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«Im Ärger wälzen hilft nicht weiter» - CURADEN ACADEMY

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BESCHWERDEMANAGEMENT<br />

«Im Ärger wälzen <strong>hilft</strong><br />

<strong>nicht</strong> weiter»<br />

Beschwerdemanagement in der Zahnarztpraxis<br />

Unzufriedene Patienten können für das Zahnarztteam sehr<br />

unangenehm werden: Sie vergiften die Stimmung, wechseln<br />

zu einem anderen Arzt oder verklagen schlimmstenfalls<br />

die Praxis. Ob Beschwerden berechtigt oder unberechtigt<br />

sind: Sie müssen ernst genommen werden. Wie man<br />

geschickt mit Patientenbeschwerden umgeht und Kritik zur<br />

Qualitätssteigerung nutzt, erläutert die gelernte Zahnarzthelferin<br />

und Kommunikationsexpertin Brigitte Kühn.<br />

In einer Praxis gibt jeder sein Bestes.<br />

Trotzdem kann es sein, dass<br />

ein Patient mit den Leistungen<br />

der Praxis oder dem Umgang mit<br />

ihm <strong>nicht</strong> zufrieden ist. Aus welchen<br />

Gründen beschweren sich<br />

Patienten am häufigsten?<br />

Brigitte Kühn: Die häufigsten Beschwerden<br />

betreffen <strong>nicht</strong> eingehaltene<br />

Vereinbarungen wie zum<br />

Beispiel verpasste Rückrufe oder<br />

Termine. Ausserdem beschweren<br />

sich Patienten darüber, dass ihnen<br />

<strong>nicht</strong> zugehört wird, oder sie haben<br />

das Gefühl, dass sie der Praxis<br />

gleichgültig sind, dass sich niemand<br />

um sie kümmert. Sehr häufig<br />

führt auch eine Geht-<strong>nicht</strong>-Einstellung<br />

a la «wir haben vor den Ferien<br />

keinen Termin mehr für Sie» zum<br />

Konflikt. Viele Patienten stossen<br />

erst einmal auf Ablehnung, statt<br />

positive Antworten zu bekommen.<br />

Werden Patienten denn in der Tat<br />

so behandelt? Oder beschreiben<br />

Sie Patienten mit ausgeprägter<br />

Meckerleidenschaft, die in jeder<br />

Suppe ein Haar finden?<br />

Brigitte Kühn: Natürlich gibt es einen<br />

kleinen Prozentsatz an Dauermeckerern<br />

oder Patienten, die es<br />

auf Streit anlegen, um sich einen<br />

Vorteil zu verschaffen, zum Beispiel<br />

um die Rechnung herunterzuhandeln.<br />

Ein Grossteil der Beschwerden<br />

basiert jedoch auf Missverständnissen,<br />

organisatorischen<br />

Fehlern oder Kommunikationsproblemen.<br />

Kommt es auch vor, dass Patienten<br />

dem Arzt mit dem Anwalt drohen?<br />

Brigitte Kühn: Ja, das passiert ab<br />

und zu.<br />

Und dann?<br />

Brigitte Kühn: Dann versucht man<br />

erst, den Konflikt aussergerichtlich<br />

zu klären, zum Beispiel mit einem<br />

Schlichter oder per Vergleich. Und<br />

dann kommt es darauf an, ob beide<br />

Seiten gewillt sind, aufeinander zuzugehen.<br />

In solchen Fällen ist es besonders<br />

wichtig, dass die Praxis den<br />

Verlauf der Auseinandersetzung<br />

gut dokumentiert hat: Was hat der<br />

Patient gesagt? Wann hat er welche<br />

Informationen bekommen, wann<br />

welche schriftlichen Unterlagen erhalten?<br />

Welche Leistungen wurden<br />

erbracht? usw. So kann die Praxis<br />

nachvollziehen, ob sie sich richtig<br />

verhalten hat, und das im Eventualfall<br />

auch beweisen.<br />

Das stelle ich mir schwierig vor.<br />

Ein Konflikt entwickelt sich ja und<br />

am Anfang eines Kontakts mit<br />

einem Patienten kommt man<br />

wahrscheinlich noch <strong>nicht</strong> auf die<br />

Idee, dass daraus ein Streit entstehen<br />

könnte. Fehlen dann <strong>nicht</strong><br />

entscheidende Informationen<br />

über die Entwicklung der Auseinandersetzung?<br />

Brigitte Kühn: Genau. Darum sollte<br />

jede Praxis lückenlos dokumentieren,<br />

grundsätzlich und bei jedem<br />

Patienten. Praxen sind ohnehin gesetzlich<br />

dazu verpflichtet, jede Behandlung<br />

zu dokumentieren. Aber<br />

auch für die Praxis selbst ist es wichtig,<br />

festzuhalten, wann und wie oft<br />

ein Patient angerufen hat, was er am<br />

Telefon, an der Rezeption oder im<br />

Sprechzimmer gesagt hat. Das wird<br />

noch zu wenig festgehalten. Dabei<br />

weiss man ja <strong>nicht</strong>, welcher Patient<br />

sich wie entpuppt. Patienten werden<br />

heute immer fordernder – da ist<br />

die Dokumentation und Rückverfolgbarkeit<br />

ein Muss. Wenn es dann<br />

nämlich tatsächlich zum Streitfall<br />

kommt, kann man genau nachvollziehen,<br />

was wann und wie besprochen<br />

wurde. Heute ist es leider oft<br />

noch so, dass diese Details <strong>nicht</strong> aufgeschrieben<br />

werden. Dazu kommt,<br />

dass in Praxen viele Teilzeitkräfte arbeiten<br />

und dass die PA, die Nachmittags<br />

da ist, <strong>nicht</strong> weiss, wer morgens<br />

angerufen hat. Es wäre gut, wenn sie<br />

das in der Patientenakte nachschauen<br />

könnte. Eine detaillierte Dokumentation<br />

ist eine wichtige Basis für<br />

jede Praxis.<br />

«Manche DA oder PA<br />

lässt ihren Frust an<br />

Patienten aus.»<br />

Was ist das Unangenehmste, das<br />

Sie selbst als Patientin erlebt haben?<br />

Brigitte Kühn: Ich habe es schon erlebt,<br />

dass sich die Mitarbeiter gar<br />

<strong>nicht</strong> um mich kümmern, wenn ich<br />

die Praxis betrete. Unangenehm ist<br />

auch, dass man oft <strong>nicht</strong> ernstgenommen<br />

wird, wenn man erwähnt,<br />

das man vor irgendetwas Angst hat,<br />

zum Beispiel vor Spritzen oder Behandlungen.<br />

Oft hat das Zahnarztteam<br />

wenig Interesse am Patienten<br />

und ist rhetorisch <strong>nicht</strong> geschult. Ein<br />

«ja ja, das kriegen wir schon hin»<br />

oder «es wird schon <strong>nicht</strong> so<br />

schlimm» <strong>hilft</strong> mir gar <strong>nicht</strong> weiter,<br />

wenn ich Angst habe. Ich habe oft<br />

das Gefühl, dass die Damen ihren<br />

Frust über Überstunden, mangelnde<br />

Absprachen im Team oder schlechte<br />

Bezahlung am Patienten auslassen.<br />

Und von der anderen Seite: Was<br />

haben Sie als Mitarbeiterin einer<br />

Praxis mit Patienten erlebt?<br />

Brigitte Kühn: Ich bin ja 30 Jahre<br />

dabei und habe natürlich auch die<br />

eine oder andere unangenehme Situation<br />

erlebt. Bei der Analyse der<br />

Konflikte wiederholten sich immer<br />

bestimmte Aspekte: Beschwerden<br />

treffen meist als erstes eine Person,<br />

die den Konflikt gar <strong>nicht</strong> verursacht<br />

hat. Oft stellt sich auch heraus,<br />

dass Patient und Praxismitarbeiter<br />

schlicht aneinander vorbeigeredet<br />

haben. Der Konflikt ist also ganz oft<br />

ein aufgebauschtes Kommunikationsproblem.<br />

Es passiert zum Beispiel<br />

häufig, dass Patient, PA oder<br />

DA und der Mediziner im Sprechzimmer<br />

etwas bereden und der Patient<br />

bei diesem Gespräch etwas<br />

<strong>nicht</strong> richtig versteht. Vor dem Arzt<br />

will er aber <strong>nicht</strong> nachfragen – und<br />

später ist er dann der Meinung, es<br />

sei alles ganz anders besprochen<br />

worden.<br />

Was gibt es noch für Auslöser von<br />

Konflikten?<br />

Brigitte Kühn: Häufig ist auch der<br />

grosse Zeitdruck auf beiden Seiten<br />

eine Ursache. Patienten rufen an<br />

und wollen vorgestern einen Termin<br />

haben. Und wenn sie den dann<br />

<strong>nicht</strong> bekommen können, meinen<br />

sie, sie kommen zu kurz oder fühlen<br />

sich als Patient zweiter Klasse.<br />

Das ist aber ein schwer auflösbarer<br />

Konflikt: Sie sagen selbst,<br />

dass Sie sich als Patientin oft <strong>nicht</strong><br />

genügend ernstgenommen und<br />

beachtet fühlen. Als Praxismitglied<br />

haben Sie das Gefühl, dass<br />

Patienten ausserordentlich viel<br />

Aufmerksamkeit und Information<br />

wünschen. Wie kann man diesen<br />

Knoten lösen?<br />

Brigitte Kühn: Das A und O ist gut<br />

zuhören. Das Praxisteam sollte ver-<br />

IHRE MEINUNG<br />

Fühlen Sie sich mit renitenten<br />

Patienten alleingelassen?<br />

Wissen Sie, wie<br />

Sie reagieren können,<br />

wenn ein Patient zornig<br />

wird? Worüber beschweren<br />

sich Ihre Patienten?<br />

Schreiben Sie uns Ihre<br />

Erfahrungen:<br />

wilhelm@medien-medizin.ch<br />

DENTALWORLD 3/2010 13


BESCHWERDEMANAGEMENT<br />

dargestellt wird. Als PA und DA<br />

muss man sehr viele verschiedene<br />

Dinge beherrschen, die in die Medizin,<br />

die Psychologie und ins Praxismanagement<br />

hineinreichen. Und<br />

ganz wichtig ist das Interesse am<br />

Menschen und an Kommunikation.<br />

Sonst geht es <strong>nicht</strong>.<br />

Also würde es auch in die Patientenakte<br />

aufgenommen, wenn ein<br />

Patient auf sein knappes Budget<br />

hinweist?<br />

Brigitte Kühn: Auf jeden Fall. Das<br />

hat den Vorteil, dass alle im Team,<br />

die mit dem Patienten arbeiten,<br />

über dieses Problem Bescheid wissen<br />

und an einer guten Lösung mitarbeiten<br />

können.<br />

Abb.1: Eine Spritze?! Das hatten wir <strong>nicht</strong> besprochen!<br />

suchen, <strong>nicht</strong> so sehr seinen eigenen<br />

Standpunkt in den Vordergrund<br />

zu stellen, sondern sachlich<br />

mit dem Patienten umzugehen.<br />

Und dann ist eben eine gute Dokumentation<br />

wichtig. Denn anhand<br />

derer können Praxisteam und Patient<br />

im Fall eines Konflikts gemeinsam<br />

nachvollziehen, wie ein Problem<br />

entstanden ist. Das Praxisteam<br />

muss dann aber auch die Grösse<br />

haben, etwaige Fehler zuzugeben.<br />

Es geht <strong>nicht</strong> darum, dass man dem<br />

Patienten beweisen kann, dass er<br />

Unsinn redet. Der Ansatz wäre eher,<br />

zu sagen: «Schauen Sie, am 22. April<br />

haben wir uns auf diese Behandlungsform<br />

geeinigt.» Wichtig ist,<br />

dass man den Patienten <strong>nicht</strong> zur<br />

Schnecke macht, sondern dass man<br />

ihm sachlich das Besprochene wieder<br />

ins Gedächtnis ruft.<br />

Also geht es eigentlich darum,<br />

dass der Patient das Gefühl bekommt,<br />

dass derjenige, der ihm<br />

gegenüber sitzt, seine Akte ganz<br />

genau kennt …<br />

Brigitte Kühn: Exakt. An der Rezeption<br />

noch einmal nach dem Namen<br />

des Patienten zu fragen, macht keinen<br />

besonders kompetenten Eindruck.<br />

Das schürt möglicherweise<br />

bereits vorhandenen Ärger. Stattdessen<br />

sollten sich alle, die mit<br />

einem Patienten arbeiten, bewusst<br />

vorbereiten, bevor dieser zum Termin<br />

kommt. Das Praxisteam kann<br />

sich morgens anschauen, welche<br />

Patienten am Tag zu erwarten sind,<br />

ob es bekannte oder neue Patienten<br />

sind, welche Behandlungen<br />

bei ihnen bisher durchgeführt wurden<br />

und welche anstehen.<br />

Grosse Praxen mit hohem Durchlauf<br />

machen mittlerweile oft Fotos<br />

von ihren Patienten, natürlich nur<br />

mit deren Einverständnis. Dann ist<br />

es für das Team einfacher, Informationen<br />

zu dem Gesicht abzuspeichern<br />

und wieder abzurufen. Gerade<br />

wer mit Ängsten zum Arzt geht,<br />

fühlt sich um einiges wohler, wenn<br />

er erkannt und mit Namen angesprochen<br />

wird.<br />

Mit solchen Kleinigkeiten kann man<br />

Patienten wirklich abholen und binden.<br />

Und für einen derart zufriedengestellten<br />

Patienten ist es dann<br />

auch <strong>nicht</strong> gleich ein Drama, wenn<br />

mal ein Termin falsch vereinbart<br />

wurde.<br />

Foto: Fotolia<br />

Was bedeutet all das für die Ausbildung<br />

von Praxispersonal?<br />

Brigitte Kühn: Meiner Meinung<br />

nach wird die Kommunikationskompetenz<br />

viel zu wenig geschult.<br />

Auch Telefontraining gehört <strong>nicht</strong><br />

zur Ausbildung – ein grosses Versäumnis.<br />

Der Patient hat durchschnittlich<br />

80% der Zeit mit den Praxismitarbeitern<br />

zu tun, nur 20% mit dem<br />

Zahnarzt. Es wäre also sinnvoll, diese<br />

80% des Kontakts schon einmal<br />

positiv zu füllen. Viele Patienten<br />

trauen sich <strong>nicht</strong>, vor dem Arzt über<br />

Ängste oder finanzielle Probleme<br />

zu sprechen oder Fragen zu stellen.<br />

Mit PA und DA sprechen sie aber<br />

über so etwas. Oft sagen Patienten<br />

vorm Arzt: «Ja, Herr Doktor», und<br />

kaum ist der Mediziner draussen,<br />

sagen sie zur Mitarbeiterin: «Das ist<br />

bestimmt eine tolle Sache. Aber ich<br />

kann mir das gar <strong>nicht</strong> leisten.»<br />

Dann müssen die Damen einfach<br />

wissen, wie sie reagieren können.<br />

Vielen Praxismitarbeitern war vor<br />

ihrer Ausbildung gar <strong>nicht</strong> klar, worauf<br />

sie sich einlassen. Das liegt daran,<br />

dass das Berufsbild PA und DA<br />

nach aussen immer noch wenig klar<br />

Sie raten dem Praxisteam, ruhig<br />

und höflich zu bleiben, wenn Konflikte<br />

auftreten. Wie gelingt das<br />

am besten?<br />

Brigitte Kühn: Indem man erstmal<br />

Verständnis zeigt. Denn jeder, der<br />

sich ärgert, ist aufgebracht, egal ob<br />

er im Recht ist oder im Unrecht. Und<br />

er muss seinen Frust erst einmal<br />

rauslassen. Das Praxisteam ist also<br />

gut beraten, sich anzuhören, was der<br />

Patient kritisiert. Ich bin immer am<br />

besten damit gefahren, dem wütenden<br />

Patienten zunächst zuzustimmen:<br />

«Frau Meier, wenn das so<br />

abgelaufen ist, wie Sie es mir beschreiben,<br />

dann ist das wirklich sehr<br />

ärgerlich. Ich kann verstehen, dass<br />

Sie wütend sind.» Verständnis zeigen<br />

ist sehr wichtig. Danach kann man in<br />

Ruhe schauen, wo der Fehler liegt.<br />

Oft liegen dem Konflikt wirklich nur<br />

Kommunikations- oder Verständnisschwierigkeiten<br />

zugrunde, denn beispielsweise<br />

eine Zahnarztrechnung<br />

zu verstehen, ist für einen Laien ein<br />

Kunststück. Da kann schnell ein<br />

Missverständnis aufkommen.<br />

Sie bieten Schulungen an, bei denen<br />

das Praxispersonal lernt, mit<br />

Beschwerden umzugehen. Was<br />

genau bringen Sie Ihren Seminarteilnehmern<br />

bei?<br />

Brigitte Kühn: Mir ist es besonders<br />

wichtig, <strong>nicht</strong> nur Theorie anzubieten,<br />

sondern vor allem Beispiele aus<br />

der täglichen Praxis zu bearbeiten,<br />

die ich ja selbst bestens kenne. Zu<br />

Beginn frage ich meine Teilnehmerinnen<br />

immer, worüber sie selbst<br />

als Patientinnen schon einmal wütend<br />

waren. Interessanterweise stellt<br />

sich oft heraus, dass sie sich genau<br />

über die Dinge ärgern, die sie selber<br />

falsch machen oder nie gelernt haben.<br />

Im Laufe des Seminars müssen<br />

14 DENTALWORLD 3/2010


BESCHWERDEMANAGEMENT<br />

die Teilnehmer in Gruppen Lösungen<br />

für heikle Situationen finden<br />

– quasi vom Problem zur Lösung,<br />

<strong>nicht</strong> zum Lamentieren. Denn viele<br />

wälzen sich immer wieder in ihrem<br />

Ärger, statt nach einer Lösung zu suchen.<br />

Dabei sollte es das oberste<br />

Ziel sein, die Ursache möglichst<br />

schnell zu beheben, wenn eine Beschwerde<br />

eingeht. Nur dann kann<br />

sich das Verhältnis zum Patienten<br />

wieder normalisieren.<br />

Alle Beschwerden, die in der Praxis<br />

ankommen, sollte man als Chance<br />

betrachten. Denn die Patienten, die<br />

sich irgendwo draussen beschweren<br />

und dann zu einer anderen Praxis<br />

gehen, sieht man nie wieder. Und<br />

man weiss <strong>nicht</strong> einmal, warum.<br />

Lässt sich jede Kritik als Herausforderung<br />

betrachten, die positiv<br />

genutzt werden kann?<br />

Brigitte Kühn: Wenn man sich wirklich<br />

damit auseinandersetzt, ja. Ich<br />

habe dank vieler vorbeugender<br />

Massnahmen wenig Ärger mit Patienten.<br />

Aber gibt es doch einmal Kritik, sehe<br />

ich es als Herausforderung, das Problem<br />

gemeinsam mit dem Patienten<br />

zu lösen. Die Einstellung «so ein<br />

Idiot, der muss ja immer meckern»<br />

bringt einen einfach <strong>nicht</strong> weiter.<br />

Vielen Praxismitarbeitern ist das<br />

oberste Ziel ihrer Praxis <strong>nicht</strong> bewusst:<br />

der zufriedene Patient. In<br />

manchen Praxen wird das auch als<br />

selbstverständlich betrachtet und<br />

<strong>nicht</strong> explizit vermittelt. Das wäre<br />

aber gut. Denn dadurch würde die<br />

Praxiskommunikation nach innen<br />

und aussen klarer.<br />

Ab welcher Grenze darf das Praxisteam<br />

dem verärgerten Patienten<br />

mit deutlichen Worten Einhalt gebieten?<br />

Brigitte Kühn: Diese Grenze legt der<br />

Praxisinhaber fest, das liegt <strong>nicht</strong> in<br />

der Befugnis der Mitarbeiter. Der<br />

Arzt kann einem Patienten durchaus<br />

sagen, dass er <strong>nicht</strong> zur Praxis passt<br />

und dass er ihn bittet, sich eine andere<br />

Praxis zu suchen. Ich kenne<br />

zwar wenige, die das getan haben –<br />

aber eigentlich ist es die schlichte<br />

Entscheidung eines Unternehmers,<br />

welchen Kunden er bedienen will.<br />

Der Arzt kann sich überlegen, ob er<br />

zu diesem Mittel greifen will, wenn<br />

sich ein Patient beispielsweise ständig<br />

grundlos beschwert oder permanent<br />

Termine versäumt, sich auf<br />

der anderen Seite aber beschwert,<br />

dass er nie seine Wunschtermine bekommt.<br />

«Vielen Praxismitarbeitern<br />

war vor<br />

ihrer Ausbildung <strong>nicht</strong><br />

klar, worauf sie sich<br />

einlassen.»<br />

Wenn aber eine PA persönlich beleidigt<br />

wird, hat sie dann das<br />

Recht, sich zu wehren?<br />

Brigitte Kühn: Das muss eigentlich<br />

auch mit dem Praxisinhaber abgeklärt<br />

sein. Ich sage in meinen Kursen,<br />

dass man es sich <strong>nicht</strong> gefallen lassen<br />

muss, wenn man persönlich beleidigt<br />

wird oder einen Klaps auf<br />

den Po bekommt. Dann muss man<br />

sich wehren. Wenn ein Patient sagt:<br />

«Mit Ihnen rede ich <strong>nicht</strong> mehr, geben<br />

Sie mir Ihren Chef!», dann rate<br />

ich, zu sagen: «Es ist auch in meinem<br />

Sinn, dass wir das klären. Mein Chef<br />

ist aber gerade bei einem Patienten.<br />

Sagen Sie mir bitte, wann er Sie zurückrufen<br />

kann.» Dann hat die PA<br />

oder DA nämlich die Chance, vorher<br />

in Ruhe mit ihrem Chef zu reden<br />

und den Fall klarzustellen, und der<br />

Praxisinhaber hat die Chance, sich<br />

einen Überblick über das Geschehene<br />

zu verschaffen. Ausserdem<br />

kann sich die Aufregung bis zum<br />

Gespräch ein wenig legen.<br />

Lohnen sich regelmässige Kundenzufriedenheitsumfragen<br />

oder<br />

ein «Kummerkasten», um Patienten<br />

frühzeitig Gelegenheit zur<br />

Meinungsäusserung zu geben?<br />

Brigitte Kühn: Durch den Trend zum<br />

Qualitätsmanagement sind Meinungsumfragen<br />

sehr modern geworden.<br />

Man wird heute permanent<br />

aufgefordert, seine Meinung zu etwas<br />

abzugeben, zum Hotel, zum Auto,<br />

zur Kreditkarte. Die Umfragen<br />

kommen zuhauf, sind meistens zu<br />

In Kürze<br />

lang und völlig überladen. Darum<br />

sind die Leute schon genervt, wenn<br />

sie eine Umfrage sehen. Wenn man<br />

trotzdem mit einer Umfrage die Zufriedenheit<br />

seiner Patienten messen<br />

will, würde ich die Fragen kurz und<br />

knapp auf maximal einer Seite formulieren,<br />

mit einem ansprechenden<br />

Schreiben dazu, das <strong>nicht</strong> nach Massenbrief<br />

klingt. Dann muss man aber<br />

die Anregungen, die sich aus der Erhebung<br />

ergeben, auch umsetzen –<br />

selbst wenn es unbequem ist.<br />

Sehr fruchtlos sind Umfragen, wenn<br />

sie nur Rechtfertigungsversuche des<br />

Praxisteams auslösen. Kommt zum<br />

Beispiel von mehreren Patienten die<br />

Klage, dass nur selten der Wunschtermin<br />

zu ergattern ist, bringt es gar<br />

<strong>nicht</strong>s, mit der Ferienzeit oder einer<br />

grossen Menge Schmerzpatienten<br />

zu argumentieren. Das interessiert<br />

die Patienten einfach <strong>nicht</strong>. Sie wollen<br />

ihren Termin und damit basta.<br />

Haben Sie eine Art Survival-Kit?<br />

Was sollten DA oder PA als allererstes<br />

tun, wenn ein Patient ihnen einen<br />

Vorwurf macht?<br />

Brigitte Kühn: Zuhören, den Patienten<br />

in seiner Meinung bestätigen<br />

und ihm signalisieren, dass man seinen<br />

Ärger verstehen kann. Das ist<br />

das Wichtigste. Und dann Fragen<br />

stellen. Denn meist kann man der<br />

Ursache für den Zorn schon mit ein,<br />

zwei Fragen auf den Grund gehen.<br />

Anne-Friederike Wilhelm<br />

Brigitte Kühn (47) ist gelernte Zahnarzthelferin, zahnmedizinische<br />

Verwaltungsassistentin (ZMV) und hat<br />

über 30 Jahre Praxiserfahrung. Seit 1997 arbeitet sie<br />

als Referentin für Organisation, Kommunikation und<br />

Qualitätsmanagement für Zahnärztekammern und<br />

private Fortbildungsinstitute. Kühns Seminare zum Beschwerdemanagement<br />

richten sich <strong>nicht</strong> nur an Zahnarztpraxen, sondern an medizinisches<br />

Personal aller Fachrichtungen.<br />

Brigitte Kühn<br />

Kustermannstr. 3 A<br />

82327 Tutzing<br />

brigittekuehn@t-online.de<br />

www.der-praxis-check.de<br />

Veranstaltungs-Tipp<br />

Die MyDentalworld <strong>ACADEMY</strong><br />

bietet im nächsten Jahr zwei<br />

Kurse zum Thema «Hilfe! Da beschwert<br />

sich einer» an:<br />

I am 29.9. 2011 in Luzern<br />

I am 30.9.2011 in Dietikon<br />

Foto: zVg<br />

Dr. rer. physiol. Thomas Nahde,<br />

Forschung & Entwicklung<br />

„Schmerzempndliche<br />

Zähne?”<br />

„ Wenn einen der Schmerz bei Heissem<br />

oder Kaltem durchzuckt, dann hat<br />

man schmerzempfindliche Zähne.<br />

Ich empfehle die effektive Wirkstoffkombination<br />

von Sensodyne MultiCare.“<br />

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• bekämpft Empfindlichkeit der Zähne<br />

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