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Karate ∗ , so wie wir es heute kennen, hat sich unter chinesischem Einfluss im Laufe etlicher<br />

Jahrhunderte auf Okinawa entwickelt. Im ersten Viertel unseres Jahrhunderts fand diese Kampfkunst<br />

erstmals ihren Weg nach Japan. Ihr Ursprung liegt also keineswegs auf Okinawa. Durch den<br />

Kulturaustausch mit China kamen immer wieder Chinesen der Oberschicht nach Okinawa, die<br />

verschiedene Arten des Kung-Fu (japanisch: Kempo) dorthin brachten. Das geschah im Laufe der Zeit<br />

fragmentarisch und ohne System.<br />

Geschichtliche Fakten bezüglich der Entwicklung zur Kampfkunst „Karate“ beginnen mit SAKUGAWA<br />

auf Okinawa, der von 1733 bis 1815 in Shuri lebte und die Kampfkunst To-de lehrte, die er in China<br />

kennengelernt hatte. „To“ oder „Kara“ ist der japanische Rufname für China und „de“ beziehungsweise<br />

„te“ bedeutet Hand, Hände (Kampfkunst).<br />

So ist es auch zu verstehen, daß bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts<br />

„Kara-te“ mit folgenden Schriftzeichen geschrieben wurde:<br />

Das erste Zeichen wird „kara“ gelesen und bedeutet China, genauer die TANG-<br />

Dynastie (628 - 907), so daß die Bedeutung dieses Schriftzeichens etwa „Kunst<br />

aus China“ ist.<br />

In Naha, dem Hauptort von Okinawa, entwickelte sich das chinesische Süd-Te<br />

und in Shuri das Nord-Te, weil in Naha die mit dem Handel beschäftigten und<br />

umgesiedelten Südchinesen lebten, während in Shuri die Kontaktpersonen der<br />

Staatsdiener der Kaiserregierung Botschafter und höhere Krieger aus Peking<br />

ansässig waren.<br />

Diese Kampfarten, die „To-de“ (später „Kara-te“) oder auch nur kurz „Te“ genannt<br />

wurden, entwickelten sich vor allem in den benachbarten Orten Shuri, Naha und Tomari. Je nach dem<br />

Gebiet in dem die jeweilige Kunst betrieben wurde, nannte man sie auch „Naha-Te“, „Shuri-Te“ und<br />

„Tomari-Te“. In diesen drei Städten bestand die Oberschicht hauptsächlich aus Kriegern, die diese aus<br />

China stammenden Kampfkünste betrieben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wechselten die Namen<br />

für die verschiedenen Stilarten wieder: Die Künste aus der Gegend von Shuri und Tomari wurden mit<br />

dem Namen „Shorin-Ryu“ zusammengefaßt, während man die in Naha gelehrte Form als „ShoreiRyu“<br />

bezeichnete.<br />

Shorin-Ryu beinhaltete mehrere leicht unterschiedliche Stilarten, während Shorei-Ryu (Naha-Te) in zwei<br />

Stile unterteilt wird „Goju-Ryu“ (das auch seinen Weg nach Japan fand) und „Uechi-Ryu“.<br />

MATSUMURA SOKON (1809-1898), der diese Kampfkünste auch im Ursprungsland China studiert<br />

hatte, unterrichtete vor allem ITOSU YASUTSUNE (1832-1918), aber auch ASATO YASUTSUNE und<br />

AAABUNI KENWA. ITOSU stellte kurz nach der Jahrhundertwende ein modernes Karate unter dem<br />

Gesichtspunkt der Leibeserziehung (und erstmals nicht der tödlichen, oft geheim und unsystematisch<br />

geübten Kampfkünste) zusammen. Er entwickelte zu diesem Zweck auch die Pinan- (später Heian-)<br />

Katas.<br />

ASATO YASUTSUNE (1830-1915), einer der anderen vorhin erwähnten Schüler MATSUMURAS, war<br />

dann der Lehrer von FUNAKOSHI GICHIN. Von ASATO lernte FUNAKOSHI aber nur die Kata<br />

„Kushanku“. Die von ITOSU 1905 entwickelten Pinan- (Heian-) Katas lernte er erst viel später von<br />

MABUNI KENWA.<br />

Der Weg des Karate nach Japan und die Entstehung der vier großen<br />

japanischen Karatestilarten<br />

FUNAKOSHI kam 1922 im Alter von 55 Jahren allein nach Japan,<br />

um Karate vorzustellen. Vorausgegangen war eine Karatevorführung<br />

auf Okinawa anläßlich des Besuchs des Kronprinzen in Naha.<br />

Daraufhin wurde FUNAKOSHI nach Japan eingeladen, wo die<br />

Kriegskünste sehr populär waren. In Tokio sollte in diesem Jahr eine<br />

große Schau der Leibeserziehung stattfinden, für die JIGORO<br />

KANO, der Begründer des modernen Judo, verantwortlich war.<br />

FUNAKOSHI wollte eigentlich nach dieser Vorführung des Karate<br />

wieder nach Okinawa zurück, blieb aber dann auf vielfältigen<br />

Wunsch in Japan, um Karate zu lehren. Unterstützt von KANO legte er (dem Vorbild des Judo folgend)<br />

den Wert mehr auf die richtige innere Einstellung den Geist, im Sinne des Do. Angeregt durch seinen<br />

<br />

Auszug aus Pflüger, A.: 25 Shotokan-Katas. Niedernhausen 1995, 8-15<br />

Prof. Dr. Peter Kuhn | ISS FAU ER-N | 2010s | Materialien zum Seminar Karatedo | <strong>Textauszug</strong> Pflüger (1995): Kata 1


Erfolg kamen bald noch andere Karatemeister von Okinawa nach Japan, um auch dort ihre Kunst zu<br />

verbreiten.<br />

Obwohl es für FUNAKOSHI nur ein Karate gab, war es unvermeidlich, daß die verschiedenen<br />

Karatemeister „ihr“ Karate unter bestimmten Namen einführten, um ihre eigene Auffassung von Karate<br />

populär zu machen.<br />

• Der Shito-Ryu-Stil: KENWA AAABUNI (1893-1957) hatte von ITOSU und HIGAONNA gelernt. Er<br />

machte eine Synthese aus beiden Karaterichtungen (Shorin-Ryu und Shorei-Ryu), benützte für den<br />

Namen seines neuen Lehrstils die Initialen der beiden Meister und nannte ihn Shito-Ryu. Er unterrichtete<br />

dieses System auf Okinawa und machte auch häufige Besuche in Japan. Im Jahre 1929<br />

kam er endgültig nach Osaka, um Karate zu unterrichten. Shito-Ryu ist heute einer der vier größten<br />

Karatestile Japans.<br />

• Der Goju-Ryu-Stil (wörtlich: „hart-weich“): Von den verschiedenen japanischen Karatestilarten läßt<br />

Goju-Ryu noch am deutlichsten den chinesischen Ursprung erkennen. Von KANRYO HIGAONNA<br />

(Naha-Te) lernte CHOJUN MIYAGI (1888-1953). Beide studierten chinesisches Boxen (Shao lin<br />

Chuan und Pa Kua Chuan). MIYAGI nannte seinen Stil dann Goju-Ryu. 1929 kam er auf Einladung<br />

von GOGEN YAMAGUCHI nach Kyoto. Später ernannte er YAMAGUCHI zu seinem Nachfolger in<br />

Japan. Unter dem Namen Goju-Ryu stellte MIYAGI sein Karate 1930 beim Butoku-Fest im Butoku-<br />

Kan in Kyoto vor. Goju-Ryu lehrt eine besondere Atemtechnik zur Entwicklung von Stabilität und<br />

Kraft.<br />

• Der Wado-Ryu-Stil (Wado = der Weg des Friedens): HIRONORI OHTSUKA begann 1922 mit<br />

dem Karatetraining bei GCHIN FUNAKOSHI (er hat allerdings auch bei KENWA MABUNI und<br />

CHOKI MOTOBU gelernt). Vorher hatte er schon das Shindo Yoshinryu Jujutsu studiert. In der Folgezeit<br />

entwickelte erseinen eigenen Karatestil, indem er das Karate, das er bei FUNAKOSHI gelernt<br />

hatte, vor allem mit Ausweichbewegungen des Jujutsu kombinierte und auch sonst Bewegungen<br />

entwickelte, die „körperfreundlichee' waren. Die Bewegungen sind kleiner, die Stellungen kürzen.<br />

• Der Shotokan-Stil: „Shoto“ war FUNAKOSHIS Künstlername und bedeutet „das Rauschen der<br />

Kiefernwipfel“. Die Trainingshalle wurde 1939 nach seinem Künstlernamen „Shotokan“ genannt und<br />

bildete später den Namen für das Karate des FUNAKOSHI (obwohl er, wie schon erwähnt sehr gegen<br />

diese Stilrichtungsbezeichnungen war).<br />

Die Änderung des Schriftzeichens für Karate<br />

Wie wir schon weiter vorne erfuhren, verwies die alte Schreibweise für Karate deutlich<br />

auf die chinesische Abstammung dieser Kampfkunst. Lange Zeit war diese alte<br />

Schreibweise auf Okinawa gebräuchlich. 1906 brach der Karatemeister CHOMO<br />

HANAGI zum erstenmal mit dieser traditionellen Schreibweise und gebrauchte das<br />

Schriftzeichen für „leer“, das auch „Kara“ gelesen wird, in seinem Buch „Karate Soshu<br />

Hen“. Im Oktober 1936 fand unter der Schirmherrschaft der Zeitung „Ryukyu Shimpo“<br />

ein Treffen der großen Karatemeister Okinawas statt. YABU, KIYAMU, MOTOBU,<br />

MIYAGI und HANAGI trafen sich in Naha, um unter anderem auch über den<br />

Gebrauch des Tang-Symbols in der Schreibweise des Karate zu diskutieren. Dabei<br />

wurde entschieden, daß in Zukunft die Schreibweise für „Kara“, die „leer“ bedeutet,<br />

gebraucht werden solle, da der Begriff der „Leere“ in der Zen-Philosophie große<br />

Bedeutung hat.<br />

GICHIN FUNAKOSHI schreibt in seinem Buch „Karate-Do Kyohan“, das 1936<br />

erschien, daß diese Kampfkunst aus 0kinawa nun eine japanische Kriegskunst sei<br />

und daß es deshalb unpassend, ja sogar in gewissem Maße abwertend sei, die alte<br />

Schreibweise, die so deutlich auf China als Ursprungsland verweist weiter zu<br />

verwenden.<br />

Prof. Dr. Peter Kuhn | ISS FAU ER-N | 2010s | Materialien zum Seminar Karatedo | <strong>Textauszug</strong> Pflüger (1995): Kata 2


Was ist Kata?<br />

Kata bedeutet wörtlich: festgelegte Form. Auf Okinawa und nach der Einführung auf dem japanischen<br />

Festland bis in die 30er Jahre bestand Karate fast ausschließlich aus Katas. Etwa 50 Katas insgesamt<br />

werden heute in den verschiedenen Karatestilen zusammen geübt. Manche sind durch die Jahrhunderte<br />

überliefert, andere sind erst in neuerer Zeit entwickelt worden.<br />

Kata ist die stilisierte Form eines Kampfes gegen mehrere imaginäre<br />

Gegner. Kata gibt es nicht nur im Karate oder anderen Budokünsten,<br />

sondern in allen Formen traditioneller japanischer Künste. Durch die Katas<br />

wurden diese Künste von Generation zu Generation überliefert. Sie waren<br />

und sind die Textbücher dieser Künste. Kata ist geeignet Beherrschung der<br />

Technik und besonders die innere Haltung zu schulen: Atmung, Ruhe,<br />

Gelassenheit, Sicherheit, Entschlußkraft, Kampfgeist, Rhythmus, Die Katas<br />

sind auch ideal zum Durchtrainieren des ganzen Körpers, weil in ihnen alle<br />

Techniken des Karate in ganz genau festgelegter Reihenfolge auftauchen.<br />

Vor allem durch das Studium der Katas erlangt man Harmonie und<br />

Rhythmus, gelangt zu innerer Gelassenheit, Sicherheit und Ausstrahlung.<br />

Die Koordinationsfähigkeit und die Konzentrationsfähigkeit werden durch<br />

das Erlernen und Oben von Kata ebenfalls gesteigert. Jede Technik und<br />

jede Bewegung einer Kata ist in Reihenfolge und Richtung genau<br />

festgelegt. Jede Kata beginnt mit einer Abwehrtechnik. Das soll den<br />

defensiven Charakter dieser Kampfkunst unterstreichen (vgl. Schriftzug<br />

Kara Te Ni Sente Nashi). Jede Kata beginnt und endet an demselben<br />

Punkt. Jede Kata läuft nach einem ganz bestimmten Schrittdiagramm ab<br />

(japanisch: Embusen). Jede Technik und Bewegung der Kata, ob Angriffsoder<br />

Blocktechnik, muß in ihrer Bedeutung klar verstanden sein und so<br />

zunächst bewußt und später unbewußt ausgeführt werden. Studiere und<br />

übe deshalb die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten mit einem<br />

Partner! Motto: Nur so wird die Kata mit Leben erfüllt auch Kata ist Kampf!<br />

Diese Bewußtheit beim Vorführen einer Kata erstreckt sich auch darauf,<br />

daß jede Technik gezielt ausgeführt wird, daß man die imaginären Gegner<br />

und ihre Angriffe ganz bewußt „sieht“ und entsprechend reagiert.<br />

Diese Bewußtheit, diese Wachheit – Wachsamkeit – bezeichnet der<br />

Japaner als Zanshin. Dieser Begriff hat in allen Kampfkünsten große<br />

Bedeutung. Zanshin ist auch besonders wichtig am Schluß einer Kata, wo<br />

man voller kampfbereiter Wachsamkeit noch einige Sekunden in der letzten<br />

Technik verharrt und erst dann, wenn kein weiterer Angriff' mehr erfolgt<br />

langsam und ruhig wieder die Grundstellung einnimmt und sich dabei<br />

vollkommen löst (Entspannung), äußerlich (Muskeln) und innerlich (Geist<br />

Seele).<br />

Taikyoku-Katas<br />

Die Taikyoku-Katas wurden von FUNAKOSHI für den Anfänger geschaffen.<br />

Hier macht er zum erstenmal Bekanntschaft mit dem Wesen der Kata als<br />

festgelegte Form von Abwehr- und Gegenangriffstechniken. Methodisch<br />

gesehen hat sie ihren Platz zur Vorbereitung (und Erleichterung) der Heian<br />

1. FUNAKOSHI betonte ihre Bedeutung sehr stark: Für ihn war sie die<br />

„universale“ Kata; deshalb auch der Name. „Taikyoku“ (chinesisch: Tai-Chi)<br />

bedeutet das Universum. FUNAKOSHI sagt, daß diese Kata zwar sehr leicht zu erlernen sei, daß sie<br />

aber gerade deshalb die „grundlegendste“ sei, auf die der Karatemeister, wenn er gelernt habe, die<br />

Kunst des Karate zu beherrschen, wieder zurückkomme als auf den „großen Uranfang“ (Taikyoku), als<br />

auf die universalste Kata überhaupt zum Üben.<br />

Prof. Dr. Peter Kuhn | ISS FAU ER-N | 2010s | Materialien zum Seminar Karatedo | <strong>Textauszug</strong> Pflüger (1995): Kata 3


Prof. Dr. Peter Kuhn | ISS FAU ER-N | 2010s | Materialien zum Seminar Karatedo | <strong>Textauszug</strong> Pflüger (1995): Kata 4

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