29.09.2014 Aufrufe

Adrian Itschert Jenseits des Leistungsprinzips ... - transcript Verlag

Adrian Itschert Jenseits des Leistungsprinzips ... - transcript Verlag

Adrian Itschert Jenseits des Leistungsprinzips ... - transcript Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

18 | JENSEITS DES LEISTUNGSPRINZIPS<br />

findig machen lassen 4 . Wie die vorliegende Studie aber zeigen wird, hat diese<br />

Forschungstradition bis heute nicht konsequent mit dem Meritokratiemodell gebrochen.<br />

In vielen Beiträgen finden sich deutliche Hinweise, dass hier nur partiell<br />

mit der Annahme der Rationalität <strong>des</strong> Statuszuweisungsprozesses gebrochen<br />

wird. Dies scheint nicht zuletzt daran zu liegen, dass die Ungleichheitssoziologie<br />

das Meritokratiemodell zwar als Gegenwartsbeschreibung der modernen Gesellschaft<br />

ablehnt, aber nicht als normativen Maßstab, der das Ideal einer gerechten<br />

Verteilungsordnung beschreiben soll.<br />

Das Meritokratiemodell lässt sich aber nicht nur aus ungleichheitssoziologischer,<br />

sondern auch aus differenzierungstheoretischer Perspektive kritisieren.<br />

Das Meritokratiemodell beschreibt den Statuszuweisungsprozess mit dem Modell<br />

einer lückenlosen Kettenrationalität, bei dem die Selektionen der verschiedenen<br />

am Statuszuweisungsprozess beteiligten Systeme – wie dem Erziehungssystem,<br />

dem Wirtschaftssystem, der Politik und den Arbeitsorganisationen – reibungslos<br />

ineinandergreifen. Man sieht schnell, dass das Meritokratiemodell aus<br />

differenzierungstheoretischer Perspektive nicht weniger befremdlich wirkt als<br />

aus ungleichheitstheoretischer Perspektive. Die Theorie funktionaler Differenzierung<br />

tendiert immer mehr dazu, den geringen Integrationsgrad der modernen<br />

Gesellschaft zu akzentuieren (Weber 1988: 541). In den gesellschaftstheoretischen<br />

Beschreibungen kontrastiert dabei die These der Steigerung der Rationalität<br />

der differenzierten Teile mit der ebenso klar formulierten Absage an die Rationalität<br />

der Gesellschaft als Einheit. So hat Luhmann festgestellt, dass in der<br />

Moderne der Rationalitätsbegriff nur noch im Plural verwendet wird. Die moderne<br />

Gesellschaft kenne viele verschiedene Rationalitätsbegriffe – individuelle<br />

und kollektive Rationalität, Zweckrationalität und Wertrationalität, strategische<br />

Rationalität und kommunikative Rationalität – aber sie könne keine Begriff mehr<br />

für die Einheit <strong>des</strong> Rationalen bilden, der in der Lage sei anzugeben, weshalb<br />

zum Beispiel Zweckrationalität und Wertrationalität beide rational sein sollen<br />

(Luhmann 2008: 196).<br />

Dabei lässt sich bereits an einigen wenigen Kombinationen grundlegender<br />

mobilitätstheoretischer Begriffe demonstrieren, wie wenig Rationalität vom Statuszuweisungsprozess<br />

zu erwarten ist. Das Meritokratiemodell verspricht den<br />

perfekten „match“ zwischen den unterschiedlichen Kategorien gesellschaftlicher<br />

Positionen einerseits und den sehr heterogenen Populationen von Individuen an-<br />

4 In der Soziologie finden sich seit dem Ende der siebziger Jahre kaum mehr klare Vertreter<br />

<strong>des</strong> Meritokratiemodells. Peter Saunders scheint eine einsame Ausnahme zu sein<br />

(Saunders 1996).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!