„Es gibt im Leben mehr als nur Fußball“
Der Leidensweg von Lukas Schubert und wie er ihn beenden will.
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2 6 SPORT AM MONTAG MONTAG, 18. AUGUST 2014<br />
<strong>„Es</strong> <strong>gibt</strong> <strong>im</strong> <strong>Leben</strong><br />
<strong>mehr</strong> <strong>als</strong> <strong>nur</strong> <strong>Fußball“</strong><br />
GERHARD ÖHLINGER<br />
Lukas Schubert hat den märchenhaften<br />
Aufstieg des SV Grödig<br />
<strong>als</strong> einziger Spieler schon seit<br />
Regionalligazeiten miterlebt.<br />
Doch eine Herzmuskelentzündung<br />
setzte ihn schon früh in der<br />
ersten Bundesligasaison außer<br />
Gefecht. Trotz aller Rückschläge<br />
glaubt er fest an sein Comeback.<br />
INTERVIEW<br />
Lukas Schubert<br />
SN: Wie ist Ihr momentaner<br />
Gesundheitszustand?<br />
Schubert: Eine MRI-Untersuchung<br />
vorige Woche ergab, dass<br />
es etwas besser geworden ist,<br />
aber nach wie vor etwas <strong>im</strong> Herz<br />
ist. Jetzt habe ich weitere drei Monate<br />
Sportverbot, dann wird wieder<br />
nachgeschaut. Aber es geht in<br />
die richtige Richtung.<br />
SN: Geht es <strong>nur</strong> um Sport,<br />
oder müssen Sie Aufregung<br />
auch vermeiden?<br />
Ich habe schon festgestellt, dass<br />
es mir nach Spielen schlechter<br />
geht. Man sitzt untätig daneben<br />
und kann nicht helfen. Aber das<br />
ist momentan mein Schicksal,<br />
daran kann ich nichts ändern.<br />
SN: Wie haben Sie die Erkrankung<br />
vor knapp einem<br />
Jahr erlebt?<br />
Ich hatte dam<strong>als</strong> einen viralen Infekt<br />
und bekam vom Internisten<br />
drei Tage Pause verordnet. Danach<br />
wurde es aber nicht besser,<br />
ich bin selbst nach lockerem Laufen<br />
total erschöpft gewesen. Ich<br />
war dann deshalb <strong>im</strong> Spiel gegen<br />
Rapid nicht <strong>im</strong> Kader. Auf der Tribüne<br />
habe ich gemerkt, dass die<br />
Schmerzen auf die Schulter und<br />
den Rücken ausgestrahlt haben.<br />
Ich dachte an einen eingeklemmten<br />
Nerv oder Ähnliches. Dahe<strong>im</strong><br />
wurde es nicht besser. Meine<br />
Mutter riet mir dann, ins Krankenhaus<br />
zu fahren. Im LKH durfte<br />
ich dann gar nicht <strong>mehr</strong> selbst<br />
auf die Station gehen, sondern<br />
wurde <strong>im</strong> Rollstuhl hingebracht.<br />
Im Z<strong>im</strong>mer war ich mit Abstand<br />
der Jüngste.<br />
SN: Wie ging es weiter?<br />
Nach einer Woche <strong>im</strong> Spital war<br />
die erste Prognose: drei Monate<br />
Pause. Dann habe ich langsam<br />
mit einer Reha begonnen, hatte<br />
aber <strong>im</strong> März einen Rückfall, bei<br />
dem ich auf die Intensivstation<br />
musste. Da hat sich für mich vieles<br />
relativiert, was Profisport betrifft.<br />
Früher haben sich meine<br />
Laune und mein Wohlbefinden<br />
<strong>nur</strong> über die Leistung <strong>im</strong> Fußball<br />
definiert. Wenn man nicht gesund<br />
ist, kann man gar nichts tun.<br />
Die Gesundheit schenkt dem<br />
Menschen die Freiheit, das zu<br />
tun, was er will. Wenn ich wieder<br />
gesund werde und spielen kann,<br />
bin ich um diese Erfahrung reicher:<br />
Es <strong>gibt</strong> <strong>im</strong> <strong>Leben</strong> <strong>mehr</strong> <strong>als</strong><br />
<strong>nur</strong> Fußball.<br />
SN: Was genau passiert bei<br />
Ihnen <strong>im</strong> Herzbereich?<br />
Ein Rückfall heißt, dass Flüssigkeit<br />
in den Herzbeutel kommt,<br />
das ist bei jeder Positionsveränderung<br />
sehr schmerzhaft. Es gab<br />
sogar die Überlegung, die Flüssigkeit<br />
zu punktieren. Mit einer langen<br />
Nadel reinstechen lassen, das<br />
habe ich aber strikt abgelehnt.<br />
Zum Glück gab es eine andere<br />
Methode, das zu beheben.<br />
SN: Zur Behebung der Herzprobleme<br />
haben Sie sogar<br />
den Zahnmediziner konsultiert.<br />
Im Juni habe ich mir zwei Weisheitszähne<br />
ziehen lassen. Ein befreundeter<br />
Zahntechniker hatte<br />
ein Panoramaröntgen veranlasst,<br />
dabei waren Entzündungen zu<br />
sehen. Die wirken auch aufs Herz.<br />
Seit die Zähne draußen sind, geht<br />
es mir viel besser.<br />
SN: Wie muss man sich die<br />
Reha vorstellen?<br />
Lukas Schubert<br />
noch mit vollem<br />
Einsatz vor einem<br />
Jahr, ganz links<br />
sein langjähriger<br />
Freund, Red-Bull-<br />
Profi Stefan Ilsanker,<br />
mit einem<br />
„Schubi-<br />
Shirt“ bei der<br />
Meisterfeier<br />
2013/14.<br />
BILDER: SN/GEPA (2)<br />
Ich war vier Mal in der Woche in<br />
der Sportmedizin am LKH. Man<br />
radelt 40 Minuten. Neben einem<br />
radeln 60-jährige Männer höhere<br />
Intervalle <strong>als</strong> man selbst . . . Danach<br />
geht man noch mit einem<br />
Physiotherapeuten an Geräten<br />
oder an der Rumpfstabilisierung<br />
arbeiten. Aber selbst das war zu<br />
viel für mich, seit März mache ich<br />
das nicht <strong>mehr</strong>. Ich muss mich<br />
langsam wieder herantasten.<br />
SN: Haben Sie einen Plan B,<br />
wenn die Rückkehr zum Fußball<br />
nicht klappen sollte?<br />
Ich hatte bereits vorher ein Sportjournalismus-Studium<br />
begonnen<br />
und jetzt <strong>im</strong> Sommer abgeschlossen.<br />
Ich bin froh, dass ich<br />
das habe. Aber mit dem Szenario,<br />
dass ich nicht wieder Profifußball<br />
spielen könnte, setze ich<br />
mich gar nicht auseinander. Es<br />
wird zwar lange dauern, bis ich<br />
wieder auf dem Niveau bin, das<br />
ich hatte. Aber ich bin überzeugt,<br />
dass ich das schaffe.<br />
SN: Ist Ihr Fall vergleichbar<br />
mit dem Ihres Clubkollegen<br />
Max Karner?<br />
Be<strong>im</strong> Max war es ähnlich, aber<br />
ohne Rückfälle. Bei ihm hat es<br />
auch ein Jahr gedauert, aber er<br />
hat es geschafft und spielt heute<br />
wieder Profifußball. Das ist ein<br />
Ansporn auch für mich. Der normale<br />
Krankheitsverlauf ist so,<br />
dass es „ausbrennt“, und dann ist<br />
es so, <strong>als</strong> wäre nie etwas gewesen.<br />
SN: Sie sind seit 2008 in Grödig,<br />
haben <strong>als</strong> einziger Aktiver<br />
den Marsch von der Regionalliga<br />
bis in den Europacup miterlebt.<br />
War es geplant, so lange zu<br />
bleiben?<br />
Meine Pläne haben sich <strong>im</strong>mer<br />
mit den Zielen des Vereins gedeckt.<br />
Ich wollte unbedingt in die<br />
Bundesliga, und das haben wir<br />
geschafft. Große Abwanderungsgedanken<br />
gab es nie. Vor allem<br />
jetzt, wo wir sogar international<br />
gespielt haben. Als ich hierher<br />
kam, war die erste Tribüne noch<br />
Lukas Schubert leidet an einer Herzmuskelentzündung,<br />
glaubt aber fest<br />
an sein Comeback.<br />
BILD: SN/SCHAADFOTO<br />
ein Rohbau und ein Masseur ist<br />
ein, zwei Mal in der Woche gekommen.<br />
Jetzt steht ein Stadion<br />
da, wir haben unter anderem einen<br />
professionellen Videoanalysten.<br />
Grödig hat sich zum Proficlub<br />
gewandelt. Es ist ein Wahnsinn,<br />
was sich da getan hat.<br />
SN: Können Sie die Erfolge<br />
besser einordnen <strong>als</strong> andere<br />
Spieler, die in Grödig <strong>nur</strong><br />
kurz Station gemacht haben?<br />
Es war <strong>mehr</strong> die Krankheit, die<br />
mir bewusst gemacht hat, wie<br />
schön die drei Meistertitel waren.<br />
Wer weiß, wann so etwas wieder<br />
einmal kommt. Heute denke ich<br />
anders darüber <strong>als</strong> zu der Zeit, <strong>als</strong><br />
wir das ausgelassen gefeiert haben.<br />
Das absolute Highlight war<br />
der Aufstieg in die Bundesliga.<br />
Für mich lag dann aber auch der<br />
absolute Tiefpunkt ganz nah.<br />
SN: Zuvor haben Sie <strong>im</strong> Herbst<br />
2013 noch fünf Spiele in der<br />
höchsten Klasse bestritten.<br />
Genug, um die Bestätigung zu<br />
erhalten, dass sie das Potenzial<br />
für die Bundesliga haben?<br />
Sicher glaube ich, dass ich das<br />
Zeug dazu habe, oben zu bestehen.<br />
Aber das muss ich über einen<br />
längeren Zeitraum bestätigen.<br />
SN: Trotz Ihrer Rekonvaleszenz<br />
hat der Verein den Vertrag<br />
mit Ihnen verlängert.<br />
Dafür bin ich sehr dankbar. Das<br />
ist nicht selbstverständlich. Das<br />
zeigt das Familiäre am SV Grödig,<br />
vor allem die Familie Haas lässt<br />
einen nicht fallen, wenn es jemandem<br />
einmal schlecht geht.<br />
Ich bin vollwertiges Mitglied der<br />
Mannschaft. Das zeugt von<br />
menschlicher Größe auch seitens<br />
des neuen Trainerteams. Co-<br />
Trainer Max Scharrer hat einmal<br />
zur Mannschaft gesagt: „Wenn<br />
ihr einmal nicht trainieren wollt,<br />
schaut raus zum Schubi. Der würde<br />
gern trainieren, kann aber<br />
nicht.“<br />
SN: Wie haben Sie die Solidaritätsaktionen<br />
Ihrer Kollegen<br />
<strong>im</strong> Frühjahr erlebt?<br />
Vor dem 4:1-Sieg in Ried haben<br />
sie zum Aufwärmen T-Shirts mit<br />
der Aufschrift „Gute Besserung,<br />
Schubi“ getragen. Da war ich den<br />
Tränen nahe, <strong>als</strong> ich das vom<br />
Krankenhaus aus gesehen habe.<br />
Total gefreut hat es mich auch, <strong>als</strong><br />
Stefan Ilsanker, einer meiner besten<br />
Freunde, ein T-Shirt trug, wo<br />
draufsteht: <strong>„Es</strong> muss von Herzen<br />
kommen, was auf Herzen wirken<br />
soll.“ Das hat mir sehr viel Kraft<br />
gegeben. Dieses T-Shirt liegt jetzt<br />
bei mir dahe<strong>im</strong>.<br />
SN: Derzeit läuft der Prozess<br />
gegen ihre früheren Teamkollegen<br />
Dominique Taboga<br />
und Thomas Zündel wegen<br />
des Verdachts von Spielmanipulationen.<br />
Mit welchen<br />
Gefühlen verfolgen sie das?<br />
Für mich ist das abgeschlossen<br />
und vorbei. Ich habe dam<strong>als</strong><br />
nicht eine Sekunde Verdacht geschöpft<br />
und nie gedacht, dass so<br />
etwas in unserer Mannschaft<br />
passieren könnte. Trotz allem<br />
konnte all das unseren Traum<br />
nicht zerstören und wir sind<br />
trotzdem in den Europacup eingezogen.<br />
SN: Welche Frage würde der<br />
gelernte Sportjournalist Lukas<br />
Schubert jetzt noch stellen?<br />
Keine <strong>mehr</strong>. Aber ich freue<br />
mich, das nächste Interview zu<br />
geben, wenn es mit meinem<br />
Comeback so weit ist.<br />
Zur Person<br />
Lukas Schubert, geboren am 25.<br />
Juni 1989, kam <strong>im</strong> Winter 2008 aus<br />
der Akademie von Red Bull Salzburg<br />
zum SV Grödig. Als Außenverteidiger<br />
und Mittelfeldspieler<br />
bestritt er 153 Spiele für den Club<br />
und war bei den Meistertiteln 2008,<br />
2010 (Regionalliga) und 2013 (Erste<br />
Liga) mit dabei. Am 28. September<br />
2013 bestritt er be<strong>im</strong> 2:4 gegen Ried<br />
sein bislang letztes Spiel.