Das Familiengartenhaus in Köln
Das Familiengartenhaus in Köln
Das Familiengartenhaus in Köln
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Bewerbung<br />
im<br />
Wettbewerb<br />
„Netzwerk<br />
Nachbarschaft<br />
2007“<br />
<strong>Köln</strong>,<br />
August 2007<br />
<strong>Das</strong> <strong>Familiengartenhaus</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>Köln</strong><br />
- Raum für e<strong>in</strong> neues Mite<strong>in</strong>ander -
DER INHALT<br />
Die Idee …………………………………………….……… 1<br />
Die Fakten ……………………………………………….. 3<br />
Die geme<strong>in</strong>same Planung ……………………….. 5<br />
Der Geme<strong>in</strong>schaftsgarten ……………………….. 6<br />
Leben im <strong>Familiengartenhaus</strong> ………………... 8<br />
Die Organisationsstruktur ……………………….. 11<br />
<strong>Das</strong> <strong>Familiengartenhaus</strong> -<br />
e<strong>in</strong> Zukunftsmodell? ……………………………..…. 12<br />
<strong>Das</strong> <strong>Familiengartenhaus</strong> -<br />
Partner und Bewohner …………….……………... 13<br />
Bilder des<br />
geme<strong>in</strong>samen Lebens ……………………………... 14<br />
1/14<br />
DIE IDEE<br />
„Ich will die Geborgenheit des Dorfes und damit das<br />
Zusammenleben mehrerer Generationen mit der<br />
Freiheit der Stadt verb<strong>in</strong>den“, sagt Gisela Edel,<br />
Ideengeber<strong>in</strong> und Bauträger<strong>in</strong> des<br />
<strong>Familiengartenhaus</strong>es. „Wenn ich baue, soll es um<br />
mehr als Geld gehen. Ich will Impulse setzen,<br />
Menschen wieder zusammenführen“, so die<br />
68-jährige <strong>Köln</strong>er<strong>in</strong>.<br />
Also erwarb Gisela Edel im Jahr 2004 e<strong>in</strong> 3.200<br />
Quadratmeter großes Grundstück im <strong>Köln</strong>er Stadtteil<br />
Nippes und gab damit die Initialzündung zum<br />
„<strong>Familiengartenhaus</strong>“. Ihr Wunsch war es,<br />
k<strong>in</strong>derreichen Familien den Kauf erschw<strong>in</strong>glicher<br />
Eigentumswohnungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haus mit Garten und<br />
lebendiger Nachbarschaft zu ermöglichen. <strong>Das</strong><br />
Nebene<strong>in</strong>ander der Generationen sollte so wieder zu<br />
e<strong>in</strong>em Mite<strong>in</strong>ander werden. Gute Nachbarschaft<br />
sollte der Vere<strong>in</strong>samung der Städter entgegenwirken<br />
und helfen, Beruf und Familie leichter mite<strong>in</strong>ander<br />
zu vere<strong>in</strong>baren. „<strong>Das</strong> wird wie früher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dorf.<br />
Alle passen e<strong>in</strong> bisschen aufe<strong>in</strong>ander auf.“
DIE FAKTEN Die Lage<br />
Die <strong>Familiengartenhaus</strong>-Geme<strong>in</strong>schaft wohnt im <strong>Köln</strong>er Stadtteil Nippes (ca.<br />
32.400 E<strong>in</strong>wohner). Nippes liegt nördlich der Innenstadt und hat e<strong>in</strong>en Auslän-<br />
deranteil von rund 19 Prozent. <strong>Das</strong> <strong>Familiengartenhaus</strong><br />
liegt fußläufig zur Haupte<strong>in</strong>kaufsstraße,<br />
zu K<strong>in</strong>dergärten und Schulen, zu mehreren<br />
Sportplätzen und kle<strong>in</strong>eren Parkanlagen,<br />
zum Bezirksamt der Stadt <strong>Köln</strong>, zur Stadtbibliothek<br />
und zur Volkshochschule. Geschäfte,<br />
Restaurants und Cafés für jeden Geschmack<br />
und Geldbeutel bereichern die Nachbarschaft.<br />
Dazu kommt e<strong>in</strong>e bunte Mischung aus kle<strong>in</strong>und<br />
mittelständischen Betrieben sowie<br />
Dienstleistern. Die nächste U-Bahn-Station ist<br />
fünf M<strong>in</strong>uten zu Fuß entfernt, bis zum <strong>Köln</strong>er<br />
Hauptbahnhof s<strong>in</strong>d es fünf Stationen.<br />
3/14<br />
Susanne Eichmüller,<br />
42 Jahre,<br />
stellvertretende<br />
Bezirksbürgermeister<strong>in</strong><br />
von<br />
Nippes und Bewohner<strong>in</strong><br />
„Nippes ist e<strong>in</strong> sehr lebendiger<br />
und gewachsener Stadtteil von<br />
<strong>Köln</strong>. <strong>Das</strong> <strong>Familiengartenhaus</strong><br />
ergänzt das Viertel gut und beweist,<br />
dass alternative Wohnformen<br />
mit hoher ökologischer<br />
Qualität machbar s<strong>in</strong>d. Durch<br />
die Tiefgarage versiegelt das<br />
Projekt weniger Flächen als<br />
klassische E<strong>in</strong>familienhaussiedlungen<br />
– und es ist weniger<br />
anonym. Im Stadtteil ist das<br />
<strong>Familiengartenhaus</strong> deshalb e<strong>in</strong><br />
Vorzeigeprojekt, an dem sich<br />
ähnliche Vorhaben orientieren.“
<strong>Das</strong> Haus<br />
<strong>Das</strong> Haus besitzt sechs Etagen mit 20 Eigentumswohnungen<br />
zwischen 38 und 170 Quadratmetern. Dazu gibt es e<strong>in</strong>en 70<br />
Quadratmeter großen Geme<strong>in</strong>schaftsraum<br />
mit Terrasse im Erdgeschoss,<br />
e<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>schaftsgarten (ca. 1.000<br />
qm), e<strong>in</strong>en Raum der Stille auf dem<br />
Dach, e<strong>in</strong>em Jugend- und Probenraum<br />
sowie e<strong>in</strong>e Tiefgarage. Sie bietet<br />
auch mit fünf Stellplätze für den<br />
Car-Shar<strong>in</strong>g-Anbieter Cambiocar. Es<br />
gibt somit immer beide Möglichkeiten:<br />
sich zeitweise <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Wohnung zurückzuziehen<br />
und rege am Geme<strong>in</strong>schaftsleben<br />
teilzunehmen.<br />
<strong>Das</strong> Haus entspricht dem Niedrigenergiestandard<br />
nach den KfW 40-<br />
Richtl<strong>in</strong>ien, hat erhöhten Schallschutz<br />
und ist barrierefrei konzipiert. Geheizt<br />
wird mit Holzpellets. Im Garten s<strong>in</strong>d<br />
rund 70 überdachte Fahrrad-<br />
Stellplätze im Bau. Aus e<strong>in</strong>igen der<br />
großen Wohnungen lassen sich später<br />
zwei Wohnungen machen, um auch<br />
nach der Familienphase im Haus bleiben<br />
zu können. Der K<strong>in</strong>derwagenraum<br />
im ersten Untergeschoss ist<br />
auch für Rollatoren etc. gedacht.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Familiengartenhaus</strong>—Ansicht aus dem Garten; l<strong>in</strong>ks<br />
mit der großen Glasfront liegt der Geme<strong>in</strong>schaftsraum<br />
4/14<br />
Bisher leben 50 Menschen im <strong>Familiengartenhaus</strong>, 22 Frau-<br />
en/Mädchen und 28 Männer/Jungen. Sechs der <strong>in</strong>sgesamt 15<br />
Haushalte s<strong>in</strong>d k<strong>in</strong>derlos, <strong>in</strong> neun Haushalten<br />
leben bis zu sechs K<strong>in</strong>der. Zwei Familien<br />
s<strong>in</strong>d türkischstämmig, e<strong>in</strong>e<br />
deutsch-amerikanisch. E<strong>in</strong> Bewohner hat<br />
<strong>in</strong>dische Wurzeln. Zwei Familien verb<strong>in</strong>den<br />
im Haus Leben und Arbeiten – e<strong>in</strong> selbstständiges<br />
Unternehmensberater-Paar sowie<br />
e<strong>in</strong>e Klavierlehrer<strong>in</strong>. Weitere Mitbewohner<br />
s<strong>in</strong>d zwei Katzen, zwei Stallhasen<br />
sowie e<strong>in</strong>ige Jung-Fledermäuse, die e<strong>in</strong>e<br />
dazu berechtigte Bewohner<strong>in</strong> <strong>in</strong> speziellen<br />
Kästen hochpäppelt.<br />
Im Haus leben bisher 26 K<strong>in</strong>der. Davon<br />
s<strong>in</strong>d sieben jünger als vier Jahre, sieben<br />
K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d im K<strong>in</strong>dergarten-, weitere sieben<br />
im Grundschulalter. Drei K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d<br />
zwischen elf und vierzehn. Außerdem leben<br />
zwei Jugendliche im <strong>Familiengartenhaus</strong>.<br />
Von den 24 Erwachsenen s<strong>in</strong>d zehn<br />
zwischen 30 und 39 Jahren sowie sieben<br />
zwischen 40 und 49 Jahren alt. Vier Erwachsene<br />
s<strong>in</strong>d zwischen 50 und 59, drei<br />
zwischen 60 und 69 Jahren alt. Vier Wohnungen<br />
stehen noch zum Verkauf.
DIE GEMEINSAME PLANUNG<br />
„In dicht an dicht gebauten E<strong>in</strong>familienhaussiedlungen<br />
f<strong>in</strong>den viele Famili-<br />
Grundlegend für das Gel<strong>in</strong>gen des <strong>Familiengartenhaus</strong>-<br />
Projektes war e<strong>in</strong>e enge Zusammenarbeit zwischen Bauträen<br />
nicht mehr die Wohnqualität, die ger<strong>in</strong>, der zukünftigen Hausgeme<strong>in</strong>schaft und Architekturbüro,<br />
sie sich wünschen. Die Nachfrage unterstützt von e<strong>in</strong>er externen Moderator<strong>in</strong>. Die Suche nach<br />
nach geme<strong>in</strong>schaftsorientiertem Eigentum<br />
wächst. Doch während der<br />
Markt für ältere Menschen mittlerwei-<br />
<strong>in</strong>teressierten Familien begann im Januar 2005. Aufmerksam<br />
geworden durch Veranstaltungen im Nippeser Bürgerzentrum,<br />
le entdeckt ist, trauen sich noch zu Medienberichte oder Mund-zu-Mund-Propaganda fand sich<br />
wenige Investoren an <strong>in</strong>novative Lö- rasch e<strong>in</strong>e Kerngruppe von Interessenten.<br />
Monika Schneider, 42 Jahre alt,<br />
Inhaber<strong>in</strong> „Agentur für Wohnsungen<br />
für Familien heran. <strong>Das</strong> <strong>Familiengartenhaus</strong><br />
ist deshalb e<strong>in</strong> Mo- Dem ersten moderierten Gruppentreffen folgten im Laufe des<br />
konzepte“ und Moderator<strong>in</strong> der dellprojekt, an dem gerade Bauträger Jahres 2005 weitere neun geme<strong>in</strong>same Term<strong>in</strong>e – abends,<br />
Gruppentreffen<br />
sich orientieren sollten.“<br />
und zum Teil auch als Wochenend-Workshops. Dabei g<strong>in</strong>g es<br />
zum e<strong>in</strong>en immer darum, sich besser kennen zu lernen und<br />
neu h<strong>in</strong>zukommende Interessenten zu <strong>in</strong>tegrieren. Andererseits standen f<strong>in</strong>anzielle, rechtliche und bauplanerische Themen auf der<br />
Tagesordnung. Die Interessenten organisierten zudem e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar zur Bauf<strong>in</strong>anzierung bei der Verbraucherzentrale.<br />
Parallel zu den Gruppentreffen planten die künftigen Bewohner ihre Sonderwünsche und zum Teil Eigenleistungen mit dem<br />
ausführenden Architekten. Für e<strong>in</strong>ige war die Möglichkeit zu Eigenleistungen e<strong>in</strong>e wichtige f<strong>in</strong>anzielle Entlastung. Mitentschieden<br />
wurde sogar, ob die Quadratmeterpreise nach Geschoss gestaffelt werden sollten<br />
(Entscheidung: ne<strong>in</strong>) und welche Farbe die Fassade erhalten sollte.<br />
Ende 2005 wurden die ersten Kaufverträge unterschrieben, im Frühjahr 2006 war Baubeg<strong>in</strong>n.<br />
Die regelmäßigen Plenumstreffen g<strong>in</strong>gen 2006 weiter, ergänzt durch mehrere<br />
Arbeitsgruppen mit kle<strong>in</strong>erer Besetzung. Sie beschäftigten sich mit Themen wie Verwaltung,<br />
Fassaden- und Treppenhausgestaltung, Nutzungs- und Gestaltungsfragen zum Geme<strong>in</strong>schaftsraum,<br />
zum Geme<strong>in</strong>schaftsgarten und dem „Raum der Stille“. Dabei wuchs<br />
die Gruppe immer enger zusammen. Im November 2006 war Richtfest, Anfang Mai 2007<br />
zogen die ersten Bewohner e<strong>in</strong>.<br />
5/14<br />
Architekt Walter Maier und Gisela Edel beim Richtfest
DER GEMEINSCHAFTSGARTEN<br />
Der geme<strong>in</strong>same Garten mitten <strong>in</strong> der Stadt ist e<strong>in</strong>e der besonderen<br />
Anziehungspunkte im <strong>Familiengartenhaus</strong> – für die Bewohner selbst<br />
und für Besucher und Besucherk<strong>in</strong>der. Die Hausgeme<strong>in</strong>schaft plante ihn<br />
von Anfang an geme<strong>in</strong>sam. Auch die K<strong>in</strong>der ab K<strong>in</strong>dergartenalter waren<br />
beteiligt.<br />
E<strong>in</strong>e erfahrene Gartenarchitekt<strong>in</strong> stellte der Gruppe verschiedene Ges-<br />
taltungsmöglichkeiten vor und organisierte e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>tägigen Visions-<br />
Workshop. In acht Kle<strong>in</strong>gruppen entstanden aus Naturstoffen und Bas-<br />
telmaterial unterschiedliche Gartenmodelle, <strong>in</strong> denen sich die persönli-<br />
chen Wünsche, Träume und Vorstellungen von e<strong>in</strong>em Geme<strong>in</strong>schafts-<br />
garten spiegelten - zunächst ohne Rücksicht auf praktische Erfordernis-<br />
se oder Realisierbarkeit.<br />
Die Gartenarchitekt<strong>in</strong> wertete die acht Modellgärten <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die<br />
wichtigsten und häufigsten Elemente schriftlich aus. Es folgten mehrere<br />
Treffen der Garten-AG, <strong>in</strong> denen nun die konkreten Entscheidungen für<br />
die wichtigsten Elemente und die konkreten Größen von Nutzgarten,<br />
Fußballplatz, Sandfläche etc. fielen. Daraus entstand nun e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sa-<br />
mes, maßstäbliches Visionsmodell - die Grundlage für den konkreten<br />
Bau-, Pflanz- und Kostenplan. Die Hausgeme<strong>in</strong>schaft legte dabei gro-<br />
ßen Wert darauf, dass die Flächen möglichst flexibel s<strong>in</strong>d. So soll e<strong>in</strong><br />
„Stämmemikado“ aus Baumstämmen sowohl zum Klettern für die K<strong>in</strong>-<br />
der als auch als abendlicher Treffpunkt für die Erwachsenen dienen.<br />
6/14<br />
Visionsmodell des Gartens
„Bei den Bauwochenenden,<br />
beim geme<strong>in</strong>samen Löcherbuddeln<br />
oder Ste<strong>in</strong>e schleppen,<br />
Patrizia Greis, 32<br />
Jahre ehemalige<br />
lernt man sich anders kennen.<br />
Zusammen geht es außerdem<br />
schneller voran und es ist e<strong>in</strong><br />
schönes Gefühl, wenn abends<br />
die Mauer wieder e<strong>in</strong> Stück gewachsen<br />
ist. Jeder kann se<strong>in</strong>e<br />
K<strong>in</strong>derkrankenschwester<br />
Talente e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und statt<br />
schwer zu tragen auch für alle<br />
20, 30 Leute kochen. Letzten Sonntag gab es<br />
<strong>in</strong>disches Essen von Suresh – sehr lecker.“<br />
Eigenleistungen im Garten<br />
waren von Anfang an e<strong>in</strong>geplant.<br />
Wie viel die Geme<strong>in</strong>schaft auf-<br />
grund des beschränkten Budgets<br />
selbst zu leisten hat,<br />
wurde etlichen aller-<br />
d<strong>in</strong>gs erst nach und<br />
nach bewusst. So<br />
brachte der Hausge-<br />
me<strong>in</strong>schaft der Bau<br />
von etlichen Metern<br />
Naturste<strong>in</strong>mauern bereits viele Wochenenden mit Schubkar-<br />
ren, Haueisen und Schwielen an den Händen e<strong>in</strong>. 60 Tonnen<br />
Grauwacke wurden bereits verbaut.<br />
Klar wurde aber auch, dass sich e<strong>in</strong>ige D<strong>in</strong>ge erst im Laufe<br />
der Jahre realisieren lassen werden – so wird für e<strong>in</strong> Spiel-<br />
haus für die K<strong>in</strong>der und e<strong>in</strong>e Mehrzweckhütte für die Erwach-<br />
senen noch nach preisgünstigen und trotzdem robusten Lö-<br />
sungen gesucht. Auch um geme<strong>in</strong>same Wünsche wie etwa ei-<br />
ne Solaranlage zu realisieren, wird weiter über F<strong>in</strong>anzierungs-<br />
möglichkeiten nachgedacht – von der Sponsorensuche bis zum<br />
Straßenverkauf.<br />
7/14<br />
Bilder des geme<strong>in</strong>samen Gartenworkshops im November 2006
LEBEN IM FAMILIENGARTENHAUS<br />
<strong>Das</strong> <strong>Familiengartenhaus</strong> ist durch Lage und Bauweise von An-<br />
fang an ressourcenschonend konzipiert. <strong>Das</strong> Zusammenle-<br />
ben der Hausgeme<strong>in</strong>schaft bietet darüber h<strong>in</strong>aus zahlreiche<br />
Möglichkeiten, den Alltag effizienter und preiswerter zu gestal-<br />
ten. So nutzen sechs Eigentümer geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>e Waschma-<br />
sch<strong>in</strong>e beziehungsweise e<strong>in</strong>en Trockner. Auf e<strong>in</strong>er Etage gibt<br />
es e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Schrank für selten genutzte Haushalts-<br />
geräte.<br />
Erste Geme<strong>in</strong>schaftse<strong>in</strong>käufe s<strong>in</strong>d getätigt, weil große Geb<strong>in</strong>de<br />
bei Verbrauchsgütern günstiger e<strong>in</strong>zukaufen s<strong>in</strong>d. Fahrgeme<strong>in</strong>-<br />
schaften entstehen täglich je nach Bedarf. Per Aushang im<br />
Hausflur wird darüber <strong>in</strong>formiert, wer wann woh<strong>in</strong> fährt und<br />
was mitgebracht werden kann. Spontan im Haus entstanden<br />
ist auch e<strong>in</strong> so genannter Flohmarkt-Keller. Jede Familie kann<br />
dort Sachen h<strong>in</strong>stellen, die sie nicht mehr benötigt und dafür<br />
andere mitnehmen<br />
Geme<strong>in</strong>same Aktionen fanden auch statt, um e<strong>in</strong>e gebrauchte<br />
Werkbank, die Küchene<strong>in</strong>richtung für den Geme<strong>in</strong>schafts-<br />
raum oder Weidenstämme und Bambus für den Garten zu or-<br />
ganisieren. E<strong>in</strong> Mitbewohner stellt se<strong>in</strong>en Keller als Werkzeug-<br />
und Bastelkeller zur Verfügung. Es wird e<strong>in</strong>e Werkbank geben<br />
und Werkzeuge, die auch ausgeliehen werden dürfen. E<strong>in</strong> an-<br />
derer Mitbewohner wird se<strong>in</strong>en Keramikbrennofen für die ge-<br />
8/14<br />
me<strong>in</strong>schaftliche Nutzung zur Verfügung stellen und hilft bei Be-<br />
darf mit se<strong>in</strong>en Englischkenntnissen weiter. Jeweils Samstags<br />
um elf Uhr hat sich e<strong>in</strong> Treffen <strong>in</strong> der Tiefgarage zum S<strong>in</strong>gen<br />
und Musikmachen mit den K<strong>in</strong>dern etabliert.<br />
"Ich b<strong>in</strong> Amerikaner und lebe seit<br />
18 Jahren <strong>in</strong> Deutschland. Ich<br />
habe die englische Sprache als<br />
Muttersprache geschenkt bekommen<br />
und sehe sie als Chance,<br />
der Welt "etwas Gutes zu tun".<br />
Als e<strong>in</strong> 17-Jähriger aus dem<br />
Stephen Elder, 49 Jahre alt, Psy-<br />
Haus <strong>in</strong> Englisch durchzufallen<br />
chologe und Unternehmensberater<br />
drohte, überlegten wir, ab dem<br />
neuen Schuljahr zusammen zu lernen. Während des Urlaubs<br />
könnte er <strong>in</strong> unserer Wohnung e<strong>in</strong>hüten und für se<strong>in</strong>e Prüfungen<br />
lernen – e<strong>in</strong>e der vielen Möglichkeiten im <strong>Familiengartenhaus</strong>,<br />
sich gegenseitig zu helfen."<br />
Über die per E-Mail verschickte <strong>Familiengartenhaus</strong>zeitung<br />
konnten schon jetzt e<strong>in</strong>ige Möbel, aber auch Beratungsleistun-<br />
gen und Tipps zum Stadtteil ausgetauscht werden. Zudem gibt<br />
es e<strong>in</strong>en regen Informationsaustausch zu E<strong>in</strong>richtungsfragen,<br />
zu kostengünstigen E<strong>in</strong>kaufsquellen, zu günstigen, ökologisch<br />
ausgerichteten Stromanbietern, zu Netzbetreibern oder Versi-<br />
cherungen. An der Idee e<strong>in</strong>es haus<strong>in</strong>ternen Tauschr<strong>in</strong>gs wird<br />
gearbeitet.
Gegenseitiges K<strong>in</strong>derhüten ist im <strong>Familiengartenhaus</strong><br />
selbstverständlich. Im Geme<strong>in</strong>schaftsgarten passen die<br />
Größeren mit auf die Kle<strong>in</strong>eren auf. In „Notfällen“ kann<br />
fast immer e<strong>in</strong> Nachbar e<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>gen und beispielsweise<br />
e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d aus dem K<strong>in</strong>dergarten abholen, wenn es bei den<br />
Eltern später wird. Auch zum Post und Pakete annehmen<br />
oder Schlüssel an Handwerker weitergeben s<strong>in</strong>d alle im<br />
Haus gern bereit. Drei Familien, deren Wohnungen durch<br />
großzügige Terrassen verbunden s<strong>in</strong>d, haben bewusst auf<br />
e<strong>in</strong>e vollständige Abtrennung verzichtet, um K<strong>in</strong>dern und<br />
Erwachsenen das Mite<strong>in</strong>ander zu erleichtern. Die Familien<br />
mit "vielen" K<strong>in</strong>dern werden nicht diskrim<strong>in</strong>iert, wie es <strong>in</strong><br />
anderen Mehrfamilienhäusern manchmal der Fall ist.<br />
Fatih Torun, 13<br />
Jahre, Schüler<br />
„So was wie hier gibt’s nicht alle Tage.<br />
<strong>Das</strong> f<strong>in</strong>den me<strong>in</strong>e Freunde auch,<br />
sie sagen das Haus ist echt cool. Ich<br />
helfe hier, wo ich kann – mit Babysitten,<br />
oder ich baue den Weg im Garten<br />
fertig. Zuerst wollten wir im Garten<br />
e<strong>in</strong> Baumhaus haben, aber das<br />
war zu teuer. Jetzt versuchen wir gerade<br />
Geld aufzutreiben, damit auf<br />
das Fußballfeld Sand statt Rasen<br />
kann.“<br />
Ingrid Böhm-Laubhold, 37<br />
Jahre, Programmkoord<strong>in</strong>ator<strong>in</strong><br />
im Schüleraustausch<br />
Die Gartenzwerge auf der Dachterrasse zeigen Nachbarn, ob Besuch willkommen ist.<br />
9/14<br />
„Wo wir früher gewohnt haben gab es<br />
selbst nach Jahren kaum Kontakt zu den<br />
Nachbarn. Im <strong>Familiengartenhaus</strong> ist<br />
das völlig anders. Die räumliche Nähe ist<br />
schön und erleichtert die Alltagsorganisation<br />
zwischen Büro und Zuhause enorm.<br />
So passt Maren, die zwei<br />
Etagen unter uns lebt, regelmäßig auf<br />
unseren zweijährigen Sohn Kjell auf.
„Ich verkaufe gerade<br />
me<strong>in</strong> Haus, <strong>in</strong> dem<br />
ich 40 Jahre lang gelebt<br />
habe, um <strong>in</strong>s<br />
<strong>Familiengartenhaus</strong><br />
zu ziehen. Hier leben<br />
viele junge Leute<br />
und Ältere unter e<strong>in</strong>em<br />
Dach – e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft,<br />
nach der<br />
ich lange gesucht<br />
habe.<br />
Annemarie Weber,<br />
69 Jahre, ehemalige<br />
Textile<strong>in</strong>käufer<strong>in</strong><br />
Von Anfang an war es zudem wichtig, e<strong>in</strong>e gute Beziehung auch zu<br />
den Nachbarhäusern, meist Mietshäusern, aufzubauen. So wurden<br />
die Nachbarn und alle Unterstützter bereits zum Richtfest und spä-<br />
ter zur großen E<strong>in</strong>weihungsfeier e<strong>in</strong>geladen. Derzeit wird diskutiert,<br />
für welche Art von öffentlichen Veranstaltungen der Geme<strong>in</strong>schafts-<br />
raum möglicherweise genutzt werden kann – zum Beispiel für e<strong>in</strong>en<br />
Informationsabend über Car Shar<strong>in</strong>g.<br />
Mit K<strong>in</strong>dern habe ich<br />
mich schon immer<br />
gern beschäftigt, und<br />
me<strong>in</strong>e eigenen s<strong>in</strong>d<br />
längst erwachsen. Ich<br />
werde mich von allem<br />
trennen, was seit Jahren<br />
nur noch herumsteht.<br />
Neben dem Waschkeller liegt der Raum der Jugendlichen. Sie haben<br />
ihn sich selbst hergerichtet, Teppich verlegt und e<strong>in</strong>e Dartscheibe<br />
organisiert. Mitbewohner konnten beim Wäschehochholen schon die<br />
erste „LAN-Party“ mit fünf zusammen geschalteten Rechnern miter-<br />
leben. Die baldige Fertigstellung des Geme<strong>in</strong>schaftsraum und des<br />
10/14<br />
Raums der<br />
Stille eröff-<br />
net e<strong>in</strong> wei-<br />
teres Feld<br />
für geme<strong>in</strong>-<br />
sameAkti- vitäten, wie<br />
beispiels-<br />
weisege- me<strong>in</strong>sames Gitarrespielen.<br />
Jugendliche beim Gitarrespielen<br />
E<strong>in</strong> wichtiges Anliegen ist es zudem, auch „Stadtk<strong>in</strong>der“ an<br />
die Natur heranzuführen, zum Beispiel durch geme<strong>in</strong>same<br />
Pflanzaktionen, Anlegen e<strong>in</strong>es Komposthaufens etc. E<strong>in</strong>e Fa-<br />
milie plant, geme<strong>in</strong>sam mit<br />
den anderen Bewohnern<br />
e<strong>in</strong>e Art Bauerngarten mit<br />
Apfelbaum, Kürbissen, To-<br />
maten etc. anzulegen. Die<br />
ersten Erdbeeren wurden<br />
schon geerntet.<br />
Charlotte und Meret,<br />
beide 5 Jahre alt,<br />
zeigen Ihren Pflanzkasten
DIE ORGANISATIONSSTRUKTUR<br />
„Verantwortung ja, Zwang ne<strong>in</strong>“ – die Familiengartenhäus-<br />
ler stehen täglich neu vor der Aufgabe,<br />
sich zu organisieren, pragmatisch zu<br />
se<strong>in</strong>, aber niemanden zu übergehen,<br />
Entscheidungen herbeizuführen und allen<br />
transparent zu machen (auch wenn nicht<br />
immer alle da s<strong>in</strong>d), kreativ, aber trotz-<br />
dem „TÜV gerecht“ zu handeln.<br />
E<strong>in</strong>e Hausverwaltung unterstützt bei<br />
rechtlichen und technischen Fragen. Die<br />
Hausgeme<strong>in</strong>schaft hatte zuvor <strong>in</strong>frage<br />
kommende Hausverwalter recherchiert,<br />
sie zu Präsentationen e<strong>in</strong>geladen und<br />
schließlich e<strong>in</strong>en der Anbieter ausge-<br />
wählt. E<strong>in</strong> Verwaltungsbeirat aus drei<br />
Mitbewohnern ist die Schnittstelle zur<br />
Hausverwaltung, gibt Informationen wei- Kommunikation — das „A und O“<br />
ter, entscheidet <strong>in</strong> gewissem Rahmen selbst oder führt Ent-<br />
scheidungen herbei.<br />
11/16<br />
Alle zwei Wochen ist Plenumstreffen mit allen Bewohnern.<br />
Reihum übernimmt dabei jeweils e<strong>in</strong><br />
Nachbar die Term<strong>in</strong>vorbereitung und Ge-<br />
sprächsleitung beziehungsweise das Proto-<br />
koll. Parallel dazu treffen sich die Arbeits-<br />
gruppentreffen nach Bedarf. Informationen<br />
werden per E-Mail, per elektronischer FGH-<br />
Zeitung und demnächst auch über e<strong>in</strong><br />
Schwarzes Brett ausgetauscht. H<strong>in</strong>zu kom-<br />
men jetzt die vielen alltäglichen Kontakte<br />
und die räumlichen Möglichkeiten, die zu ko-<br />
operativen Aktivitäten <strong>in</strong>spirieren.<br />
E<strong>in</strong> Patenschaftssystem ist e<strong>in</strong>geführt. Dabei<br />
übernehmen jeweils e<strong>in</strong>e Familie oder ei-<br />
ne Person die Verantwortung für bestimmte<br />
Bereiche im Haus, ums Haus herum und im<br />
Garten - für die Sauberkeit, Erhaltung bezie-<br />
hungsweise Pflege, dauerhaft oder rotierend. Für das Put-<br />
zen des Geme<strong>in</strong>schaftsraum tun sich jeweils Teams aus ei-<br />
ner Familie und e<strong>in</strong>em „S<strong>in</strong>gle“ zusammen. So s<strong>in</strong>d alle<br />
Nachbarn <strong>in</strong> die Fürsorge um die Geme<strong>in</strong>schaftsflächen e<strong>in</strong>-<br />
bezogen.
DAS FAMILIENGARTENHAUS — EIN ZUKUNFTSMODELL?<br />
Im <strong>Familiengartenhaus</strong> haben sich Menschen unterschiedli-<br />
chen Alters, unterschiedlicher Herkunft, Ausbildung und<br />
Religion ohne Not zusammengetan, um das Leben für alle rei-<br />
cher zu machen. Jeder kann se<strong>in</strong>e Stärken, se<strong>in</strong>e Ideen leben<br />
und mit den anderen teilen. Geme<strong>in</strong>sam zu leben spart zudem<br />
Geld, Zeit und Rohstoffe. Mit diesen Ideen wachsen auch die<br />
K<strong>in</strong>der auf. Sie helfen und gestalten bei allen nachbarschaftli-<br />
chen Aktivitäten aktiv mit – und lernen dabei quasi nebenher<br />
Toleranz und e<strong>in</strong>e konstruktive Konfliktbewältigung.<br />
„Nachbarschaft“ wird so zu mehr als nur<br />
„Nachbarschaftshilfe“. Sie wird zu e<strong>in</strong>em zukunftsweisenden<br />
Raum für e<strong>in</strong> neues Mite<strong>in</strong>ander – unter e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen<br />
Dach, mit e<strong>in</strong>em Netzwerk aus Unterstützern, Ideengebern,<br />
Mitgestaltern und hoffentlich vielen Nachmachern!<br />
12/16<br />
K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d die Zukunft<br />
und heute schon da!
BILDER DES GEMEINSAMEN LEBENS<br />
14/14
Inhalt und Layout:<br />
<strong>Familiengartenhaus</strong>geme<strong>in</strong>schaft<br />
Niehler Kirchweg 61-63<br />
50733 <strong>Köln</strong>