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Zum Fundamentalsatz der Algebra und zu Nullstellenschranken f¨ur ...

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Vorlesungsergän<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>r Ingenieur-Mathematik I<br />

<strong>Zum</strong> <strong>F<strong>und</strong>amentalsatz</strong> <strong>der</strong> <strong>Algebra</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>zu</strong> <strong>Nullstellenschranken</strong> für Polynome<br />

Ein elementarer Beweis des <strong>F<strong>und</strong>amentalsatz</strong>es <strong>der</strong> <strong>Algebra</strong><br />

mit den Mitteln <strong>der</strong> Anfänger-Analysis<br />

R. Brigola<br />

Der <strong>F<strong>und</strong>amentalsatz</strong> <strong>der</strong> <strong>Algebra</strong> besagt, dass jedes nicht-konstante, komplexe<br />

Polynom mindestens eine komplexe Nullstelle besitzt. Die erste Erwähnung des<br />

<strong>F<strong>und</strong>amentalsatz</strong>es wurde 1608 formuliert von Peter Roth in Nürnberg. Der Satz<br />

wurde angegeben von Descartes 1637, <strong>der</strong> auch zwischen reellen <strong>und</strong> komplexen<br />

Nullstellen unterschied, mit einem noch lückenhaften Beweis von D’Alembert<br />

1746 veröffentlicht, <strong>und</strong> von C.F. Gauss 1797 in dessen Dr.-Arbeit. Gauss publizierte<br />

vier überarbeitete Beweise dieses gr<strong>und</strong>legenden Resultats, den letzten<br />

1849. Heute gibt es eine Vielzahl verschiedener Beweise dieses Theorems, unterschiedlich<br />

in <strong>der</strong> Zugangsweise <strong>und</strong> mit unterschiedlichen Vorausset<strong>zu</strong>ngen an<br />

den Leser über <strong>zu</strong>gr<strong>und</strong>e liegende mathematische Teilgebiete (siehe etwa B. Fine,<br />

G. Rosenberger The F<strong>und</strong>amental Theorem Of <strong>Algebra</strong>, Springer-Verlag).<br />

Wir verwenden für die folgende Darstellung nur Argumente <strong>der</strong> üblichen Anfängeranalysis<br />

des ersten Semesters. Sie sind im ersten Hilfssatz dem Buch Analysis I<br />

von K. Königsberger ([1]) entnommen <strong>und</strong> folgen im Hauptteil Arbeiten meines<br />

Kollegen H. Leinfel<strong>der</strong> ([2] <strong>und</strong> [3]) <strong>und</strong> einer privaten Mitteilung von ihm aus<br />

dem Jahr 2008 [4]. Einen weiteren sehr einfachen <strong>und</strong> kurzen Beweis, ebenfalls<br />

von H. Leinfel<strong>der</strong>, findet man im Lehrbuch Fourier-Analysis <strong>und</strong> Distributionen<br />

des Autors [7].<br />

Im Folgenden bezeichnet P (z) =z n + q(z), q(z) =<br />

∑n−1<br />

a k z k für n ≥ 1 ein<br />

Polynom vom Grad n ∈ N. (Für den Koeffizienten a n von z n können wir beim<br />

Nullstellenproblem ohne Einschränkung <strong>der</strong> Allgemeinheit a n =1annehmen.)<br />

Hilfssatz. Es gibt eine reelle Zahl r>0, so dass für z ∈ C außerhalb <strong>der</strong> offenen<br />

Kreisscheibe K r (0) um Null mit Radius r gilt<br />

|P (z)| ≥r.<br />

k=0<br />

1


Beweis: Man setze r = 1 + |a n−1 | + |a n−2 | + ... + |a 0 | <strong>und</strong> betrachte z mit<br />

|z| ≥r ≥ 1. Dann gilt:<br />

(<br />

|q(z)| ≤ |z| n−1 |a n−1 | + |a n−2|<br />

+ ...+ |a )<br />

0|<br />

|z| |z| n−1<br />

≤ |z| n−1 (r − 1) ≤|z| n−1 (|z|−1).<br />

Mit <strong>der</strong> Dreiecksungleichung folgt nun für |P (z)|, |z| ≥r die Abschät<strong>zu</strong>ng<br />

|P (z)| = |z n + q(z)| ≥|z| n −|q(z)| ≥|z| n −|z| n−1 (|z|−1)<br />

= |z| n−1 ≥ r ≥ 1.<br />

Folgerung. Die stetige Funktion |P | hat in <strong>der</strong> abgeschlossenen Kreisscheibe<br />

K r (0) ein Minimum, das wegen |P (0)| = |a 0 |


Weil f in t =0lokal minimal ist, gilt für hinreichend kleine t>0<br />

f(t) − f(0)<br />

0 ≤ =2R(a<br />

t k<br />

0 a k w k )+tQ(t).<br />

Mit t → 0 folgt<br />

0 ≤ 2R(a 0 a k w k ).<br />

Dies gilt für alle w ∈ C, |w| =1.Daa k ≠0ist <strong>und</strong> die Multiplikation mit w k<br />

eine Drehung im Argument <strong>der</strong> rechten Seite bewirkt, könnte für passendes w die<br />

rechte Seite aber auch kleiner als Null werden, falls a 0 ≠0wäre. Das wäre ein<br />

Wi<strong>der</strong>spruch. Daher muss a 0 = P (0) = 0 sein.<br />

Anmerkungen. 1) Linearfaktorzerlegung für ein Polynom P vom Grad n>1<br />

mit <strong>der</strong> Nullstelle z 0 in P (z) =(z − z 0 )R n−1 (z) <strong>und</strong> Anwendung des <strong>F<strong>und</strong>amentalsatz</strong>es<br />

auf das Restpolynom R n−1 vom Grad n − 1 usw. ergibt: P hat genau n<br />

(nicht notwendig verschiedene) Nullstellen.<br />

2) Für eine Nullstelle z 0 von P <strong>und</strong> k 0 das erste k ∈ N mit P (k) (z 0 ) ≠0ist k 0 die<br />

Vielfachheit <strong>der</strong> Nullstelle z 0 .Begründung:<br />

P (z) =(z − z 0 ) k 0<br />

R n−k0 (z) =(z − z 0 ) k 0<br />

n−k<br />

∑ 0<br />

l=0<br />

P (k0+l) (z 0 )<br />

(z − z 0 ) l ,<br />

(k 0 + l)!<br />

d.h., die Nullstelle z 0 hat mindestens die Vielfachheit k 0 . Das Restpolynom R n−k0<br />

hat an <strong>der</strong> Stelle z 0 den Wert P (k0) (z 0 )/k 0 ! ≠0, d.h., die Nullstelle z 0 hat auch<br />

keine größere Vielfachheit als k 0 .<br />

<strong>Nullstellenschranken</strong> für Polynome<br />

Große Bedeutung für numerische Verfahren haben Abschät<strong>zu</strong>ngen, in welchen<br />

Bereichen <strong>der</strong> komplexen Ebene denn die Nullstellen eines gegebenen Polynoms<br />

überhaupt <strong>zu</strong> suchen sind.<br />

Der Beweis des Hilfssatzes zeigt, dass alle Nullstellen eines Polynoms<br />

∑n−1<br />

P (z) =z n + a k z k vom Grad n ≥ 1 in <strong>der</strong> offenen Kreisscheibe um Null mit<br />

k=0<br />

n−1<br />

∑<br />

Radius r =1+ |a k | liegen. Analog wie im obigen Hilfssatz kann man schärfer<br />

k=0<br />

abschätzen: Alle Nullstellen von P liegen in <strong>der</strong> abgeschlossenen Kreisscheibe um<br />

∑n−1<br />

Null mit dem Radius R =max{1, |a k |} (Übungsaufgabe).<br />

k=0<br />

Analog kann man auch zeigen, dass für ein Polynom<br />

n∑<br />

a k z k mit |a n |≥|a k |<br />

für k = 0,...n − 1 alle Nullstellen in <strong>der</strong> abgeschlossenen Kreisscheibe um<br />

3<br />

k=0


Null mit Radius r =2liegen. (vgl. M. Dehmer [6]; dort findet man auch weitere<br />

interessante Abschät<strong>zu</strong>ngen)<br />

Man schätzt da<strong>zu</strong> analog wie in Hilfssatz 1 mit |z| > 1 ab<br />

|P (z)| ≥ |a n ||z| n (1 −<br />

≥ |a n ||z| n (1 −<br />

> |a n ||z| n (1 −<br />

∑n−1<br />

k=0<br />

n∑<br />

k=1<br />

∞∑<br />

k=1<br />

)<br />

|a k |<br />

|a n ||z| n−k<br />

)<br />

1<br />

|z| k<br />

)<br />

1<br />

|z| k<br />

= |a n ||z| n (<br />

2 − |z|<br />

|z|−1<br />

)<br />

= |a n ||z| n |z|−2<br />

|z|−1 .<br />

Hieraus folgt |P (z)| > 0 für |z| > 2.<br />

Schließlich seien die Leser an dieser Stelle noch auf den Satz von Gerschgorin<br />

über die Lage <strong>der</strong> Nullstellen des charakterischen Polynoms einer quadratischen<br />

Matrix, d.h. also über die Lage <strong>der</strong> Eigenwerte hingewiesen. Man findet den Satz<br />

von Gerschgorin etwa in dem Buch von J. Stoer <strong>und</strong> R. Bulirsch [5], das ich allen<br />

Lesern als Lektüre sehr empfehle. Der Satz von Gerschgorin sagt, dass die<br />

Vereinigung aller Kreisscheiben<br />

{<br />

}<br />

n∑<br />

K i = z ∈ C : |z − a ii |≤ |a ik |<br />

k=1,k≠i<br />

alle Eigenwerte einer (n × n)-Matrix A =(a ik ) enthält.<br />

Referenzen<br />

[1] K. Königsberger Analysis 1, Springer-Verlag 1990<br />

[2] H. Leinfel<strong>der</strong> <strong>Zum</strong> <strong>F<strong>und</strong>amentalsatz</strong> <strong>der</strong> <strong>Algebra</strong>, Didaktik <strong>der</strong> Mathematik 3, 1981, 187-194<br />

[3] H. Leinfel<strong>der</strong> Eine Ergän<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> meiner Note <strong>Zum</strong> <strong>F<strong>und</strong>amentalsatz</strong> <strong>der</strong> <strong>Algebra</strong>“, Didaktik<br />

”<br />

<strong>der</strong> Mathematik 4, 1983, 329-331<br />

[4] H. Leinfel<strong>der</strong> Private Mitteilung, 16.11.2008<br />

[5] J. Stoer, R. Bulirsch Einführung in die numerische Mathematik II, Springer-Verlag 1973<br />

[6] M. Dehmer On the location of zeros of complex polynomials, Journal of Inequalities in Pure<br />

and Applied Mathematics Vol. 7, Issue 1, Article 26, 2006<br />

[7] R. Brigola Fourier-Analysis <strong>und</strong> Distributionen, edition swk, 2012<br />

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