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Die Mär von Israels Gründungshilfe für die HAMAS - Security Explorer

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Globale Entwicklungen, Regionale Herausforderungen<br />

<strong>Die</strong> <strong>Mär</strong> <strong>von</strong> <strong>Israels</strong> <strong>Gründungshilfe</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong><br />

Von: Ulrich W. Sahm<br />

"Ich habe einen Preis in Höhe <strong>von</strong> 5.000 Dollar ausgesetzt <strong>für</strong> ein Dokument oder<br />

Gesprächsprotokoll, das <strong>Israels</strong> Unterstützung und Hilfe zur Gründung der <strong>HAMAS</strong><br />

beweist", sagte Brigadegeneral a.D. Schalom Harari. Der Geheim<strong>die</strong>nstmann war zwischen<br />

1977 und 1997 <strong>für</strong> den Gazastreifen zuständig. Im Dezember 1987 wurde <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong><br />

gegründet. Bis heute habe ihm kein Offizier oder Politiker den gewünschten Beweis geliefert.<br />

Er hält es <strong>für</strong> ein <strong>Mär</strong>chen, dass Israel mit der <strong>HAMAS</strong> ein politisches Gegengewicht zur PLO<br />

schaffen wollte.<br />

<strong>Die</strong> kommunistische Zeitung L'Humanité behauptet gar, dass "Israel <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> gefördert habe, weil<br />

Religiosität <strong>die</strong> Palästinenser vom Terror abhalte". Es ist unklar, wieso in Presseberichten immer wieder<br />

verbreitet wird, dass <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> ein Produkt israelischer Machtpolitik sei.<br />

"Wenn wir an einer Schule der 'Fatah' vorbeifuhren, wurden wir mit Steinen und Handgranaten beworfen. In<br />

Schulen der Moslembrüder erhielten wir Wasser und konnten Ärzte zu den Verwundeten schicken. <strong>Die</strong><br />

Moslembrüder, aus denen <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> hervorging, betrieben keinen Terror. Sowie sie aber Waffen<br />

sammelten oder Terror betrieben, gingen wir genauso gegen sie vor, wie gegen <strong>die</strong> 'Fatah'", erinnert sich der<br />

Geheim<strong>die</strong>nstmann Yigal Carmon an seine Zeit im Gazastreifen. Und Efraim Lapid, der an der Jagd auf <strong>die</strong><br />

Attentäter bei den olympischen Spielen in München 1972 beteiligt war, sagt: "Scheich Ahmed Jassin saß<br />

schon vor der Gründung der <strong>HAMAS</strong> im Gefängnis, weil er Waffen versteckte. Kurz nach der Gründung der<br />

<strong>HAMAS</strong> verhafteten wir ihn erneut wegen der Entführung und Ermordung <strong>von</strong> Soldaten. Beim Kampf gegen<br />

Terror machen wir keine Unterschiede".<br />

Brigadegeneral a.D. Schalom Harari ist Forscher beim IDC in Herzliya und spezialisiert auf Islamisten: "<strong>Die</strong><br />

<strong>Mär</strong> israelischer Starthilfe <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> lässt sich kaum ausmerzen". <strong>Die</strong> <strong>HAMAS</strong> (Harakat al-Muqawima<br />

al-Islamiyya, Islamische Widerstandsbewegung) wurde 1987 als der 'militärische Arm' der<br />

Moslembruderschaft (Ikhwan al-Muslimin, 1946, Mujama ab 1973) gegründet. <strong>Die</strong> Islamisten hatten im<br />

Gazastreifen ein soziales Netz aufgebaut, jedoch ohne militärische Ambitionen. Sie gründeten in Gaza <strong>die</strong><br />

islamische Universität und bezogen Gelder aus dem Ausland <strong>für</strong> den Bau <strong>von</strong> Moscheen. Israelische<br />

Genehmigungen da<strong>für</strong> werden als 'Beweis' <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bevorzugung der Islamisten angebracht. "Das ist ein<br />

lächerliches Argument", meint Harari. "In der gleichen Periode entstanden <strong>die</strong> 'Bir Zeit Universität' und<br />

'ANadschach' in Nablus". Im Gegensatz zur weltlichen 'Fatah', DFLP oder PFLP unter dem Dach der PLO,<br />

enthielten sich <strong>die</strong> Islamisten bis 1989 des Terrors gegen Israel. Bewaffneter Widerstand sollte warten, "bis<br />

wir bereit sind und um Israel keinen Vorwand zu liefern, uns zu stoppen", zitiert Harari. Kaum ein<br />

Moslembruder saß im Gefängnis.<br />

Jassir Arafat schimpfte <strong>die</strong> Islamisten schon Anfang der 1980er-Jahre "Kollaborateure mit Israel", Feiglinge


Jassir Arafat schimpfte <strong>die</strong> Islamisten schon Anfang der 1980er-Jahre "Kollaborateure mit Israel", Feiglinge<br />

und Verräter. <strong>Die</strong> Zahl der Insassen in israelischen Gefängnissen galt als Gradmesser. Israel hatte aber<br />

damals keinen Grund, Islamisten zu verhaften. Sie verstießen nicht gegen <strong>die</strong> Gesetze. Arafat wollte<br />

gleichwohl <strong>die</strong> 'Nicht-Nationalisten' in <strong>die</strong> PLO einbinden. Doch <strong>die</strong> Moslembrüder und später <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong><br />

kannten ihre wahre Stärke und verlangten 40 Prozent der Sitze in allen PLO-Gremien. <strong>Die</strong> Kommunisten und<br />

Andere lehnten ab. Arafat waren <strong>die</strong> Hände gebunden. Er war politisch wie militärisch <strong>von</strong> Moskau und<br />

Ost-Berlin abhängig. 'Fatah' und <strong>die</strong> Islamisten bekämpften sich gleichzeitig bis auf das Messer, was bei allen<br />

Darstellungen der Geschichte der <strong>HAMAS</strong> detailliert ausgeführt wird. "Der Machtkampf währt schon über<br />

dreißig Jahre", sagt Harari und verweist auf <strong>die</strong> Ermordung des Rektors der Universität <strong>von</strong> Gaza, Ismail<br />

Khatib, 1983 durch <strong>die</strong> 'Fatah'. Khatib hatte mit seinen Islamisten <strong>die</strong> Universitäten erobert. Seitdem trennt<br />

eine hohe Mauer den gemeinsamen Campus der islamischen Universität und der Universität <strong>von</strong> Gaza.<br />

1983 wurde der spätere Gründer der <strong>HAMAS</strong>, Scheich Ahmad Yassin, wegen Waffenbesitz (150 Gewehre)<br />

ins Gefängnis gesteckt. "<strong>Die</strong> Waffen sollten gegen <strong>die</strong> 'Fatah' gerichtet werden, nicht Israel", sagt Harari.<br />

Schon in den 1970er Jahren ging aus den Moslembrüdern der 'Dschihad Islami' hervor. Ihr Gründer, Fathi<br />

Schkaki, wollte den Kampf gegen Israel nicht aufschieben. 'Dschihad Islami' ist heute <strong>die</strong> aktivste<br />

Terrorgruppe. Schkaki wurde 1995 auf Malta vom Mossad ermordet. Nach dem Ausbruch der ersten Intifada<br />

im Dezember 1987 gründete der geistige Vater der Moslembrüder, Scheich Jassin, unter dem Akronym<br />

'<strong>HAMAS</strong>' den 'militärischen Arm' der Moslem - brüder. Der wichtigste Erfolg Arafats, dank Europas<br />

'Venedig-Erklärung' <strong>von</strong> 1980, war <strong>die</strong> Anerkennung der PLO als "legitime Vertreterin des palästinensischen<br />

Volkes". Doch im Sudan trafen sich damals Vertreter der PLO mit den Islamisten. Sie machten der PLO den<br />

Exklusivanspruch streitig. Arafat vertrete "nur das halbe Volk".<br />

<strong>Die</strong> Ansicht, dass Israel <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> bevorzugt, gefördert oder als Gegengewicht zur PLO 'geschaffen' habe,<br />

könnte sehr wohl auf <strong>die</strong> Polemik Arafats zurückgehen. Es wäre eine übliche Methode, <strong>die</strong> Moslembrüder<br />

unter Druck zu setzen, sie anzustacheln, sich dem 'Kampf' anzuschließen und zu 'beweisen', keine<br />

'Kollaborateure' zu sein. Arafats Polemik wäre freilich kein sehr schlagkräftiger Beweis, solange es keinerlei<br />

entsprechende israelische Dokumente oder gar ein Eingeständnis der <strong>HAMAS</strong> gibt. Harari sagt, dass <strong>die</strong><br />

Osloer Verträge an <strong>die</strong>sem Machtkampf gescheitert seien. Weil sich <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> übergangen fühlte, <strong>die</strong><br />

Anerkennung <strong>Israels</strong> und Arafats Gewaltverzicht ablehnte, zerstörte sie mit Anschlägen schon unter Jitzhak<br />

Rabin das Osloer Konzept, durch Vertrauen Sicherheit (<strong>für</strong> Israel) zu schaffen. Vor allem <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> hatte<br />

seit den 1990er-Jahren fast jede Mission eines amerikanischen Außenministers, jeden geplanten Rückzug<br />

und jede Geste der Israelis mit Anschlägen überschattet und teilweise zum Scheitern gebracht.<br />

Arafat hatte weder <strong>die</strong> Kraft noch den Willen, gegen "das halbe Volk" vorzugehen. Heimlich hielt er jedoch<br />

Kontakt zur <strong>HAMAS</strong>. Bei einem Treffen, an dem auch Harari teilnahm, forderte Rabin <strong>von</strong> Arafat, den Top-<br />

Terroristen Muhamad Deif der <strong>HAMAS</strong> zu verhaften. Arafat tat, als kenne er ihn nicht. "Wir wussten genau,<br />

dass Deif am Abend zuvor in Arafats Büro war", sagt Harari. "Rabin tobte wegen Arafats Lüge".<br />

<strong>Die</strong> palästinensischen Universitäten waren schon in den 1980er-Jahren fest in der Hand der <strong>HAMAS</strong>.<br />

Lokalwahlen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Stadträte ließ Arafat immer wieder mit fadenscheinigen Argumenten verschieben, etwa<br />

weil <strong>die</strong> israelische Besatzung keine 'freien' Wahlen ermöglichte. Arafat wusste, dass <strong>HAMAS</strong> in den meisten<br />

Städten eine Mehrheit bekäme. Als jedoch in den 1970er Jahren <strong>die</strong> Städte noch unter voller israelischer<br />

Besatzung standen, hatte Arafat keine Einwände gegen Wahlen, weil <strong>die</strong> 'Fatah' unangefochten herrschte.<br />

Arafats 'Ahnung' sollte sich posthum zweimal bestätigen: im Herbst 2005 fielen fast alle Städte an <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong><br />

und am 25. Februar 2006 errang <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> eine Mehrheit im palästinensischen Parlament. Alle Versuche<br />

<strong>von</strong> Arafats Nach folger Mahmoud Abbas, <strong>die</strong> Parlamentswahlen zu verschieben, scheiterten am Druck der<br />

Amerikaner und Europäer. Aus gerechnet Israel versuchte, Abbas zu helfen. Erst wollte Israel eine<br />

Wahlbeteiligung in Ostjerusalem verbieten, was <strong>für</strong> Abbas inakzeptabel gewesen wäre und ihn zur einer<br />

Absage der Parlamentswahlen gezwungen hätte. Dann behauptete Israel unter Hinweis auf <strong>die</strong> Osloer<br />

Verträge, dass <strong>HAMAS</strong> ein "verfassungswidriges" Programm habe. Da jedoch niemand an einen Wahlsieg


Wahlbeteiligung in Ostjerusalem verbieten, was <strong>für</strong> Abbas inakzeptabel gewesen wäre und ihn zur einer<br />

Absage der Parlamentswahlen gezwungen hätte. Dann behauptete Israel unter Hinweis auf <strong>die</strong> Osloer<br />

Verträge, dass <strong>HAMAS</strong> ein "verfassungswidriges" Programm habe. Da jedoch niemand an einen Wahlsieg<br />

der <strong>HAMAS</strong> glaubte, und <strong>die</strong> USA und EU nur mit Vertretern der PLO redeten, kam es mit demokratischen<br />

Mitteln zum größten Debakel der amerikanischen und europäischen Nahostpolitik: der legalen<br />

Machtübernahme einer islamistischen Terrorgruppe. <strong>Die</strong> USA können deswegen nicht mehr vermitteln und<br />

<strong>die</strong> Europäer können den Palästinensern nicht mehr finanziell helfen.<br />

Harari, der täglich fünf palästinensische Zeitungen liest, sieht im Wahlsieg der <strong>HAMAS</strong> durchaus einen<br />

positiven Effekt. Auf Dauer hätte "das halbe Volk" nicht ausgeschlossen bleiben können. "End lich wird der<br />

seit über dreißig Jahren unter dem Deckel gehaltene Machtkampf offen ausgetragen". Israel sollte sich<br />

gedulden und abwarten. Denn erst wenn <strong>die</strong> Palästinenser ihren Weg gefunden hätten, mache es Sinn,<br />

weitere Verträge auszuhandeln, dann aber mit dem "ganzen Volk" und nicht nur mit der PLO, der<br />

selbsternannten exklusiven Vertreterin des Volkes.<br />

<strong>Die</strong> <strong>von</strong> Harari vorgetragene These stellt <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> und <strong>die</strong> PLO in einem völlig neuen Licht dar. Tatsache<br />

ist, dass <strong>die</strong> 'Fatah' ihren Gründungstag am 1. Januar feiert, weil sie am 1. Januar 1966 ihren ersten Anschlag<br />

in Israel ausgeführt hat. Das war vor dem Sechs-Tage-Krieg, also kein Akt gegen <strong>die</strong> Besatzung. Weil Israel<br />

nach dem Sechs-Tage-Krieg schnell und erfolgreich den Widerstand in den besetzten Gebieten niederschlug<br />

und Arafat Hals über Kopf fliehen musste, spezialisierte sich <strong>die</strong> PLO ab Anfang der 1970er Jahre auf<br />

internationalen Terror. Durch Flugzeugentführungen oder durch den Anschlag auf <strong>die</strong> olympischen Spiele in<br />

München 1972 sollte <strong>die</strong> 'palästinensische Sache' zum internationalen Thema werden. Arafats Erfolg war<br />

durchschlagend. <strong>Die</strong> UNO lud ihn ein, vor der Welt - gemein schaft zu reden und er selbst wurde zur<br />

Symbolfigur der Palästinenser. Spätestens 1980 gewährte ihm Europa den Status, legitimer Vertreter aller<br />

Palästinenser zu sein.<br />

Niemand beachtete damals <strong>die</strong> Moslembrüder. Im Gefolge der Khomeini- Revolution im Iran 1979 und mit<br />

saudischer Hilfe schufen sie stillschweigend eine breite Machtbasis mit einem sozialen und religiösen<br />

Netzwerk. Das geschah fern der Aufmerksamkeit der Me<strong>die</strong>n. Niemand kam deshalb ernsthaft auf <strong>die</strong> Idee,<br />

Arafats Exklusivanspruch in Frage zu stellen. Es gab auch keinen echten Anlass dazu, denn <strong>die</strong> ersten<br />

Terroranschläge der <strong>HAMAS</strong> wurden erst 1989 registriert, zwei Jahre nach Beginn der ersten Intifada. Das<br />

erste palästinensische Selbstmordattentat verübte <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> im April 1993 in Mechola. <strong>Die</strong> Inspiration dazu<br />

kam aus Libanon, wo <strong>die</strong> nahöstliche Taktik der Selbstmordattentate 1982 zunächst gegen amerikanische<br />

und französische Friedenstruppen gerichtet war.<br />

<strong>Die</strong> Anschläge der <strong>HAMAS</strong> haben dank der <strong>von</strong> ihr verfeinerten Methode der Selbstmordattentate hunderten<br />

Israelis das Leben gekostet. Doch nicht nur <strong>die</strong> vielen Toten wirkten, sondern vielmehr der sorgsam gewählte<br />

Zeitpunkt und Ort vieler großer Anschläge. <strong>Die</strong> Anschläge waren zwar gegen Israel gerichtet, trafen aber vor<br />

allem Arafat und <strong>die</strong> PLO, sowie es Anzeichen <strong>für</strong> Fortschritte gab oder eine israelische Geste bevorstand.<br />

Besonders krasse Beispiele sind der Anschlag beim Dolfinarium in Tel Aviv 2001 (21 Tote und 120 Verletzte),<br />

nachdem Scharon einen "einseitigen Waffenstillstand" verkündet hatte und <strong>die</strong> Zahl der palästinensischen<br />

Toten nach den ersten sechs Monaten Intifada unter Ehud Barak drastisch zurückgegangen war. Der<br />

schwerste aller Anschläge, am 27. <strong>Mär</strong>z 2002, am Passah-Fest, mit 30 Toten und 140 Verletzten im Park-<br />

Hotel in Nataniyah, provozierte den Einmarsch israelischer Truppen in alle Städte des Westjordanlandes<br />

(außer Jericho) und machte letztlich der Autonomiebehörde Arafats den Garaus. Der Anschlag auf den<br />

'Kinderbus' in Jerusalem am 2. August 2004 beendete abrupt eine relative Ruhepause infolge des Gipfels <strong>von</strong><br />

Akaba und den Bemühungen <strong>von</strong> Ministerpräsident Mahmoud Abbas, den Friedensprozess wieder in Gang<br />

zu bringen.<br />

Gemäß dem mythologischen 'Kreislauf der Gewalt' gibt es zu jeder palästinensischen Attacke eine israelische<br />

Maßnahme, <strong>die</strong> 'gerächt' wurde oder vermeintlich den palästinensischen Anschlag 'rechtfertigte'. Doch <strong>die</strong>ser<br />

Mechanismus ist nicht ganz schlüssig. Zwar wurden willkürlich Israelis getötet, den politischen Schaden erlitt


Gemäß dem mythologischen 'Kreislauf der Gewalt' gibt es zu jeder palästinensischen Attacke eine israelische<br />

Maßnahme, <strong>die</strong> 'gerächt' wurde oder vermeintlich den palästinensischen Anschlag 'rechtfertigte'. Doch <strong>die</strong>ser<br />

Mechanismus ist nicht ganz schlüssig. Zwar wurden willkürlich Israelis getötet, den politischen Schaden erlitt<br />

aber vor allem <strong>die</strong> PLO-geführte Autonomiebehörde. Eine genaue Überprüfung der gewählten Zeitpunkte <strong>von</strong><br />

Anschlägen der <strong>HAMAS</strong> könnte nachweisen, dass <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> nicht nur gegen Israel vorging, sondern ihre<br />

Attentate im Rahmen ihres Machtkampfes mit der PLO plante. Bei den großen, oben angeführten Anschlägen<br />

ist ein solcher Zusammenhang offenkundig, auch wenn in den Bekennerschreiben allein Israel alle Schuld<br />

zugeschoben wird.<br />

<strong>Die</strong> sprichwörtliche Disziplin innerhalb der <strong>HAMAS</strong>, im Gegensatz zur Korruption und Disziplinlosigkeit in der<br />

'Fatah', können eine Erklärung da<strong>für</strong> liefern, dass <strong>die</strong> <strong>HAMAS</strong> seit etwa einem Jahr weitgehend <strong>von</strong> Attacken<br />

gegen Israel absieht: Sie betrachtet den innerpalästinensischen Machtkampf als entschieden. Wie eingangs<br />

dargestellt, entwickelten <strong>die</strong> Moslembrüder relativ spät 'militärische Ambitionen'. <strong>Die</strong> PLO hingegen, mitsamt<br />

ihren Unterorganisationen, setzte seit 1966 auf Terror und ist heute mit ihren 'Al Aksa-Brigaden' neben dem<br />

'Dschihad Islami' <strong>die</strong> aktivste Organisation, <strong>die</strong> weiterhin tödliche Anschläge verübt, zuletzt in Tel Aviv im April<br />

2006. <strong>Die</strong> These bedeutet auch, dass mit den Palästinensern kein Vertrag Bestand haben kann, solange der<br />

interne Machtkampf nicht ausgefochten ist und politische Gruppierungen jegliche Fortschritte in Richtung<br />

Abkommen mit Israel sabotieren können. Solange sich eine Mehrheit (oder eine große Minderheit) vom<br />

Friedensprozess ausgeschlossen fühlt und ihn mit Waffengewalt verhindert, dürfte kein noch so guter,<br />

gerechter oder legitimer Vertrag Bestand haben.<br />

<strong>Die</strong> niemals wirklich abgeschaffte PLO-Charta und <strong>die</strong> noch gültige <strong>HAMAS</strong>-Charta predigen <strong>die</strong> Zerstörung<br />

<strong>Israels</strong> und nicht nur einen Rückzug <strong>Israels</strong> zu der 1967-Grenzlinie. Selbst wenn sich Israel völlig aus allen<br />

besetzten Gebieten zurückziehen sollte, wäre aus Sicht <strong>die</strong>ser Grundsatzprogramme noch längst kein<br />

'gerechter' Friede erreicht. Erst wenn '<strong>die</strong>' Palästinenser einen jüdischen Staat als Nachbarn akzeptieren<br />

könnten, ohne ihn zum Beispiel mit acht Millionen rückkehrenden Flüchtlingen überschwemmen oder in "ganz<br />

Palästina" <strong>die</strong> Flagge des Islam hissen wollen, könnte echte Ruhe einkehren.<br />

Ulrich W. Sahm ist deutscher Journalist, der bereits seit längerer Zeit in Israel lebt. Er ist <strong>von</strong> dort <strong>für</strong> deutsche<br />

Zeitungen, Funk und Fernsehen tätig. Er ist ständiger Korrespondent des Nachrichtensenders n-tv in<br />

Jerusalem.<br />

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