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Simulation von Schienenfahrzeugen mit hydraulischen Komponenten

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<strong>Simulation</strong> <strong>von</strong> <strong>Schienenfahrzeugen</strong> <strong>mit</strong> <strong>hydraulischen</strong> <strong>Komponenten</strong><br />

Prof. Helduser, Dipl.-Ing. Stüwing, Institut für Fluidtechnik (IFD), TU Dresden,<br />

Prof. Liebig, Dipl.-Ing. Dronka, Institut für Theoretische Grundlagen der Fahrzeugtechnik<br />

(ITGF), TU Dresden<br />

1 Einleitung<br />

Bedingt durch die gewachsenen Anforderungen an die dynamischen Eigenschaften <strong>von</strong> <strong>Schienenfahrzeugen</strong><br />

– höhere Geschwindigkeiten bei gleichem oder besserem Komfort und gleicher oder<br />

verbesserter Fahrstabilität zu erreichen - werden immer häufiger aktive <strong>Komponenten</strong> zur gezielten<br />

Beeinflussung bestimmter dynamischer Eigenschaften eingesetzt. Beispiele hierfür in der Schienenfahrzeugtechnik<br />

sind die aktive Neigetechnik, aktive und semiaktive Fahrzeugfederungen (vertikal und<br />

horizontal) und die aktive Radsatzsteuerung.<br />

Für die Auslegung und Untersuchung solcher Systeme, die aus Teilsystemen verschiedener Ingenieurdisziplinen<br />

bestehen, werden u.a. <strong>Simulation</strong>sprogramme eingesetzt, die auf der numerischen<br />

Approximation der Modellgleichungen (Gewöhnliche Differentialgleichungen oder Differential-Algebraische<br />

Gleichungen) über der Zeit beruhen. Für das in unserem Fall untersuchte Beispielsystem eines<br />

Schienenfahrzeuges <strong>mit</strong> aktiver hydraulischer Neigetechnik, sind hierbei das mechanische Teilsystem<br />

Fahrzeug (Modellierung als Mehrkörpersystem – MKS) und das Teilsystem Neigetechnik-Hydraulik zu<br />

modellieren und für Untersuchungen am Gesamtsystem geeignet zusammenzufassen und zu<br />

simulieren (gekoppelte <strong>Simulation</strong>).<br />

Die Entwicklung <strong>von</strong> Werkzeugen, die sowohl den Gesamtsystemhersteller bei der Untersuchung<br />

solcher Systeme als auch die Teilsystemhersteller bei der Entwicklung der Teilsysteme unter Berücksichtigung<br />

des Einflusses der weiteren Teilsysteme unterstützen, ist das Ziel des vom IFD und ITGF<br />

gemeinsam bearbeiteten Projekts „Entwicklungswerkzeuge für Schienenfahrzeuge <strong>mit</strong> <strong>hydraulischen</strong><br />

<strong>Komponenten</strong>“. Das Vorhaben wird im Rahmen der AiF-Forschungsförderung (AiF-Nr. 12074 B/1) im<br />

Fachverband Fluidtechnik des VDMA durchgeführt. Der erste Schwerpunkt liegt hierbei in der programmtechnischen<br />

Umsetzung einer gekoppelten <strong>Simulation</strong> <strong>von</strong> MKS- und Hydraulik-Teilsystemen<br />

unter Verwendung <strong>von</strong> Standardsoftware für Modellierung und <strong>Simulation</strong>. Der zweite Schwerpunkt ist<br />

der Aufbau eines Hardware-in-the-Loop-Prüfstandes (HIL), der Untersuchungen am realen Neigetechnik-Hydrauliksystem<br />

in einer virtuellen Testumgebung unter annähernd realen Bedingungen wie im<br />

Schienenfahrzeug erlaubt.<br />

2 Softwarekonzept der realisierten Lösung<br />

Nachdem die verschiedenen Möglichkeiten einer gekoppelten <strong>Simulation</strong>, die Funktionalität verschiedener<br />

Werkzeuge und die Erfahrungen beider Institute bei der Realisierung bisheriger Lösungen<br />

ausgewertet worden sind, wurden für die Realisierung der beiden Schwerpunkte Gekoppelte <strong>Simulation</strong><br />

und HIL-Prüfstand die folgenden Anforderungen an das Softwarekonzept formuliert:<br />

• Die Modellierung der Teilsysteme Fahrzeug (als MKS) und Hydraulik soll in speziellen, an die<br />

Anforderungen der jeweiligen Ingenieurdisziplin angepassten Werkzeugen vorgenommen werden.<br />

Dieses gestattet dem Experten der entsprechenden Ingenieurdisziplin die Modellierung des<br />

Teilsystems in der bekannten Modellierungsumgebung und im gewünschten Detaillierungsgrad.<br />

• Der Aufbau des HIL-Prüfstandes verlangt die Echtzeitsimulation des gekoppelten Modells, d.h. den<br />

Übergang der gekoppelten <strong>Simulation</strong> auf eine Echtzeitplattform. Bei der Auswahl der Modellbildungs-Werkzeuge<br />

war daher darauf zu achten, dass diese einen späteren Übergang auf eine<br />

Echtzeitplattform zulassen, d.h. die Modellgleichungen in einem transferierbaren Format exportiert<br />

werden können.<br />

• Für Modellbildung und <strong>Simulation</strong> als auch für den Übergang auf die Echtzeithardware sollen<br />

kommerzielle Standardentwicklungswerkzeuge eingesetzt werden. Da<strong>mit</strong> sind für diese Werkzeuge<br />

zum einen Weiterentwicklung und Support durch den Softwarehersteller und zum anderen<br />

Akzeptanz für eine Anwendung des Werkzeuges in der Industrie gesichert.<br />

Basierend auf den gestellten Anforderungen wurde das in Bild 1 dargestellte Softwarekonzept festgelegt.<br />

Für die Modellierung des Fahrzeug-Modells wurde das MKS-Werkzeug SIMPACK ausgewählt. Die<br />

Modellierung der Hydraulik-Anteile wird <strong>mit</strong> dem Werkzeug DSHplus vorgenommen. Die (Offline-)<strong>Simulation</strong><br />

des Gesamtsystems erfolgt <strong>mit</strong> dem Werkzeug MATLAB/SIMULINK, wobei die <strong>mit</strong> SIMPACK


zw. DSHplus erstellten Teilmodelle automatisiert über die Standard-Schnittstelle S-Function in SIMU-<br />

LINK eingebunden werden. Der Übergang <strong>von</strong> der Offline-<strong>Simulation</strong> der gekoppelten Teilsysteme in<br />

SIMULINK zur Echtzeitsimulation wird <strong>mit</strong> Unterstützung der Funktionalität des zur MATLAB-Gruppe<br />

gehörenden Werkzeuges Real-Time-Workshop (RTW) vorgenommen.<br />

MKS-<strong>Simulation</strong>swerkzeug<br />

SIMPACK<br />

Hydraulik-<strong>Simulation</strong>swerkzeug<br />

F<br />

x, v, a<br />

DSHplus<br />

Modellexport (FORTRAN)<br />

S-Function<br />

Modellexport<br />

(C++)<br />

Hydraulik-<br />

Modell<br />

MATLAB/SIMULINK:<br />

Gekoppelte <strong>Simulation</strong><br />

<strong>Simulation</strong>ssteuerung<br />

Real-Time-<br />

Workshop<br />

S-Function<br />

Echtzeit-<br />

<strong>Simulation</strong><br />

RT-LAB<br />

f2c (C)<br />

MKS-<br />

Modell<br />

Übergang auf<br />

Echtzeithardware<br />

RT-LAB<br />

Routinen<br />

umgebung<br />

Echtzeit-<br />

P 1 P 2<br />

P 3<br />

Bild 1: Softwarekonzept<br />

Als Plattform für die Echtzeitsimulation wurde das System RT-LAB der Firma OPAL-RT ausgewählt.<br />

Drei unter dem Echtzeitbetriebssystem QNX arbeitende, handelsübliche PC werden durch das echtzeitfähige<br />

Netzwerk FireWire <strong>mit</strong>einander verbunden und arbeiten so<strong>mit</strong> als verteiltes Mehrprozessorsystem<br />

<strong>mit</strong> leistungsfähigen Echtzeitknoten. Das System wird als Zielsystem vom RTW unterstützt, so<br />

dass kein Entwicklungsaufwand für die Realisierung der Echtzeitfunktionalität notwendig ist.<br />

3 HIL-Prüfstand<br />

Der Aufbau und Betrieb des HIL-Prüfstandes erfordert neben der Erweiterung der gekoppelten <strong>Simulation</strong><br />

zur Echtzeitsimulation weiterhin die Entwicklung einer Lastsimulation für die Nachbildung der auf<br />

die Anlenkpunkte des Testzylinders wirkenden reduzierten Fahrzeugmasse.<br />

Im HIL-Prüfstand, Bild 2, sind zwei gegeneinander arbeitende Zylinder eingebaut: der zu testende<br />

Neigetechnik-Zylinder und der Lastzylinder, welcher die auf den Neigetechnik-Zylinder reduzierten Bewegungen<br />

des „virtuellen“ Fahrzeuges auf diesen zurückgeben soll. Entsprechend seiner Ansteuerung<br />

wird der Neigetechnik-Zylinder eine Kraft erzeugen. Aufgrund dieser Kraft, die als Eingangsgröße der<br />

MKS-<strong>Simulation</strong> übergeben wird, werden die Bewegungen der Einzelkörper des Fahrzeugs durch das<br />

in Echtzeit simulierte Fahrzeugmodell berechnet. Nach der Berechnung eines Zeitschrittes ergibt sich<br />

eine neue Lage des Fahrzeuges und so<strong>mit</strong> auch eine veränderte Länge des NT-Zylinders (im virtuellen<br />

Fahrzeug). Diese Längenveränderung wird durch den zweiten, dem Neigetechnik-Zylinder entgegen<br />

wirkenden Last-Zylinder abgebildet, wobei hier durch eine entsprechende Regelung des Last-Zylinders<br />

eine minimal verzögerte Nachbildung der Lageänderung erreicht werden soll. Die Entwicklung dieser<br />

Lastsimulation ist Entwicklungsgegenstand am IFD und soll hier nicht weiter beschrieben werden.<br />

4 Ergebnisse<br />

Die gekoppelte <strong>Simulation</strong> in Simulink auf Basis der eingebundenen Teilmodelle aus SIMPACK und<br />

DSHplus wurde realisiert und deren Funktionsfähigkeit an einfachen Beispielen nachgewiesen. Für die<br />

Einbindung <strong>von</strong> Schienenfahrzeug-Modellen aus SIMPACK wurde die Standard-Export-Schnittstelle um<br />

die Funktionalität der Fahrweg-Beschreibung erweitert, so dass <strong>mit</strong> den exportierten Modellen die<br />

<strong>Simulation</strong> <strong>von</strong> Fahrzeugen <strong>mit</strong> den in SIMPACK definierten Fahrwegen möglich ist. Das aus SIMPACK<br />

exportierte Fahrzeugmodell wird in einem Zwischenschritt <strong>mit</strong> Hilfe des Programmes f2c <strong>von</strong> der<br />

Programmiersprache FORTRAN in C umgesetzt, da dies für eine spätere Weiterverwendung auf der


Echtzeitplattform notwendig ist. Beide Schritte, der Export aus SIMPACK und die Konvertierung,<br />

wurden weitgehend automatisiert. Für die Einbindung der Hydraulik-Modelle aus DSHplus wurde eine<br />

S-Function programmiert. Die notwendigen Daten für die Einbindung der Modelle in Simulink werden in<br />

entsprechend programmierten Fenstern abgefragt und weiterverarbeitet, so dass der Benutzer <strong>von</strong> der<br />

genauen Kenntnis der einzelnen Vorgänge für das Einbinden befreit wird.<br />

Hydraulik-Modul<br />

MKS-Modul<br />

Neigetechnikantrieb<br />

Echtzeit-<br />

<strong>Simulation</strong><br />

Bewegungen<br />

Antriebsverhalten<br />

Lastantrieb<br />

Positionssignal<br />

Neigetechnik-Achse<br />

Beschleunigungssensor<br />

Wegsensor<br />

Lastachse<br />

Kraftsensor<br />

gelagerte Verbindung<br />

Bild 2: Skizze HIL-Prüfstand<br />

Zur Zeit wird an der Portierung der gekoppelten <strong>Simulation</strong> auf die Echtzeitplattform gearbeitet. Infolge<br />

der Gewährleistung der Echtzeitfähigkeit der gekoppelten <strong>Simulation</strong> sind Einschränkungen in der Wahl<br />

der Integrationsmethoden, der Methode zur Lösung des Gesamtsystems und der Komplexität der Modelle<br />

vorhanden, die derzeit untersucht werden. Weiterhin werden Möglichkeiten der Modularisierung<br />

der Modelle untersucht, um bei Verletzung der Echtzeitanforderungen eine Substrukturierung der<br />

Teilmodelle und da<strong>mit</strong> eine Verteilung der Rechenlast vornehmen zu können.<br />

5 Zusammenfassung und Ausblick<br />

Aufgrund des gewählten Softwarekonzeptes ergeben sich aus unserer Sicht für Anwendung und Erweiterung<br />

des Werkzeuges mehrere Vorteile:<br />

• Durch den Einsatz der ausgewählten allgemeinen Werkzeuge für die Modellbildung der Teilsysteme<br />

MKS und Hydraulik ist die Anwendung der beschriebenen Teilsystemkopplung nicht auf die Modellierung<br />

<strong>von</strong> <strong>Schienenfahrzeugen</strong> <strong>mit</strong> <strong>hydraulischen</strong> <strong>Komponenten</strong> begrenzt. Generell können alle<br />

<strong>mit</strong> SIMPACK bzw. DSHplus modellierbaren Systeme eingebunden werden. Im Fall <strong>von</strong> DSHplus<br />

sind so<strong>mit</strong> auch pneumatische Systeme modellierbar.<br />

• Die Verwendung einer Standard-Schnittstelle <strong>von</strong> Simulink gestattet für die gekoppelte <strong>Simulation</strong><br />

und den Übergang zur Echtzeitsimulation prinzipiell auch die Einbindung <strong>von</strong> Modellen anderer oder<br />

zusätzlicher Programme für MKS, Hydraulik oder anderer Ingenieurdisziplinen, sofern diese<br />

Programme die Möglichkeit besitzen, ihre Modelle, d.h. die Modellgleichungen, zu exportieren und<br />

eine entsprechende Schnittstellenroutine für Simulink existiert.<br />

• Durch den Einsatz des Software-Werkzeuges MATLAB/SIMULINK und die Verwendung des RTW<br />

für die Unterstützung beim Übergang zur Echtzeitsimulation ist ein durchgängiger Entwicklungsprozeß<br />

<strong>von</strong> der Offline-<strong>Simulation</strong> des Gesamtsystems in SIMULINK bis zur Echtzeitsimulation für<br />

den Einsatz im HIL-Prüfstand gewährleistet.<br />

Die aufgezählten Vorteile unterstreichen das Potential der realisierten Lösung für zukünftige Erweiterungen<br />

bzw. Weiterentwicklungen.

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