26.10.2014 Aufrufe

Streik in der persönlichen Assistenz?

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Streik</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Persönlichen <strong>Assistenz</strong>?<br />

Wie bitte?<br />

Harmonie ist e<strong>in</strong>e Strategie<br />

04. Novemer 2014 || 18.15 Uhr<br />

Gewerkschaftshaus Besenb<strong>in</strong><strong>der</strong>hof 60<br />

Raum St. Georg, 9. Etage


Zweckoptimismus wi<strong>der</strong> Ohnmacht<br />

Wie viele Personen <strong>in</strong> Hamburg<br />

Persönliche <strong>Assistenz</strong><br />

leisten wissen wir nicht.<br />

In Berl<strong>in</strong> soll es rund 1000 Assistent_<strong>in</strong>nen<br />

geben. Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

HAG (Hamburger <strong>Assistenz</strong> Genossenschaft)<br />

arbeiten rund 250<br />

Personen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Persönlichen<br />

<strong>Assistenz</strong>. Neben weiteren Anbietern<br />

Persönlicher <strong>Assistenz</strong>,<br />

wie zum Beispiel <strong>der</strong> Club 68<br />

Helfer e.V. übernehmen <strong>in</strong> Hamburg<br />

zahlreiche Menschen mit<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung selbst die Funktion<br />

als Arbeitgeber_<strong>in</strong>.<br />

Als Persönliche Assistent_<strong>in</strong>nen<br />

werden viele verschiedene<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an uns gestellt.<br />

Harmonie ist e<strong>in</strong>e Strategie<br />

Das hängt sehr <strong>in</strong>dividuell mit<br />

den Bedürfnissen <strong>der</strong> <strong>Assistenz</strong>nehmer_<strong>in</strong>nen<br />

zusammen. Um<br />

Assistent_<strong>in</strong> zu se<strong>in</strong>, bedarf es<br />

ke<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Ausbildung,<br />

was immer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> wichtiges<br />

Argument für die schlechte<br />

Entlohnung dieser Tätigkeit ist.<br />

Schaut mensch genauer h<strong>in</strong>,<br />

zeigt sich, dass viele Assistent_<br />

<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> unterschiedlichen Bereichen<br />

hoch qualifiziert s<strong>in</strong>d.<br />

Da repariert die Techniker<strong>in</strong> nebenbei<br />

schnell mal den Fernseher<br />

und verlegt die Kabel für das<br />

neue Telefon. Die Friseur<strong>in</strong> frisiert,<br />

die Ergotherapeut<strong>in</strong> massiert,<br />

die Tischler<strong>in</strong> baut den<br />

neuen Schreibtisch, die IT-Spezialist<strong>in</strong><br />

richtet den PC e<strong>in</strong>, die<br />

E<strong>in</strong>e ist geschickt mit Behörden<br />

und Papierkram und e<strong>in</strong>e An<strong>der</strong>e<br />

wird beratend tätig, wenn es<br />

um die Realisierung von Urlauben,<br />

Ausflügen, Hobbys und die<br />

Umsetzung von Lebenszielen<br />

geht. All dies machen Assistent_<br />

<strong>in</strong>nen so nebenbei - neben Putzen,<br />

Kochen und Pflegen.<br />

Meistens macht die Assistent_<strong>in</strong><br />

ihren Job gerne – weiß, dass ihr<br />

Job wichtig ist und S<strong>in</strong>n hat. Sie<br />

ist überzeugt von dem Konzept<br />

<strong>der</strong> Persönlichen <strong>Assistenz</strong> und<br />

möchte Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

e<strong>in</strong> selbstbestimmteres<br />

Leben ermöglichen.<br />

Zeit<br />

Aber was ist mit ihrem eigenen<br />

Leben?<br />

Kaum e<strong>in</strong>e Assistent_<strong>in</strong> kann<br />

von <strong>der</strong> <strong>Assistenz</strong> alle<strong>in</strong> leben<br />

und ke<strong>in</strong>e lebt gut davon. E<strong>in</strong><br />

Job reicht selten. E<strong>in</strong>ige studieren,<br />

e<strong>in</strong>ige kümmern sich um<br />

Mitbestimmung<br />

EG<br />

4a<br />

kürzere<br />

Schichten<br />

Würde<br />

mehr<br />

Urlaub<br />

Respekt<br />

Gesundheits<br />

schutz<br />

Supervision<br />

Fre<br />

z


it<br />

ehr<br />

rlaub<br />

Mehr<br />

Kohle<br />

ke<strong>in</strong>e<br />

Überstunden<br />

Anerkennung<br />

Distanz<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Familie, e<strong>in</strong>ige haben<br />

weitere Jobs. Geme<strong>in</strong>sam ist ihnen:<br />

Ihr Leben ist unsicher. Ke<strong>in</strong>e<br />

schaut auf ihren Rentenbescheid<br />

und blickt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e sichere Zukunft.<br />

H<strong>in</strong>zu kommt, dass, wenn <strong>der</strong><br />

<strong>Assistenz</strong>nehmer_<strong>in</strong> irgendwas<br />

wirklich nicht mehr passt – dann<br />

war es das oft mit dem Job. Dann<br />

gilt es Ruck Zuck e<strong>in</strong>e neue Perspektive<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Perpektivlosigkeit<br />

zu<br />

Zeit<br />

f<strong>in</strong>den.<br />

Wie geht’s <strong>der</strong> Assistent_<strong>in</strong><br />

denn sonst so?<br />

Oft ist sie müde – Nachtschichten<br />

s<strong>in</strong>d anstrengend. Manchmal<br />

kann sie nachts nicht mehr schlafen,<br />

weil ihr Rhythmus im Arsch<br />

ist. Sie hat viele Sorgen: Geldsorgen,<br />

Zukunftsängste, Angst,<br />

EG<br />

dass sie 7rausfliegt, ist überfor<strong>der</strong>t<br />

damit, ihre verschiedenen<br />

Jobs unter e<strong>in</strong>en Hut zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Manchmal wird sie auch schlecht<br />

behandelt und weiß nicht, wie sie<br />

die Konflikte klären soll. Wenn sie<br />

sich zu laut beschwert, ist schnell<br />

die persönliche Beziehung, die<br />

e<strong>in</strong>fach zum Job gehört, gefährdet.<br />

Mehr<br />

Kohle<br />

Rente<br />

Und wenn die Assistent_<strong>in</strong> Rückenschmerzen<br />

von <strong>der</strong> Arbeit<br />

bekommt, dann sagt sie sich,<br />

sie müsse öfter Sport machen.<br />

Aber wann soll sie das bloß tun?<br />

H<strong>in</strong> und wie<strong>der</strong> denkt sie auch:<br />

„Wenn ich nicht arbeiten gehe,<br />

geht es me<strong>in</strong>em Rücken besser.<br />

Warum soll ich jetzt <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er<br />

Freizeit dafür sorgen, dass ich immer<br />

arbeiten kann?“ Und vorallem:<br />

„Warum mache ich den Job,<br />

wenn mich diese Arbeit krank<br />

macht?“<br />

Die Assistent_<strong>in</strong> denkt auch an<br />

ihre ehemalige Kolleg<strong>in</strong>, die an<br />

chronischer Sehnenscheidenentzündung<br />

erkrankte. Nun kann<br />

die Kolleg<strong>in</strong>, die Künstler<strong>in</strong> ist,<br />

nicht mehr zeichnen und auch<br />

nicht mehr als Assistent<strong>in</strong> arbeiten<br />

– aber mit ihrem Job soll ihre<br />

Krankheit nichts zu tun haben.<br />

Sie zau<strong>der</strong>t und zweifelt und dann<br />

ist da Zorn. Dann ist ihr klar, dass<br />

es so nicht weitergehen kann,<br />

dass sich ihre Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

verbessern müssen. Sie will<br />

mehr Geld, mehr Zeit, e<strong>in</strong>e Perspektive.<br />

Nur, was ist im Zweifel zu<br />

tun – dann, wenn es reicht?


Wie können wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Persönlichen<br />

<strong>Assistenz</strong> Druck aufbauen?<br />

Wie können wir dafür sorgen,<br />

dass sich unseren Arbeits- und<br />

Lebensbed<strong>in</strong>gungen wirklich<br />

verbessern? <strong>Streik</strong> ist e<strong>in</strong>e bewährte<br />

Antwort. An<strong>der</strong>s als bei<br />

<strong>der</strong> Tischler<strong>in</strong> bleibt <strong>in</strong> unserem<br />

Job jedoch ke<strong>in</strong> Stück Holz liegen,<br />

son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Person ist auf<br />

unsere Unterstützung angewiesen<br />

und bekommt sie nicht.<br />

An<strong>der</strong>e haben bereits nach<br />

Wegen gesucht.<br />

Im November 2008 gründete<br />

sich die Unabhängige Arbeitnehmervertretung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Persönlichen<br />

<strong>Assistenz</strong> (UAPA) und<br />

drückte im Folgejahr mit dem<br />

„Scheiß-<strong>Streik</strong>“ ihren Protest<br />

gegen prekäre, ungeregelte<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen aus. Kotröhrchen<br />

wurden an Verbände<br />

und Parteien geschickt, die für<br />

die miesen Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

verantwortlich erschienen.<br />

Frankfurter Assistent_<strong>in</strong>nen gelang<br />

am 19. April 2012 <strong>der</strong> erste<br />

ganztägige Warnstreik für e<strong>in</strong>en<br />

Haustarifvertrag. Der <strong>Streik</strong><br />

wurde fortgesetzt und es fanden<br />

ganztägige Betriebsversammlungen<br />

statt.<br />

Die Beschäftigten von Hamburgs<br />

größtem privatem Pflegeheimbetreiber<br />

„Pflegen und<br />

Wohnen“ kämpften über drei<br />

Wochen für e<strong>in</strong>en Tarifvertrag.<br />

Auch <strong>in</strong> Bremen wurde gekämpft.<br />

Etwa zwei Jahre stritten<br />

die Kolleg_<strong>in</strong>nen für e<strong>in</strong>en Tarifvertrag.<br />

Im Oktober soll nun das<br />

erste Mal <strong>der</strong> Tariflohn gezahlt<br />

werden. Bis jetzt konnte <strong>in</strong> Bremen<br />

auf e<strong>in</strong>en <strong>Streik</strong> verzichtet<br />

werden.<br />

Die ver.di Betriebsgruppe <strong>der</strong><br />

HAG lädt am 04.11.2014 zu<br />

e<strong>in</strong>er öffentlichen Diskussion<br />

zum Thema „Arbeitskämpfe<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Persönlichen <strong>Assistenz</strong>“<br />

e<strong>in</strong>.<br />

Wir wollen uns austauschen,<br />

schauen, wie es an<strong>der</strong>e machen<br />

und Ideen sammeln.<br />

Die Erfahrungen <strong>der</strong> Frankfurter<br />

Kolleg_<strong>in</strong>nen sollen uns dabei<br />

<strong>in</strong>spirieren. Melike Lülle, Betriebsrät<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Bremer <strong>Assistenz</strong><br />

Genossenschaft, wird über die<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen <strong>in</strong> Bremen<br />

berichten.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!