22.07.2014 Aufrufe

ErnSiPP

ErnSiPP

ErnSiPP

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ernährungssituation von Senioren und<br />

Seniorinnen in Privathaushalten mit<br />

Pflegebedarf<br />

Prof. Dr. Dorothee Volkert<br />

Institut für Biomedizin des Alterns<br />

Universität Erlangen-Nürnberg<br />

dorothee.volkert@aiba.fau.de<br />

Prof. Dr. Helmut Heseker<br />

Institut für Ernährung, Konsum<br />

und Gesundheit<br />

Universität Paderborn<br />

Helmut.heseker@upb.de<br />

Prof. Dr. Peter Stehle<br />

Institut für Ernährungs- und<br />

Lebensmittelwissenschaften<br />

Universität Bonn<br />

pstehle@uni-bonn.de


<strong>ErnSiPP</strong>-Studie<br />

Ernährungssituation von Senioren und<br />

Seniorinnen in Privathaushalten mit Pflegebedarf<br />

Im Auftrag des


<strong>ErnSiPP</strong>-Studie<br />

1. Hintergrund


Die Entwicklung der Lebenserwartung<br />

(Stat. Bundesamt, 2009)<br />

90<br />

Alter<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

Mann<br />

Frau<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1890 1905 1925 1933 1950 1960 1970 1983 1985 1990 2000 2003 2006


Hochbetagte in Deutschland (2006)<br />

> 5 Mio. Personen sind 80 Jahre und älter<br />

(~ 6 % der Bevölkerung)<br />

~ 150.000 Personen waren 95 Jahre und älter<br />

~ 8.000 Personen sind 100 Jahre und älter<br />

(1950: 352; 1994: 4602 (w:4404, m: 558)<br />

332 Personen waren 105 Jahre und älter<br />

> Der/die erste Lebenszeitmillionär/in wird bei uns in den nächsten<br />

Jahren erwartet.<br />

(keine genauen Daten über Hochbetagte vorhanden: Stat. Bundesamt fasst nur<br />

über 95jährige Personen zusammen;<br />

Bundespräsidialamt gratuliert traditionell zum 100., 105. und jedem höherem<br />

Geburtstag: 2004 = 4454 Personen (außerdem: 101-104jährige)<br />

Prognose für 2025: 44.200 Menschen, die 100 Jahre und älter sind<br />

viele heute neugeborene Mädchen werden 100 Jahre alt


Hintergrund<br />

heute<br />

in 30 Jahren<br />

alt, nicht mehr<br />

erwerbsfähig<br />

Männer Frauen Männer Frauen<br />

jung<br />

erwerbsfähig<br />

600 300<br />

Tausend<br />

300 600<br />

Tausend<br />

600 300<br />

Tausend<br />

300 600<br />

Tausend<br />

Statistisches Bundesamt, www.destatis.de


Hintergrund<br />

2,34 Mio. pflegbedürftige Senioren in Deutschland<br />

1,62 Mio. (69 %)<br />

zu Hause<br />

gepflegte<br />

Personen<br />

717.000 (31 %)<br />

in Heimen<br />

vollstationär<br />

versorgt<br />

1,07 Mio. ausschl. durch<br />

Angehörige gepflegte<br />

Personen<br />

Pflegestufe<br />

I: 63,9 %<br />

II: 28,4 %<br />

III: 7,7 %<br />

555.000 durch<br />

Pflegedienste gepflegte<br />

Personen<br />

Pflegestufe<br />

I: 54,5 %<br />

II: 33,9 %<br />

III: 11,6 %<br />

Pflegestatistik 2009, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden


Pflegebedürftige und Pflegeheimbewohner <br />

Bei den 75- bis 84-Jährigen:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Bei den Über-85-Jährigen:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

TNS Infratest Sozialforschung München [2005] Möglichkeiten und Grenzen - MuG III: Leben mit Hilfe und Pflege zu Hause


Hintergrund<br />

• Rüstige Senioren „Ernährung ab 65“<br />

Ernährungssituation ähnlich jüngerer Erwachsener<br />

Ernährungsbericht 2000<br />

• Pflegeheimbewohner „ErnSTES“<br />

Ernährungsprobleme häufig<br />

Nährstoffzufuhr z.T. kritisch (Vit. D, E, C, Folat, Ca, Mg)<br />

Ernährungsbericht 2008<br />

• Pflegebedürftige im Privathaushalt<br />

???<br />

„ErnSIPP“<br />

Ernährungsbericht 2012


<strong>ErnSiPP</strong>-Studie<br />

2. Ziele und Methoden


Ziele<br />

Untersuchung der Ernährungssituation<br />

älterer pflegebedürftiger Menschen im<br />

Privathaushalt<br />

Pflege- und Versorgungssituation<br />

Ernährungsprobleme<br />

Ernährungszustand<br />

Lebensmittelverzehr<br />

Energie- und Nährstoffzufuhr


Studiendesign<br />

• Epidemiologische Querschnittsstudie in 3 Regionen<br />

- Bonn, Nürnberg und Paderborn<br />

• Einschlusskriterien<br />

- ≥ 65 Jahre<br />

- Pflegestufe nach SGB XI<br />

- Leben im Privathaushalt<br />

- kein erkennbarer präfinaler Zustand<br />

• Rekrutierung (März-Dezember 2010)<br />

- Medizinischer Dienst der Krankenkassen<br />

- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

- ambulanter Pflegedienste<br />

- Pflegeberatungsstellen<br />

- Tagespflege


Methoden<br />

• Standardisierte Fragebögen<br />

- im persönlichen Interview (bei MMSE


Ablauf<br />

Telefonische Kontaktaufnahme<br />

Versendung von Informationen<br />

1. Besuch (1-1,5 Std.)<br />

- Einholung des Einverständnisses<br />

- Mini Mental Status (MMSE)<br />

- Anthropometrische Messungen<br />

- schriftl. Fragebogen für Pflegeperson<br />

3-Tage-Verzehrprotokoll<br />

2. Besuch (1-1,5 Std.)<br />

Befragung zur Gesundheits-, Lebens- und<br />

Ernährungssituation


<strong>ErnSiPP</strong>-Studie<br />

3. Ergebnisse


Ergebnisse<br />

• 353 Pflegebedürftige (BN 148, N 103, PB 102)<br />

• 64 % Frauen<br />

• Alter 81,0 ± 7,7 Jahre<br />

• Pflegestufe I 59 %<br />

II 30 %<br />

III 11 %<br />

• Versorgung<br />

- nur Privatperson 42 %<br />

- überwiegend privat 43 %<br />

- überw. Pflegedienst 6 %<br />

- nur Pflegedienst 9 %<br />

Deutschland<br />

63 %<br />

30 %<br />

7 %<br />

Deutschland<br />

61 %<br />

58 % 39 %


Ergebnisse<br />

Gesundheitssituation der Pflegebedürftigen<br />

(n=353)<br />

•Anzahl Erkrankungen 5 (0 - 12)<br />

•Anzahl Medikamente 7 (0 - 20)<br />

•Häufigste Erkrankungen<br />

• Herz-Kreislauf-Erkrankung 86,1 %<br />

• Gelenkerkrankungen 54,4 %<br />

• Stoffwechselstörungen 46,7 %<br />

• Demenz 34,6 %<br />

• Depression 29,7 %<br />

• Schlaganfall 29,7 %<br />

•mobil (mit oder ohne Gehilfe) 42,8 %<br />

•immobil (


Ergebnisse<br />

Hilfe beim Trinken<br />

Hilfe beim Essen<br />

63 %<br />

45 %<br />

• 41 % Aufforderung<br />

zum Trinken<br />

• 47 % beim Öffnen der<br />

Getränkeverpackung<br />

• 14 % Anreichen<br />

• 11 % Aufforderung<br />

zum Essen<br />

• 44 % Hilfe beim<br />

Kleinschneiden<br />

• 17 % Anreichen


Ergebnisse<br />

Versorgungssituation<br />

(n=353)<br />

Einkauf<br />

Mahlzeitenzubereitung<br />

• Angehörige 86,6 %<br />

• Bekannte 8,2 %<br />

• Einkaufshilfen 6,2 %<br />

• Ambulante Pflegedienste 3,4 %<br />

• Lebensmittellieferdienste 2,5 %<br />

• Völlig selbständig 2,8 %<br />

warm kalt<br />

• Angehörige 74,2 % 72,2 %<br />

• Tagespflege 14,2 % 14,2 %<br />

• Mahlzeitenlieferdienste 11,0 % -<br />

• Bekannte 4,5 % 3,1 %<br />

• Völlig selbständig 8,2 % 19,8 %


Ergebnisse<br />

• Nachlassendes Durstgefühl 53,8 %<br />

• Auffällig geringe Trinkmenge<br />

häufig bzw. gelegentlich


Ergebnisse<br />

BMI<br />

Männer (n=217) 28,2 ± 6,5 kg/m²<br />

Frauen (n=217) 28,2 ± 6,6 kg/m²<br />

≥35<br />

30 -


Ergebnisse<br />

BMI<br />

[kg/m²]<br />

Alter 65-74 J. 29,8 ± 8,3 (75)<br />

75-84 J. 28,7 ± 5,7 (142)<br />

≥85 J. 26,7 ± 4,9 (124) p


Ergebnisse<br />

BMI<br />

Pflegestufen<br />

Demenz<br />

≥ 35<br />

%<br />

30 -


Ergebnisse<br />

Gewichtsverlauf<br />

Im Lauf der Pflegebedürftigkeit<br />

Zunahme unerwünscht 26,3 %<br />

erwünscht 13,0 %<br />

Abnahme unerwünscht 48,8 %<br />

erwünscht 10,5 %<br />

39,3 %<br />

59,3 %<br />

Im letzten Vierteljahr<br />

Abnahme 1-3 kg 14,7 %<br />

> 3 kg 12,5 %<br />

27,2 %


Ergebnisse<br />

Ernährungszustand laut MNA (Mini Nutritional Assessment)<br />

18 Fragen (0-3 Punkte)<br />

-Appetit / Essmenge<br />

-Gewichtsverlust<br />

-BMI, Oberarm- Wadenumfang<br />

-Gesundheitszustand<br />

-Hilfsbedürftigkeit<br />

-Ernährungsgewohnheiten<br />

max. 30 Punkte<br />

Mangelernährung (


Ergebnisse<br />

Ernährungszustand laut MNA und Pflegestufe<br />

%<br />

Risiko für<br />

Mangelernährung<br />

(17 - 23,5 P.)<br />

I II III<br />

(n=208) (n=105) (n=39)<br />

Mangelernährung<br />

(< 17 P.)


Ergebnisse<br />

Lebensmittelverzehr<br />

[g/Tag]<br />

Fleisch(waren), Wurst<br />

Männer: 148 g<br />

Frauen: 115 g<br />

Fisch Männer: 28 g<br />

Frauen: 21 g<br />

Milch(produkte)<br />

Männer: 273 g<br />

Frauen: 252 g<br />

><br />

≈<br />

≈<br />

Orientierungswerte<br />

(DGE)<br />

300-600 g<br />

pro Woche<br />

150 g<br />

pro Woche<br />

200-250 g<br />

Milch/Joghurt<br />

+ 50-60 g Käse<br />

Eier<br />

Männer: 24 g<br />

Frauen: 23 g<br />

≈<br />

ca. 3 Stück<br />

pro Woche


Ergebnisse<br />

Lebensmittelverzehr<br />

[g/Tag]<br />

Gemüse<br />

Männer: 179 g<br />

Frauen: 163 g<br />

Obst<br />

Männer: 171 g<br />

Frauen: 170 g<br />

Brot<br />

Männer: 122 g<br />

Frauen: 98 g<br />

Kartoffeln<br />

Männer: 107 g<br />

Frauen: 99 g<br />

<<br />

<<br />

<<br />

<<br />

Wünschenswerte<br />

Zufuhrmengen (DGE)<br />

>400 g<br />

>250 g<br />

200-300 g<br />

ca. 200 g


Ergebnisse<br />

Flüssigkeitsaufnahme<br />

Wasser insgesamt:<br />

Männer: 2397 mL<br />

Frauen: 2231 mL<br />

Nicht alkoholische Getränke:<br />

Männer: 1510 mL<br />

Frauen: 1489 mL<br />

Richtwerte (DGE):<br />

1990 mL<br />

1500 mL


Ergebnisse<br />

Energie- und Proteinzufuhr<br />

Energie<br />

2016 kcal/Tag<br />

1708 kcal/Tag<br />

100 %<br />

Protein<br />

1,0 g/kg KG<br />

1,0 g/kg KG<br />

% des DGE-Referenzwertes<br />

Männer<br />

Frauen


Ergebnisse<br />

Nährstoffzufuhr<br />

(Mediane im Vergleich zu DGE-Referenzwerten)<br />

Männer<br />

(n=123)<br />

%<br />

Frauen<br />

(n=216)<br />

Ballast- Calcium Magne- Eisen Zink<br />

stoffe<br />

sium


Ergebnisse<br />

Nährstoffzufuhr<br />

(Mediane im Vergleich zu DGE-Referenzwerten)<br />

%<br />

Männer<br />

(n=123)<br />

Frauen<br />

(n=216)<br />

A D E C B 1 B 2 B 6 B 12 Folat


ErnSTES – Vergleichsdaten<br />

Nährstoffzufuhr von Pflegeheimbewohnern<br />

%<br />

20<br />

0<br />

Mittlere Energiezufuhr: 1680 kcal/d (Männer)<br />

1460 kcal/d (Frauen)<br />

Männer<br />

(n=148)<br />

-20<br />

-40<br />

Frauen<br />

(n=606)<br />

-60<br />

Protein Ballast- Ca Mg Eisen Zink<br />

stoffe<br />

Ernährungsbericht 2008


ErnSTES -Vergleichsdaten<br />

Nährstoffzufuhr von Pflegeheimbewohnern<br />

20<br />

(Mediane im Vergleich zu DGE-Referenzwerten)<br />

%<br />

0<br />

-20<br />

-40<br />

-60<br />

-80<br />

Männer<br />

(n=148)<br />

Frauen<br />

(n=606)<br />

-100<br />

A D E C B 1 B 2 B 6 B 12 Folat<br />

Ernährungsbericht 2008


Ergebnisse<br />

Energie- und Wasserzufuhr in den Pflegestufen<br />

kcal/Tag<br />

2500<br />

2000<br />

Energie<br />

p


<strong>ErnSiPP</strong>-Studie<br />

4. Fazit und Empfehlungen


Zusammenfassung/Fazit<br />

• Pflegebedürftige zuhause sind multimorbide und<br />

haben körperliche und kognitive Beeinträchtigungen<br />

ca. jeweils ein Drittel immobil – dement – depressiv<br />

• Pflege und Versorgung überwiegend durch Angehörige<br />

• Untergewicht selten – (massives) Übergewicht häufig<br />

• Ernährungsprobleme und Risikofaktoren für<br />

Mangelernährung sind weit verbreitet<br />

• Mangelernährung laut MNA 13 % - Risiko 57 %<br />

• Zu viel Fleisch/Wurst, zu wenig Obst, Gemüse, Getreide<br />

• Kritische Nährstoffe: Vitamin D und E, Folat, Calcium und<br />

Ballaststoffe, bei Frauen zusätzlich Vitamin B 1 und C


Empfehlungen<br />

Ernährung<br />

• Abwechslungsreiches, bedarfs- und bedürfnisgerechtes<br />

Angebot an Speisen und Getränken<br />

adäquate Energie- und Nährstoffversorgung<br />

• Vermehrter Verzehr von Obst, Gemüse, Kartoffeln<br />

und Getreideprodukten (Vollkorn)<br />

• Ernährungshemmnisse frühzeitig erkennen und<br />

beseitigen<br />

• Gewichtsverluste möglichst vermeiden<br />

• Ausreichende Trinkmenge gewährleisten


Empfehlungen<br />

• Informations-, Beratungs- und Kursangeboten zum<br />

Thema ‚Ernährung im Alter‘ speziell für pflegende<br />

Angehörige<br />

• Integration des Themas „Ernährung“ in die Aus- und<br />

Weiterbildung von Pflegekräften und Ärzten<br />

Regelmäßige Ernährungsscreenings<br />

• Bessere Vernetzung von Ärzten, Pflegediensten und<br />

Ernährungsfachkräften<br />

• Lebensmittelhersteller: Hochwertige, schmackhafte<br />

und leicht zu öffnende und zuzubereitende Gerichte<br />

• Ausweitung von Dienstleistungen<br />

(Einkaufs-, Kochhilfen, Lieferdienste, Esspaten)


Vielen Dank für Ihre<br />

Aufmerksamkeit!<br />

Das ErnSIPP-Netzwerk:<br />

Dipl.-Oecotroph. Eva Kiesswetter<br />

Dipl.-Oecotroph. Katrin Uhlig<br />

Dipl.-Oecotroph. Stefanie Pohlhausen<br />

Dr. Rebecca Diekmann<br />

Dr. Stephanie Lesser<br />

Prof. Dr. Helmut Heseker<br />

Prof. Dr. Peter Stehle<br />

Prof. Dr. Dorothee Volkert

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!