jörg herold kunst für den deutschen bundestag - Galerie EIGEN+ART
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Lichtspur über Datumsgrenze, Reflektor, Beton<br />
Die Installation "Lichtspur über Datumsgrenze" von Jörg Herold befindet sich im Außenhof des Paul-Löbe-Hauses, eines<br />
Parlamentsneubaus nördlich des Reichstagsgebäudes. In diesem Neubau, gestaltet von dem Münchner Architekten Stephan<br />
Braunfels, vollzieht sich der Großteil der parlamentarischen Arbeit, dort sind die Sitzungssäle der Ausschüsse des Deutschen<br />
Bundestages und die Arbeitsräume von deren Sekretariaten untergebracht, aber auch das Besucherzentrum mit seinem<br />
Seminarräumen. Das Paul-Löbe-Haus fügt sich städtebaulich in eine Linie mit dem Bundeskanzleramt ein und vollzieht als<br />
Teil des "Bandes des Bundes" mit dem sich anschließen<strong>den</strong> Marie-Elisabeth-Lüders-Haus <strong>den</strong> "Spreesprung" über die ehemals<br />
trennende Ost-West-Grenze hinweg, symbolisiert durch diese architektonische Geste die Wiedervereinigung Berlins.<br />
Die Architektursprache des Baus ist bestimmt von geometrische Grundformen, wie dem Quadrat <strong>für</strong> das Deckenraster oder<br />
dem Kreis <strong>für</strong> die Rotun<strong>den</strong> mit <strong>den</strong> Ausschusssitzungssälen. Eine dieser Grundformen, <strong>den</strong> Kreis, greift Jörg Herold auf und<br />
gestaltet <strong>den</strong> Bo<strong>den</strong> des nordwestlichen Außenhofes entsprechend mit run<strong>den</strong> Betonscheiben, die in <strong>den</strong> Bo<strong>den</strong> eingelassen<br />
sind. Jede von ihnen trägt ein erhaben gegossenes Geschichtsdatum auf ihrer Oberfläche. Diese Scheiben legen sich<br />
wie ein Gewebe über das Grün des auf Bo<strong>den</strong>höhe zurückgeschnittenen<br />
Buchsbaumbewuchses. An einem Steg oberhalb des Hofes ist ein runder Spiegel mit festem<br />
Neigungswinkel installiert, der einen Sonnenstrahl auf die Betonscheiben und ihre<br />
Geschichtsdaten lenkt. Innerhalb eines Jahres läuft der Sonnenstrahl entsprechend <strong>den</strong> jahreszeitlich<br />
veränderten Sonnenstän<strong>den</strong> von einer Betonscheibe als "Brennpunkt Null" am 1. Januar<br />
über die der Wintersonnenwende sowie die einzelnen historischen Daten bis hin zu derjenigen<br />
der Sommersonnenwende. Der Künstler hat viele der Daten so gewählt, dass sie die<br />
Aufmerksamkeit auf historische Ereignisse lenken, die im Allgemeinen wenig beachtet wer<strong>den</strong>.<br />
Jörg Herold erhielt <strong>den</strong> Auftrag <strong>für</strong> diese Installation im Rahmen eines Wettbewerbes, zu dem der<br />
Kunstbeirat des Deutschen Bundestages durch die Bundesbaugesellschaft Berlin mbH und das<br />
"Büro <strong>für</strong> Kunst und Kultur - ivdt" im Juni 1998 eingela<strong>den</strong> hatte. Das Konzept <strong>für</strong> die architekturbezogene<br />
Kunst im Paul-Löbe-Haus hatten die Kunstsachverständigen Prof. Dr. Klaus<br />
Werner, Rektor der Hochschule <strong>für</strong> Grafik und Buch<strong>kunst</strong> in Leipzig, sowie Prof. Dr. Armin<br />
Zweite, Direktor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, entwickelt. Die Vergabe der Aufträge<br />
erfolgte in einem zweistufigen Verfahren, in dem zunächst die Kunstsachverständigen die eingereichten<br />
Wettbewerbsbeiträge zusammen mit dem Architekten begutachteten und ihre Empfehlung anschließend dem<br />
Kunstbeirat vorstellten. Dieses parlamentarische Gremium berät <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten oder die Präsi<strong>den</strong>tin des Deutschen<br />
Bundestages in Fragen der Förderung der bil<strong>den</strong><strong>den</strong> Kunst. Der Kunstbeirat wird jeweils zu Beginn einer Legislaturperiode<br />
vom Ältestenrat des Deutschen Bundestages eingesetzt. Anfang Oktober 1998 gehörten dem Kunstbeirat 10 Abgeordnete<br />
unter Vorsitz der damaligen Bundestagspräsi<strong>den</strong>tin Rita Süssmuth an.<br />
Der Entwurf von Jörg Herold fand Zustimmung sowohl bei der Auswahlsitzung der Kunstsachverständigen am 21. August<br />
1998 als auch auf der anschließen<strong>den</strong> Sitzung des Kunstbeirates, dem die Empfehlung der Jury am 8. Oktober 1998 vorgelegt<br />
wurde. Kunstsachverständige und Kunstbeiratsmitglieder waren beeindruckt von Jörg Herolds weitgreifendem, vom 10.<br />
Jahrhundert bis zur Gegenwart reichen<strong>den</strong> Geschichtspanorama in seiner vielfältigen Verknüpfung mit deutscher, europäischer<br />
und außereuropäischer Geschichte. Es steht im Gesamtkonzept architekturbezogener Kunst <strong>für</strong> die Parlamentsbauten<br />
einzigartig da und fügt sich doch zugleich einer übergeordneten konzeptionellen Linie ein. In ähnlicher Ten<strong>den</strong>z eröffneten<br />
schon die Projekte <strong>für</strong> das Reichstagsgebäude - von Jenny Holzers Leuchtstele mit <strong>den</strong> Redebeiträgen der Parlamentarier<br />
zwischen 1871 und 1999 bis zu Christian Boltanskis "Archiv der Deutschen Abgeordneten" von 1918 bis 1999 - vielfältige<br />
Bezüge zur Geschichte Deutschlands und seines Parlamentes, verweisen also auf das geschichsträchtige Terrain, auf das<br />
die Parlamentsbauten in der Mitte Berlins gegründet sind.<br />
Entsprechend fin<strong>den</strong> sich im Paul-Löbe- und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus gleich mehrere Installationen, die Bezüge zur<br />
Geschichte und Kulturgeschichte herstellen: "Was also ist das Leben?" fragt Joseph Kosuth und gibt die Antwort in einer<br />
Bo<strong>den</strong>-Installation durch Sätze von Thomas Mann und Ricarda Huch, Maurizio Nannucci greift in seiner Neon-Installation <strong>für</strong><br />
die Bibliothek einen Aphorismus von Hannah Arendt zur Freiheit auf, Franka Hörnschemeyer lässt in ihrer Außenskulptur<br />
"BFD - bündig fluchtend dicht" die Grundrisse der einstigen und heutigen Bebauung des Geländes sich überlagern, verklammert<br />
dergestalt Ost und West, Vergangenheit und Gegenwart, während das Künstlerduo (e.) Twin Gabriel in <strong>den</strong><br />
Außenskulpturen "Deutscher 1" und "Deutscher 2" bildungsbürgerliche Heroenverehrung ironisiert.<br />
Diese Linie ergänzt und vertieft Jörg Herold in seiner Installation. Bereits in einer Vielzahl früherer Arbeiten hatte er sich mit<br />
dieser Frage nach der Wahrnehmung von Geschichte auseinandergesetzt, mit ihrer Osszilation zwischen faktischem<br />
Geschehen und ihrer verarbeiten<strong>den</strong> Interpretation bis hin zur Mythenbildung, sei es, dass diese Interpretation durch das<br />
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