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Preisbildung und Erstattung von Arzneimitteln in der EU

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VERSORGUNGSFORSCHUNG + PHARMAKOÖKONOMIE<br />

Tabelle 1: Staatliche vs. freie Preisfestsetzung bei <strong>Arzneimitteln</strong> <strong>in</strong> den <strong>EU</strong>-Mitgliedstaaten 2011<br />

<strong>EU</strong>-Mitgliedstaaten Wer entscheidet über Arzneimittelpreise<br />

Staat/Behörde Pharma-Unternehmen<br />

Belgien, Griechenland, Lettland,<br />

Litauen, Luxemburg, Zypern<br />

(privater Sektor)<br />

Alle Arzneimittel –<br />

Dänemark, Deutschland, Malta – Alle Arzneimittel1 (privater Sektor)<br />

Estland, F<strong>in</strong>nland, Frankreich,<br />

(Großbritannien<br />

<strong>Erstattung</strong>sfähige Arzneimittel Nicht-erstattungsfähige Arzneimittel<br />

2 ), Ungarn, Irland,<br />

Italien, Österreich, Polen, Schweden,<br />

Slowakei, Slowenien, Spanien,<br />

Tschechische Republik<br />

Bulgarien, Nie<strong>der</strong>lande, Portugal, Verschreibungspflichtige Arzneimittel Nicht-verschreibungspflichtige<br />

Rumänien Arzneimittel<br />

1 Außer patentfreie Arzneimittel im <strong>Erstattung</strong>smarkt <strong>in</strong> Dänemark <strong>und</strong> Deutschland; Än<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong> Folge des AMNOG noch nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tabelle berücksichtigt<br />

2 Ke<strong>in</strong>e Preisfestsetzung, son<strong>der</strong>n Regulierung des maximal zugelassenen Gew<strong>in</strong>ns bei NHS-<strong>Arzneimitteln</strong> im Rahmen des PPRS (<strong>in</strong>direkte Preisregulierung)<br />

die Preise <strong>der</strong> patentfreien Arzneimittel,<br />

die erstattet werden, unterliegen<br />

staatlicher Preisregulierung.<br />

Heute stellt sich die Frage, <strong>in</strong>wieweit<br />

mit <strong>der</strong> Umsetzung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes<br />

(AMNOG) die Darstellung für<br />

Deutschland <strong>in</strong> Tabelle 1 noch angebracht<br />

ist. Verglichen mit dem Ausmaß<br />

<strong>der</strong> Preisregulierung <strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en<br />

<strong>EU</strong>-Mitgliedstaaten lässt sich<br />

Deutschland aktuell als e<strong>in</strong> Land beschreiben,<br />

dass sich auf dem Weg <strong>von</strong><br />

völlig freier <strong>Preisbildung</strong> <strong>in</strong> Richtung<br />

e<strong>in</strong>er gewissen staatlichen Preisregulierung<br />

bef<strong>in</strong>det.<br />

Blick auf die Preise<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong><br />

Die Vorgangsweise zur Festsetzung<br />

e<strong>in</strong>es Arzneimittelpreises – im Allgeme<strong>in</strong>en<br />

auf <strong>der</strong> Ebene des Herstellerpreises<br />

(Fabrikabgabepreises), <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

wenigen Län<strong>der</strong>n auch auf <strong>der</strong><br />

Ebene des Großhandelspreises (Apothekene<strong>in</strong>kaufspreises)<br />

– im Falle<br />

staatlicher Preisregulierung erfolgt<br />

üblicherweise auf Basis e<strong>in</strong>es gesetzlichen<br />

Regelwerks (sogenanntes „Statutory<br />

Pric<strong>in</strong>g” <strong>in</strong> <strong>der</strong> englischen Term<strong>in</strong>ologie<br />

[8]). Das bedeutet, die Behörde<br />

legt anhand gesetzlich def<strong>in</strong>ier-<br />

[WHO-Kooperationszentrum für Arzneimittelpreisbildung <strong>und</strong> -erstattung an <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heit Österreich GmbH]<br />

ter Kriterien den Preis fest – oft unterstützt<br />

durch e<strong>in</strong> Gremium, etwa e<strong>in</strong><br />

Preiskomitee. Dass Preise ausschließlich<br />

als Ergebnis <strong>von</strong> Preisverhandlungen<br />

zwischen <strong>der</strong> Behörde <strong>und</strong> dem<br />

Pharma-Unternehmen zustande kommen,<br />

ist eher selten <strong>der</strong> Fall (so <strong>in</strong><br />

Frankreich, Italien <strong>und</strong> Spanien). In <strong>der</strong><br />

Praxis haben sich Mischformen etabliert,<br />

etwa <strong>der</strong> Art, dass die gesetzliche<br />

Preisfestsetzung um Verhandlungen<br />

ergänzt wird (z.B. <strong>in</strong> Polen) [5,6].<br />

Die Gesetze <strong>in</strong> den <strong>EU</strong>-Mitgliedstaaten<br />

führen im Allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e Reihe<br />

<strong>von</strong> Kriterien an, die bei <strong>der</strong> Festlegung<br />

e<strong>in</strong>es Arzneimittelpreises zu berücksichtigen<br />

s<strong>in</strong>d. In <strong>der</strong> Realität s<strong>in</strong>d<br />

die Preise des Arzneimittels <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n die ausschlaggebende Maßgröße<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Großteil <strong>der</strong> <strong>EU</strong>-Mitgliedstaaten.<br />

23 <strong>der</strong> 27 <strong>EU</strong>-Mitgliedstaaten<br />

(Deutschland ist hier noch<br />

nicht mitgezählt, da die dort angewandte<br />

Methodik erst 2011 entwickelt<br />

wurde) wenden den <strong>in</strong>ternationalen<br />

Preisvergleich („external price referenc<strong>in</strong>g”,<br />

[8]) als zentrale Methode für<br />

die Festlegung <strong>von</strong> Preisen an (vgl. Abbildung<br />

2).<br />

Der „Korb” <strong>der</strong> meisten Län<strong>der</strong> umfasst<br />

zirka fünf bis zehn Referenzlän<strong>der</strong>;<br />

Belgien, Österreich, Slowakei <strong>und</strong><br />

die Tschechische Republik referenzieren<br />

zu sämtlichen an<strong>der</strong>en <strong>EU</strong>-Mit-<br />

gliedstaaten. Bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Referenzlän<strong>der</strong><br />

werden meist ökonomische<br />

Kriterien (z.B. Län<strong>der</strong> mit vergleichbarer<br />

Wirtschaftskraft, e<strong>in</strong>e ausgewogene<br />

Mischung aus Hoch- <strong>und</strong><br />

Niedrigpreislän<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> bewusst<br />

ausschließlich Niedrigpreislän<strong>der</strong>)<br />

herangezogen. Manchmal ist aber<br />

auch entscheidend, dass es sich um<br />

Nachbarlän<strong>der</strong> handelt o<strong>der</strong> dass die<br />

ausgewählten Staaten über gute Preisdatenbanken<br />

verfügen.<br />

Üblicherweise for<strong>der</strong>n die Behörden<br />

die Pharma-Unternehmen auf, die<br />

Preis<strong>in</strong>formationen über die an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong> bereitzustellen. E<strong>in</strong>ige Län<strong>der</strong><br />

haben darüber h<strong>in</strong>aus unabhängige<br />

Informationssysteme zur Überprüfung<br />

<strong>der</strong> übermittelten Preisdaten<br />

aufgebaut, so z.B. Österreich den Service<br />

zur Pharma-Preis<strong>in</strong>formation (PPI)<br />

[9].<br />

Nicht nur die Wahl <strong>der</strong> Referenzlän<strong>der</strong><br />

ist für den letztlich ermittelten<br />

Preis <strong>von</strong> Bedeutung, son<strong>der</strong>n auch<br />

weitere methodische Fragen: Wird <strong>der</strong><br />

Durchschnitt o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Median <strong>der</strong><br />

Preise angewandt, wie wird mit fehlenden<br />

Informationen (z.B. Bestimmung<br />

<strong>von</strong> Ersatzreferenzlän<strong>der</strong>n, wie<br />

sie Zypern def<strong>in</strong>iert hat), mit <strong>der</strong> Wechselkursproblematik<br />

<strong>und</strong> versteckten<br />

Preissenkungen, etwa <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Rabatten,<br />

umgegangen [10]?

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