1. Tourismus in der Geschichte - heltschl
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<strong>1.</strong> <strong>Tourismus</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
Def<strong>in</strong>ition: <strong>Tourismus</strong> ist die<br />
Gesamtheit <strong>der</strong> Ersche<strong>in</strong>ungen<br />
und Beziehungen, die sich aus<br />
Reisen und dem Aufenthalt von<br />
Personen ergeben, die sich we<strong>der</strong><br />
an ihrem Wohnort, noch an ihrem<br />
Arbeitsort bef<strong>in</strong>den.<br />
<strong>1.</strong>1 Von <strong>der</strong> Antike zur „Grand Tour"<br />
Beispiele: Urlaub, Erholung,<br />
Hadtsch, Städtetourismus,<br />
Sporttourismus, Geschäftsreisen,<br />
Ausflugs-, Freizeits-, Besuchsund<br />
E<strong>in</strong>kaufsverkehr…<br />
Römische Legionäre und die<br />
Kreuzritter des Abendlandes,<br />
venezianische Händler und<br />
portugiesische Entdecker,<br />
deutsche und britische Forscher:<br />
Stets war es nur den<br />
wirtschaftlich und kulturell<br />
„entwickelten" Gesellschaften<br />
ihrer Zeit möglich, Reisen über<br />
die Grenzen Europas h<strong>in</strong>aus zu<br />
organisieren und durchzuführen.<br />
So verschieden Ziele, Motive und<br />
Reisearten im Lauf <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te<br />
auch gewesen se<strong>in</strong> mögen,<br />
e<strong>in</strong>es steht fest: Reisen war<br />
e<strong>in</strong>igen wenigen Eliten<br />
vorbehalten.<br />
„Gemessen an den Heerscharen<br />
mobiler Freizeitmenschen unserer<br />
Tage waren die antiken<br />
Völkerwan<strong>der</strong>ungen bessere<br />
Betriebsausflüge."<br />
Abb. 2.1: Denkmal <strong>der</strong> Entdeckungen<br />
(Lissabon, Portugal)<br />
Akropolis - Ste<strong>in</strong>ige Er<strong>in</strong>nerungen (Athen, Griechenland)<br />
Die Kaaba <strong>in</strong> <strong>der</strong> großen Moschee<strong>in</strong> Mekka zieht heute noch jedes Jahr Millionen an.<br />
Alle<strong>in</strong> nach <strong>der</strong>Fastenzeit f<strong>in</strong>den sich hier 2,5’ Menschen e<strong>in</strong>.<br />
Der Massentourismus ist e<strong>in</strong>e sehr junge Ersche<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong><br />
westlichen Zivilisation. Über Tausende von Jahren war Reisen verbunden mit<br />
existenzieller Gefährdung, mit <strong>der</strong> Suche nach neuern Lebensraum o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong><br />
Flucht vor Bedrohungen.<br />
Erste Ansätze von Vergnügungsreisen f<strong>in</strong>den sich bereits <strong>in</strong> den Hochkulturen<br />
<strong>der</strong> Ägypter, Griechen und Römer. Dort, wo heute Millionen von Touristen<br />
Urlaub machen, genossen schon vor 2000 Jahren vornehme Römer ihre<br />
Sommerferien. Die Strände um Rom und im Süden Griechenlands waren<br />
übersät mit Villen. Nachdem die Saturierung und Langeweile ke<strong>in</strong>e Grenze<br />
kennen, wurden zur Belustigung und Unterhaltung Cas<strong>in</strong>os geschaffen, und<br />
die Ferienorte an des 90.000 km umfassende römische Straßennetz<br />
angeschlossen, das oft sogar 3-spurig war. Geschäftstüchtige Reisebüros<br />
organisierten bereits E<strong>in</strong>zel- und Gruppenreisen und sorgten für Unterkunft<br />
und Verpflegung. Auch Griechen waren als Händler und Forscher im ganzen<br />
Mittelmeerraum unterwegs.<br />
Alle vier Jahre reisten Tausende nach Athen, um an den Olympischen<br />
Spielen „live" teilzunehmen.<br />
Im frühen Mittelalter waren Pilgerreisen und Kreuzzüge die e<strong>in</strong>zigen Formen<br />
des Reisens.<br />
Später sorgten Handwerker auf ihren Wan<strong>der</strong>jahren („auf <strong>der</strong> Walz") sowie<br />
Adelige und Schriftsteller auf Bildungsreisen neben Gauklern und Bettlern für<br />
e<strong>in</strong>e Belebung <strong>der</strong> Landstraßen. Von e<strong>in</strong>er Massenbewegung konnte jedoch<br />
nie gesprochen werden, weil nur privilegierte Schichten zweckfrei reisten.<br />
Kaum jemand reiste zum Vergnügen: Soldaten zogen <strong>in</strong> die Schlacht. Könige<br />
und Beamte zur Verwaltung ihrer Län<strong>der</strong>eien.
Marco Polo, e<strong>in</strong> venezianischer Händler, wurde mit se<strong>in</strong>en legendären<br />
Überlandreisen durch Asien zum „Prototyp" des mittelalterlichen<br />
Fernreisenden.<br />
Die ständige Weiterentwicklung <strong>der</strong> Wissenschaften ermöglichte bald die<br />
Seefahrt. Christoph Columbus gab 1492 mit se<strong>in</strong>er Fahrt nach West<strong>in</strong>dien den<br />
Startschuss zu e<strong>in</strong>er flächenhaften Erschließung <strong>der</strong> Welt und eröffnete e<strong>in</strong>e<br />
neue Epoche <strong>der</strong> Menschheitsgeschichte. In se<strong>in</strong>em Sog fanden sich weitere<br />
Abenteurer, die sich - unterstützt von Regierungen und Handelsorganisationen<br />
- auf „Entdeckungsreisen" um die Vorherrschaft <strong>in</strong> wirtschaftlich <strong>in</strong>teressante<br />
Weltregionen machten.<br />
Der Mittelmeerraum verlor allmählich se<strong>in</strong>e Bedeutung als Handelszentrum. An<br />
<strong>der</strong> Atlantikkuste wurden Spanien, Portugal, die Nie<strong>der</strong>lande und England zu<br />
bedeutenden Handelsmächten.<br />
In <strong>der</strong> Gesellschaft des 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts waren die soziale Stellung und<br />
Verhaltensnormen durch Geburt und Familie festgelegt. So galt die<br />
„Kavalierstour" <strong>der</strong> Adeligen als Abschluss <strong>der</strong> Erziehung und als E<strong>in</strong>führung<br />
<strong>in</strong> die Welt <strong>der</strong> europäischen Aristokratie. Sie war Teil <strong>der</strong> Ausbildung zur<br />
Führungselite: Kontakte zu ausländischen Adelshäusern und Fürstenhöfen<br />
wurden geschaffen, die wichtigsten Sprachen (Französisch, Italienisch,<br />
Spanisch) geför<strong>der</strong>t, Tanzen, Fechten, Jagen und galantes Verhalten erlernt.<br />
Die Reise <strong>der</strong> jungen Adeligen, die 16 bis 25 Jahre alt waren, dauerte e<strong>in</strong> bis<br />
drei Jahre. Immer wie<strong>der</strong> häuften sich Klagen über das Verhalten <strong>der</strong><br />
vornehmen Jugendlichen, die das Vergnügen von „We<strong>in</strong>, Weibern und<br />
Würfeln" <strong>der</strong> Bildung vorzogen.<br />
Unterscheiden Sie bitte:<br />
Freizeit – ke<strong>in</strong>e Freizeit<br />
Urlaub – Kur,<br />
Geschäftsreise,<br />
Kriegszug<br />
Beispiel für Seebä<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
Frankreich:<br />
http://de.franceguide.com/special/a<br />
tlantikkueste/Seeba<strong>der</strong>-und-<br />
Atlantik<strong>in</strong>seln.html?nodeID=935&<br />
EditoID=187701<br />
Die Forschungsreisen des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts dienten zu Erkundungen <strong>der</strong> „weißen<br />
Flecken auf <strong>der</strong> Erdkarte" unter geographischen, botanischen, zoologischen und<br />
anthropologischen Gesichtspunkten. Ganz im Geist <strong>der</strong> Aufklärung gab es<br />
„Barbaren", „edle Wilde" und „Naturvölker" zu entdecken, „glückselige Inseln",<br />
e<strong>in</strong> „goldenes Zeitalter". Geför<strong>der</strong>t und bestärkt durch die Reiseberichte von<br />
Kapitän James Cook (1728-1779) entstand <strong>der</strong> „Tahiti-Mythos" e<strong>in</strong>er<br />
besseren, schöneren Welt.<br />
Auch im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t waren Ferien für den größten Teil <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
<strong>in</strong> Europa etwas Unbekanntes. Bauern, Handwerker und Industriearbeiter<br />
kannten nur den 12- bis 16-Stunden-Tag, und das an sechs o<strong>der</strong> sieben Tagen<br />
die Woche. Nur für die reichen und adeligen Kreise gehörte es zum guten Ton,<br />
mehrmonatige Kuraufenthalte und Sommerfrischen zu genießen und mit<br />
Sack und Pack, Dienerschaft und Mobiliar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> prom<strong>in</strong>enten Kurorte<br />
zu reisen: Karlsbad o<strong>der</strong> Leukerbad wurden zu mitteleuropäischen Treffpunkten<br />
begüterter Schichten.<br />
Seebä<strong>der</strong> <strong>in</strong> England (Brighton), Frankreich (Nizza), Belgien (Oostende),<br />
Holland (Scheven<strong>in</strong>gen), Kroatien (Opatija) o<strong>der</strong> Deutschland (Travemünde)<br />
leben noch heute von ihrer ruhmreichen Vergangenheit.<br />
Die Bedeutung des Meerwassers als Heilmittel war bereits im Altertum bekannt (s. Hippokrates).<br />
Die Gründurig <strong>der</strong> ersten Seebä<strong>der</strong> vollzog sich <strong>in</strong> England, wo sich um die Mitte des 18.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts aus med.-wissenschaftlicher Erkenntnis <strong>der</strong> Bedeutung des Meerwassers und des<br />
Seeklimas unter dem E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Ärzteschaft schon geeignete Küstenplätze zu Heilorten größeren Stils<br />
entwickelten. Dort besa8en die Seebä<strong>der</strong> bereits um 1750 höchste Popularität als Heilbä<strong>der</strong>.<br />
Geistiger Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> deutschen Seebä<strong>der</strong> wurde <strong>der</strong> Gött<strong>in</strong>ger Physiker und Philosoph Lichtenberg,<br />
<strong>der</strong> durch se<strong>in</strong>e Studien <strong>in</strong> England den Heilwert und die Bedeutung <strong>der</strong> Seebä<strong>der</strong> für die<br />
Volksgesundheit erkannte und schon im Jahre 1793 auch <strong>in</strong> Deutschland die Errichtung von Seebä<strong>der</strong>n<br />
for<strong>der</strong>te. In die Tat umgesetzt wurde diese For<strong>der</strong>ung mit <strong>der</strong> Errichtung des <strong>1.</strong> öffentlichen Seebades<br />
"Ostseebad Doberan" unter <strong>der</strong> Leitung von Prof. Vogel, Rostock.<br />
Die Zeit von 1800 – 1850 machte dann den geeigneten deutschen Küstenorten den Weg frei zu<br />
Heilbä<strong>der</strong>n ersten Ranges. Auf Grund <strong>der</strong> erzielten Erfolge nahmen die deutschen Seebä<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />
schnellen Aufstieg.<br />
E<strong>in</strong> Verlassen dieser Existenzgrundlage erfolgte erstmalig um die Jahrhun<strong>der</strong>twende, als sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
damaligen Vorkriegszeit die "Mode" <strong>der</strong> Seebä<strong>der</strong> bemächtigte und ihnen e<strong>in</strong>en Ansturm von<br />
"Badegästen" (nicht Kurgästen) brachte, <strong>der</strong> dazu führte, dass <strong>der</strong> Weg e<strong>in</strong>es planvollen und<br />
zielbewussten Aufbaues auf <strong>der</strong> eigentlichen Existenzgrundlage des Heilbades verlassen wurde. E<strong>in</strong><br />
Verlassen dieser Existenzgrundlage erfolgte erstmalig um die Jahrhun<strong>der</strong>twende, als sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
damaligen Vorkriegszeit die "Mode" <strong>der</strong> Seebä<strong>der</strong> bemächtigte und ihnen e<strong>in</strong>en Ansturm von<br />
"Badegästen" (nicht Kurgästen) brachte, <strong>der</strong> dazu führte, dass <strong>der</strong> Weg e<strong>in</strong>es planvollen und<br />
zielbewussten Aufbaues auf <strong>der</strong> eigentlichen Existenzgrundlage des Heilbades verlassen wurde.