21.10.2014 Aufrufe

Chinesische Zimmer, Turnhallen und Gehirne - Universität Konstanz

Chinesische Zimmer, Turnhallen und Gehirne - Universität Konstanz

Chinesische Zimmer, Turnhallen und Gehirne - Universität Konstanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Chinesische</strong> <strong>Zimmer</strong>, <strong>Turnhallen</strong> <strong>und</strong> <strong>Gehirne</strong> [9. September 2013] 15<br />

Nun endlich können wir wieder die Frage stellen: Warum sollte das Chinesisch-<br />

Verständnis des Programmes ein Chinesisch-Verständnis bei dem es ausführenden<br />

Searle bewirken? D.h. warum sollte die Abstraktionsebene, auf der von Searles Gedanken<br />

zu sprechen sinnvoll ist (die unterste der chinesischen Hierarchie), identisch<br />

sein mit der, auf welcher die Gedanken des Programmes zu den beobachtbaren Objekten<br />

gehören (die oberste der chinesischen Hierarchie)? Nur weil es auf beiden<br />

Ebenen um Verständnis <strong>und</strong> Geist geht? Die Antwort erübrigt sich. Die Gedanken des<br />

Chinesisch-Programmes sind Searle genausowenig durch Introspektion zugänglich<br />

(weil in Abstraktionsebenen gemessen ähnlich weit von ’<br />

ihm selbst‘ entfernt) wie das<br />

Feuern seiner Neuronen.<br />

Dies ist mein Verständnis des Gedankenexperiments vom <strong>Chinesische</strong>n <strong>Zimmer</strong>,<br />

<strong>und</strong> ich halte es für mindestens ebenso akzeptabel wie Searles Verständnis. Meine<br />

Vorstellungen über Geist <strong>und</strong> KI mögen reichlich spekulativ <strong>und</strong> unausgegoren sein,<br />

aber ich behaupte auch nicht, daß sie zutreffen. Es genügt mir, daß meine Intuition<br />

bezüglich des <strong>Chinesische</strong>n <strong>Zimmer</strong>s mindestens so plausibel ist wie die Searles <strong>und</strong><br />

somit seine nicht die einzig mögliche ist. 20 Damit ist Searles Gedankenexperiment<br />

kein zwingendes Argument gegen die starke KI-These mehr.<br />

Die kausalen Kräfte von <strong>Gehirne</strong>n <strong>und</strong> Programmen<br />

Die entscheidende Eigenschaft, die in Searles Augen biologische <strong>Gehirne</strong> KI-Programmen<br />

(bzw. Elektronengehirnen) voraushaben, besteht in ihren kausalen Kräften. Welche<br />

Kräfte das genau sind, die aus Proteinen <strong>und</strong> dergleichen bestehende Neuronen <strong>und</strong><br />

die verschiedenen Hormone besitzen <strong>und</strong> Einsen <strong>und</strong> Nullen, Additionsanweisungen<br />

<strong>und</strong> Schleifen (bzw. Siliziumchips, Magnetbänder <strong>und</strong> elektrische Ladungen) nicht,<br />

erläutert er nicht genauer, so daß die kausalen Kräfte des Gehirns manchmal ähnlich<br />

mystisch wie der göttliche Atemhauch erscheinen. Ich glaube, Searles Haltung so<br />

zusammenfassen <strong>und</strong> beschreiben zu können, daß Geist ein Naturphänomen wie<br />

andere auch ist, zu dessen Hervorbringung es nicht genügt, die Struktur der es konstituierenden<br />

Prozesse nachzuschaffen, sondern darüberhinaus ebendiese Prozesse<br />

selbst notwendig sind. Statt kausale Kräfte“ sollte man vielleicht einfach immer<br />

”<br />

physikalische Eigenschaften“ lesen. Nicht gemeint ist damit jedenfalls die Fähigkeit<br />

”<br />

von <strong>Gehirne</strong>n (bzw. Computern), über Wahrnehmungsorgane (bzw. Transducer‘)<br />

’<br />

<strong>und</strong> ihrer Kontrolle unterworfene Gliedmaßen (ggf. künstliche, so daß der Computer<br />

zu einem Roboter wird) mit ihrer Umwelt kausal wechselwirken zu können. Diese<br />

Fähigkeit mag für Geist ebenfalls notwendig sein, aber um sie geht es Searle nicht<br />

(vgl. The Robot Reply“ in Searle 1980, S. 420). Er meint,<br />

”<br />

daß das Gehirn nicht einfach ein formales Muster oder Programm aktiviert (es<br />

macht das auch), sondern kraft spezifischer neurobiologischer Prozesse zugleich<br />

mentale Ereignisse verursacht. <strong>Gehirne</strong> sind spezifische biologische Organe, <strong>und</strong><br />

ihre besonderen biochemischen Eigenschaften befähigen sie, Bewußtsein <strong>und</strong><br />

andere Formen mentaler Phänomene hervorzurufen. Computersimulationen von<br />

Gehirnprozessen liefern dagegen nur Modelle der formalen Aspekte dieser Prozesse.<br />

Man sollte Simulation nicht mit Nachschaffen oder Duplikation verwechseln.<br />

Das Computermodell mentaler Prozesse ist um nichts realer als ein Computermodell<br />

irgendeines anderen natürlichen Phänomens. Man kann sich zum Beispiel eine<br />

Computersimulation der Wirkungsweise von Peptiden im Hypothalamus vorstellen,<br />

welche die Vorgänge bis hinunter zur letzten Synapse akkurat beschreibt. Aber<br />

20 Ich spreche nicht von Intuitionen darüber, welche Sorte von Prozessen Geist hervorbringen kann,<br />

sondern, ’<br />

wo‘ im <strong>Chinesische</strong>n <strong>Zimmer</strong> Geist zu finden sein könnte.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!