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ZEN und die Kunst des Fliegens, Schlechtflieger ... - Aufgeflogen

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Zen<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>des</strong> <strong>Fliegens</strong><br />

Frühjahrssoaren am Zugerberg<br />

Die Idee zu <strong>die</strong>sem Artikel kam mir auf Sardinien; genauer, auf<br />

Antonios Weg, der von der Deltalandewiese bei La Siesta (Achim´s<br />

End) zum Strand bei La Speranza führt. Es ist ein stiller, steiniger<br />

Weg, der vorbei an Kakteen durch wilde Sträucher zum Meer führt<br />

– also viel Zeit zum Nachdenken. Der letzte Flug ging mir durch<br />

den Kopf. Der Start war <strong>die</strong>smal fast perfekt gewesen, doch meine<br />

Entscheidungen in der Luft leider nicht, was dazu geführt hatte,<br />

dass ich trotz zähen Ringens um jeden Höhenmeter schließlich verloren<br />

hatte. Es gibt wohl noch viel zu lernen. Ob mir der perfekte<br />

Flug wohl jemals gelingen wird? Plötzlich wird mir klar, wie unendlich<br />

lang <strong>die</strong>ser Weg sein wird <strong>und</strong> wie viel Geduld, Zeit <strong>und</strong> Übung<br />

erforderlich sein werden. Genau wie im Zen. Eigentlich haben Zen<br />

<strong>und</strong> Fliegen rein gar nichts miteinander zu tun, dennoch eröffnet<br />

<strong>die</strong>se Verknüpfung neue Perspektiven, <strong>die</strong> für bei<strong>des</strong> hilfreich sein<br />

mögen. Am Anfang steht überhaupt erst <strong>die</strong> Erkenntnis, dass es einen<br />

Weg gibt, der irgendwohin führt <strong>und</strong> dass man <strong>die</strong> Fliegerei<br />

wohl keinesfalls perfekt beherrscht – also mit der Erkenntnis, dass<br />

man ein echter Schlechtfl ieger ist, wie es wohl <strong>die</strong> Redaktion <strong>die</strong>ses<br />

Magazins ausdrücken würde. Außerdem ist Zen ein klein wenig verrückt<br />

<strong>und</strong> passt allein daher schon ganz gut zu uns Fliegern.<br />

Im Zen gibt es eigentlich keine Dogmen <strong>und</strong> es entzieht sich dem<br />

Bereich, den man mit Logik <strong>und</strong> Vernunft erfassen<br />

<strong>und</strong> dann mit Worten beschreiben<br />

kann. Aber es gibt so einige f<strong>und</strong>amenta-<br />

le Wahrheiten im Zen. Als ein Zenschüler<br />

seinen Meister nach dem rechten Weg<br />

fragt, sagt <strong>die</strong>ser: „Sei jetzt hier!“. Kaum<br />

etwas fällt uns im Fluge leichter als uns auf<br />

44 <strong>Schlechtflieger</strong> MAGAZIN N o 21


den Augenblick zu konzentrieren <strong>und</strong> ganz bei der Sache zu sein,<br />

oder? Naja, meistens. Viele Sorgen <strong>und</strong> Belastungen lassen wir tatsächlich<br />

nach dem Start für <strong>die</strong> Momente <strong>des</strong> Fluges zurück. Das ist<br />

recht einfach <strong>und</strong> auch schon ganz gut. Doch dann passen wir bei der<br />

Landung nicht richtig auf, sind nach einem entspannten Abendfl ug<br />

mit den Gedanken schon beim Landebier. Unser Flug ist aber auch<br />

nach der Landung noch nicht zu Ende. Noch nicht einmal dann, wenn<br />

wir den Schirm sauber <strong>und</strong> kontrolliert abgelegt haben oder ihn ordentlichen<br />

verpacken, womit wir schon den nächsten Flug vorbereiten.<br />

Denken wir in <strong>die</strong>sem Moment an das, was nicht optimal war,<br />

dann bereiten wir in Gedanken eigentlich auch schon den nächsten<br />

Flug vor <strong>und</strong> schließlich gilt, nach dem Flug ist vor dem Flug. Das<br />

Fliegen wird damit zu einem Bestandteil unseres täglichen Lebens<br />

<strong>und</strong> bleibt längst nicht auf den eigentlichen Vorgang beschränkt. Genau<br />

wie im Zen ist der Vollzug der Übung (Zazen – Meditation im<br />

Sitzen) nur <strong>die</strong> eine Hälfte <strong>des</strong> Kreises. Die andere ist das tägliche<br />

Leben. Immer auf den Augenblick konzentriert <strong>und</strong> in jeder Weise<br />

achtsam zu sein, ist ein Aufgabe, <strong>die</strong> kaum jemals vollständig gelingt,<br />

aber uns eines lehrt: Geduld, Konzentration <strong>und</strong> vielleicht auch etwas<br />

Nachsicht mit uns selbst <strong>und</strong> auch mit anderen. Im Zen geht es<br />

um <strong>die</strong>se „rechte innere Einstellung“, <strong>die</strong> uns in gelöster Konzentration<br />

hält. Es ist eine Gratwanderung - nicht übertreiben <strong>und</strong> verkrampfen,<br />

aber auch nicht nachlässig <strong>und</strong> unkonzentriert sein. Wer<br />

schon einmal wirklich gute Piloten bei der Startvorbereitung beobachtet<br />

hat, dem sind vielleicht <strong>die</strong> ruhigen, konzentrierten Bewegungen<br />

aufgefallen, aber auch <strong>die</strong> große Gelassenheit, mit der der<br />

Schirm mal kurz angelupft wird. Im alten Japan hat Zen viele Künste,<br />

wie Ikebana (Blumenstecken), Kalligraphie (Schriftkunst, Tuschemalerei),<br />

<strong>die</strong> Teezeremonie, Gartenbaukunst <strong>und</strong> nicht zuletzt <strong>die</strong><br />

Künste <strong>des</strong> Bogenschießens <strong>und</strong> <strong>des</strong> Schwertkampfes maßgeblich<br />

beeinfl usst <strong>und</strong> sie inspiriert. Offensichtlich muss Zen etwas sehr<br />

Elementares beinhalten, um so höchst unterschiedliche Wege, wie<br />

den der Teezeremonie oder den <strong>des</strong> Kriegers (Bushido) zu prägen.<br />

Warum also nicht <strong>die</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>des</strong> <strong>Fliegens</strong> aus dem Zen herleiten<br />

<strong>und</strong> sehen wohin uns das führt? Doch wie arbeitet man an seiner<br />

inneren Einstellung beim Fliegen? Durch Übung. Ein zentrales Element<br />

im Zen ist <strong>die</strong> Atmung. Man atmet mit dem Zwerchfell in den<br />

Bauchraum <strong>und</strong> entspannt sich bewusst mit der langsamen Ausatmung,<br />

mit der man quasi <strong>die</strong> falsche, übertriebene Anspannung aus<br />

sich herauslässt <strong>und</strong> „loslässt“. Dies fördert <strong>die</strong> Konzentration <strong>und</strong><br />

auch <strong>die</strong> Gelassenheit. Natürlich ist es bequem, mit der Seilbahn an<br />

den Startplatz zu fahren. Für <strong>die</strong> rechte innere Einstellung vor dem<br />

Flug ist aber vielleicht der Fußweg manchmal <strong>die</strong> bessere Alternative.<br />

Schritt um Schritt geht man gemächlich seinem Flug entgegen<br />

<strong>und</strong> kommt ruhig <strong>und</strong> ohne Hektik am Startplatz an. Letztlich mag<br />

es viele Möglichkeiten geben, den eigenen Weg zur rechten inneren<br />

Einstellung zu fi nden <strong>und</strong> jeder trägt alles dazu Erforderliche bereits<br />

in sich. Wichtig ist dabei nur, <strong>die</strong>s bewusst als Teil der Flugvorbereitung<br />

zu begreifen.<br />

Keinesfalls nachteilig dürfte wohl auch der im Zen geforderte<br />

„Geist <strong>des</strong> Anfängers“ sein. Jedem Flug gebührt der Respekt der<br />

vollen Aufmerksamkeit. Mit nachlässigen, coolen Startvorbereitungen<br />

mag man wohl den einen oder anderen Zuschauer beeindrucken,<br />

zu einem besseren Piloten wird man dadurch nicht. Jedem<br />

Flug gebührt Respekt <strong>und</strong> Konzentration <strong>und</strong> man sollte versuchen,<br />

jeden Flug anzugehen wie den allerersten. Es liegt wohl in unserer<br />

Natur, dass wir schnell Illusionen erliegen, <strong>und</strong> der Zenweg ist ein<br />

steter Kampf gegen immer wieder neue. Oft erweist sich sogar der<br />

Zenweg selber als Illusion. Die Vorstellung, mit der Zenübung nun<br />

ein ganz besonderes Tamtam zu veranstalten, ist zum Beispiel eine<br />

solche. Illusionen über unsere eigenen Fähigkeiten können immer<br />

<strong>und</strong> besonders beim Fliegen schnell sehr gefährlich werden <strong>und</strong> sie<br />

verderben uns auch den Spaß an der Fliegerei. Wer sich ständig über<br />

seine eigenen Fähigkeiten täuscht <strong>und</strong> sich überfordert, entwickelt<br />

Angst vor dem Fliegen <strong>und</strong> ist eigentlich immer erst dann wieder<br />

froh, wenn er sicher gelandet ist. Es geht aber nicht darum, einen<br />

Flug irgendwie hinter sich zu bringen <strong>und</strong> unten erleichtert auf dem<br />

Landeplatz zu stehen. Wir wollen doch eigentlich den Flug genießen<br />

<strong>und</strong> jede Minute auskosten. Also, ab <strong>und</strong> an mal wieder einen Schritt<br />

zurück <strong>und</strong> kritisch prüfen, ob man tatsächlich soweit ist, wie man<br />

sich wähnt? Den Fliegerkollegen möchte man soviel Verständnis<br />

wünschen, <strong>die</strong>s zu verstehen <strong>und</strong> nicht als Schwäche auszulegen.<br />

Es wird wohl ein langer <strong>und</strong> nicht immer gerader Weg werden.<br />

Doch was soll´s, man geht halt Schritt um Schritt. Und eigentlich hat<br />

es ja auch etwas Tröstliches, dass wir mit dem Erlernen der Fliegerei<br />

<strong>und</strong> irgendeinem Flugschein nicht schon gleich am Ziel, sondern<br />

erst am Anfang stehen, oder?<br />

Dr. Ralf Piotrowiak<br />

Tobias Gress<br />

N o 21<br />

<strong>Schlechtflieger</strong> MAGAZIN<br />

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