Bologna - Prof. Dr. Ulrich Menzel

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„Die deutsche Hochschulpolitik im Spannungsfeld
zwischen Humboldt und Bologna“
Cornelia Hamann
Regieren in Europa
Prof. Dr. Menzel

Gliederung
Geschichte:
• Deutsche Hochschulpolitik
• Humboldtsches Bildungsideal
Prozess:
• rechtlicher Rahmen
• Stationen des Bologna-Prozesses
• Ziele
Auswirkungen:
• Umsetzung in Deutschland
• Kritik
• Fazit

Hochschulsystem in Deutschland- Geschichte

Bildungssystem - historischer Hintergrund
- Anfänge institutionalisierter Bildung: frühes Mittelalter
– Kirche: theologisch orientierte Ausbildung Adliger,
bürgerlicher Oberschicht
– Ritterschaft:Vorwiegend Unterricht von Kriegshandwerk,
Bewirtschaftung und Führung von Gütern
- 1379 Gründung der ersten Universität in Erfurt

Bildungssystem - historischer Hintergrund
- Spätmittelalter, Reformation: allgemeine Schulbildung,
Lockerung der Bindungen Kirche ↔ Universität
- Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Preußen 1763
- 19. Jahrhundert: neuhumanistische Bildungsreformen →
Schwerpunkt verlagert sich in Richtung Forschung
- seit 1949: Kulturföderalismus → Bildungshoheit der
Länder (entspricht historischer Entwicklung)

Humboldtsches Bildungsideal
- Wilhelm von Humboldt, 1767-1835
- Zentrale Idee: Einheit von Forschung und
Lehre
- Anspruch: Allgemeinbildung
- Wert der Individualität des Einzelnen
- Geschichtlicher Einfluss: Aufklärung
→ autonomes Individuum
→ Weltbürgertum
- Akademische Freiheit
– Keine staatlichen/wirtschaftlichen
Einflüsse
– Innere Freiheit
- Philosophie als „Grundwissenschaft“

Das deutsche Hochschulsystem vor Bologna
Magister: breite Ausrichtung;
• Möglichkeit: individuelle Zusammenstellung →
Beschäftigung mit breitem wissenschaftlichen Spektrum,
orientiert an eigenen Interessen;
• keine Vorbereitung auf bestimmten Beruf;
• Regelstudienzeit: 8-9 Semester
Diplom: technisch ausgerichtet;
• Diplom+Fachrichtung (Diplom-Kaufmann),
• gegliedert in Grund- und Hauptstudium;
• Vordiplom ≠ Abschluss;
• 8-9 Semester Regelstudienzeit

Der Bologna-Prozess

Rechtlicher Kontext
Bildungspolitik in der EU
• Primärer Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten
• EU: Durchführung von Maßnahmen zur Unterstützung,
Koordinierung oder Ergänzung der nationalen Maßnahmen
Keine juristisch verbindlichen Rechtsakte
Sondern unverbindliche Rechtsakte
Explizites Harmonisierungsverbot

Vertragsgrundlage
Vertrag von Maastricht bzw. Vertrag von Lissabon
Artikel 165 (ex-Artikel 149 EGV)
(1) Die [Gemeinschaft] Union trägt zur Entwicklung einer
qualitativ hoch stehenden Bildung dadurch bei, dass sie die
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und
die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der
Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und
die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer
Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und
ergänzt.

Der Bologna-Prozess
2001: Prag
2009: Leuven/
Louvain-la-Neuve
1998: Sorbonne-
Erklärung
2005: Bergen
2012: Bukarest
1999: Bologna-
Erklärung
2007: London
2003: Berlin
2010: Budapest/
Wien

Bologna-Staaten
Vgl. http://www.studisonline.de/HoPo/Hintergrund/bologna-prozess.php

Ziele (1)
• Verbindung des Europäischen Hochschulraums und des Europäischen
Forschungsraums
• Einführung eines Systems von verständlichen und vergleichbaren Abschlüssen
(Bachelor und Master)
• Einführung einer gestuften Studienstruktur
• Transparenz über Studieninhalte durch Kreditpunkte und Diploma Supplement
• Anerkennung von Abschlüssen und Studienabschnitten
• Verbesserung der Mobilität von Studierenden und wissenschaftlichem Personal

Ziele (2)
• Sicherung von Qualitätsstandards auf nationaler und europäischer Ebene
• Steigerung der Attraktivität des Europäischen Hochschulraums auch für
Drittstaaten
• Förderung des lebenslangen Lernens
• Erhöhung der Akademikerquote ( → Studienverkürzung)
• Verringerung der Abbrecher-Quote
• Steigerung der „Beschäftigungsfähigeit“

http://www.che.de/downloads/CHE_AP_148_Bologna_Prozess_aus_Sicht_der
_Hochschulforschung.pdf

Umsetzung & Kritik

Umsetzung in Deutschland
- Bund, Länder, Hochschulen
- Arbeitsgruppe „Fortführung des Bologna-Prozesses“
- Hochschulrektorenkonferenz, DAAD, Akkreditierungsrat, Vertretungen
der Studierenden/Gewerkschaften/Arbeitgeber, des Deutschen
Studentenwerks
- Nationale Bologna-Konferenzen
- Bachelor-Studiengang in 6 Semestern (bzw. 7, 8)
- 180-240 Credits
- Master-Studiengang in 4 Semestern (bzw. 3, 2)
- 60-120 Credits
- Zielvorgabe: 1.800 Arbeitsstunden pro Jahr (45 Wochen à 40 Stunden)
- Annäherung der Hochschulformen
- Akkreditierung der Studiengänge

Deutschland
2012:
415 Hochschulen, davon
106 Universitäten
WS 11/12:
2,4 Millionen Studenten
(Statistisches Bundesamt)
15300 Studiengänge
13000 umgestellt ( ̴ 85 %)

Bologna - Erfolge
• gestufte Studienstruktur
• neue Studiengänge
• Regelmäßige Evaluation
• Annäherung der Hochschulformen
• Praxisbezug
• Betreuungssituation
• Anstieg der Anzahl Studierender aus dem nicht-europäischen Ausland, die
einen Abschluss im europäischen Hochschulraum absolvieren
• innereuropäische Mobilität

Studienabbruchquoten
Vgl. http://www.his.de/pdf/pub_fh/fh-201203.pdf

Kritik
Horst Hippler, Chef der HRK:
„Eine Universität [muss] mehr leisten als Ausbildung, nämlich Bildung. Das tut sie mit dem
Bachelor nicht“.
(http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/rektorenkonferenz-prueft-fehlentwicklungen-im-bachelor-studium-a-868527.html)
„Die Unternehmen brauchen Persönlichkeiten, nicht nur Absolventen. Wir alle arbeiten
immer länger, da ist es sinnvoll, am Anfang mehr Zeit zu investieren und eine solche
Persönlichkeit auszubilden. Hierzu gehört auch, dass Studenten über den Tellerrand des
Fachs hinausschauen können.“
(http://www.sueddeutsche.de/bildung/zehn-jahre-bologna-reform-harsche-kritik-an-bachelor-und-master-1.1441136)

Kritik (1)
• Bachelor nach 6 Semestern
– Berufsqualifizierender Abschluss
– Fachliche und persönliche Eignung der Absolventen
– Individuelle Interessenschwerpunkte / Heranführung an wissenschaftliches Arbeiten
• Modularisierung, ECTS als Leistungsmesser
• zu dichte Studienorganisation Überforderung
– Anwesenheitspflicht
– Studienbegleitende Prüfungen
• Verschulung vs. Eigenstudium
• Abkopplung Forschung ↔ Lehre
• Praxisnähe

Kritik (2)
• Verwaltungsaufwand
• Mobilitätsbarrieren Inland/Ausland
– Anrechenbarkeit von Leistungen
• Zugangshürden zu Masterplätzen
• Probleme mit Anerkennung von Qualifikationen, extern erworbenen Kenntnissen und
Fähigkeiten
• Umgang mit veränderten Rahmenbedingungen: Demographie, Globalisierung
• Verbesserung der Chancengleichheit, Durchlässigkeit des Hochschulsystems (soziale
Dimension)

Humboldt vs. Bologna
Humboldt
Bologna
Unterscheidung Schulunterricht –
Universitätsunterricht
Verschulung
„Einsamkeit und Freiheit“
vorgegebener Studienverlauf, Verwertungslogik
Einheit von Lehre und Forschung
Trennung von Lehre und Forschung
Innensteuerung
Außensteuerung
Autonome Individuen, Weltbürger
Berufsfähige Absolventen mit vergleichbarem
Leistungsniveau

„Bologna ist gut für Menschen, die mit zwanzig schon wissen, was sie werden wollen.
Humboldt war gut für Suchende und Irrende. Ein ganzer Menschentypus, ja eine
Lebensform wird heimatlos“.
Gustav Seibt: Ende einer Lebensform. Unter:
http://www.sueddeutsche.de/karriere/bachelor-und-masterstudiengaenge-endeeiner-lebensform-1.553485-2

Fazit
• Bologna-Prozess als Beispiel für Reichweite von
EU-Entschlüssen
• Gekennzeichnet durch Stärken und Schwächen
- Unterschiedliche Interpretationen
• Prozess
• Deutsche Hochschulpolitik
- Paradigmenwechsel
- Neues Verhältnis Universität ↔ Hochschule
- Aussterben des „Weltbürgers“!?
• Potenzial erkennen und nutzen

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Literaturverzeichnis
• Bundesministerium für Bildung und Forschung: http://www.bmbf.de, zuletzt eingesehen am 28.11.2012
• http://www.studis-online.de/HoPo/Hintergrund/bologna-prozess.php
Zuletzt eingesehen am 28.11.2012
• http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/rektorenkonferenz-prueft-fehlentwicklungen-im-bachelor-studium-a-868527.html,
Zuletzt eingesehen am 28.11.2012, 08.39
• http://www.sueddeutsche.de/bildung/zehn-jahre-bologna-reform-harsche-kritik-an-bachelor-und-master-1.1441136,
Zuletzt eingesehen am 26.11.2012, 08.47
• http://www.bpb.de/publikationen/ONPUIK,0,Die_deutsche_Umsetzung_des_BolognaProzeses.html
Zuletzt eingesehen am 25.11.2011
• http://www.his.de/pdf/pub_fh/fh-201203.pdf, Zuletzt eingesehen am 28.11.2012, 09.05
• http://www.che.de/downloads/CHE_AP_148_Bologna_Prozess_aus_Sicht_der_Hochschulforschung.pdf
• http://www.sueddeutsche.de/karriere/bachelor-und-masterstudiengaenge-ende-einer-lebensform-1.553485-2, Zuletzt eingesehen am 28.11.2012, 12.34

Bildverzeichnis
• http://images.zeit.de/wissen/geschichte/2009-10/humboldt-uni-historisch
• http://www.bund-stifte.de/wp-content/uploads/bologna-prozess.jpg
• http://www.eu-bildungspolitik.de/uploads/dokumente_bildungspolitik/2008_05_egv_lissabon.pdf
• http://www.haz.de/var/storage/images/haz/nachrichten/politik/deutschland-welt/uni-rektoren-kritisieren-bolognareform/23998376-1-ger-DE/Uni-Rektoren-kritisieren-Bologna-Reform_ArtikelQuer.jpg
• http://diepresse.com/images/uploads/2/9/1/545425/bologna _gute_studienplaene_gibts_leere20100310130308.jpg
• http://polpix.sueddeutsche.com/bild/1.553527.1350501866/860x860/bachelor-masterstudiengaenge.jpg
•http://www.scilogs.de/wblogs/gallery/7/818-Bologna.jpg