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Die Leipziger Stadtverwaltung und die Deportation der Juden im NS ...

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Einleitung: Fragestellung <strong>und</strong> Quellenüberlieferung<br />

Im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig begann <strong>im</strong> Oktober 2005 ein<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Ausstellungsprojekt zur <strong>Deportation</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> aus<br />

Leipzig. Neben den Materialrecherchen in Archiven in Deutschland wurden<br />

durch ein Forschungsstipendium auch Recherchen in <strong>der</strong> Gedenkstätte<br />

Térézín <strong>und</strong> <strong>im</strong> Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau ermöglicht. <strong>Die</strong><br />

Recherchen führten zu neuen Erkenntnissen über <strong>die</strong> lokalen Vorbereitungen<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Durchführung <strong>der</strong> Transporte <strong>der</strong> nach <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />

Rassenpolitik als „<strong>Juden</strong>“ <strong>und</strong> „jüdische Mischlinge“ angesehenen<br />

Menschen. Im November 2006 wurde <strong>die</strong> Ausstellung „Der letzte Weg. <strong>Die</strong><br />

<strong>Deportation</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> aus Leipzig 1942–1945“ <strong>im</strong> Stadtgeschichtlichen<br />

Museum Leipzig eröffnet; sie war dort bis Ende Januar 2007 zu sehen. 1<br />

<strong>Die</strong> museale historische Aufarbeitung <strong>der</strong> nationalsozialistischen <strong>Juden</strong>verfolgung<br />

in Leipzig konnte mit einem höchst komplexen Ausstellungsprojekt<br />

<strong>im</strong> Stadtgeschichtlichen Museum fortgesetzt werden. In <strong>der</strong> Ausstellung<br />

„Arisierung in Leipzig. Verdrängt. Beraubt. Ermordet“ wurden gr<strong>und</strong>legende<br />

Aspekte des Eigentumsentzugs <strong>und</strong> -transfers dargestellt. Dabei kamen<br />

auch Son<strong>der</strong>interessen <strong>und</strong> Begehrlichkeiten <strong>der</strong> <strong>Stadtverwaltung</strong> zum<br />

Vorschein. 2<br />

Anknüpfend an <strong>die</strong> in beiden Ausstellungsprojekten gewonnenen Erkenntnisse<br />

kann mit <strong>die</strong>ser eigenständigen Untersuchung <strong>die</strong> Frage nach <strong>der</strong><br />

Verstrickung <strong>der</strong> <strong>Leipziger</strong> <strong>Stadtverwaltung</strong> in <strong>die</strong> Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung<br />

<strong>der</strong> <strong>Deportation</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> aus Leipzig erstmals umfassen<strong>der</strong><br />

beantwortet werden. Unabdingbar war <strong>die</strong> Erschließung neuen Quellenmaterials.<br />

<strong>Die</strong> Quellenüberlieferung für <strong>die</strong>se Stu<strong>die</strong> ist disparat <strong>und</strong> fragmentarisch.<br />

Auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> <strong>Stadtverwaltung</strong> sind Dokumente einzelner Ämter, <strong>die</strong><br />

über Verfolgungsmaßnahmen Auskunft geben könnten, nur in Splittern<br />

erhalten. Im Beson<strong>der</strong>en fällt sämtliches Schriftgut <strong>der</strong> 1934 <strong>im</strong> städtischen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsamt errichteten Abteilung Erb- <strong>und</strong> Rassenpflege <strong>und</strong> des mit<br />

<strong>der</strong> Durchführung des Gesetzes über <strong>die</strong> Mietverhältnisse mit <strong>Juden</strong><br />

beauftragten Amtes zur För<strong>der</strong>ung des Wohnungsbaues komplett aus. <strong>Die</strong><br />

<strong>Die</strong>nsträume <strong>die</strong>ses Amtes in <strong>der</strong> Harkortstraße 1 sind be<strong>im</strong> Luftangriff am<br />

4. Dezember 1943 zerstört worden. <strong>Die</strong> später angelegten Unterlagen<br />

wurden wahrscheinlich zusammen mit mehreren Tausend Akten <strong>der</strong><br />

<strong>Stadtverwaltung</strong> auf Weisung des Oberbürgermeisters am 12./13. April<br />

1945, wenige Tage vor <strong>der</strong> Einnahme Leipzigs durch amerikanische Truppen,<br />

<strong>im</strong> Krematorium des Südfriedhofs verbrannt. Da auch <strong>die</strong> auf <strong>der</strong><br />

lokalen Ebene für <strong>die</strong> Durchführung <strong>der</strong> Transporte zuständige Staatspolizeistelle<br />

fast alle Akten auf dem Südfriedhof verbrennen ließ, existieren<br />

von <strong>die</strong>ser Seite keine Dokumente über <strong>die</strong> Mitwirkung <strong>der</strong> <strong>Stadtverwaltung</strong><br />

an den <strong>Deportation</strong>en. Als Hauptquellen stehen noch Personalakten <strong>und</strong><br />

Sachakten verschiedener Ämter <strong>der</strong> <strong>Stadtverwaltung</strong>, <strong>die</strong> breit verstreut<br />

Informationen preisgeben, zur Verfügung. Eindrucksvoll <strong>und</strong> aussagekräftig<br />

sind <strong>die</strong> Unterlagen vom Strafprozess gegen zwei Mitarbeiter des Amtes<br />

zur För<strong>der</strong>ung des Wohnungsbaues aus dem Jahre 1948.<br />

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