastoralen Räumen" oder<br />
"Gemeinschaften von Gemeinden" Synergieeffekte der kirchlichen Verwaltung erzielen lassen,<br />
die den Finanzaufwand verringern. Vielleicht kann auch der Verkauf von Immobilien das<br />
Haushaltsdefizit allerdings nur einer Periode verringern, falls das Angebot kirchlicher Gebäude<br />
ein entsprechendes Kaufbegehren hervorlockt. Im ungünstigen Fall bleiben die Verkaufserlöse<br />
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