satirikon - Sport + Wort
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Das Magazin für kleine Kunst und große <strong>Wort</strong>e<br />
Ausgabe 1-2014 I August + September 2014 I u 4,80 (D) I u 5,- (A) I u 5,20 (L) I CHF 9,00 (CH) I www.<strong>satirikon</strong>.de<br />
<strong>Sport</strong> +<br />
<strong>Wort</strong><br />
Zwei Welten<br />
prallen aufeinander<br />
Bühnenportrait<br />
Kom(m)ödchen<br />
Klamottenkiste<br />
M. Heidegger<br />
Lebenshilfe<br />
Politiker werden
4 | inhalt<br />
Inhalt | 5<br />
Das Magazin für kleine Kunst und große <strong>Wort</strong>e<br />
„Wenn jeder Spieler 10 Prozent von seinem Ego an das Team<br />
abgibt, haben wir einen Spieler mehr auf dem Feld.“<br />
Berti Vogts<br />
Rubriken<br />
Inhalt<br />
Schwerpunktthema „<strong>Sport</strong> und <strong>Wort</strong>“<br />
Erste Zeile 3<br />
Neue Programme 6<br />
Reisewarnung 52<br />
Politikum 56<br />
Kulturecke 65<br />
Schlusstrich 66<br />
Impressum 66<br />
Bühnenportrait:<br />
Kom(m)ödchen in Düsseldorf 10<br />
Aus der Arbeitswelt:<br />
De-Qualifizierungsangebot 18<br />
Schwerpunktthema 20<br />
Der Filmtipp: White House Down 45<br />
Heidegger (eventuell) über Goethes Heideröslein 46<br />
Die Hydra Marc-Uwe Kling 48<br />
Die Untertasse Erwin Grosche 54<br />
Entscheidungshilfe „Wollen Sie Politiker werden?“ 58<br />
Kabarettschule von Lisa Fitz 62<br />
<strong>Sport</strong> und <strong>Wort</strong> 20<br />
Die schönsten Dopingfälle der Tour de France Christian Bartel 22<br />
Elektropost Fritz Eckenga 25<br />
Mal ganz unter uns Raoul Löbbert und Pit Hammann 26<br />
Aktionsgruppe Schweigen nach Gold (SNG) 33<br />
Die Geschichte der Räuberei Horst Evers 34<br />
Wider den <strong>Sport</strong> Jochen Malmsheimer 36<br />
Hundesport 40<br />
Buchtipps zum Thema 44<br />
<strong>satirikon</strong> 0–2014<br />
<strong>satirikon</strong> 0–2014
10 | Rubrik Bühnenportrait<br />
Autor/Thema | 11<br />
Alles eine Verkettung<br />
glücklicher Umstände<br />
„Der kreative Prozess lässt sich nicht aufhalten!“ – so das Credo des Kay Lorentz.<br />
Der Chef des „Kom(m)öchen“ setzt seit Jahren auf Unterhaltung statt auf Säurebäder. Mit Erfolg!<br />
<strong>satirikon</strong> 1-2014 <strong>satirikon</strong> 1-2014
16 |Bühnenportrait<br />
Kommödchen | 17<br />
Links: Die Lufthol-Backstage-Pause in einer März-Aufführung von<br />
„Freaks. Eine Abrechnung“ (oben) mit Christian Ehring, Andrea Frohn,<br />
Heiko Seidel (v. r.) – Zeit für Privates zwischen Kabarett-Partnern.<br />
Der Trick dabei sind Stücke ohne Verfallsdatum: Zwar sind die<br />
Stories der Trilogie-Stücke seit den Premieren unverändert.<br />
Dennoch kommen die Stücke durch eingewobene Sequenzen<br />
frisch rüber und greifen tagesaktuell das Weltgeschehen zwischen<br />
Erkrath (steht für „überall in Deutschland“) und den<br />
Brennpunkten der Weltpolitik auf. „Und so kommen viele<br />
Gäste immer wieder in die Programme“, ist Lorentz dankbar.<br />
Der Startschuss für die scheinbare Never Ending Story fiel<br />
am 2. September 2006 mit dem Programm „Couch. Ein Heimatabend“.<br />
Seitdem sammeln Heiko Seidel, Maike Kühl und Christian<br />
Ehring Ehren und Nuggets für ihr Theater. 2009 kam<br />
„Sushi. Ein Requiem“, 3 Jahre später die Freaks-Episode. Vermutlich<br />
unvermeidbar: Trotz der Devise, das Publikum eigentlich<br />
nicht belehren zu wollen, pult das Ensemble vor allem<br />
in den aktuellen Blöcken mit den moralischen Zeigefingern<br />
am Gewissen seines Publikums – und holt sich die erwartbaren<br />
Lacher ab – irgendwie Pflichttore und keine Kunstschüsse.<br />
Ansonsten folgt man der Devise, nicht zu belehren, sondern<br />
zu unterhalten. Der missionierende Kabarettist früherer Tage<br />
mit eingeschränkter Mimik und Artikulation bleibt in der Requisite.<br />
Stattdessen beherrschen boulevardesker Glamour und<br />
ein irres Tempo die Bühne, und das herzliche Lachen der Zuschauer<br />
versinkt nicht im Trivialen. So feiert die Kunst des Geschichtenerzählens<br />
allabendliche Triumphe im Kom(m)ödchen.<br />
„Wir wollen einfach intelligent unterhalten“, so das Credo<br />
des Kay Lorentz, der immer zu Neuem bereit ist.<br />
Ulf Hausmanns · Fotos: Hansjörg Uhl<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014
22 | <strong>Sport</strong> und <strong>Wort</strong><br />
die schönsten Dopingfälle | 23<br />
Erstmals mischen<br />
sich nüch-<br />
1912<br />
terne Fahrer in die Equipe, fallen<br />
aber wegen ihrer schnurgeraden<br />
Die schönsten<br />
Doping-Fälle der<br />
Tour de France<br />
Von Christian Bartel<br />
Die Tour de France – das könnte eine faszinierende, mehr<br />
als hundertjährige Geschichte aus Sex, Drugs und Fahrradfahren<br />
sein. Leider macht das lange Sitzen auf den<br />
harten Sätteln aber impotent, deswegen bleibt nur eine<br />
weitaus weniger faszinierende, aber immerhin über hundertjährige<br />
Geschichte aus Drugs und Fahrradfahren.<br />
Nach mehreren<br />
Hektolitern<br />
1899<br />
Schaumwein und unzähligen<br />
Schnäpsen in einem Landgasthof<br />
im nordfranzösischen Cherbourg<br />
besteigen die beiden <strong>Sport</strong>journalisten<br />
Henri Des grange<br />
und Géo Lefèvre ihre Hochräder<br />
und wachen am nächsten Morgen<br />
– mit einem prächtigen Filmriss<br />
– in der Nähe von Marseille<br />
auf. Die Idee der Tour de France<br />
ist geboren.<br />
-1902 Die Equipe<br />
1900 versackt im Landgasthof.<br />
Die Tour fällt aus.<br />
1903<br />
Die Tour de France<br />
kann erstmals ausgetragen<br />
werden, als am Morgen<br />
das brandneue Medikament Aspirin<br />
gereicht wird. Das junge Unternehmen<br />
Bayer aus Barmen-Elberfeld<br />
– geschätzt seit 1898 wegen<br />
des bekömmlichen Hustensafts<br />
„Heroin“ – wird erster Sponsor der<br />
Tour de France.<br />
Die Tour hat ihren<br />
1904 ersten Skandal.<br />
Wegen unerlaubter Benutzung der<br />
Eisenbahn werden vier Teilnehmer<br />
disqualifiziert. Sie waren eine<br />
gute Woche zu früh am Zielpunkt<br />
eingetroffen und hatten nicht mal<br />
Fahrräder dabei.<br />
-1910 Die frühen<br />
1905 Jahre der Tour gelten<br />
als ihre unbeschwertesten.<br />
Tollkühne Männer umrunden<br />
auf ihren klapprigen Drahteseln<br />
das Land und erzielen dabei teilweise<br />
Ergebnisse im zweistelligen<br />
Promillebereich. Legendäre<br />
Fahrer wie Guzzlin Harry Gruesome<br />
(USA) oder Claes Schwinckx<br />
(BEL) begeistern die berauschten<br />
Zuschauermengen am Straßenrand<br />
als unermüdliche Spritfresser.<br />
Sieger im Gesamtklassement<br />
von 1909 wird der Berliner Bierkutscher<br />
Fritz „Die Boulette“ Tietz<br />
mit einem durchschnittlichen Verbrauch<br />
von 16 Litern Rotwein auf<br />
100 Kilometern.<br />
Fahrweise sofort auf und werden<br />
von französischen Winzern vermöbelt,<br />
die Absatzeinbußen befürchten.<br />
Der belgische<br />
1913 Radler Philippe<br />
Thys nimmt wegen akuter Zahnschmerzen<br />
eine tüchtige Prise<br />
Kokain und gewinnt die Tour<br />
mit großem Vorsprung. Auch bei<br />
seinen Siegen 1914 und 1920 leidet<br />
er unter schrecklichen Zahnschmerzen.<br />
Der erste Weltkrieg<br />
1914 bricht aus, und das<br />
Rauchen (Pfeife, Zigarre) während<br />
der Bergetappen wird untersagt.<br />
Ebenso das Tragen von Monokeln<br />
(Unfallgefahr).<br />
Das „ungesunde<br />
1923 Morphiumpieken“<br />
ohne medizinischen Anlass während<br />
der Tour wird untersagt. Als<br />
Anlass gelten Lustlosigkeit, Antriebsschwäche<br />
oder akute Dekadenz.<br />
1944<br />
Dem deutschen<br />
Team wird der<br />
überraschend deutliche Sieg der<br />
Tour de France im Jahre 1940 aberkannt.<br />
Wie sich herausstellt,<br />
hatten die deutschen Radsportler<br />
dabei widerrechtlich Kettenfahrzeuge<br />
benutzt. Die deutschen<br />
„Blitzkrieg Boys“, so der brancheninterne<br />
Spitzname des ehemals<br />
umjubelten Erfolgsteams, müssen<br />
ein Jahr später ihre braunen Trikots<br />
zurückgeben.<br />
Der Chemiekonzern<br />
Sandoz te-<br />
1953<br />
stet das von Albert Hofmann<br />
entwickelte Präparat „Delysid“–<br />
vom Hersteller als „leichter Stimmungsaufheller“<br />
bezeichnet – an<br />
den Fahrern seines Teams. Übereinstimmend<br />
berichten die Fahrer,<br />
die erst kurz vor Dakar (Senegal)<br />
wieder eingefangen werden<br />
konnten, von einem „angenehmen<br />
Kribbeln in beiden Köpfen“ und<br />
sprechenden Hühnern, die auf<br />
Bäumen wachsen.<br />
1969<br />
Erstmals nimmt ein<br />
Team der Pariser<br />
Universität Sorbonne an der Tour<br />
teil. Verbissen kämpfen die Herren<br />
in Hornbrille und Rollkragenpullover<br />
um eine Phänomenologie<br />
des Fahrrades und einigen sich auf<br />
die Definition, dass es „nicht das ist,<br />
was es ist, und dass das ist, was es<br />
nicht ist“. Zum Eklat kommt es, als<br />
größere Mengen Marihuana in der<br />
Formulierung nachgewiesen werden<br />
können. Die Studenten gehen<br />
auf die Barrikaden, Jean Paul Sartre<br />
droht mit weiteren Theaterstücken.<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014
28 | <strong>Sport</strong> und <strong>Wort</strong><br />
Fussballer | 29<br />
„Der Trainer hat gesagt, wir haben verloren,<br />
weil wir keine Eier hatten.“<br />
Mats Hummels über Jürgen Klopp.<br />
Da hast Du es. Aber musstest Du dem Mats wirklich die Eier abbeißen?<br />
Nimm auf seine Gefühle etwas mehr Rücksicht. Sei nicht immer so brutal.<br />
Was soll das heißen, der Mats sitzt ständig verletzt auf der Bank, statt<br />
mit Dir zu spielen? Vielleicht will er Dir damit etwas sagen. Rede mal mit<br />
ihm über den Stand eurer Beziehung, dann hat er vielleicht nicht so oft Migräne.<br />
Bring ihm Blumen mit. Sag mal, dass Du ihn brauchst. Oder noch<br />
besser, geh vor ihm auf die Knie. Mit Rosen. Und nem Ringelchen. Dann outest<br />
Du dich, dass die ganze Welt dich hört … Wie, du bist noch nicht so weit,<br />
du brauchst noch Zeit? Wirklich, Kloppi, Du musst Dir über Deine Gefühle<br />
schon langsam klar werden. Nimm Dir mal ein Beispiel am Poldi.<br />
„Fußball ist wie Schach,<br />
nur ohne Würfel.“<br />
Lukus Podolski<br />
„Solange die Schuhe Tore<br />
machen, ist die Farbe okay.“<br />
Frank Ribery zu seinen<br />
neuen rosafarbenen Schuhen<br />
Am Froooonk nimm dir mal ein Beispiel, Kloppi. Der<br />
tut wenigstens etwas gegen den Konformismus im<br />
Fußball. Wenn man schon nicht über seine Gefühle<br />
reden kann, dann muss man wenigstens ästhetisch<br />
auf die Barrikaden gehen. Sonst machst Du irgendwann<br />
Puff und bist geplatzt vor Trieben. Guck Dir mal<br />
die französische Nationalmannschaft an, da trägt jeder<br />
unter der Buxe ein Suspensorium von Hermès. Das<br />
hilft Dir zwar auch nicht, wenn Du einen Schuss in<br />
die Klöten bekommst, aber es umschmeichelt so schön<br />
Deine Persönlichkeit.<br />
Der sagt, was er fühlt. Da ist nichts gekünstelt, da ist alles echt. Für ihn<br />
gehört zum Schach der Würfel, wie das Pferd zum Bauern. Willst Du<br />
Dich über Poldi erheben, nur weil Poldi anders ist? Das ist seine Natur.<br />
Er wurde so geboren. Wo andere mit Damen spielen, spielt er nun mal<br />
mit Würfeln. Außerdem, Kloppi, ist bei den ach so „Normalen“ auch<br />
nicht immer alles Eitel-Sonnenschein.<br />
„Wir müssen scharf bleiben.“<br />
Arjen Robben<br />
„Wenn man eine neue Freundin oder Frau hat,<br />
läuft es am Anfang auch nicht immer so gut.“<br />
Bastian Schweinsteiger<br />
Siehst Du?! Freud wäre begeistert: Der Schweini will seinen Trainer kastrieren<br />
und mit dessen Freundin ein Kind zeugen. Klare Sache. Arme, verzweifelte<br />
Hete! Wie viel besser wäre er dran, wenn er mit seinem Trainer ein Kind<br />
zeugen und dessen Spielerfrau kastrieren würde, gell Mats? Neee Mats, nur<br />
Spaß, musst nicht gleich anfangen zu weinen.<br />
Pfui, der Robben! Das ist wirklich zu viel des Guten. Ständig<br />
reibt er einem seine Libido unter die Nase. So sind sie nun mal,<br />
die Oranjes: aufdringlich, weil ständig scharf. Das fängt schon<br />
beim Käse an. Da muss man sich jedes Mal entscheiden, ob man<br />
einen „jungen“, „mittelalten“ oder „alten“ Holländer will. Das ist<br />
total militant! Was, wenn ich einen Weichkäse möchte? ... Jetzt<br />
fang nicht an zu schmollen: Du bist nicht alt, Kloppi, Du bist<br />
reif! Außerdem bist Du kein Holländer. Du musst nicht jedem<br />
ins Gesicht schreien, wie geil du bist, nur um davon abzulenken,<br />
dass du ein kleines Land hast.<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014
Wider den <strong>Sport</strong> | 37<br />
Wider den <strong>Sport</strong><br />
Von Jochen Malmsheimer<br />
Es ist an der Zeit, einmal<br />
und gerade heute, eine<br />
Lanze gegen den <strong>Sport</strong> vom<br />
Zaune zu brechen.<br />
<strong>Sport</strong>! Wie wenig Phantasie und<br />
Zauber liegt in diesem <strong>Wort</strong>!<br />
<strong>Sport</strong> ist eben nur die halbe<br />
Wahrheit, die ganze aber lautet:<br />
<strong>Sport</strong>verletzung, was sowohl die<br />
körperliche Verletzung des Ausübenden<br />
meint, als auch die geschmackliche<br />
und intellektuelle<br />
Verletzung des Betrachters.<br />
<strong>Sport</strong> und Totschlag, zwei Medaillen<br />
derselben Sache, um mit<br />
Mario Basler zu sprechen, mit<br />
dem ja zu Recht schon lange keiner<br />
mehr spricht, außer natürlich<br />
Gert Rubenbauer, aber der ist ja<br />
verrückt.<br />
Schön ist was anderes, würde der<br />
Oppa sagen.<br />
Und dennoch ist <strong>Sport</strong> nach<br />
wie vor in aller Munde, was eine<br />
recht unappetitliche Vorstellung<br />
ist, denken sie nur an das moosige<br />
Mundklima eines Waldemar Hartmann,<br />
besonders zu Zeiten, als<br />
dessen subrhinale Kommentaröffnung,<br />
Unkundige nennen sowas<br />
Mund, noch von einem haarigen<br />
Suppenfilter, auch als Schurrbart<br />
verkannt, beschattet wurde.<br />
Doch zurück zum <strong>Sport</strong>:<br />
Allein der Sprachgebrauch dient<br />
auch hier wieder als Indiz für den<br />
Charakter der beschriebenen Tätigkeit,<br />
heißt es doch selten transparent:<br />
<strong>Sport</strong> treiben! Treiben!<br />
Nun, treiben sollte man, aber vor<br />
allem es und das, so oft<br />
sich die Möglichkeit bietet, das<br />
macht auch müde! Und wenn<br />
man dann immer noch was treiben<br />
will, dann doch, wenn überhaupt,<br />
Schafe, deren intellektuelle<br />
Leistungsfähigkeit denen der meisten<br />
<strong>Sport</strong>ler ja in nichts nachsteht,<br />
wobei ich damit nichts gegen<br />
Schafe gesagt haben möchte!<br />
Denken Sie in diesem Zusammenhang<br />
etwa an den ehemaligen<br />
deutschen Zehnkämpfer Jürgen<br />
H., der ja, wiewohl körperlich<br />
geradezu verschwenderisch ausgestattet,<br />
sich cerebral nicht in der<br />
Lage sah, das doch sehr übersichtliche<br />
Regularium des Wettlaufs<br />
zu verstehen. Merke: Erst wenn<br />
alle gleichzeitig loslaufen, ergibt<br />
ein Vergleich der erzielten Zeiten<br />
Sinn.<br />
Wie schon Friedhelm Funkel<br />
sachlich völlig richtig bemerkte:<br />
„Wir dürfen nicht mehr Tore kassieren,<br />
als der Gegner schießt!“ Der<br />
hat wenigstens die Regeln verstanden.<br />
Nein, <strong>Sport</strong> führt nach kurzfristigen<br />
Erfolgen über die Lokalseiten<br />
leserloser Tageszeitungen<br />
direkt in den Showroom eines Sanitätsfachgeschäftes<br />
oder in eine<br />
Rehamaßnahme, in jedem Fall jedoch<br />
in die verdiente Bedeutungslosigkeit,<br />
verbunden mit der einmaligen<br />
Möglichkeit, sich mal<br />
richtig lächerlich zu machen.<br />
Zum Beispiel durch Sprechen.<br />
Ganze Folianten, ach was: Bibliotheken<br />
sind schon gefüllt worden<br />
mit den Vokaleruptionen von<br />
<strong>Sport</strong>lern. Und Hohn und Spott<br />
ergossen sich kübelweise über<br />
die Entäußerer. Doch ist das nicht<br />
ganz gerecht! Denn wer einen<br />
<strong>Sport</strong>ler fragt, sollte nicht überrascht<br />
sein, wenn er Zeuge eines<br />
Antwortversuches wird. Das ist<br />
Physik! Und natürlich sind Fremdworte<br />
schwer zu behalten und deren<br />
Bedeutung oft genug geradezu<br />
irrlichternd, natürlich kann<br />
„im-po-nieren“ auch mit „Leber<br />
im Arsch“ übersetzt werden, natürlich<br />
könnte das französische<br />
Beispielsweise gibt es meines Wissens<br />
keinen Lebensbereich, in dem die Gleichberechtigung<br />
der Geschlechter so erschreckend<br />
umgesetzt wurde, wie im <strong>Sport</strong>.<br />
„Pissoir“ auch „Scheißabend“ bedeuten,<br />
tut es aber nicht! „Hellebarden“<br />
sind einfach keine klugen<br />
Sänger, ebenso wenig, wie „Prophylaxe“<br />
keine hauptberuflichen<br />
Speisefische meint und „Pseudokrupp“<br />
kein anderes <strong>Wort</strong> für<br />
„Thyssen“ ist! Und „inkontinent“<br />
meint immer noch nicht „auf dem<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014
40 | <strong>Sport</strong> und <strong>Wort</strong><br />
Hundesport | 41<br />
Hundesport<br />
Hundesport – das bedeutet Gemütlichkeit in dunkelgrünen Hütten<br />
draußen vor der Stadt, das bedeutet Tierliebe und Traditionspflege.<br />
Aber das bedeutet auch: Faule, alte Männer treiben ihre Schäferhunde<br />
über hohe Bretterwände, und speckige, junge Frauen kreischen<br />
ihre Borderline-Collies durch blödsinnige Slalomparcours.<br />
Schluss damit! Hundesport soll endlich der gemeinsamen Körperertüchtigung<br />
von Hund mit Herrchen und Frauchen dienen. Wie viel<br />
schöner ist es doch, wenn sich Mensch und Tier als ein Team, basierend<br />
auf Zuneigung und Vertrauen, einer <strong>Sport</strong>art widmen, es darin<br />
zu beachtenswerten Höchstleistungen bringen und vielleicht sogar<br />
zum goldenen Hundesportabzeichen.<br />
Retriever-Segeln<br />
Diese Hunderasse mit der Spritzigkeit einer Bettwurst eignet sich wegen ihrer<br />
großflächig verfilzten Ohren bestens zum Ausnutzen auch kleinster Brisen. Der<br />
Geruch nasser Hunde sollte den Skipper nicht abschrecken.<br />
Bernhardiner-Heben<br />
Die ideale Disziplin für alle, die ihre geliebten Vierbeiner gerne auf Händen<br />
tragen. Es stählt den Gleichgewichtssinn dieser ansonsten eher trägen Rasse.<br />
Eis-Dackellauf<br />
Was gibt es Schöneres auf dieser Welt für unsere kleinen Lieblinge, als draußen<br />
in der freien Natur umherzuschweifen und die große Welt zu erkunden?<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014
48 | noch ‘n gedicht<br />
die hydra | 49<br />
Die Hydra (oder: »Ich bin Herakles!«, sprach Herakles)<br />
von Marc-Uwe Kling<br />
Zur Hydra, der neunköpfigen Schlange, schlich<br />
Herakles, das Schwert im Gewande.<br />
Zu richten das Monster, das widerlich<br />
mit seinem Terror beherrschte die Lande.<br />
»Oh!«, antwortete der Schlangenkopf wendig.<br />
»Dafür bin leider nicht ich zuständig.<br />
Haben Sie sich schon an die Stelle dort drüben gewandt?«<br />
Ein Klicken im Geröll und der Kopf verschwand.<br />
Mit bebender Stimme rief er die Hydra an:<br />
»Zeig dich und hör meine Beschwerde!«<br />
Ein langer Hals mit einem fast hübschen Kopf daran<br />
schob sich aus dem Loch in der Erde.<br />
»Ich bin Herakles!«, sprach Herakles.<br />
»Sohn des Zeus.<br />
Kumpel von Prometheus,<br />
dem Erfinder des Feuers!«<br />
»Vielen Dank für Ihren Besuch!<br />
Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte der Kopf<br />
des Ungeheuers.<br />
»Ich habe lange schon das Gefühl,<br />
eine Schlange an meinem Busen zu nähren.<br />
Ich sag es kurz, ich fass mich kühl:<br />
Ich bin gekommen, mich zu beschweren!«<br />
Und Herakles, dieser tapf’re Mann,<br />
ging zur gewies’nen Stelle, rief wieder an:<br />
»Zeig dich und hör meine Beschwerde!«<br />
Ein neuer Kopf schob sich empor aus der Erde,<br />
schlängelte sich fest wie ein Vertrag um des Helden Bein.<br />
»Vielen Dank für Ihren Besuch! Wie kann ich Ihnen<br />
behilflich sein?«<br />
»Ich bin Herakles!«, sprach Herakles.<br />
»Sohn des Zeus.<br />
Kumpel von Prometheus,<br />
dem Erfinder des Feuers!«<br />
Fast mechanisch klang die Replik des Ungeheuers:<br />
»Wenn Sie schon länger Held sind in unseren Landen<br />
und es noch zwei weitere Jahre sein möchten,<br />
sagen Sie jetzt bitte<br />
›Einverstanden‹.<br />
Oder handelt es sich bei Ihnen um einen Neuhelden?<br />
Dann sagen Sie jetzt bitte ›Anmelden‹.«<br />
»Weder noch!«, rief Herakles. »Ich will mich rächen!«<br />
»Eingabe nicht verstanden«, sagte die Hydra.<br />
»Bitte deutlicher sprechen.<br />
Wenn Sie schon länger Held sind in unseren Landen,<br />
und es noch zwei weitere Jahre sein möchten, sagen Sie<br />
jetzt bitte … «<br />
»Einverstanden!«, rief Herakles. »Nur hör meine<br />
Beschwerde!«<br />
»Einen Moment«, sprach der Kopf und verschwand<br />
in der Erde.<br />
Lange wartete Herakles vor des Monsters Domizil<br />
– aus der Höhle drang Easy-Listening-Leierspiel –<br />
die Sonne ging unter, der Tag schon zu Ende,<br />
und er bekam das Gefühl, dass er nur seine Zeit<br />
verschwende.<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014
56 | politikum<br />
politikum | 57<br />
Immer<br />
Politikum<br />
Mitteilungen aus dem Paralleluniversum<br />
www.<strong>satirikon</strong>.de<br />
Überall<br />
Waffen für<br />
Menschen<br />
5 Uhr 45 ist eine unmögliche Zeit, wider<br />
jeden Biorhythmus. So etwas soll in Deutschland<br />
nie wieder geschehen. Deshalb lässt<br />
unsere Quotenverteidigerin Standards erarbeiten,<br />
die zukünftige Kriege deutlich angenehmer<br />
machen. Alle Bereiche sollen dabei<br />
Berücksichtigung finden: CO 2-Bilanz, Barrierefreiheit,<br />
Minderheitenschutz, ÖPV, Kindersicherheit,<br />
Krebsvorsorge, Religionsfreiheit,<br />
Gleichberechtigung, Artenschutz, Nachhaltigkeit,<br />
Ökumene, Tierhaltung, Reaktorsicherheit,<br />
Gentechnik und Denkmalschutz.<br />
NACHRICHTEN<br />
B<br />
K<br />
E<br />
M<br />
A<br />
G<br />
I<br />
J<br />
F<br />
D<br />
E<br />
N<br />
C<br />
L<br />
Auf dem Truppenübungsplatz Itzehoe ist uns<br />
das Foto eines modernen Kampfpanzers gelungen,<br />
der die neuen Kriterien erfüllen soll.<br />
H<br />
A abgerundete Kanten; B Einparkhilfe; C Vorbereitung für bis zu drei Kindersitze; D Schwermetallfreie Lackierung; E Geräuscharmer<br />
Elektroantrieb; F zeitgesteuerte Geschützsperrung während der Ruhezeiten; G pflanzliche Schmiermittel; H behindertengerechter<br />
Fahrerzugang; I Bordelektronik mit Altersbeschränkung (frei bis 16 Jahre); J Bedienungstexte in seniorentauglichem Großdruck; K<br />
Amphibiensensor zur Vermeidung von Krötenverlusten; L rein vegane Notration; M Recycling-Metall aus Ostblockpanzern; N schadstofffreie Nebelwerfer<br />
Ausgelassene Stimmung: Beim Zehnkönigstreffen der CSU traf sich der Parteivorsitzende Horst Seehofer mit Vertretern aller Meinungen innerhalb seiner Partei.<br />
Bundestrainerin Merkel<br />
wechselt zu Real Madrid<br />
Rad als Dienstfahrzeug –<br />
Was macht die Linke?<br />
Die Erzeuger vor dem<br />
Verbraucher schützen<br />
„Die san die“. Bayern allein füttert den Rest<br />
der maroden Republik durch die schweren<br />
Zeiten. Bayern ist der letzte Hort der Redlichkeit,<br />
des Fleißes, der Innovation und der<br />
Kaufmannskunst. Wer hier leben darf, ist<br />
gesegnet vom Herrgott und glücklich bis ans<br />
Ende seiner Tage. Und wem es so gut geht,<br />
dem darf man es nicht verübeln, wenn er ein<br />
wenig selbstgefällig herumläuft, ein bisschen<br />
den Maßstab verliert oder, um es genau zu<br />
sagen, eine impertinent arrogante folkloristische<br />
Schießbudenfigur abgibt. Der Bayer<br />
empfindet das als Lob und bleibt, wie er ist.<br />
Dass er überhaupt keine Freunde außerhalb<br />
seines Freistaats hat, ist ihm eine weitere<br />
Bestätigung, denn er will gar keine Freunde<br />
haben, die seine Einmaligkeit nicht anerkennen.<br />
Das tut aber keiner, weil niemand für<br />
ihn lügen möchte. Wie schön könnte es doch<br />
Krisenherd Südosten: Heim ins Reich?<br />
für ihn sein, wenn eine Mauer drumherum<br />
wäre um Bayern, ein antipreußischer Schutzwall.<br />
Aber darauf kommt der Bayer von alleine<br />
nicht.<br />
Genausowenig, wie er versteht, dass er alle<br />
anderen dauerhaft nervt mit dem Gefasele<br />
über seine paradiesische Heimat und seine<br />
Attitüde vom auserwählten Volk. Er nervt<br />
mit Bayern-München, er nervt mit der<br />
BMW-Fernsehwerbung, mit Siemens, mit<br />
Dallmayerschen Trachtenmuttis, mit C- bis<br />
Z-Expromis und ganz besonders mit animalischen<br />
Krächzlauten, die er zur Kunstform<br />
erhebt. Und dazu schwadronieren bayrische<br />
Politiker weiter ausführlich ungehindert über<br />
die Tugenden des Bayern als Vorbild.<br />
Wie lange haben wir schon durch gutes Zureden<br />
versucht, ihnen das abzugewöhnen?<br />
Aber Obacht, im Osten zeichnet sich eine Lösung<br />
ab. Man müsste es nur hinbekommen,<br />
dass Putin am Freistaat Geschmack fände.<br />
Bayern ist viel schöner als die Krim oder gar<br />
die Ostukraine. In Bayern will auch niemand<br />
Ukrainisch als Amtssprache, und die Wahlergebnisse<br />
sind üblicherweise ganz im Stil<br />
des alten Ostblocks. Dass Bürger aufbegehren,<br />
gibt es in Bayern nicht, und der Marienplatz<br />
ist ausschließlich für Meisterfeiern<br />
zugelassen. Oligarchen mit krimineller Energie<br />
werden in Bayern bis tief in den Knast<br />
von ihren Anhängern geliebt. Faschisten gibt<br />
es in Bayern auch nicht. So modern ist dort<br />
niemand. In Bayern ist man Monarchist, was<br />
dem Zarenfreund Putin sicher gut gefällt.<br />
Also, Wladimir Wladimirowitsch, worauf<br />
wartest Du? Oder müssen dich die anderen<br />
Bundesländer erst um Hilfe bitten?<br />
Noch vor dem Ablauf ihres Vertrags beim<br />
Verein BRD Berlin 48 sickerte nun durch,<br />
dass die Bundespolitiktrainerin mit ausländischen<br />
Vereinen verhandelt. Es sei keine<br />
Frage der Bezahlung, sondern eine Frage der<br />
Quoten. Teilweise habe Frau Merkel im Ausland<br />
mehr Aufmerksamkeit erfahren als in<br />
Deutschland. Das gelte in besonderem Maße<br />
für Griechenland. Mit den Vereinen Salpingitis<br />
Athen und Souvlaki 4,80 Korinth sei<br />
man aber nicht handelseinig geworden. Favourit<br />
ist nun offenbar Madrid. Die genauen<br />
Vertragsteile sind noch unbekannt. Denkbar<br />
ist aber eine Summe von 75 Mio. Euro, die<br />
Deutschland als Ablöse an Madrid zahlt.<br />
Während es anderen Parteien gelungen ist,<br />
ihre Philosophien plakativ durch die Wahl<br />
ihrer Dienstfahrzeuge zu demonstrieren,<br />
ist die Partei „Die Linke“ weiterhin auf der<br />
Suche nach einer sinnfälligen Umsetzung des<br />
Fuhrparks. Lediglich eine rote Lackierung,<br />
wie sie zum Beispiel bei Autos der Marke<br />
Ferrari gegeben wäre, scheint besonders bei<br />
älteren Parteimitgliedern nicht durchsetzbar.<br />
Auch die „rote Socke“ ist bereits vergeben.<br />
Momentan denkt man daher über ausgemusterte<br />
Feuerwehrfahrzeuge nach, die den<br />
Ernst der Lage veranschaulichen, über ausreichend<br />
Flüssigkeitsreserven verfügen und<br />
sogar eine Karriereleiter mit sich führen.<br />
Für Lebensmittelproduzenten bleibt es<br />
schwierig, sich im hart umkämpften Markt<br />
zu behaupten, besonders dann, wenn sie gezwungen<br />
werden, auf moderne Zusatzstoffe,<br />
Gentechnik oder Massentierhaltung gänzlich<br />
zu verzichten. Dabei ist es nicht einmal die<br />
Politik, die den Erzeugern das Leben schwer<br />
macht, sondern es ist der Verbraucher, der<br />
über die gesetzlichen Vorgaben hinaus nach<br />
einer Produktqualität verlangt, die ihm<br />
einfach nicht zusteht. Daher erarbeitet ein<br />
europäischer Verbund von Produzenten<br />
eine Normung für das weltweite Verbraucherverhalten,<br />
dessen Missachtung streng<br />
überwacht und hart geahndet werden soll.<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014<br />
<strong>satirikon</strong> 1–2014
66 | Impressum<br />
Schlusstrich<br />
Impressum<br />
Das nächste Heft ist ab dem<br />
2. Oktober 2014 im Handel.<br />
<strong>satirikon</strong> 1/2014<br />
Magazin für kleine Kunst und große<br />
<strong>Wort</strong>e erscheint zweimonatlich bei<br />
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Grosche, Pit Hammann, Ulf Hausmanns,<br />
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Ulf Hausmanns, Gisela Henze, Walter<br />
Janßen, Andreas Öhler, Gerhard Rams,<br />
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Titelillustration<br />
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<strong>satirikon</strong> 0-2014