Romeo und Julia - Turbine Theater
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zung von Schlegel/Tieck zu tun, die sich für unsere Ohren überholt anhört. Der Regisseur<br />
Kamil Krejčí arbeitet nun an einer eigenen Übersetzung, mit dem Vorsatz, die poetischen<br />
Sprachbilder <strong>und</strong> den Versfluss beizubehalten, dafür aber eine Sprache zu finden, die eingängig<br />
<strong>und</strong> schnell verständlich ist.<br />
Warum Shakespeare?<br />
Hinterfragen wir es kritisch: Gehen uns die Ideen aus, dass wir schon wieder auf diesen Dichter<br />
zurückkommen, es gäbe doch tausend andere? Beeinflusst sein schillernder Name die<br />
Wahl? Er gilt als Garant für gute Zuschauerzahlen. Oder spielen wir ihn, weil ihn die andern<br />
<strong>Theater</strong> auch spielen, landauf landab, <strong>und</strong> man sich so mit Shakespeare die Hand reichen <strong>und</strong><br />
vergleichen kann? Die eine oder andere dieser Thesen können wir wohl nicht ganz von der<br />
Hand weisen, <strong>und</strong> dennoch, sie geben nicht den Ausschlag. Warum Shakespeare „Shakespeare!“<br />
ist, wissen wir auch nicht so genau, aber er ist es, ganz augenscheinlich.<br />
Blicken wir zurück: Seit der Erfindung der Schrift entstanden die ersten grossen dramatischen<br />
Werke in der Antike. Es kam das düstere Mittelalter <strong>und</strong> erst in der Renaissance erinnerten<br />
sich die Menschen in der Kunst wieder an die freie Entfaltung des menschlichen Geistes <strong>und</strong><br />
Bewusstseins. Der Renaissance-Protagonist im Bereich Dramatik war <strong>und</strong> ist unangefochten<br />
Shakespeare. Als wäre ein Mensch lange Zeit in einen Kerker eingeschlossen <strong>und</strong> erblickte<br />
plötzlich wieder das Licht der Welt, spürte die Freiheit, <strong>und</strong> vor allem, sich selbst in dieser<br />
Freiheit. Er lechzt nach frischem Atem, nach Licht, nach Gefühlen, dem Ausdrücken von Gefühlen,<br />
dem Ausleben seiner Leidenschaften, dem Aussprechen von Gedanken, ihn dürstet<br />
nach Nahrung, Wissen <strong>und</strong> Erkenntnis. Diese Begeisterung, Mensch zu sein, in all seinen<br />
Widersprüchen, seinen Stärken <strong>und</strong> Schwächen, seinen Rätseln <strong>und</strong> Erkenntnissen, seinen<br />
Möglich- <strong>und</strong> Unmöglichkeiten, diese Begeisterung bläst einem bei Shakespeare geradezu ins<br />
Gesicht. Dabei schlagen sich Shakespeares Protagonisten weniger mit ihren göttlichen<br />
Schicksalen herum wie die Helden im Altertum, sie sind viel mehr mit sich selbst beschäftigt,<br />
ihren ganz persönlichen Wünschen <strong>und</strong> Sehnsüchten, Ängsten <strong>und</strong> Gewissensbissen, Beziehungen<br />
<strong>und</strong> Pflichten, Rachegelüsten, Geltungsansprüchen, Leidenschaften, Lastern <strong>und</strong> Tugenden.<br />
Shakespeares Figuren können noch so unterschiedlich sein, etwas haben sie gemeinsam:<br />
die Lust <strong>und</strong> Fähigkeit, sich auszudrücken! Shakespeare spiegelte die Welt <strong>und</strong> die<br />
Menschen in einer Zeit menschlicher Offenbarung, dabei war er weder religiöser Prediger<br />
noch philosophischer Denker, sondern ganz einfach ein theatralisches Ereignis, er spiegelte<br />
selbst das Spiel der Menschen. Shakesparestücke sind<br />
ein Fest der Aktion <strong>und</strong> Gegenaktion, ein Fest der<br />
spielenden Menschen, der Sprache <strong>und</strong> der Phantasie.<br />
Fragt man nach der heutigen Relevanz, warum wir immer<br />
noch Shakespeare spielen, so möchten wir genau<br />
darauf verweisen. Ein <strong>Theater</strong>mensch, welcher Couleur<br />
auch immer, reagiert auf seine Umwelt, indem er sie<br />
spiegelt. Das ist gar nicht so einfach in einer sich selbst<br />
entfremdeten <strong>und</strong> verspiegelten Welt, wie der heutigen.<br />
Wer sieht einem heutigen Menschen bei uns noch an, ob<br />
er reich oder arm ist? Wer spürt noch, was er wirklich<br />
empfindet? Ob er als Politiker ehrlich oder ein Hochstapler<br />
ist? Ob Liebe noch echt ist, wo sie doch an jeder<br />
Ecke, sei sie nun sinnlich, zwischenmenschlich oder<br />
religiös, zum Konsumgut verkommt. Was heisst heute<br />
Beziehung, wenn „Kommunikation“ ein Synonym für<br />
Werbung ist? Ist das angepriesene Produkt gut oder nur<br />
Schrott? Ist eine Krankheit ernsthaft oder eingebildet?<br />
„<strong>Romeo</strong> <strong>und</strong> <strong>Julia</strong>“ turbine theater Eigenproduktion 2013 5