Offene Pforten - Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und ...
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Gesa Klaffke-Lobsien <strong>und</strong> Kaspar Klaffke<br />
<strong>Offene</strong> <strong>Pforten</strong><br />
Das Kommunikationsbedürfnis in der Gartenkultur<br />
In Großbritannien ist „Gardens Open for Charity“ eine<br />
Art Volksbewegung. Jedes Jahr gibt „The National Gardens<br />
Scheme“(NGS) 1 „The Yellow Book“ heraus. Darin<br />
sind nach Regionen geordnet Tausende von Gärten<br />
versammelt, die an bestimmten Tagen für Besucher<br />
geöffnet werden. 2 1927 gegründet, verband die Aktion<br />
von Anfang an das bekannte Interesse der englischen<br />
<strong>Gesellschaft</strong> an Gartenkultur mit wohltätigen Zwecken.<br />
Ursprünglich wurde damit vor allem in Not geratenen<br />
Krankenschwestern geholfen. Heute unterstützt NGS<br />
daneben vor allem die Krebshilfe <strong>und</strong> die Hospizbewegung.<br />
Die Gartenbesucher müssen also ein Eintrittgeld<br />
bezahlen, das für „Charities“ verwendet wird.<br />
In den 1980er Jahren kamen in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland Gartenreisen nach Großbritannien in<br />
Mode. Wer sie unternahm, kam animiert <strong>und</strong> mit dem<br />
Wunsch zurück, etwas von dem dort erlebten Geist<br />
auf unser Gartenleben zu übertragen. Gewiss standen<br />
die berühmten Gärten des National Trust oder<br />
der Royal Horticultural Society solcher Reisen ganz<br />
vorn. Aber wenn man das Glück hatte, auch Angebote<br />
des Garden Scheme wahrzunehmen, konnte<br />
über die Atmosphäre in diesen geöffneten Privatgär-<br />
ten nur staunen; denn es ging dort keineswegs nur<br />
um die beschauliche Besichtigung von Gärten. Es<br />
herrschte Party-Stimmung. Die Besucher hatten sich<br />
herausgeputzt, Frauen trugen Hüte, sie unterhielten<br />
sich, tranken Tee, knabberten Kekse <strong>und</strong> jubelten<br />
zwischendurch über gelungene Pflanzenarrangements.<br />
Viele schienen sich zu kennen <strong>und</strong> waren erfreut,<br />
eine Gelegenheit zum Wiedersehen zu haben.<br />
Kommentare, die den Garten betrafen, bewiesen Interesse<br />
<strong>und</strong> Sachverstand, aber sie fügten sich ganz<br />
harmlos in eine allgemeine lebendige Plauderei ein.<br />
Es war nur eine Frage der Zeit, dass etwas Vergleichbares<br />
auch in Deutschland entstehen würde. Weil die<br />
Sache ohnehin in der Luft lag, beschloss im Jahr 1991<br />
eine Gruppe von Hannoveranern, teils in der Stadtverwaltung<br />
verankert, teils in gartenkulturell interessierten<br />
Vereinen engagiert, ihrer Stadt zum 750jährigen Jubiläum<br />
eine Initiative „Die offene Pforte in <strong>und</strong> um Hannover“<br />
zu schenken. Neunzehn Gartenbesitzer waren<br />
spontan bereit, sich an der Aktion zu beteiligen. Das<br />
B<strong>und</strong>essortenamt, die Landwirtschaftskammer Hannover<br />
<strong>und</strong> die Stadt bereicherten das Programm mit<br />
besonderen Angeboten. Sehr schnell schlossen sich<br />
DGGL-Jahrbuch 2010
Fotos: Kaspar Klaffke<br />
in den folgenden Jahren weitere Organisationen, vor<br />
allem der Zweckverband Großraum Hannover, heute<br />
Region Hannover, an. Der Oberbürgermeister <strong>und</strong> der<br />
Regionspräsident übernahmen die Schirmherrschaft.<br />
In diesem Jahr wird die Aktion zum 20. Mal stattfinden.<br />
Gleichzeitig <strong>und</strong> danach haben sich überall in<br />
Deutschland in großer Zahl lokale oder regionale<br />
<strong>Offene</strong> <strong>Pforten</strong> gebildet. 3 Die Organisationsformen<br />
weichen stark voneinander ab. Wie die <strong>Offene</strong><br />
Pforte von Hannover organisiert ist, soll hier<br />
kurz <strong>und</strong> exemplarisch charakterisiert werden.<br />
Der Klostergarten des Damenstifts Mariensee bei Neustadt<br />
/ Rübenberge öffnet seine Tore für Besucher im Rahmen<br />
der „<strong>Offene</strong>n <strong>Pforten</strong>“.<br />
Die <strong>Offene</strong> Pforte in <strong>und</strong> um Hannover<br />
Prinzipiell kann sich jeder begeisterte Gartenbesitzer<br />
an der Aktion beteiligen. Der Zeitpunkt der Öffnung eines<br />
Gartens kann von jedem selbst bestimmt werden.<br />
In dem einen Garten sind im April die Frühjahrsblüher<br />
besonders prächtig, ein anderer glänzt im Juni mit üp-<br />
DGGL-Jahrbuch 2010
pigem Rosenflor, ein dritter bietet besonders buntes<br />
Herbstlaub. Es wird einheitlich kein Eintrittsgeld erhoben.<br />
Die Verknüpfung mit kommerziellen Interessen<br />
ist nicht erwünscht. Eine ehrenamtliche Koordination<br />
ohne eine formale Vereinsstruktur hat sich als vorteilhaft<br />
erwiesen. Die Landeshauptstadt Hannover <strong>und</strong><br />
die Region Hannover tragen die Kosten für die technische<br />
Herstellung, das Layout <strong>und</strong> den Druck einer<br />
Broschüre mit den Adressen <strong>und</strong> Öffnungszeiten, die<br />
in großer Auflage auch in öffentlichen Stellen ausliegt.<br />
Auch Privatleute zeigen ihre Gärten: Hier der Pflanzensammler-Garten<br />
von Dr. Johannes-Ulrich Urban in Wunstorf<br />
Sie beteiligen sich außerdem finanziell an einem Treffen<br />
der Gartenbesitzer, zu dem einmal im Jahr eingeladen<br />
wird. Bei dieser Gelegenheit bedanken sich die<br />
Schirmherren bei den Gartenbesitzern für deren Engagement.<br />
Im letzten Jahr haben sich fast 170 Gartenbesitzer<br />
an der Aktion beteiligt. Der Einzugsbereich<br />
reicht über die Grenzen der Region Hannover hinaus. 4<br />
DGGL-Jahrbuch 2010
Trotz aller Unterschiede der verschiedenen <strong>Offene</strong>n<br />
<strong>Pforten</strong> in Deutschland lässt sich das gemeinsame<br />
Besondere an dieser gartenkulturellen Bewegung vielleicht<br />
doch in fünf Eigenschaften zusammenzufassen.<br />
Vermehrung durch Ableger<br />
Auch Privatleute zeigen ihre Gärten: Hier der Pflanzensammler-Garten<br />
von Dr. Johannes-Ulrich Urban in Wunstorf<br />
Verblüffend ist zunächst der selbsttätige Ausbreitungsdrang<br />
der <strong>Offene</strong>n <strong>Pforten</strong>. Sie pflanzen sich<br />
ohne zentrale Steuerung von selbst fort. Allein im<br />
Umkreis von Hannover sind seit 1991 mehrere Ableger<br />
entstanden. 5 Manchmal erfolgt ein bewusster<br />
Anstoß, aber der genügt in der Regel, um eine neue<br />
Aktion dauerhaft etablieren. Die b<strong>und</strong>esweit agierenden,<br />
gartenkulturell ausgerichteten Verbände spielen<br />
bei der Verbreitung der Idee eine animierende Rolle.<br />
So hat die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Gartenkunst</strong><br />
<strong>und</strong> Landschaftskultur (DGGL) über ihre Landesverbände<br />
die Entstehung weiterer <strong>Offene</strong>r <strong>Pforten</strong><br />
zweifellos beflügelt. Andererseits konkurrieren solche<br />
Verbände auch miteinander <strong>und</strong> versuchen dieses<br />
attraktive gartenkulturelle Feld für sich zu besetzen.<br />
Der B<strong>und</strong> <strong>Deutsche</strong>r Landschaftsarchitekten (bdla)<br />
beispielsweise verfolgt b<strong>und</strong>esweit ein Programm<br />
„Gartenwelten“. Darin werden mit wechselnden regionalen<br />
Schwerpunkten nur von Landschaftsarchitekten<br />
gestaltete <strong>und</strong> von einer Jury ausgewählte<br />
Gärten offeriert. Die <strong>Deutsche</strong> Gartenbaugesellschaft<br />
(DGG) betreibt eine Idee „Gartenkulturpfade“, bei<br />
der mehrere lokale oder regionale Gartenangebote<br />
zusammengeb<strong>und</strong>en werden. Auch Landesregierungen<br />
oder private Organisationen, zum Beispiel<br />
„Gartennetz Deutschland e.V.“ 6 , versuchen inzwischen,<br />
das muntere Gewimmel der Initiativen einzufangen<br />
<strong>und</strong> für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.<br />
DGGL-Jahrbuch 2010
Der Reiz der Überschaubarkeit <strong>und</strong><br />
die Freude am organisatorischen Wildwuchs<br />
Aber es scheint so, als würden sich die Einzelinitiativen<br />
vor allem räumlich einem größeren einheitlichen<br />
Ganzen verweigern. Schon die <strong>Offene</strong> Pforte<br />
von Hannover wird von vielen als zu weit ausgedehnt<br />
empf<strong>und</strong>en. Deshalb kommt es immer wieder zu Abspaltungen,<br />
die auch bei den Organisatoren durchaus<br />
willkommen sind. Offenbar wollen die an einer <strong>Offene</strong>n<br />
Pforte Beteiligten übereinstimmend die Grenze<br />
der Überschaubarkeit nicht überschreiten. Die Gartenbesitzer<br />
<strong>und</strong> auch die Besucher möchten sich untereinander<br />
kennen. In der Regel sind sie an festen<br />
Vereinsstrukturen nicht interessiert. Die Wortführer<br />
sehen in den offenen <strong>Pforten</strong> eine Möglichkeit, ohne<br />
Fremdbestimmung, im lockeren Verb<strong>und</strong> <strong>und</strong> frei von<br />
Lobbyinteressen ihre Gartenidee zu transportieren.<br />
Die Vielfalt der Leidenschaften<br />
Alle <strong>Offene</strong>n <strong>Pforten</strong> in Deutschland sind zwar gemeinnützige,<br />
aber keine Veranstaltungen zum Sammeln<br />
von Geld für wohltätige Zwecke. Die Bewegung<br />
ist in ihrer Zielsetzung vor allem eine gartenkulturelle<br />
Offerte <strong>und</strong> sie offenbart darin eine überraschende<br />
<strong>und</strong> überaus reizvolle Vielfalt der Gartentypen wie<br />
auch der Ideale <strong>und</strong> Mentalitäten ihrer Besitzer. Kleine<br />
innerstädtische Gartenhöfe stehen neben weitläufigen<br />
ländlichen Parks, hochmoderne Landschaftsarchitekturen<br />
neben ausgewiesenen Gartendenkmalen,<br />
Klein- <strong>und</strong> Bauerngärten neben großartigen Anlagen.<br />
Laien wetteifern selbstbewusst mit Professionellen,<br />
Formalisten mit Naturaposteln. Sammler versuchen,<br />
alle Pflanzenschätze der Erde in ihrem Garten zu<br />
bergen. Ästheten achten auf farblich sorgsam abgestimmte<br />
Pflanzenbilder. Rosen-, Stauden, Kamelien-<br />
<strong>und</strong> Fuchsienfre<strong>und</strong>e kümmern sich leidenschaftlich<br />
um die Pflanzenkinder ihrer Wahl. Ein Modelleisenbahner<br />
werkelt an einer maßstabsgerechten Miniaturlandschaft.<br />
Der Träumer öffnet ein Fenster zur Landschaft<br />
<strong>und</strong> ein Nutzpflanzengärtner freut sich an seinen<br />
w<strong>und</strong>erbaren roten Tomaten. Nur bei manchen hat<br />
man den Eindruck, dass der Garten Vorwand ist, um<br />
Kuchen backen zu dürfen oder eigene künstlerische<br />
Bemühungen zu zeigen. Auch phantasievoll agierende<br />
Händlermentalitäten sind schwer zu bremsen.<br />
Die doppelte Attraktivität des Schauens<br />
In den eigenen Garten einzuladen <strong>und</strong> in andere<br />
Gärten zu schauen, das sind vermutlich die Haupttriebkräfte<br />
für den Erfolg der <strong>Offene</strong>n <strong>Pforten</strong>. Das<br />
Bedürfnis der Gartenbesitzer ihren Garten, in den<br />
ja viel Herzblut fließt, anderen zu zeigen, <strong>und</strong> der<br />
Wunsch, über den Gartenzaun in andere private,<br />
anregende Paradiese zu blicken, verstärken sich gegenseitig.<br />
Es ist nicht schwierig Gartenbesitzer zu<br />
finden, die bereit sind, sich an einer <strong>Offene</strong>n Pforte<br />
zu beteiligen, <strong>und</strong> für Besucher ist das Angebot zweifellos<br />
attraktiv. Die Erwartungen werden selten enttäuscht.<br />
Gelegentliche Ängste vor falschen Gästen<br />
sind schnell verflogen. Gartenbesucher können die<br />
Entwicklung eines Gartens über die Jahre verfolgen.<br />
Mehrere Besichtigungen lassen sich miteinander<br />
<strong>und</strong> mit einem Ausflug verbinden. Hinzu kommt, dass<br />
die Medien sehr gern über das Thema berichten.<br />
Das Sehen als Silber <strong>und</strong> das Reden als Gold<br />
Die <strong>Offene</strong>n <strong>Pforten</strong> bieten eine hervorragende Plattform<br />
zur Kommunikation. Das ist in Deutschland<br />
nicht anders als in England. Die private Wohnung<br />
ist ein intimer Bereich, den man als Besitzer ge-<br />
DGGL-Jahrbuch 2010
schützt sehen möchte <strong>und</strong> in den man als Fremder<br />
auch nicht gern eindringt. Aber der Garten öffnet einen<br />
Zwischenraum zwischen der privaten <strong>und</strong> der<br />
öffentlichen Sphäre, in dem man sich sehr gut <strong>und</strong><br />
unverbindlich miteinander austauschen kann. Die<br />
Gartenbesucher kommen also auch zum Reden,<br />
nicht nur über die W<strong>und</strong>er des Gartens, sondern auch<br />
über andere Dinge. Deshalb eignen sich die <strong>Offene</strong>n<br />
<strong>Pforten</strong> offenbar auch sehr gut dazu, sie mit anderen<br />
Angeboten, Ausstellungen zu Bildender Kunst,<br />
Lesungen, Konzerten, Modeschauen, Theater- oder<br />
sogar Opernaufführungen zu verbinden. 7 Man sieht<br />
sich, man kennt sich, man schließt sogar neue<br />
Fre<strong>und</strong>schaften. Früher traf man sich selbstverständlich<br />
auf dem Marktplatz, in der Kirche, beim Bäcker<br />
oder Fleischer. Heute begegnet man sich im Garten.<br />
1<br />
www.ngs.org.uk<br />
2<br />
Schottland hat eine eigene Organisation mit einer eigenen<br />
Publikation. wwwgardensofscotland.org<br />
3<br />
Einen Überblick über bestehende <strong>Offene</strong> <strong>Pforten</strong> bietet<br />
Clark, Ronald (2008): Gartenreiseführer, 1400 Gärten <strong>und</strong><br />
Parks in Deutschland. <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Gartenkunst</strong><br />
<strong>und</strong> Landschaftskultur e.V. (Hrsg), München.<br />
4<br />
Klaffke, Kaspar, Klaffke-Lobsien, Gesa, <strong>und</strong> Langreder,<br />
Thomas (2009): Streifzüge durch die Gartenregion Hannover,<br />
Rostock.<br />
5<br />
Die Stadt Langenhagen, die Landkreise Celle, Hameln-<br />
Pyrmont, Schaumburg-Lippe <strong>und</strong> Soltau-Fallingbostel betreiben<br />
teilweise im Verb<strong>und</strong> mit der hannoverschen Aktion<br />
eigene <strong>Offene</strong> <strong>Pforten</strong>.<br />
6<br />
www.gartennetz-deutschland.de<br />
7<br />
Das Programm „Gartenregion Hannover“ nutzt dieses<br />
Bedürfnis auch im öffentlichen Bereich. Siehe z.B. Krüger,<br />
Viktoria (2009): Mein Name ist Hannover – Gartenregion<br />
Hannover. In: Garten <strong>und</strong> Medien. <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
für <strong>Gartenkunst</strong> <strong>und</strong> Landschaftskultur e.V. (Hrsg), DGGL-<br />
Jahrbuch 2009, München, S 97 -101.<br />
Auszug aus:<br />
DGGL-Jahrbuch 2010<br />
Garten <strong>und</strong> Kulturen - <strong>Gesellschaft</strong>liche Strömungen der<br />
Gartenkultur.<br />
Seiten 85 bis 90<br />
Erschienen im Verlag Georg D.V. Callwey GmbH & Co.<br />
KG, München 2010<br />
Herausgeberin: <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Gartenkunst</strong><br />
<strong>und</strong> Landschaftskultur (DGGL) e.V.<br />
ISBN 978-3-7667-1851-8<br />
DGGL-Jahrbuch 2010