Sarah Szczesny bei Cinzia Friedlaender, Berlin - artnet Magazin
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1/27/2010 <strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong> <strong>bei</strong> <strong>Cinzia</strong> <strong>Friedlaender</strong>,…<br />
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SARAH SZCZESNY BEI CINZIA FRIEDLAENDER,<br />
BERLIN<br />
DAS SELBSTBEWUSSTSEIN VON<br />
GIPS<br />
HANS-JÜRGEN HAFNER<br />
<strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong><br />
Ausstellungsansicht „Cabin<br />
Fever Press” in der Galerie<br />
<strong>Cinzia</strong> <strong>Friedlaender</strong>, <strong>Berlin</strong>,<br />
2009–2010<br />
Courtesy of Galerie <strong>Cinzia</strong><br />
<strong>Friedlaender</strong>, <strong>Berlin</strong><br />
<strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong><br />
Mixed Blessing, 2009<br />
Gips, Leinwand, Holz, Kasein,<br />
Beton, Leim<br />
102 x 75 cm<br />
Courtesy of Galerie <strong>Cinzia</strong><br />
<strong>Friedlaender</strong>, <strong>Berlin</strong><br />
22. Januar 2010<br />
<strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong>: „Cabin Fever Press” – Galerie <strong>Cinzia</strong><br />
<strong>Friedlaender</strong>, <strong>Berlin</strong>. Vom 5. Dezember 2009 bis 30. Januar<br />
2010<br />
Auch in der Kunst gibt es Märchen und Legenden. Etwa,<br />
dass hier alles ginge, dass hier alles möglich wäre. Denn<br />
natürlich lässt sich nicht an jede Baustelle ein<br />
künstlerisches Projekt anschließen. Die Gründe dafür sind<br />
Legion. Oft liegt es bereits am Medium oder an Fragen der<br />
Technik, dass sich ein künstlerisches Anliegen damit nicht<br />
adäquat darstellen lässt. Und genauso wie Looks und Stile<br />
sind ja auch Inhalte oder Themen kulturellen<br />
Konventionen, intellektuellen Moden oder einfach nur der<br />
relativ pragmatischen Logik von Marktzyklen unterworfen.<br />
Nein, wir dürfen sicher sein: Selbst im, idealiter,<br />
grenzenlosen Möglichkeitsraum der Kunst geht das<br />
Gespenst der Freiheit um und sorgt dafür, dass sich unser<br />
Erstaunen normalerweise in Grenzen hält.<br />
Zugegeben, durch besondere Neu- oder Andersartigkeit<br />
glänzt auch die aktuelle Ausstellung von <strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong><br />
(Jg. 1979) nicht. Im Gegenteil. Angesichts ihrer Schau<br />
drängt sich geradezu der Begriff von „klassischer“<br />
Bildhauerei auf. Hier scheint es ganz und gar um Kunst als<br />
Ding, ums Werk in Form völlig eigenständiger Objekte zu<br />
gehen. Ohne große installative Koketterie stehen, liegen<br />
oder hängen da wirkungsvoll abstrakt verknappte wie<br />
auch höchst detailliert ausgear<strong>bei</strong>tete Skulpturen da.<br />
Bilden ein Tableau, das dank seiner gipsern-weißen<br />
Grundtönung, seiner deutlich ausgestellten Materialität<br />
und Handwerklichkeit sowie einer gewissen formalen Nähe<br />
zum Architektonischen relativ kohärent daherkommt. Ein<br />
Tableau, in dem – immer noch oder vielleicht schon wieder?<br />
– die etwas abgestandene Luft der 1950er-Jahre in<br />
Bewegung zu geraten scheint. Ein wenig wirkt diese<br />
Ausstellung, als würde Carlo Scarpas organischsymbolgeladene<br />
Architektur als Ambiente für die<br />
assoziativen Skulptur-Fetische Cy Twomblys, mögliche<br />
formale Ahnen <strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong>s, entdeckt. Dennoch sind<br />
ihre Objekte weit davon entfernt, historische Referenzen<br />
aufzurufen, so etwas wie Türöffner in die Vergangenheit zu<br />
sein. Denn diese Skulpturen erfordern (und bestätigen sich<br />
darin als „Werke“ im traditionellsten Sinn), dass man sie<br />
zuallererst betrachtet, als Objekte an und für sich erfährt<br />
und in ihrer Qualität erschließt.<br />
In mehreren Ar<strong>bei</strong>tsschritten sind diese skulpturalen<br />
<strong>artnet</strong>.de/…/hafner01-22-10.asp?print=1 1/3
1/27/2010 <strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong> <strong>bei</strong> <strong>Cinzia</strong> <strong>Friedlaender</strong>,…<br />
<strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong><br />
Savant, 2009<br />
Gips, Leinwand, Gesso, Kasein,<br />
Gouache<br />
120 x 107 cm<br />
Courtesy of Galerie <strong>Cinzia</strong><br />
<strong>Friedlaender</strong>, <strong>Berlin</strong><br />
Dinger, Stelen und Wandstücke konstruiert. Ein Skelett aus<br />
Holzelementen, diversen An- und Einbauten kommt da<br />
zustande; es wird mit Leim, Leinwand und Gips behandelt,<br />
umkleidet, ja, überkleistert, wird zur spezifischen<br />
Oberfläche gestaltet, teils glatt, teils grindig verputzt oder<br />
farbig akzentuiert gefasst. Besonders frappant in ihrer<br />
Wirkung fallen die Wandstücke aus, Mixed Blessings etwa<br />
oder Savant (<strong>bei</strong>de 2009). Deren Grundfläche will unter<br />
dem Druck der hineingestemmten, darin verkeilten Inserts<br />
aus kleinteilig zusammengesetztem Mauerwerk oder<br />
groben Betonkeilen buchstäblich bersten. Hier findet die<br />
gedrängte Anspannung, ganz so wie sie der<br />
Ausstellungstitel „Cabin Fever Press“ suggeriert, eine<br />
äußerst sinnfällige Entsprechung. Und dies ganz aus den<br />
Materialien, ganz aus der Form heraus. Denn selbst<br />
<strong>Szczesny</strong>s sehr ausgesuchte Titel führen von einer<br />
eindeutigen „Lesbarkeit“ ihrer Ar<strong>bei</strong>ten eher weg.<br />
<strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong><br />
Who‘s The Boss, 2009<br />
Gips, Leinwand, Holz, Gesso,<br />
Kasein, Leim<br />
83 x 64 x 40 cm<br />
Courtesy of Galerie <strong>Cinzia</strong><br />
<strong>Friedlaender</strong>, <strong>Berlin</strong><br />
Freilich – wie eingangs gesagt – wäre vollkommen<br />
berechtigt einzuwenden, dass das, was <strong>Szczesny</strong> da so<br />
selbstverständlich-souverän an Bildhauerkunst vorlegt,<br />
alles andere als neu ist. Nicht nur aufgrund von<br />
Stichworten wie 1950er-Jahre oder Twombly sind wir hier<br />
daran erinnert, dass <strong>Szczesny</strong>s technisch-formale Register<br />
bereits ziemlich gut eingeführt sind und zu notorisch<br />
ähnlichen Effekten führen. Zu einer Skulptur, die über<br />
Rhetoriken der Materialität und Machart auf Körperlichkeit<br />
bzw. Empfindung wirken will. Dem ist zu entgegnen: Nichts<br />
an diesen Ar<strong>bei</strong>ten lässt auf einen nur rhetorischen Einsatz<br />
ihrer Mittel schließen. Nichts daran sieht nach der<br />
sentimentalen Beschwörung einer besseren Vergangenheit<br />
aus. Nichts weist darauf hin, dass es durch das Ausstellen<br />
von Handwerklichkeit und anderer authentizistischer<br />
Register um das bloße Aufrufen heroischer Vorbilder ginge<br />
– oder gar um nostalgische Rettungsversuche eines seit<br />
Längerem ins Hintertreffen geratenen Mediums und seines<br />
ikonografischen Vokabulars. Nein, die Intensität, die in<br />
„Cabin Fever Press“ herrscht, ist in jedem einzelnen Objekt<br />
schlicht und ergreifend nach besten Kräften verantwortet.<br />
Fast schon als Nebeneffekt wird dadurch eine Baustelle,<br />
das Terrain der klassischen Bildhauerei, revaluiert. Und<br />
damit – vor allem mit der direkt-rauen Art und Weise, mit<br />
der <strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong> daran anschließt – war momentan<br />
wirklich nicht zu rechnen. Prompt staunen wir dann doch.<br />
<strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong><br />
Foe A, 2009<br />
Gips, Leinwand, Holz, Gesso,<br />
Leim<br />
120 x 49 x 6 cm<br />
Courtesy of Galerie <strong>Cinzia</strong><br />
<strong>Friedlaender</strong>, <strong>Berlin</strong><br />
Weitere Artikel von Hans-Jürgen Hafner<br />
<strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong><br />
The Curse is Beginning to Work,<br />
2009<br />
Gips, Leinwand, Holz, Gesso,<br />
<strong>artnet</strong>.de/…/hafner01-22-10.asp?print=1 2/3
1/27/2010 <strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong> <strong>bei</strong> <strong>Cinzia</strong> <strong>Friedlaender</strong>,…<br />
Kasein, Tusche<br />
81 x 157 x 21 cm<br />
Courtesy of Galerie <strong>Cinzia</strong><br />
<strong>Friedlaender</strong>, <strong>Berlin</strong><br />
<strong>Sarah</strong> <strong>Szczesny</strong><br />
Pronounce, 2009<br />
Gips, Leinwand, Holz, Gesso,<br />
Beton, Tusche<br />
203 x 61 x 18 cm<br />
Courtesy of Galerie <strong>Cinzia</strong><br />
<strong>Friedlaender</strong>, <strong>Berlin</strong><br />
<strong>artnet</strong>.de/…/hafner01-22-10.asp?print=1 3/3