08.09.2014 Aufrufe

Selbstreflexion in der systemischen Weiterbildung ... - Systemagazin

Selbstreflexion in der systemischen Weiterbildung ... - Systemagazin

Selbstreflexion in der systemischen Weiterbildung ... - Systemagazin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

O R I G I N A L I E N<br />

System Familie (1999) 12:159–164 © Spr<strong>in</strong>ger-Verlag 1999<br />

Self-reflection <strong>in</strong> systemic further education –<br />

on the sense and nonsense of a traditional procedure<br />

Kurt Ludewig<br />

Summary<br />

Tak<strong>in</strong>g <strong>in</strong>to consi<strong>der</strong>ation the personal<br />

aspects of the tra<strong>in</strong>ee <strong>in</strong> systemic<br />

therapy tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, as well as the<br />

necessity for keep<strong>in</strong>g <strong>in</strong> contact with<br />

the traditional standards and requirements<br />

imposed by law, it is argued<br />

that there are no rational or empirical<br />

grounds for an irrevocable <strong>in</strong>clusion<br />

of self-experience as a part of therapy<br />

tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g. This short essay analyzes<br />

Selbsterfahrung. Bei diesen Verfahren<br />

lag <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong> Ausbildung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> theoretischen Anleitung und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Supervision, letzteres am liebsten live.<br />

Die wachstumsorientierten Verfahren,<br />

die ihren Ursprung <strong>in</strong> erfahrungs- und<br />

gestalttherapeutischen Ansätzen hatten,<br />

betrachten h<strong>in</strong>gegen Selbsterfahrung,<br />

ebenso wie die Psychoanalyse und<br />

<strong>der</strong>en Abkömml<strong>in</strong>ge, als wichtigen,<br />

wenn nicht unabd<strong>in</strong>gbaren Bestandteil<br />

e<strong>in</strong>er therapeutischen <strong>Weiterbildung</strong>.<br />

Familienrekonstruktion, Genogrammarbeit,<br />

Therapie mit <strong>der</strong> eigenen Familie<br />

usw. wurden bei diesen Gruppierungen<br />

zum Mittelpunkt e<strong>in</strong>er <strong>Weiterbildung</strong><br />

zum Familientherapeuten.<br />

In e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> wenigen Übersichtsarbeiten<br />

zu diesem Thema <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

deutschsprachigen Literatur 1 berichtet<br />

Wetzel (1985), daß die meisten Lernprogramme<br />

für Familien- und Systemtherapie<br />

trotz aller Unterschiedlichkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausrichtung von <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>same<br />

Grundannahme ausgehen,<br />

1<br />

Über den Stand <strong>der</strong> Diskussion im angelsächsischen<br />

Raum zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 90er Jahre schließt<br />

Liddle (1991), daß die früheren Maßgaben – Eigentherapie<br />

als Voraussetzung und Arbeit mit<br />

<strong>der</strong> Herkunftsfamilie als Pflicht – im aktuellen<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g-Verständnis von Familientherapeuten<br />

we<strong>der</strong> als notwendig, noch als weise o<strong>der</strong> realistisch<br />

angesehen werden. Mittlerweile gäbe es<br />

vielfältigere Wege, um <strong>der</strong> berechtigten For<strong>der</strong>ung,<br />

die Person des Therapeuten zu berücksichtigen,<br />

nachzukommen<br />

roughly the current standards and<br />

proposes scepticism with regard to<br />

the self-evidence <strong>in</strong>volved <strong>in</strong> the<br />

myths around self-experience. An<br />

overall view of the concepts implemented<br />

at the Institute of Systemic<br />

Studies <strong>in</strong> Hamburg is presented<br />

with the plea not to gamble away the<br />

valuable advantages a systemic-constructivist<br />

position has <strong>in</strong>troduced <strong>in</strong>to<br />

the theory and practice of systemic<br />

therapy.<br />

daß es e<strong>in</strong>e Isomorphie zwischen Ausbildung<br />

und Therapie gäbe, das heißt,<br />

daß <strong>der</strong> Prozeß des Erlernens familientherapeutischer<br />

Kompetenz strukturell<br />

und formal dem Prozeß e<strong>in</strong>er Familientherapie<br />

selbst entspräche. Daher<br />

würden die verschiedenen Schulen ihre<br />

Ausbildungsprozesse <strong>in</strong> Anlehnung<br />

an die jeweils vertretenen Auffassungen<br />

über menschliche Verän<strong>der</strong>ungsprozesse<br />

konzipieren. Strukturell und<br />

strategisch orientierte Therapien legen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung Wert auf direkte Supervision,<br />

Konfrontation des Therapeuten<br />

und Schulung <strong>der</strong> Fähigkeit, Interaktionssequenzen<br />

und Organisationsformen<br />

zu erkennen und mittels<br />

geeigneter Interventionen zu verän<strong>der</strong>n.<br />

Systemisch orientierte Ansätze<br />

würden h<strong>in</strong>gegen das Hauptgewicht legen<br />

auf die theoretische Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit systemischem Denken und<br />

auf die E<strong>in</strong>beziehung des Therapeutenteams<br />

<strong>in</strong> das therapeutische Geschehen<br />

(Ko-Therapie, Reflect<strong>in</strong>g Team usw.).<br />

Die sog. systemische Familientherapie<br />

und die lösungsorientierten Ansätze,<br />

wie sie <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von den Teams<br />

aus Mailand und Milwaukee vertreten<br />

werden, verzichteten weitgehend auf<br />

Selbsterfahrung als Bed<strong>in</strong>gung für e<strong>in</strong>e<br />

Therapeutenausbildung (bezüglich des<br />

ursprünglichen Mailän<strong>der</strong> Ansatzes<br />

vgl. z. B. das 1979 von Klaus Deissler<br />

geführte Interview mit Mara Selv<strong>in</strong>i<br />

Palazzoli, erneut gedruckt <strong>in</strong> 1999).<br />

In <strong>der</strong> Systemischen Therapie,<br />

wie sie sich seit Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 80er<br />

Jahre als Umsetzung systemtheoretischer<br />

und sozialkonstruktivistischer<br />

Auffassungen menschlichen<br />

Se<strong>in</strong>s und Handelns <strong>in</strong> die therapeutische<br />

Praxis versteht, haben sich<br />

ebenfalls unterschiedliche E<strong>in</strong>stellungen<br />

zur Selbsterfahrung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

therapeutischen <strong>Weiterbildung</strong> entwickelt.<br />

Anfang <strong>der</strong> Achtziger Jahre<br />

gaben sich viele <strong>der</strong> Pioniere dieses<br />

Feldes über Selbsterfahrung geradezu<br />

erhaben. Viele <strong>der</strong> ersten <strong>systemischen</strong><br />

Therapeut<strong>in</strong>nen hatten ihre<br />

Selbsterfahrungen ohneh<strong>in</strong> im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Ansätze absolviert, aus denen<br />

sie herkamen. Unter den Therapeuten<br />

zum Beispiel, die 1984 das<br />

Institut für systemische Studien <strong>in</strong><br />

Hamburg gründeten, galt nach erfolgreichem<br />

„Überleben“ <strong>der</strong> vielfältigen<br />

Selbsterfahrungen, wie sie<br />

<strong>in</strong> den 70er Jahren üblich waren, das<br />

ganze Thema als verpönt. Man vertrat<br />

dort die Ansicht, daß diese<br />

Übungen, die eher den Charakter<br />

von Überlebenstra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs hatten, für<br />

den Aufbau e<strong>in</strong>er therapeutischen<br />

Identität wenig e<strong>in</strong>brächten. Bei an<strong>der</strong>en<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> den 80er Jahren entstandenen<br />

Instituten für systemische<br />

Therapie h<strong>in</strong>g allerd<strong>in</strong>gs die E<strong>in</strong>schätzung<br />

über S<strong>in</strong>n und Uns<strong>in</strong>n<br />

von Selbsterfahrung von <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Schule <strong>der</strong> Psycho- o<strong>der</strong> Familientherapie<br />

ab, aus <strong>der</strong> sie hervorgegangen<br />

waren. Und dies hält<br />

heute noch an.<br />

Im deutschsprachigen Raum belegt<br />

die gezielte theoretische Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit Selbsterfahrung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>systemischen</strong><br />

Therapieausbildung e<strong>in</strong>en<br />

erstaunlichen ger<strong>in</strong>gen Platz <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Masse <strong>der</strong> verfügbaren Literatur. E<strong>in</strong>e<br />

bemerkenswerte Ausnahme bildet das<br />

Heft 3 des Jahrgangs 1985 <strong>der</strong> Zeitschrift<br />

für systemische Therapie. Dort<br />

äußern sich Vertreter unterschiedlicher<br />

Positionen (Ludewig, Guntern, Bakker,<br />

van Trommel, Saba u. Liddle) <strong>der</strong>art,<br />

daß man nicht umh<strong>in</strong> kommt, den<br />

nordamerikanischen Ausbildungsforschern<br />

Saba u. Liddle (1985, S. 177)<br />

bei ihrer zusammenfassenden Beurteilung<br />

beizupflichten und festzustellen,<br />

daß die Frage, ob Familientherapeuten<br />

160

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!