Ãthiopien / Eritrea - unhcr
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VEREINTE NATIONEN<br />
DER HOHE<br />
FLÜCHTLINGSKOMMISSAR<br />
Vertretung in Deutschland<br />
Wallstrasse 9-13<br />
10179 Berlin<br />
UNITED NATIONS<br />
HIGH COMMISSIONER<br />
FOR REFUGEES<br />
Branch Office in Germany<br />
Telefon: +49 (0) 30 / 20 22 02-26/10<br />
Telefax: +49 (0) 30 / 20 22 02-23<br />
E-Mail: gfrbe@<strong>unhcr</strong>.ch<br />
UNHCR-Stellungnahme zu Staatsangehörigkeits- und<br />
Statusfragen im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen<br />
Äthiopien und <strong>Eritrea</strong><br />
1. Einleitung<br />
Ausgelöst durch den gegenwärtigen Grenzkonflikt zwischen Äthiopien und <strong>Eritrea</strong><br />
wurden verschiedenen Berichten zufolge Personen eritreischer Volkszugehörigkeit<br />
mit Wohnsitz in Äthiopien nach <strong>Eritrea</strong> und umgekehrt Personen äthiopischer<br />
Volkszugehörigkeit mit Wohnsitz in <strong>Eritrea</strong> nach Äthiopien vertrieben. Darüber<br />
hinaus wurde äthiopischen Staatsangehörigen eritreischer Volkszugehörigkeit mit<br />
Wohnsitz in einem Drittland die äthiopische Staatsangehörigkeit entzogen. Einige<br />
dieser Personen sind hierdurch staatenlos geworden.<br />
Auf der Grundlage des dem UNHCR von den Vereinten Nationen erteilten Mandats<br />
für das Problem der Staatenlosigkeit sowie des Mandats der Organisation für<br />
Flüchtlinge soll im Folgenden untersucht werden, ob diese Praxis der äthiopischen<br />
und eritreischen Behörden mit dem internationalen Recht sowie dem jeweiligen<br />
nationalen Recht von Äthiopien und <strong>Eritrea</strong> im Einklang steht. Weiterhin wird<br />
untersucht, welchen Status die von den oben geschilderten Maßnahmen betroffenen<br />
Personen haben und unter welchen Umständen sie die Flüchtlingseigenschaft der<br />
Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) erfüllen.<br />
2. Internationales Recht<br />
Art. 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ( AEMR ) und verschiedene<br />
andere internationale Instrumente enthalten das Recht auf eine Staatsangehörigkeit.<br />
Art. 15 AEMR hat folgenden Wortlaut:<br />
“ ( 1 ) Jeder Mensch hat Anspruch auf Staatsangehörigkeit.<br />
( 2 ) Niemand darf seine Staatsangehörigkeit willkürlich<br />
entzogen noch ihm das Recht versagt werden, seine<br />
Staatsangehörigkeit zu wechseln.”
Die Frage, ob die Staaten eine Verpflichtung haben, bestimmten Personen ihre Staatsangehörigkeit<br />
zu gewähren, bzw. ob dem Einzelnen ein Recht auf eine bestimmte<br />
Staatsangehörigkeit zukommt, bleibt dagegen im Wesentlichen den gesetzlichen<br />
Regelungen der einzelnen Länder vorbehalten. Diese müssen jedoch mit den<br />
grundlegenden Bestimmungen des internationalen Rechts, einschließlich der<br />
Menschenrechte, vereinbar sein.<br />
Schwierigkeiten hinsichtlich der Staatsangehörigkeit entstehen insbesondere im<br />
Zusammenhang mit der Staatennachfolge. Hier unterstützen Staatenpraxis und<br />
Wissenschaft zunehmend die Auffassung, dass es eine generelle Vermutung<br />
dahingehend gibt, dass die Bewohner eines Territoriums automatisch die<br />
Staatsangehörigkeit des neuen Staats erwerben und ihre vorhergehende verlieren. Ein<br />
wichtiger völkerrechtlicher Grundsatz, der von den Nachfolgestaaten bei der<br />
Gestaltung des Staatsangehörigkeitsrechts zu beachten ist, ist das Diskriminierungsverbot.<br />
Dieses ist in vielen Menschenrechtsverträgen - wie zum Beispiel Art. 2 des<br />
internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte - niedergelegt und<br />
verbietet eine Ungleichbehandlung aufgrund von Rasse oder nationaler Herkunft. Da<br />
im Rahmen dieser Stellungnahme nicht umfassend auf alle relevanten Bestimmungen<br />
des internationalen Rechts eingegangen werden kann, soll hier nur der Entwurf einer<br />
“Erklärung über die Bestimmung der Staatsangehörigkeit bei der Staatennachfolge”<br />
der VN-Völkerrechtskommission genannt werden. In dieser Erklärung sind die<br />
folgenden Grundprinzipien für das Staatsangehörigkeitsrecht bei der Staatennachfolge<br />
niedergelegt: Staatenlosigkeit sollte möglichst vermieden werden, der gewöhnliche<br />
Wohnort ist in der Regel eine vernünftige und objektive Basis für die Verleihung der<br />
Staatsangehörigkeit, Diskriminierung auf der Grundlage von Rasse, Volkszugehörigkeit<br />
oder ähnlichen Faktoren ist nicht zulässig, die Staaten sollten den<br />
Wunsch der betroffenen Personen berücksichtigen.<br />
3. Die Staatsangehörigkeitsgesetze Äthiopiens und <strong>Eritrea</strong>s<br />
Äthiopien<br />
Äthiopien hat nach der Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s keine bilateralen Vereinbarungen<br />
über Staatsangehörigkeitsfragen mit <strong>Eritrea</strong> getroffen und keine besonderen<br />
Bestimmungen hierzu in das Staatsangehörigkeitsrecht eingefügt. Das äthiopische<br />
Staatsangehörigkeitsgesetz stammt aus dem Jahr 1930 und wird ergänzt durch<br />
Bestimmungen der Verfassung von 1994.<br />
Nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz von 1930 erwirbt ein Kind, dessen Vater oder<br />
Mutter Äthiopier ist, mit Geburt in Äthiopien oder im Ausland die äthiopische<br />
Staatsangehörigkeit. Es ist daher davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt des<br />
Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahre 1930, eritreische<br />
Volkszugehörige ebenso wie Angehörige anderer ethnischer Gruppen im damaligen<br />
Staatsgebiet Äthiopiens als äthiopische Staatsangehörige betrachtet wurden. Der<br />
Anspruch auf die äthiopische Staatsangehörigkeit wurde demnach nicht von der<br />
ethnischen Zugehörigkeit abhängig gemacht. Auch nach der äthiopische Verfassung<br />
von 1987 erwerben Kinder äthiopischer Staatsangehöriger unabhängig von ihrer<br />
Volkszugehörigkeit grundsätzlich mit Geburt die äthiopische Staatsangehörigkeit. Der<br />
Inhalt dieser Bestimmung wurde nach der Unabhängigkeitserklärung <strong>Eritrea</strong>s in
Artikel 6 der Verfassung von 1994 übernommen. Dies bedeutet, dass sowohl vor wie<br />
auch nach der Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s alle Personen, die als Kinder äthiopischer<br />
Staatsangehöriger geboren wurden, die äthiopische Staatsangehörigkeit erhielten.<br />
Nach Art. 11 ( b ) des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1930 verliert ein äthiopischer<br />
Staatsangehöriger die Staatsbürgerschaft, wenn er seine Staatsangehörigkeit wechselt<br />
und eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt. Es ist davon auszugehen, dass diese<br />
Regelung sich nur auf Personen mit Wohnsitz außerhalb Äthiopiens bezieht, denn<br />
nach erneuter Wohnsitznahme in Äthiopien kann die äthiopische Staatsangehörigkeit<br />
wieder erworben werden ohne das die fremde Staatsangehörigkeit aufgegeben werden<br />
muss. Der gewöhnliche Wohnsitz scheint nach dem Gesetz von 1930 ein<br />
entscheidender Faktor für die Staatsangehörigkeit zu sein. Diese Annahme wird durch<br />
die jahrelange Praxis Äthiopiens und durch Art. 33 der Verfassung von 1994 bestätigt.<br />
Diese Vorschrift behandelt das Recht auf Staatsangehörigkeit und bestimmt, dass<br />
“keinem äthiopischen Staatsangehörigen seine oder ihre äthiopische Staatsangehörigkeit<br />
entzogen werden darf”, während “alle äthiopischen Staatsangehörigen<br />
das Recht haben ihre Staatsangehörigkeit zu wechseln”. Darüber hinaus bestimmt Art.<br />
33, dass die Eheschließung die Staatsangehörigkeit nicht annulliert, dass alle<br />
äthiopischen Staatsangehörigen dieselben Rechte haben, die ihnen aufgrund ihrer<br />
Staatsangehörigkeit zustehen und Ausländer die äthiopische Staatsangehörigkeit in<br />
Übereinstimmung mit dem Gesetz erwerben können.<br />
Weder das äthiopische Recht vor noch das Recht nach der Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s<br />
gibt Hinweise darauf, dass sich der Status von Personen, die möglicherweise die<br />
eritreische Staatsangehörigkeit erworben haben, ändert. Es gibt auch keine Hinweise<br />
dafür, dass sich Erwerb oder Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit nach der<br />
ethnischen Zugehörigkeit richtet.<br />
Eine Aberkennung der Staatsangehörigkeit allein wegen der Beteiligung an dem<br />
Volksentscheid über die Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s und ohne Vorliegen anderer<br />
Faktoren, wie z.B. Wechsel des Wohnsitzes oder freiwilliger Verzicht, ist im Gesetz<br />
nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Die Verfassung verbietet die Entziehung der<br />
äthiopischen Staatsangehörigkeit. Doch selbst wenn einige eritreische Volkszugehörige<br />
mit Wohnsitz in Äthiopien im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit<br />
<strong>Eritrea</strong>s die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren haben sollten, hätten sie nach<br />
dem Gesetz von 1930 die Staatsbürgerschaft Äthiopiens wegen ihres Wohnsitzes im<br />
Staatsgebiet Äthiopiens, durch Heirat oder durch freiwilligen Erwerb, zurückerhalten<br />
können. Das äthiopische Recht sieht weiterhin vor, dass die Kinder, die nach der<br />
Unabhängigkeitserklärung <strong>Eritrea</strong>s geboren wurden, äthiopische Staatsangehörige<br />
sind, wenn ein Elternteil äthiopischer Staatsangehöriger ist, selbst wenn der andere<br />
Elternteil eine andere Staatsangehörigkeit innehat. Von diesen Kindern kann nicht<br />
behauptet werden, dass sie ihr Recht auf die äthiopische Staatsangehörigkeit während<br />
des Referendums verloren haben.<br />
Die kürzlich erfolgte Stellungnahme eines hohen äthiopischen Beamten, dass die<br />
Vertriebenen durch die Teilnahme an der Abstimmung bei dem Volksentscheid über<br />
die Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s 1993 ihr Recht auf die äthiopische Staatsbürgerschaft<br />
verwirkt hätten, wird daher weder vom Staatsangehörigkeitsrecht Äthiopiens<br />
getragen, noch entspricht es der praktischen Anwendung der Gesetze bis zum<br />
Ausbruch des Konfliktes 1998.
Der Entzug der äthiopischen Staatsangehörigkeit - sechs Jahre nach der<br />
Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s ohne gesetzliche Grundlage und formales Verfahren und<br />
ohne die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung - ist als willkürlich zu betrachten<br />
und verstößt gegen internationale Menschenrechtsstandards. Darüber hinaus birgt<br />
dieses Vorgehen für viele Personen ein hohes Risiko staatenlos zu werden. Während<br />
einige eritreische Volkszugehörige mit Wohnsitz in Äthiopien die eritreische<br />
Nationalität erworben haben könnten und somit auf ihre äthiopische<br />
Staatsbürgerschaft nicht angewiesen waren, wurde anderen die äthiopische<br />
Staatsangehörigkeit entzogen, obwohl sie nicht im Besitz der eritreischen<br />
Staatsangehörigkeit waren.<br />
<strong>Eritrea</strong><br />
Die Regierung <strong>Eritrea</strong>s scheint der Auffassung zu sein, dass nicht alle Personen<br />
eritreischer Volkszugehörigkeit, die jetzt aus Äthiopien vertrieben werden, tatsächlich<br />
eritreische Staatsangehörige sind. Personen eritreischer Volkszugehörigkeit mit<br />
Wohnsitz außerhalb <strong>Eritrea</strong>s seien nur dann eritreische Staatsangehörige, wenn sie die<br />
Staatsangehörigkeit in einem förmlichen Verfahren beantragt hätten.<br />
Hinsichtlich des Staatsangehörigkeitsrecht bestimmt Art. 3 der eritreischen<br />
Verfassung, dass Kinder mit Geburt die eritreische Staatsangehörigkeit erwerben,<br />
wenn ein Elternteil die eritreische Staatsbürgerschaft besitzt. Ausländer können die<br />
eritreische Staatsangehörigkeit in Übereinstimmung mit den Gesetzen erwerben. Die<br />
<strong>Eritrea</strong>n Nationality Proclamation No. 21/1992 regelt den Erwerb der eritreischen<br />
Staatsangehörigkeit. Hier ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 ( 2 ) der<br />
Proklamation die eritreische Herkunft nicht mit der Volkszugehörigkeit gleichgesetzt<br />
wird, sondern davon abhängen soll, dass die Personen bereits 1933 ihren ständigen<br />
Aufenthalt in <strong>Eritrea</strong> hatten. Anzunehmen ist zwar, dass diejenigen, die bereits 1933<br />
in <strong>Eritrea</strong> ansässig waren, auch eritreische Volkszugehörige sind. Das Gesetz<br />
bestimmt als Anknüpfungspunkt jedoch nicht die ethnische Zugehörigkeit, sondern<br />
bestehende Bande zum Staatsgebiet.<br />
Jeder, der einen Vater oder eine Mutter eritreischer Abstammung hat, erwirbt<br />
automatisch die eritreische Staatsangehörigkeit. Es ist nach Art. 2 ( 5 ) der<br />
Proklamation auch möglich, neben der eritreischen noch eine andere<br />
Staatsbürgerschaft zu führen.<br />
Eine Person, der die eritreische Staatsangehörigkeit durch Geburt zusteht, muss, wenn<br />
sie sich im Ausland aufhält und die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes hat, die<br />
eritreische Staatsangehörigkeit beim Innenministerium beantragen, wenn sie die<br />
andere Staatsangehörigkeit ablegen und die eritreische Staatsangehörigkeit annehmen<br />
möchte oder sie neben der fremden Staatsangehörigkeit beibehalten möchte. Demnach<br />
können bestimmte Personen auch dann einen Anspruch auf Erwerb der eritreischen<br />
Staatsangehörigkeit haben, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland<br />
haben und ihre bisherige fremde Staatsangehörigkeit beibehalten. Die meisten<br />
Personen, auf die diese Regelung zutrifft, werden Personen mit Wohnsitz in<br />
Äthiopien sein. Äthiopien ist diese Bestimmung bekannt. Nach den vorliegenden<br />
Informationen hat Äthiopien der Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft für<br />
Personen dieser Gruppe, die ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Äthiopien haben,<br />
nicht widersprochen.
Für Personen, die zwischen 1934 und 1951 ihren Wohnsitz in <strong>Eritrea</strong> hatten und die<br />
auch noch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der <strong>Eritrea</strong>n Nationality Proclamation<br />
Einwohner <strong>Eritrea</strong>s waren, ist eine Art Einbürgerung vorgesehen. Diesen Personen<br />
soll generell die Staatsbürgerschaft verliehen werden, sofern sie nicht explizit<br />
widersprechen. Eine Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit kann auf Antrag<br />
vom Innenministerium ausgestellt werden. Auch hier ist eine doppelte<br />
Staatsangehörigkeit möglich. Abkömmlinge eingebürgerter Staatsbürger erhalten<br />
automatisch mit Geburt die eritreische Staatsangehörigkeit. Die Personen, die erst<br />
nach 1952 ins Land kamen und nicht eritreischer Abstammung sind, müssen die<br />
Staatsangehörigkeit beantragen. Die Erteilung wird von der Erfüllung bestimmter<br />
Voraussetzungen abhängig gemacht, so z.B. der förmliche Verzicht auf jede andere<br />
Staatsbürgerschaft oder die Absicht, in <strong>Eritrea</strong> ansässig zu werden.<br />
Aus dem vorgenannten wird deutlich, dass Personen eritreischer Abstammung und<br />
solche, die ihren Wohnsitz vor 1952 im Land hatten, automatisch die eritreische<br />
Staatsangehörigkeit erhalten haben und eine andere Staatsangehörigkeit nicht ablegen<br />
mussten, während Personen, die ihren Wohnsitz erst nach 1952 genommen haben, auf<br />
eine fremde Staatsangehörigkeit verzichten müssten, um die eritreische<br />
Staatsangehörigkeit zu erhalten.<br />
Durch Eheschließung findet nicht automatisch ein Wechsel der Staatsangehörigkeit<br />
statt. Personen, die einen eritreischen Staatsangehörigen geheiratet haben, müssen<br />
mindestens drei Jahre mit dem Ehegatten in <strong>Eritrea</strong> gelebt haben und die eigene<br />
Staatsangehörigkeit aufgeben, um die eritreische Staatsangehörigkeit zu erhalten.<br />
Die eritreische Staatsangehörigkeit kann verloren werden durch Verzicht, freiwilligen<br />
Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit nach Veröffentlichung der Proklamation,<br />
Leisten eines Treueeides für ein anderes Land, Landesverrat, Verstoß gegen ein<br />
ausdrückliches Verbot, einem anderen Land zu dienen. Eingebürgerte Eritreer können<br />
die Staatsangehörigkeit auch aus verschiedenen anderen Gründen verlieren,<br />
beispielsweise durch unrichtige Angaben bei der Antragstellung oder<br />
Anklageerhebung wegen einer Straftat, die mit Freiheitsstrafe von mehr als fünf<br />
Jahren bedroht ist.<br />
1992 wurde im Vorfeld des Volksentscheides immer wieder unterstrichen, dass die<br />
Teilnahme an dem Referendum keine Auswirkung auf die Staatsangehörigkeit der<br />
Abstimmenden haben sollte. Insbesondere sollte die Teilnahme nicht den Verlust der<br />
Staatsangehörigkeit zur Folge haben. Im Gegenteil wurde gemäß der Proklamation<br />
über das Referendum angenommen, dass die Personen, die an der Abstimmung<br />
teilnahmen, eritreische Staatsbürger sind. Das Staatsangehörigkeitsrecht sieht jedoch<br />
wie oben bereits beschrieben vor, dass der Erwerb der Staatsangehörigkeit für<br />
Personen, die nicht in <strong>Eritrea</strong> leben, nur auf Antrag möglich ist. Die Proklamation<br />
über das Referendum und das Staatsangehörigkeitsrecht sind insoweit<br />
widersprüchlich. In der Praxis konnten auch Personen abstimmen, die vorher keinen<br />
förmlichen Antrag auf Erwerb der Staatsangehörigkeit gestellt und eine<br />
Bescheinigung über die Staatsangehörigkeit erhalten hatten. An der Abstimmung<br />
haben Personen eritreischer Abstammung, eingebürgerte Personen eritreischer<br />
Volkszugehörigkeit, äthiopische Volkszugehörige, die die eritreische<br />
Staatsangehörigkeit erworben hatten sowie Personen mit Wohnsitz im Ausland, die<br />
möglicherweise eine fremde Staatsangehörigkeit besaßen, teilgenommen.
Es kann folglich weder angenommen werden, dass die Teilnahme an dem<br />
Referendum gleichbedeutend war mit der Aufgabe einer anderen Staatsangehörigkeit,<br />
noch kann davon ausgegangen werden, dass alle Personen eritreischer<br />
Volkszugehörigkeit mit der Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s notwendigerweise eritreische<br />
Staatsangehörige wurden. Die tatsächliche Staatsangehörigkeit von Personen, die<br />
nicht in <strong>Eritrea</strong> ansässig sind, aber an dem Referendum teilgenommen haben, kann<br />
sich später auch durch Eheschließung und freiwilligen Erwerb einer anderen<br />
Staatsbürgerschaft geändert haben. Im Hinblick auf das Erfordernis eines förmlichen<br />
Antrages auf Staatsangehörigkeit für Personen mit Wohnsitz außerhalb <strong>Eritrea</strong>s,<br />
bedarf es einer weiteren Klärung im Einzelfall mit den eritreischen Behörden.<br />
4. Flüchtlingsstatus von Personen, die von Äthiopien nach <strong>Eritrea</strong> oder von<br />
<strong>Eritrea</strong> nach Äthiopien vertrieben wurden<br />
Alle bedeutenden internationalen und regionalen Menschenrechtsverträge erkennen<br />
das Recht an, im Heimatland zu leben. Sie beinhalten auch bestimmte<br />
Verfahrensgarantien, die auf die Ausweisung von Ausländern, die sich rechtmäßig im<br />
Land aufhalten, Anwendung finden. Darüber hinaus werden kollektive Vertreibungen<br />
verboten. Insbesondere ist hier auf Art. 12 (4) und Art. 13 des Internationalen Pakts<br />
über bürgerliche und politische Rechte hinzuweisen, dem auch Äthiopien beigetreten<br />
ist:<br />
Art. 12 ( 4 ): “Niemand darf willkürlich das Recht entzogen werden, in sein eigenes Land einzureisen.”<br />
Art. 13: “Ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates aufhält, kann aus<br />
diesem nur auf Grund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung ausgewiesen werden, und es ist ihm,<br />
sofern nicht zwingende Gründe der nationalen Sicherheit entgegenstehen, Gelegenheit zu geben, die<br />
gegen seine Ausweisung sprechenden Gründe vorzubringen und diese Entscheidung durch die<br />
zuständige Behörde oder durch eine oder mehrere von dieser Behörde besonders bestimmte Personen<br />
nachprüfen und sich dabei vertreten zu lassen.”<br />
Ähnliche Bestimmungen enthalten die Afrikanische Charta der Menschenrechte und<br />
Rechte der Völker in Art. 12, Absätze 2, 4 und 5, das Protokoll 4 zur Europäischen<br />
Menschenrechtskonvention in Art. 3 und 4 sowie die Amerikanische<br />
Menschenrechtskonvention in Art. 22, Absätze 5, 6 und 9.<br />
Selbst wenn nach einigen dieser Abkommen das Recht im Heimatland zu leben<br />
gewissen Einschränkungen unterliegen kann, dürfen diese nicht willkürlich sein,<br />
müssen mit den geltenden Gesetzen übereinstimmen und auf besonderen Gründen<br />
beruhen. Im Einklang mit dem allgemein akzeptierten Verbot der Diskriminierung<br />
dürfen diese Gründe nicht an Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion,<br />
politische oder sonstige Überzeugung, nationale oder soziale Herkunft, Eigentum,<br />
Geburt oder sonstige Umstände anknüpfen. Ausweisung oder Vertreibung aus einem<br />
dieser Gründe stellt eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte dar.<br />
Deshalb kann die Ausweisung oder Vertreibung von Menschen wegen ihrer Rasse,<br />
Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder<br />
wegen ihrer politischen Überzeugung, Verfolgung im Sinne der Genfer<br />
Flüchtlingskonvention darstellen. Nach Art. 1 A (2) der Genfer Flüchtlingskonvention<br />
ist eine Person, die eine Staatsangehörigkeit besitzt, Flüchtling, wenn sie
sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion,<br />
Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer<br />
politischen Überzeugung außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit<br />
sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen<br />
dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will.<br />
Für den Fall, dass eine Person mehr als eine Staatsangehörigkeit hat, bezieht sich der<br />
Ausdruck ”das Land, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt,” gemäß dieser Vorschrift<br />
auf jedes der Länder, dessen Staatsangehörigkeit diese Person hat. Ist eine Person<br />
staatenlos, wird an das Land des gewöhnlichen Aufenthaltes angeknüpft.<br />
Dies bedeutet, dass äthiopische Staatsangehörige, die wegen ihrer ethnischen<br />
Zugehörigkeit aus Äthiopien nach <strong>Eritrea</strong> vertrieben wurden, einen Anspruch auf den<br />
Flüchtlingsstatus haben können, wenn sie keine andere Staatsangehörigkeit besitzen,<br />
oder wenn sie, obwohl sie eine andere Staatsangehörigkeit besitzen, nicht auf den<br />
Schutz dieses Landes zählen können. Wenn diesen Personen die äthiopische<br />
Staatsangehörigkeit entzogen wurde und sie dadurch staatenlos wurden, können sie<br />
dennoch Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 A GFK sein, da Äthiopien in diesem Fall als<br />
Land des gewöhnlichen Aufenthaltes angesehen wird.<br />
Abschließende Bemerkungen<br />
Nach dem internationalem Recht ist es das Recht und die Pflicht eines jeden Staates,<br />
gesetzlich zu regeln, wer seine Staatsbürger sind. Die Staatsangehörigkeitsgesetze<br />
<strong>Eritrea</strong>s und Äthiopiens basieren auf allgemein anerkannten Kriterien zur<br />
Bestimmung der Staatsangehörigkeit, wie z.B. Eheschließung, Abstammung von<br />
Staatsangehörigen oder besonderem Bezug zum Land durch langjährige<br />
Ortsansässigkeit. Es gibt weder Hinweise darauf, dass die Volkszugehörigkeit der<br />
einzig bestimmende Faktor für die Staatsangehörigkeit ist, noch dass sie das<br />
Kriterium für die Teilnahme an der Abstimmung beim Volksentscheid über die<br />
Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s war. Die Staatsangehörigkeit einiger Personen veränderte<br />
sich infolge der Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s. Andere haben ihre Staatsangehörigkeit<br />
gewechselt indem sie z.B. heirateten oder ihren Wohnsitz verlegten. Seit der<br />
Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s sind viele Kinder geboren worden, die nach den Vorschriften<br />
beider Länder ihre Staatsangehörigkeit von der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern<br />
ableiten.<br />
Im Hinblick auf die Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s ist von der äthiopischen Regierung kein<br />
Gesetz verabschiedet worden, durch das der Status der Personen geändert würde, die<br />
früher die äthiopische Staatsangehörigkeit innehatten. <strong>Eritrea</strong> bestimmt durch Gesetz,<br />
wer automatisch oder auf Antrag die Staatsangehörigkeit erhält. Dabei wird die<br />
Staatsangehörigkeit nicht von der Volkszugehörigkeit, sondern von einem Aufenthalt<br />
im Staatsgebiet von bestimmter Dauer abhängig gemacht. Nicht alle Personen<br />
eritreischer Volkszugehörigkeit müssen notwendigerweise die eritreische<br />
Staatsangehörigkeit erhalten haben. Darüber hinaus scheint für Personen mit<br />
Wohnsitz außerhalb des Landes ein förmlicher Antrag zur Erlangung der<br />
Staatsangehörigkeit notwendig zu sein. Nach eritreischen Recht können eritreische<br />
Staatsbürger gleichzeitig im Besitz der äthiopischen Staatsangehörigkeit sein. Das<br />
äthiopische Staatsangehörigenrecht steht dem nicht entgegen.
Aufgrund der oben gewonnenen Erkenntnisse besteht die Möglichkeit, dass Personen,<br />
denen ihre äthiopische Staatsangehörigkeit entzogen wurde, staatenlos geworden sind.<br />
Dieses Risiko existiert insbesondere für Personen, die nicht in <strong>Eritrea</strong> ansässig sind<br />
oder nicht die eritreische Staatsangehörigkeit beantragt haben sowie diejenigen, die<br />
kein automatisches Recht auf die Staatsbürgerschaft aufgrund ihrer Ortsansässigkeit<br />
vor 1952 geltend machen können.<br />
Nicht alle eritreischen Staatsangehörigen waren auf den Wählerlisten für das<br />
Referendum registriert und es kann auch nicht angenommen werden, dass alle, die bei<br />
dem Volksentscheid abgestimmt haben, eritreische Staatsbürger waren. In den Fällen,<br />
in denen eritreische Identifikationskarten für die Teilnahme an der Abstimmung<br />
ausgestellt wurden, darf dies nicht als Äquivalent für die Staatsangehörigkeit gewertet<br />
werden. Für Personen, die keinen Wohnsitz in <strong>Eritrea</strong> hatten, ist für den Erhalt der<br />
eritreischen Staatsangehörigkeit ein formaler Antrag notwendig. Demnach haben<br />
diejenigen, die im Besitz einer solchen Identifikationskarte sind, nicht automatisch die<br />
eritreische Staatsangehörige erworben.<br />
Es ist auch möglich, dass Personen äthiopischer Volkszugehörigkeit, die entweder<br />
von <strong>Eritrea</strong> vertrieben wurden oder das Land verlassen haben, während des<br />
Volksentscheides auf die äthiopische Staatsangehörigkeit verzichteten oder erst nach<br />
der Unabhängigkeit <strong>Eritrea</strong>s geboren wurden und die äthiopische Staatsangehörigkeit<br />
nicht erhalten haben. Wenn diesen Personen die eritreische Staatsangehörigkeit<br />
entzogen wurde, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie staatenlos geworden sind.<br />
Es gibt daher keine Gewißheit, dass Personen, die von Äthiopien nach <strong>Eritrea</strong> oder<br />
von <strong>Eritrea</strong> nach Äthiopien abgeschoben wurden, die Staatsangehörigkeit des<br />
Aufnahmelandes besitzen - auch dann nicht, wenn das jeweilige Land die Einreise<br />
erlaubte.<br />
Solche Personen erfüllen dann die Flüchtlingseigenschaft, wenn sie allein aufgrund<br />
ihrer Volkszugehörigkeit vertrieben wurden oder ihre Staatsangehörigkeit verloren<br />
haben ohne das sie effektiv unter dem Schutz eines anderen Staates stehen, dessen<br />
Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie, wenn sie staatenlos sind, ihren<br />
gewöhnlichen Aufenthalt haben.<br />
UNHCR Berlin, August 1999