Predigt über "Jesu, meine Freude" (Johann Sebastian Bach) zum 1 ...
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<strong>Predigt</strong> über „<strong>Jesu</strong>, <strong>meine</strong> Freude“ (<strong>Johann</strong> <strong>Sebastian</strong> <strong>Bach</strong>)<br />
1. Adventssonntag, Leszyklus B<br />
(27.11.2005, Oberföhring)<br />
Lesungen: Jes 63, 16,b-17. 19b; 64,3-7; Mk 13,33-37.<br />
Zielsatz: Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes<br />
Einführung in den Gottesdienst<br />
Unser heutiger Gottesdienst ist bestimmt von einer musikalischen <strong>Predigt</strong>. Unser Kirchenchor<br />
singt die Choräle aus der Motette „<strong>Jesu</strong> <strong>meine</strong> Freude“ von <strong>Johann</strong> <strong>Sebastian</strong> <strong>Bach</strong>. Wir<br />
werden nur von Strophe zu Strophe kurz meditieren, was der etwas fremdartig klingende Text<br />
uns heute zu sagen hat. „<strong>Jesu</strong>, <strong>meine</strong> Freude“ – das scheint <strong>zum</strong> Beginn des Adventes, zur<br />
Vorbereitung auf Weihnachten zu passen. Aber dieses Lied ist in sehr schwerer Zeit<br />
entstanden. Sollte darin seine Botschaft beschlossen sein?<br />
Einführung<br />
Im Jahre 1618 wird ein Mann geboren mit Namen <strong>Johann</strong> Franck, ein lutherischer Christ. Im<br />
selben Jahr begann ein Krieg, der bis 1648 dauerte, der „Dreißigjährige Krieg“. „Offiziell“ war es<br />
ein Glaubenskrieg, ein Konfessionskrieg, eine militärische Auseinandersetzung darum, welche<br />
„Religionspartei“ – so sagte man damals noch – die Vorherrschaft in Deutschland haben sollte.<br />
In Wahrheit ging es um Machtverhältnisse. Und deshalb mischten in dem Konflikt zwischen den<br />
deutschen Ländern bald auch fast alle europäischen Mächte mit: Frankreich, Spanien,<br />
Dänemark, Schweden, Österreich-Ungarn, wozu damals auch Böhmen, das heutige<br />
Tschechien gehörte. Und alle keineswegs immer zugunsten der jeweils eigenen konfessionellen<br />
Partei in Deutschland! Auch verpflichtete Söldnerheer-Führer machten ihr Geschäft dabei wie<br />
<strong>zum</strong> Beispiel der berühmte Wallenstein.<br />
Am Ende stand der kunstvolle Friede von Münster und Osnabrück – der „Westfälische Friede“<br />
von 1648, der für rund 250 Jahre den konfessionellen Frieden in Deutschland sicherte – bis in<br />
der Zeit nach Napoleon, zu Beginn des 19.Jahrhunderts, erneut konfessioneller Hader<br />
ausbrach, wenn auch nicht mehr so blutig. Jetzt erst, seit 1648, sprach man ganz offiziell von<br />
zwei getrennten Kirchen in Deutschland, nicht mehr nur „Religionsparteien“.<br />
Aber: die Grausamkeit des Krieges war unvorstellbar gewesen. Dreiviertel der damaligen<br />
deutschen Bevölkerung war dem Krieg <strong>zum</strong> Opfer gefallen, von einstmals 16 Millionen<br />
Menschen waren noch 4 Millionen übrig. Das Elend in Deutschland war nur noch mit der Zeit<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen – mit dem bedeutenden Unterschied, daß 1939/45<br />
der Krieg von Deutschland angezettelt worden ist, und anfangs mit Zustimmung großer Teile<br />
des deutschen Volkes, während 1618-1648 das Volk wirklich nur Opfer der Mächtigen war.<br />
<strong>Johann</strong> Franck hatte die ersten dreißig Jahre seines Lebens nur Krieg und Elend erlebt. Aber<br />
nach 1648 hat er dafür gearbeitet, daß wieder Recht und Ordnung einzogen und die Menschen<br />
ihr Leben wieder aufbauen konnten. Er wurde Jurist, später Ratsherr und Bürgermeister in<br />
seiner Heimatstadt Guben in der Niederlausitz. 1577 ist er dort gestorben. Dieser Mann hat den<br />
Text des Liedes gedichtet, das <strong>Johann</strong> Crüger vertont hat und das wir gleich in der<br />
unsterblichen Bearbeitung durch <strong>Johann</strong> <strong>Sebastian</strong> <strong>Bach</strong> hören werden. Dieses Lied soll heute<br />
die <strong>Predigt</strong> sein. Wir werden zwischen den Strophen nichts anderes tun als das in fremd<br />
gewordenen Bildern und barock-deutschen Worten verfasste sechsstrophige Lied Strophe für<br />
Otto Hermann Pesch <strong>Predigt</strong>_Pesch_20051127_<strong>Jesu</strong>_<strong>meine</strong>_Freude_<strong>Bach</strong>.doc Seite 1 /4
Strophe noch einmal zu lesen und dann sozusagen in Klartext zu übersetzen und für uns heute<br />
zu erschließen – natürlich nicht gereimt und <strong>zum</strong> Singen wie der Originaltext. „<strong>Jesu</strong>, <strong>meine</strong><br />
Freude“ – gedichtet und gebetet im Anblick eines zerstörten Landes, ein Zeugnis für die Kraft<br />
des Glaubens, das uns den Atem stocken lässt.<br />
<strong>Jesu</strong>, <strong>meine</strong> Freude<br />
1. <strong>Jesu</strong> <strong>meine</strong> Freude,<br />
Meines Herzens Weide,<br />
<strong>Jesu</strong> <strong>meine</strong> Zier,<br />
Ach wie lang, ach lange<br />
Ist dem Herzen bange<br />
Und verlangt nach dir!<br />
Gotteslamm, mein Bräutigam<br />
Außer Dir soll mir auf Erden<br />
Nichts sonst Liebers werden!<br />
2. Unter deinem Schirmen<br />
Bin ich vor den Stürmen<br />
Aller Feinde frei.<br />
Laß den Satan wittern,<br />
Laß die Welt erschüttern,<br />
Mir steht <strong>Jesu</strong>s bei.<br />
Ob es jetzt gleich kracht und blitzt,<br />
Obgleich Sünd’ und Hölle schrecken,<br />
<strong>Jesu</strong>s will mich decken.<br />
3.Trotz dem alten Drachen,<br />
Trotz dem Todesrachen,<br />
Trotz der Furcht dazu!<br />
Tobe, Welt, und springe,<br />
Ich steh’ hier und singe<br />
In gar sichrer Ruh’;<br />
Gottes Macht hält mich in acht;<br />
Erd’ und Abgrund muß verstummen,<br />
Ob sie noch so brummen.<br />
4. Weg mit allen Schätzen,<br />
Du bist mein Ergötzen,<br />
<strong>Jesu</strong>, <strong>meine</strong> Lust!<br />
Weg, ihr eitlen Ehren,<br />
Ich mag euch nicht hören,<br />
Bleibt mir unbesußt!<br />
Elend, Not, Kreuz, Schmach und Tod<br />
1. <strong>Jesu</strong>s, Grund aller wahren Freude,<br />
Grund aller Zuversicht, die ich im Herze trage,<br />
<strong>Jesu</strong>s, mit dem ich mich sehen lassen kann<br />
wie mir einem kostbaren Diamantring.<br />
Immer wieder fürchte ich, dich zu verlieren,<br />
will die Zuversicht in Zweifel umschlagen, frage ich<br />
von neuem nach dir.<br />
Du, der Mensch, in dem ich Gott begegne,<br />
laß´ nichts auf der Welt mir wichtiger sein<br />
als du.<br />
Ja, laß´ mich dich lieben - mehr als den liebsten<br />
Menschen!<br />
2. Wenn ich mich auf dich verlasse,<br />
kann mir nichts und niemand das Leben sinnlos<br />
machen,<br />
kein schlimmes Schicksal und kein übel wollender<br />
Mensch.<br />
Die Macht des Bösen mag sich immer mehr<br />
ausbreiten und die Welt an den Abgrund führen.<br />
Gott in <strong>Jesu</strong>s hat das letzte Wort.<br />
Ob um uns alles drunter und drüber geht,<br />
ob selbst unsere Schuld und das, was wir selbst<br />
anrichten, ausweglos scheinen:<br />
<strong>Jesu</strong>s sagt uns: Fürchtet euch nicht!<br />
3. Mag die Welt dem Verderben entgegen taumeln,<br />
mag die Gesellschaft einem Todestrieb verfallen,<br />
mag aller Anlaß zu Furcht und Angst bestehen,<br />
mag die Menschheit verrückt spielen:<br />
Ich habe den Mut zu singen, als ob nichts wäre.<br />
Denn bei Gott ist fester Halt.<br />
Da hat die verrückte Welt nichts mehr zu sagen,<br />
und wenn Kanonendonner, blutige<br />
Bombenexplosionen, Soundmaschinen<br />
noch so großen Lärm machen.<br />
4. Was soll mir der Konsumterror!<br />
<strong>Jesu</strong>s ist mir der interessanteste Besitz.<br />
Mich mit ihm zu beschäftigen ist geradezu Genuß.<br />
Was sollen mir dagegen Ansehen und Prestige!<br />
Was soll’s, ob ich in der Zeitung stehe!<br />
Den Zuckerguß über mein Leben brauch ich nicht.<br />
Aber das Gegenteil: Elend, Armut,<br />
Otto Hermann Pesch <strong>Predigt</strong>_Pesch_20051127_<strong>Jesu</strong>_<strong>meine</strong>_Freude_<strong>Bach</strong>.doc Seite 2 /4
Soll mich, ob ich viel muß leiden,<br />
Nicht von <strong>Jesu</strong> scheiden.<br />
5. Gute Nacht, o Wesen,<br />
Das die Welt erlesen,<br />
Mir gefällst du nicht!<br />
Gute Nacht, ihr Sünden,<br />
Bleibet weit dahinten,<br />
Kommt nicht mehr ans Licht!<br />
Gute Nacht, du Stolz und Pracht,<br />
Dir sei ganz, du Lasterleben,<br />
Gute Nacht gegeben!<br />
6. Weicht ihr Trauergeister,<br />
Denn mein Freudenmeister,<br />
<strong>Jesu</strong>s, tritt herein!<br />
Denen, die Gott lieben,<br />
Muß auch ihr Betrüben<br />
Lauter Zucker sein.<br />
Duld’ ich schon hier Spott und Hohn,<br />
Dennoch bleibst du auch im Leide<br />
<strong>Jesu</strong> <strong>meine</strong> Freude!<br />
Schicksalsschläge, Unbeachtetsein,<br />
der Weg in den sicheren Tod –<br />
all das soll mich, so schwer es auch ist,<br />
nicht vom Glauben an <strong>Jesu</strong>s abbringen!<br />
5. Also: Gute Nacht allem, was unsere<br />
Welt als Sinn des Lebens ausgibt!<br />
Gute Nacht, Spaß- und Erlebnisgesellschaft!<br />
Mir reicht das nicht!<br />
Aber auch Schluß mit allem, was ich falsch mache.<br />
Ich will davon loskommen.<br />
Es soll mein Trachten und Wünschen nicht länger<br />
bestimmen.<br />
Ich will nicht mehr mich selbst suchen,<br />
will mich nicht mehr treiben lassen,<br />
will mich verändern.<br />
6. Also weg mit aller depressiven Stimmung!<br />
<strong>Jesu</strong>s, buchstäblich der Meister <strong>meine</strong>r Freude,<br />
soll <strong>meine</strong> trübe Stimmung Verscheuchen.<br />
Denen, die Gott lieben, wird auch das Leiden<br />
noch ein getröstetes Leiden.<br />
Wenn mich auch alle auslachen,<br />
so bleibst du doch in allem, was kommen mag,<br />
der Grund <strong>meine</strong>r unauslöschlichen Freude!<br />
„Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in <strong>Jesu</strong>s Christus ist, unserm Herrn“, sagt<br />
der Apostel Paulus (Röm 6,39). Hören wir die letzte Strophe noch einmal!<br />
Otto Hermann Pesch<br />
München den 27. November 2005<br />
Otto Hermann Pesch <strong>Predigt</strong>_Pesch_20051127_<strong>Jesu</strong>_<strong>meine</strong>_Freude_<strong>Bach</strong>.doc Seite 3 /4