STADT SPROCKHÖVEL Der Bürgermeister
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<strong>STADT</strong> <strong>SPROCKHÖVEL</strong><br />
<strong>Der</strong> <strong>Bürgermeister</strong><br />
Rathausplatz 4, 45549 Sprockhövel-Haßlinghausen<br />
Postfach 92 20 40, 45541 Sprockhövel<br />
E-Mail: info@sprockhoevel.de<br />
Fax-Nr.: 0 23 39 / 9 17-3 00<br />
Ansprechpartner/in: Fr. Hockamp Telefon: (0 23 24) 97 01 555 Datum: 06.08.2013<br />
P R E S S E M I T T E I L U N G<br />
Dokumente eines Sprockhöveler Lehrers erreichen auf Umwegen das Stadtarchiv<br />
Am 7. August 2013 übergibt Ortwin Bickhove-Swiderski im Büro des <strong>Bürgermeister</strong>s dem<br />
Stadtarchiv Sprockhövel Dokumente und Fotos aus dem Besitz des Sprockhöveler<br />
Lehrers Nikolaus Schmitt (1893-1955). Ein Altpapierhändler aus Duisburg hatte die Akten<br />
und Fotos vor der Vernichtung bewahrt und an Herrn Bickhove-Swiderski verkauft, der in<br />
seiner Heimatstadt Dülmen die Geschichte der NS-Zeit erforscht hat.<br />
Nikolaus (Klaus) Schmitt, der seit 1913 an der Schule Nord in Niedersprockhövel<br />
unterrichtete, gehörte ab 1933 der NSDAP an und hatte leitende Funktionen in der NSV<br />
(Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) und in der SA Sprockhövel und war Mitglied im<br />
NS-Lehrerbund. Auch seine Frau Johanna und seine Tochter Hedwig waren an führender<br />
Stelle in örtlichen Parteigliederungen tätig.<br />
Nach Kriegsende 1945 wurde Schmitt sofort von den Besatzungsbehörden vom<br />
Schuldienst suspendiert und musste sich einer langwierigen „Entnazifizierung“<br />
unterziehen, bis er 1948 wieder unterrichten durfte. Eingestuft wurde er als „Mitläufer“.<br />
Zwischenzeitlich war Schmitt als Hilfsarbeiter tätig, um sich und seine Familie zu<br />
ernähren. Vor allem aus der Zeit von 1945 bis 1949 stammen die Dokumente Schmitts,<br />
die nun im Stadtarchiv Sprockhövel lagern. Es sind unter anderem mehrere<br />
„Persilscheine“ vorhanden, Bescheinigungen von Sprockhöveler Bürgern, die Schmitts<br />
NS-Vergangenheit in einem harmlosen Licht erscheinen ließen, um ihm den Neubeginn<br />
als Lehrer in einem demokratischen Staat zu ermöglichen.<br />
Die Dokumente veranschaulichen am Beispiel eines Sprockhöveler Lehrers, wie ein mehr<br />
oder weniger engagierten Nationalsozialist den Übergang in die demokratisch verfasste<br />
Bundesrepublik bewältigte, ein Vorgang der millionenfach erfolgte und bei Zeitgenossen<br />
und nachkommenden Generationen immer wieder Fragen nach der Glaubwürdigkeit,<br />
nach Schuld und Verantwortung aufwirft.<br />
Bemerkenswert In diesem speziellen Fall Schmitt ist das Aufbewahren der Richtlinien zum<br />
Rassekundeunterricht, ein besonders schäbiges Merkmal des NS-Schulsystems. Vertrat<br />
er diese Ideologie etwa auch noch nach dem Scheitern der NS-Gewaltherrschaft? Weitere<br />
Fragen drängen sich auf: Stimmt es wirklich, dass Schmitt nach der Machtergreifung 1933<br />
von der örtlichen NSDAP als „Marxist“ verunglimpft wurde, wie er 1945 behauptete? Und
warum bewahrte er Fotos auf, die ihn und seine Familie als Funktionsträger des NS-<br />
Staates zeigen?<br />
Um zu einer objektiveren Einschätzung von der Rolle Schmitts zu kommen, müssen<br />
andere Quellen herangezogen werden: Zum Beispiel die Aussage eines früheren<br />
Schülers, der als „Halbjude“ unter Schmitt zu leiden hatte. Oder der Beschluss des<br />
Schulausschusses der Gemeinde Niedersprockhövel von 1947, Schmitt als letzten in der<br />
Reihenfolge der suspendierten Lehrer wiedereinzustellen. Diese Quellen aus dem<br />
Stadtarchiv weisen darauf hin, dass Schmitts Verhältnis zum Nationalsozialismus nicht so<br />
distanziert war, wie er später vorgab.<br />
Dieser Teilnachlass des Lehrers Nikolaus Schmitt ist ein Glücksfall für ein Stadtarchiv, da<br />
solche Dokumente in der Regel verschämt vernichtet wurden und nicht in ein Archiv<br />
gelangen. <strong>Der</strong> Kooperationsbereitschaft eines engagierten westfälischen<br />
Geschichtsforschers ist es zu verdanken, dass die Unterlagen für die Nachwelt erhalten<br />
werden können.<br />
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