1000 Jahre keltische Geschichte
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DER KESSEL VON GUNDESTRUP<br />
im Kopenhagener Nationalmuseum gehört zu den prominentesten Funden, die<br />
mit Kelten in Zusammenhang gebracht werden – und zu den umstrittensten. Er<br />
wurde 1891 in einem Torfmoor in Jütland (Dänemark) gefunden, wo er in Einzelteile<br />
zerlegt und offenbar als Opfergabe in einem trockenen Teil des Moores niedergelegt<br />
worden war. Er besteht aus dreizehn von ursprünglich wohl vierzehn<br />
Einzelplatten aus fast reinem Silber mit Spuren von Vergoldung, die 1892 zu<br />
einem Kessel von 69 Zentimeter Durchmesser<br />
und 42 Zentimeter Höhe rekonstruiert wurden.<br />
Seine Herkunft wurde in Gallien oder in Südosteuropa<br />
vermutet, in letzter Zeit meist auf der<br />
Balkanhalbinsel in einer Kontaktzone zwischen<br />
<strong>keltische</strong>n Skordiskern und Thrakern. Hier sind<br />
technisch und stilistisch ähnliche Treibarbeiten<br />
in Silber bekannt, und die in einigen Motiven<br />
erkannte Nähe zur griechischen Kunst ist leicht<br />
erklärbar. Datiert wird der Kessel anhand von<br />
Stilmerkmalen in die Spätlatènezeit. Der Fundort<br />
weit außerhalb des <strong>keltische</strong>n Kulturraumes<br />
ließ an Kriegsbeute, Gastgeschenk oder dergleichen<br />
denken. Auch ein »Mitbringsel« heim-<br />
mit Kniehosen, die Reiter in Hörnchensätteln mit ganz kurzen, vielleicht sogar<br />
ohne Hosen. Man trägt meist Bundschuhe, die Reiter mit Sporen, dazu Helme mit<br />
tiergestaltigen Aufsätzen. Die fast mannshohen Schilde zeigen einfache runde<br />
Schildbuckel, wie sie gegen Ende der Latènezeit üblich wurden.<br />
Die drei bis – je nach Zählweise – 22 Figuren auf den einzelnen Platten nehmen<br />
mehr oder weniger deutlich Bezug aufeinander, so dass teilweise recht komplexe<br />
und schwer zu trennende Einzelszenen entstehen. Entsprechend schwierig gestaltet<br />
sich deren Deutung.<br />
Schon die Bestimmung der als Gottheiten aufgefassten Brustbilder ist schwierig.<br />
Am wenigsten Differenzen bestehen hier über Taranis mit dem Rad und Cernunnos<br />
mit dem Hirschgeweih. Ganz unterschiedlich ist die Interpretation der dargestellten<br />
Szenen, insbesondere auf der Platte mit den Fuß- und Reiterkriegern<br />
(s. Abb. S. 2). So sehen die einen hier einen Druiden beim Menschenopfer über<br />
dem Kessel, andere eine Initiation mit Fußkriegern als Aspiranten und Reitern als<br />
bereits »Behandelten«, wieder andere erkennen den »Kessel der Wiedergeburt«,<br />
auf dem die Krieger dem Jenseits oder ihrem nächsten Leben entgegenreiten.<br />
Da allerdings schon die <strong>keltische</strong> Götterwelt durch den Filter der griechisch-römischen<br />
Brille oder im entfernten Spiegel des irischen Frühmittelalters nur schemenhaft<br />
erkennbar ist, die dazugehörigen Mythen aber praktisch ganz verloren sind,<br />
bleiben alle Deutungen weitgehend Spekulation.<br />
Cernunnos, der Gott mit Hirschgeweih. Sein<br />
Name ist nur auf einem gallorömischen Weihestein<br />
der Pariser Flussschiffer überliefert.<br />
kehrender Teilnehmer des Kimbernzuges (ca. 113–101 v. Chr.), der auch über die<br />
Balkanhalbinsel geführt hatte, wird erwogen.<br />
Die Bodenplatte zeigt einen liegenden Stier, drei Hunde und eine menschliche<br />
Figur mit Schwert, zum Teil halbplastisch in Draufsicht. Auf den Platten der Außen-<br />
und Innenwandung sind Brustbilder männlicher und weiblicher Gestalten<br />
sowie weitere Menschen-, Tier- und Fabelgestalten dargestellt: Krieger zu Pferd<br />
und zu Fuß, Carnyx-Bläser, verschiedene Raubtiere, Kraniche, Hirsche, Stiere, Elefanten,<br />
ein Delfin mit Reiter, Schlangen mit Widderköpfen, geflügelte Greifenwesen,<br />
ein Einhorn mit Reiter und anderes. Die Krieger sind in merkwürdig trikotartige,<br />
eng anliegende und längs gestreifte Garnituren gekleidet, die Fußkämpfer<br />
Fundort, Material und<br />
vieles an Dargestelltem<br />
und Darstellungsweise<br />
ist keineswegs »typisch<br />
keltisch«, dennoch steht<br />
der Gundestrup-Kessel<br />
oft für das Keltische<br />
schlechthin.