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Neugereut Geschichte Entwicklung und Ausblick Daniel ...

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<strong>Daniel</strong> Fleischmann , Städtebaureferendar M.(Eng.) Stadtplanung, Dipl.-Ing. (FH) Nov. 2011<br />

<strong>Neugereut</strong><br />

Geschichtliche <strong>Entwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausblick</strong><br />

<strong>Daniel</strong> Fleischmann , Städtebaureferendar M.(Eng.) Stadtplanung, Dipl.-Ing. (FH)<br />

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<strong>Daniel</strong> Fleischmann , Städtebaureferendar M.(Eng.) Stadtplanung, Dipl.-Ing. (FH) Nov. 2011<br />

<strong>Neugereut</strong> - Geschichtliche <strong>Entwicklung</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausblick</strong><br />

Nachdem die Einwohnerzahlen Stuttgarts in Folge der massiven Zuwanderung nach Ende<br />

des Zweiten Weltkriegs bis in die 1950er Jahren stetig anstiegen, verzeichnete Stuttgart in<br />

den 1960er <strong>und</strong> 1970er Jahren einen merklichen Bevölkerungsrückgang, der zum einen aus<br />

der Abnahme der Geburtenrate resultierte <strong>und</strong> zum anderen durch Abwanderungstendenzen<br />

der Bevölkerung in die umliegenden Gemeinden <strong>und</strong> Mittelstädte zu erklären ist. Die<br />

gleichzeitig immer knapper werdenden Siedlungsflächen Stuttgarts bedingten hohe<br />

Bodenpreise <strong>und</strong> führten dazu, dass die Suburbanisierung im Stuttgarter Großraum<br />

vorangetrieben wurde.<br />

Der damalige Oberbürgermeister Dr. Arnulf Klett diagnostizierte 1964 ca. 20.000 fehlende<br />

Wohnungen in Stuttgart (vgl. Veitinger 1991: o. S.). Um diesen Tendenzen entgegen zu<br />

wirken <strong>und</strong> dem Ruf nach geeignetem privaten <strong>und</strong> sozial gefördertem Wohnraum Rechnung<br />

zu tragen wurde der Stadtteil <strong>Neugereut</strong> als letzte Großsiedlung auf Stuttgarter Gemarkung<br />

konzipiert. Der Stadtteil <strong>Neugereut</strong> zählt heute somit zu den jüngeren Siedlungsbereichen<br />

der Stadt Stuttgart.<br />

Die ersten Überlegungen an dieser topografisch exponierten Situation großvolumigen<br />

Wohnungsbau zu realisieren wurden bereits in 1950er Jahren gestellt. Der darauf folgende<br />

Ideenwettbewerb aus dem Jahre 1963 wurde von den Architekten Roland Frey, Hermann<br />

Schröder <strong>und</strong> Claus Schmidt gewonnen (vgl. Stadtplanungsamt Stuttgart 1991: 8; vgl.<br />

R<strong>und</strong>schau 1963: o. S.) Ihr Beitrag setzte als zentrale Leitidee auf eine Sonderform der<br />

Wohngebäudetypologie. Der Idee des „Hügelhauses“ sollte durch die Terrassierung der<br />

Ebenen jeder Wohnung einen eigenen Grün/- bzw. Freiraum zur Verfügung stellen <strong>und</strong><br />

gleichzeitig eine hohe städtebauliche Dichte generieren. Die Wettbewerbsjury stellte<br />

folgende Entwurfskriterien als besonders innovativ gelöst hervor: Die außergewöhnliche<br />

Form der Gebäude, die ideale Besonnungssituation durch die Pyramidenform <strong>und</strong> der damit<br />

verb<strong>und</strong>ene geringe Schattenwurf der<br />

Baukörper, die Vielseitigkeit des Haustyps<br />

bezogen auf das Wohnungsangebot, die<br />

großen Terrassen, die Außenwirkung der<br />

Gebäude, die den Freiraum nicht einengen<br />

<strong>und</strong> die Reduzierung der Parkierungs- <strong>und</strong><br />

Straßenflächen auf ein Minimum (vgl.<br />

Krewinkel 1963: o. S.).<br />

Bild: Wettbewerbsmodell - Erster Preis 1963<br />

Quelle: Voigt 1978<br />

Im weiteren Planungs- <strong>und</strong> Bearbeitungsverlauf stellte sich aber heraus, dass die<br />

innovativen Ideen mit all ihren Unwägbarkeiten nur schwer umzusetzen waren.<br />

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<strong>Daniel</strong> Fleischmann , Städtebaureferendar M.(Eng.) Stadtplanung, Dipl.-Ing. (FH) Nov. 2011<br />

Die Idee des Hügelhauses schien drüber hinaus zu radikal, um ein ganzes Gebiet unter<br />

dieses Leitmotiv zu stellen, denn beim Wohnpublikum kam die Pyramidenform nicht an<br />

(vgl. Der Spiegel 1967: 58). Auch das Stadtplanungsamt äußerte seine Bedenken:<br />

Das „Terrassenhügelhaus“ sei mit seinen Mehrfachnutzungen nach den vorhandenen<br />

Richtlinien zum Sozialwohnungsbau nicht realisierbar. Die Stuttgarter Nachrichten schrieben<br />

kritisch hierzu: „Im Siedlungs- <strong>und</strong> Wohnungsbau findet sich nirgends der Ansatz zu einem<br />

Versuch, das schwierige <strong>und</strong> komplexe Problem, das uns das große Wohnungsdefizit <strong>und</strong><br />

das rasche Wachstum aufgegeben hat, durch neue bahnbrechende Ideen zu lösen.“<br />

(Stuttgarter Nachrichten 1963: o.S.) Im weiteren Verlauf der Gespräche zwischen Bauträger,<br />

Stadtplanungsamt <strong>und</strong> Architekten stellte sich heraus, dass die Notwendigkeit bestehe, ein<br />

neues städtebauliches Konzept zu erarbeiten (vgl. Stadtplanungsamt Stuttgart 1991: 8 f).<br />

Das Überarbeitungskonzept <strong>und</strong> der Bebauungsplan wurden in Zusammenarbeit zwischen<br />

der Stadt Stuttgart <strong>und</strong> dem Architekturbüro Faller + Schröder (Stuttgart) entwickelt. Die<br />

„neuen“ Planungsideen folgten dem Regelwerk der „Urbanität durch Dichte“ <strong>und</strong> der<br />

„Autogerechten Stadt“. Prinzipienreihen die zum einen davon ausgehen, dass eine hohe<br />

bauliche Dichte eine städtische Belebtheit schafft <strong>und</strong> zum anderen der Notwendigkeit der<br />

Trennungen von verschiedenen Verkehrsarten.<br />

Bild: Schrägluftbild 1971 Quelle: Amt für Stadtplanung <strong>und</strong> Stadterneuerung Stuttgart<br />

„Daneben soll gezeigt werden, dass man aus den Fehlern früherer Trabantenstädte gelernt<br />

hat. So wird größter Wert auf die gestalterische Vielfalt gelegt…“<br />

(vgl. Markelin/ Müller 1991: 147).<br />

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<strong>Daniel</strong> Fleischmann , Städtebaureferendar M.(Eng.) Stadtplanung, Dipl.-Ing. (FH) Nov. 2011<br />

Innovationen gab es aber auch in anderen Bereichen: Im Rahmen der<br />

Bodenordnungsmaßnahmen wurde ein neues Umlegungsinstrument, entwickelt. Das so<br />

genannte „Stuttgarter Modell“ als freiwilliges Bodenordnungsmodell wurde ins Leben<br />

gerufen, um die Schaffung eines einheitlichen großstädtischen Wohngebietes zu erleichtern.<br />

Das „Stuttgarter Modell“ soll bauwilligen privaten Besitzers von nicht baureifen Gr<strong>und</strong>stücken<br />

zur Bebaubarkeit verhelfen <strong>und</strong> zum anderen geeignete Gr<strong>und</strong>stücke für den sozialen<br />

Wohnungsbau zur Verfügung stellen (vgl. Voigt 1978: 7).<br />

Die Baumaßnahme wurde in einzelne Teilbauabschnitte aufgegliedert, die zwischen den<br />

Jahren 1970 bis 1977 zur Realisierung kamen (vgl. Voigt 1978: 9). Bedingt durch die<br />

zentrale Mittellage <strong>Neugereut</strong>s zwischen den Stadtteilen Hofen <strong>und</strong> Steinhaldenfeld, sollte<br />

das Stadtteilzentrum mit seinen übergeordneten Funktionen auch der Versorgung des<br />

südlich gelegenen Wohngebiets Steinhaldenfeld dienen, obwohl dies verwaltungstechnisch<br />

zum Stadtbezirk Bad Cannstatt zählt (vgl. Geissendörfer 1993: 144). Die Versorgungs- <strong>und</strong><br />

Gemeinweseninfrastruktur wie Bildungs- <strong>und</strong> Versorgungseinrichtungen wurden Schritt für<br />

Schritt nachgezogen. Einige Provisorien blieben dabei dem Stadtteil aber wesentlich länger<br />

erhalten als einst von den Planungsbeteiligten veranschlagt wurde.<br />

Bild: Blick Richtung Hofen <strong>und</strong> <strong>Neugereut</strong> Quelle: Fleischmann 2010<br />

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<strong>Daniel</strong> Fleischmann , Städtebaureferendar M.(Eng.) Stadtplanung, Dipl.-Ing. (FH) Nov. 2011<br />

Die späten 1970er Jahre <strong>und</strong> frühen 1980er Jahre standen unter dem Vorzeichen der<br />

Erweiterung <strong>und</strong> Ergänzung von Gemeinbedarfseinrichtungen <strong>und</strong> Wohnraum.<br />

Die späteren Wohnbauabschnitte folgten zwischen den Jahren 1977 <strong>und</strong> 2002. Diese<br />

Baumaßnahmen standen jedoch unter anderen städtebaulichen Planungsprinzipien.<br />

Die Anbindungssituation der Wohnsiedlung an das Stuttgarter Stadtgebiet <strong>und</strong> an das<br />

Verkehrsnetz hat sich im Verlaufe der letzten Jahrzehnte, z. B. durch die Erweiterung der<br />

U2, kontinuierlich verbessert.<br />

Insbesondere das überdurchschnittliche gute Angebot an sozialer Infrastrukturausstattung<br />

(wie Kindergarten, Schulen, Altenwohnanlage, Stadtteilbücherei etc.) trägt im wesentlichen<br />

Maße zur Qualität des Wohnstandorts bei (vgl. Brombach 2001: 20).<br />

Heutzutage leben ca. 8.000 Menschen im Stadtteil <strong>Neugereut</strong> (Stand 2011, Höchststand<br />

2002 mit ca. 8.600 Einwohnern, vgl. Kommunis - Fortgeschriebene Einwohnerzahlen 1950-<br />

2011). Die Aufsiedlung des Stadtteils dauerte somit schließlich über 35 Jahre <strong>und</strong> kann<br />

heute als nahezu abgeschlossen beschrieben werden (vgl. Brombach 2001: 1).<br />

Trotz der Stigmatisierung in Folge des Massenwohnungsbaus <strong>und</strong> im Hinblick auf die<br />

Massierung von sozialem Wohnungsbau hat sich <strong>Neugereut</strong> eines lebens- <strong>und</strong><br />

liebenswürdigen Wohnstandorts bewahrt.<br />

Nun ist <strong>Neugereut</strong> ins „Schwabenalter“ gekommen. 2011 feierte es sein 40-jähriges<br />

Jubiläum.<br />

Den sichtbar gewordenen „Alterserscheinungen“ wird seit 2009 im Rahmen des<br />

„Förderprogramms „Soziale Stadt <strong>Neugereut</strong>“ mit vereinten Kräften aus Bürgerschaft,<br />

Einrichtungen <strong>und</strong> Wohnbauträgern vor Ort begegnet.<br />

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<strong>Daniel</strong> Fleischmann , Städtebaureferendar M.(Eng.) Stadtplanung, Dipl.-Ing. (FH) Nov. 2011<br />

Literatur<br />

Brombach, Karoline 2001: Statistische Untersuchung des Stadtteils Stuttgart -<br />

<strong>Neugereut</strong>, Zusammenarbeit des Statistischen Amts<br />

Stuttgart <strong>und</strong> dem Institut für Wohnen <strong>und</strong> Entwerfen der<br />

Universität Stuttgart, 1. Auflage, Stuttgart<br />

Fleischmann, <strong>Daniel</strong> 2010: Verdichtete Siedlungen im Stadtbild, Charakteristische<br />

Merkmale des Leitbilds „Urbanität durch Dichte“ in der<br />

heutigen Wahrnehmung, 1. Auflage, Stuttgart<br />

Geissendörfer, Werner 1993: Heimatbuch Mühlhausen am Neckar: seit 1933 Stuttgart -<br />

Mühlhausen, 1. Auflage, Stuttgart: Mühlhausener Bank<br />

Krewinkel, Heinz W. 1963: Ist der „Wohnhügel“ ernst zu nehmen?, Stuttgarter<br />

Nachrichten, o.N., 18.05.1963, S. 20 (Stadtarchiv Stuttgart)<br />

Lauser, Karin/ Erben, Regina 2011:<br />

40 Jahre <strong>Neugereut</strong>, Bürgerverein-Interessengemeinschaft-<br />

<strong>Neugereut</strong> e.V., Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für<br />

Stadtplanung <strong>und</strong> Stadterneuerung, 1. Auflage, Stuttgart<br />

Markelin, Antero/ Müller, Rainer 1991:<br />

Stadtbaugeschichte Stuttgart, Städtebauliches Institut der<br />

Universität Stuttgart, 2. Auflage, Stuttgart: Karl Krämer<br />

Verlag<br />

R<strong>und</strong>schau 1963: Wohnhügel sollen <strong>Neugereut</strong> neues Gesicht geben,<br />

R<strong>und</strong>schau, o.N., 10.05.1963, o.S.,o.V. (Stadtarchiv<br />

Stuttgart)<br />

Stadtplanungsamt Stuttgart 1991:<br />

20 Jahre <strong>Neugereut</strong>, 1. Auflage, Landeshauptstadt<br />

Stuttgart: Stadtplanungsamt, Kulturamt in Verbindung mit<br />

dem Presse- <strong>und</strong> Informationsamt<br />

Veitinger, Thomas 1991: Stadtteil zwischen Wunsch <strong>und</strong> Wirklichkeit, Cannstatter<br />

Zeitung, o.N., 14./ 15.09.1991, o.S. (Stadtarchiv Stuttgart)<br />

Voigt, Helmut 1978: Versuchs- <strong>und</strong> Vergleichsbauten <strong>und</strong><br />

Demonstrativnaßnahmen, Demonstrativbauvorhaben<br />

Stuttgart - Hofen <strong>Neugereut</strong>, B<strong>und</strong>esminister für<br />

Raumordnung Bauwesen <strong>und</strong> Städtebau (Schriftenreihe<br />

des B<strong>und</strong>esministers für Raumordnung, Bauwesen <strong>und</strong><br />

Städtebau : 01, Versuchs- <strong>und</strong> Vergleichsbauten <strong>und</strong><br />

Demonstrativmaßnahmen), 1. Auflage, Bonn<br />

Weeber <strong>und</strong> Partner 2007: Stuttgart <strong>Neugereut</strong>, Vorbereitende Untersuchungen, 1.<br />

Auflage, Stuttgart: Weeber + Partner<br />

Website A2 Architekten http://www.a2architekten.de/vorbilder_hs.html (zugegriffen<br />

am 01.05.2010)<br />

Kommunis Kommunales Informationssystem Stuttgart -<br />

Fortgeschriebene Einwohnerzahlen 1950-2011 (zugegriffen<br />

am 21.11.2011)<br />

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