Download Heft 08-09 / August-Sept. 2013 - Tutzinger Nachrichten
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tutzing Report<br />
Eigenart, Identifikation, Lebensqualität:<br />
Wie viel Charakter braucht der Ort?<br />
Schon von weitem grüßen die Doppeltürme der St. Josefskirche, beim Näher kommen die grüne Kuppel der Villa Thieß – wir<br />
nähern uns Tutzing! Was prägt diesen Ort? Das sind natürlich in erster Linie seine Lage am See und die Nähe zu München. Die<br />
umgebende Landschaft prägt unseren Ort ebenso wie die Menschen, die in ihm leben. Nicht zuletzt aber geben die Gebäude<br />
aus denen Tutzing besteht ihm sein unverwechselbares Gesicht.<br />
Ein einmaliges Ortsbild mit dem sich die Bewohner identifizieren<br />
können entsteht dort, wo sich architektonische Vielfalt<br />
aus Neuem und historisch Entstandenem zu einer Einheit<br />
verbinden. Daraus ergibt sich, dass bei allen Neuerungen<br />
ortsprägende alte Gebäude erhalten werden müssen, denn<br />
nur dann bietet ein Ort Authentizität, Lebensqualität und<br />
die Möglichkeit zur Identifikation.<br />
Ort prägende Denkmal geschützte Häuser. Dazu zählen unter<br />
vielen anderen das Haus der Damen Pfautsch in seinem<br />
wunderbaren Garten, das Sieberhaus am See, die neu renovierte<br />
Villa Knittl. Es würde hier zu weit führen, alle Häuser<br />
aufzuzählen, deren Erhalt dem Denkmalschutz zu verdanken<br />
ist und ich fürchte, die meisten <strong>Tutzinger</strong> können mit<br />
den Häusernamen sowieso nichts anfangen.<br />
Aber es gibt auch Häuser, wie z.B. das Mayrhaus am südlichen<br />
Ortseingang, das sozusagen ungeschützt „die Stellung“<br />
halten muss. Noch ist nicht entschieden, was mit ihm<br />
Tutzing als gemalte Idylle <br />
Foto: Internet - Gemeinde<br />
Tutzing real <strong>2013</strong><br />
Foto: HKM<br />
Häufig mussten im Laufe der Zeit ortsprägende Häuser im<br />
Dorf weichen, wenn z.B. ihr Abbruch durch Platzgewinn<br />
wirtschaftlicher erschien, das ist der Lauf der Dinge. Natürlich<br />
entspricht oft auch die historische Bausubstanz nicht<br />
mehr heutigen Wohnbedürfnissen, ist baufällig geworden<br />
und müsste daher kostenintensiv saniert werden. Und natürlich<br />
sind nicht alle alten Häuser erhalteswert nur weil sie<br />
alt sind.<br />
Aber es gibt in Tutzing einige Gebäude, die das Ortsbild so<br />
nachhaltig prägen, dass ohne sie schwerwiegende Lücken<br />
entstehen würden. Der Großteil dieser bedeutenden Häuser<br />
stammt aus der Ära des Baumeisters Engelbert Schnell (1847<br />
bis 1936). Von ihm gebaute Gebäude sind u. a. das Klösterl,<br />
der Guggerhof, das Thudichum Haus, das Eckerlhaus, der<br />
<strong>Tutzinger</strong> Hof, das Haus Schäfer, die Villa Ringseis und die<br />
Schnell Villa. Um die Wende zum 20. Jahrhundert entstand<br />
aus dem Fischerdorf mit 1000 Einwohnern ein Villenort. Der<br />
frühere Kreisheimatpfleger Josefranz Drummer würdigte in<br />
einem Nachruf das Wirken Schnells: „Er… verstand es hauptsächlich<br />
richtig zu planen, mit dem Bauen auch der Ortsgestaltung<br />
ein besonderes Augenmerk zuzuwenden.“<br />
Viele der von Schnell geschaffenen Gebäude stehen unter<br />
Denkmalschutz und bleiben uns und künftigen Generationen<br />
daher hoffentlich ebenso enthalten wie andere den<br />
geschehen soll. Vielleicht wäre eine Sanierung mit Zuschüssen<br />
von Land und Gemeinde möglich. Hier wird deutlich,<br />
dass das Spannungsfeld zwischen Modernisierung und Erhaltung<br />
historischer Bausubstanz immer eine Herausforderung<br />
bleiben wird.<br />
Das Mayrhaus und die nicht mehr vorhandene TSV Halle sind<br />
nur zwei aktuelle Beispiele für die ständige Wandlung eines<br />
Ortes. Da es in Tutzing für Neubauten keine Gestaltungssatzung<br />
gibt, wird sich das Gesicht unseres Ortes zu Beginn des<br />
21. Jahrhunderts wohl ebenso rasant verändern, wie es das<br />
vor über 100 Jahren schon einmal getan hat. Völlig andere<br />
Baustile, wie z.B. die Kuben an der Traubinger Straße, halten<br />
Einzug, die Veränderung von der „Gartenstadt“ mit großzügigen<br />
Gärten und viel Grün hin zur dicht besiedelten Schlafstadt<br />
im Speckgürtel Münchens ist wahrscheinlich nur eine<br />
Frage der Zeit. Wie nimmt die seit Generationen ansässige<br />
Bevölkerung diesen Prozess wahr?<br />
Und wie sehen Neubürger eigentlich unseren Ort? Was hat<br />
sie bewogen, hierher zu ziehen? Welche Häuser empfinden<br />
sie als wichtig, schön und erhalteswert für Tutzing? Interessanten<br />
Fragen, die Sie als Leser beantworten könnten!<br />
<br />
esch<br />
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