Untersuchung von Körperbildern essgestörter Patientinnen und ...

Diskussion 63
4.3.3 Körperbilder der Töchter aus Sicht der Eltern
Neben den indirekten Einflüssen untersuchten wir die direkten Einflüsse. Hierzu zählen
die von der Familie ausgehende Kritik am Gewicht der Töchter und die ständige
Beschäftigung mit der Figur der Tochter, die bei diesen Essprobleme hervorrufen
können und einen Einfluss auf das Körperbild und den psychischen Zustand der Töchter
haben (Levine et al., 1994a, b, Schwartz et al. 1999; Keery et al 2005). Bis heute gibt es
nur wenige Studien, die sich mit der Einschätzung der Körperdimensionen von
Jugendlichen durch ihre Eltern beschäftigten. Agras et al. (1999) ließen 755 Mütter das
Gewicht von Jugendlichen einschätzen und konnten beobachten, dass die Mehrheit der
Mütter (60%) das Gewicht akkurat einstellte. Die übergewichtigen Mütter tendierten
eher als die normalgewichtigen Mütter dazu, die Jugendlichen zu unterschätzen.
4.3.3.1 Anorexia nervosa
In der vorliegenden Studie überschätzte die Mehrheit der Mütter (56,7%) mit
anorektischen Töchtern deren Ist-Zustand um wenige Prozent und wünschte sich ein
Körperbild für ihre Töchter mit einem deutlich höheren Körperfettanteil. Trotz einiger
Abweichungen sahen die Mütter die Körper ihrer Töchter viel realistischer und stellten
die Körper weitaus genauer ein als die Töchter ihre eigenen Körper. Dies gilt auch für
die Väter der Anorexie-Patientinnen. Von einer allgemein verzerrten Wahrnehmung der
anorektischen Töchter kann in dieser Gruppe nicht gesprochen werden. Dass die Eltern
sich für ihre zum Teil extrem untergewichtigen Töchter eine deutliche
Gewichtszunahme wünschten, darf in diesem Fall als positiv gedeutet werden.
4.3.3.2 Bulimia nervosa
Einige Studien konnten zeigen, dass Mütter von an Bulimie erkrankten Töchtern die
Körper ihrer Töchter übergewichtiger einschätzten als sie waren (Pike u. Rodin, 1991;
Moreno u. Thelen, 1993) und häufiger als die Kontrollmütter Druck ausübten, an
Gewicht zu verlieren (Moreno u. Thelen, 1993).
Die Mehrheit der Mütter (61,9 %) in der vorliegenden Studie dagegen unterschätzte
deutlich den Ist-Zustand ihrer meist normalgewichtigen Töchter und wünschte sich für
sie einen Körper mit einem höheren Körperfettanteil. Diese Ergebnisse widersprechen
den oben genannten Untersuchungen. Kritisch sollten hier die von den Müttern der
Bulimie-Patientinnen eingestellten Wunschbilder bewertet werden. Die Mütter stellten