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Eine gewagte Kreation: Original amerikansches ... - THA Heist Bobber

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Test<br />

Tha <strong>Heist</strong> <strong>Bobber</strong> 250<br />

<strong>Eine</strong> <strong>gewagte</strong> <strong>Kreation</strong>: <strong>Original</strong> amerikanisches<br />

Design mit einem Herz aus China. Mit „Tha<br />

<strong>Heist</strong> <strong>Bobber</strong>“ zeigt Cleveland CycleWerks, dass<br />

250 Kubik genügen können, um die Haare<br />

stilecht im Wind wehen zu lassen.<br />

von Moritz Schwertner/Guido Bergmann (Text & Fotos)<br />

Hat in Cruiser-Kreisen noch nicht den besten Ruf:<br />

223-Kubik-Single vom chinesischen Zulieferer Lifan<br />

Super<br />

18 MOTORRAD NEWS 3/2013


Orthopädische Skrupellosigkeit: Zwischen dem Schlagloch<br />

und den Bandscheiben federt nur ein Schwingsattel<br />

Lang, tief, schnörkellos: Die<br />

Kleine aus Ohio lehnt wie<br />

eine Kreuzung aus historischer<br />

Harley und Werners<br />

Flacheisen auf ihrem<br />

Chrom-Seitenständer. Der Himmel<br />

über dem Ruhrgebiet spiegelt sich in<br />

hochglanzverchromten Spei chenfelgen<br />

mit 21 Zoll vorne und 18<br />

hinten, in einem klassischen Rundscheinwerfer<br />

und einem tief montierten<br />

Batteriekasten. Der Rest versinkt<br />

in der klassischsten aller Fahrzeugfarben:<br />

mattem Schwarz.<br />

Das passt zur Reduzierung aufs<br />

Wesentliche, die so einen <strong>Bobber</strong><br />

ausmacht. Genau wie der winzige<br />

„Peanut“-Tank und der<br />

Einzelsitz vor dem von<br />

jeder Transportaufgabe<br />

befreiten Heckfender.<br />

Einfach eine coole Karre.<br />

Erst auf den zweiten<br />

Blick wird klar, dass<br />

dieses Motorrad seine klassische<br />

Schönheit einem Kunstgriff verdankt,<br />

für den viele Harley-Fahrer<br />

morden würden: dem Starrrahmen.<br />

Ein <strong>gewagte</strong>s Konzept angesichts<br />

heutiger Verkehrsinfrastruktur, aber<br />

durchaus mit praktischen Vorteilen<br />

gesegnet. Abgesehen davon, dass sich<br />

der hintere Kotfügel betörend dicht<br />

ans Hinterrad schmiegt, macht das<br />

starr verschraubte Hinterrad<br />

Kettendurchhang nahe zu<br />

überflüssig. Da guckt die<br />

Cruiser-Gilde neidisch.<br />

Beim Blick auf den<br />

Motor schleicht sich<br />

Starrrahmen, freier<br />

Heckfender, Peanut-<br />

Tank, Chrom und<br />

Mattschwarz – einfach<br />

ein coole Karre<br />

allerdings erste<br />

Belustigung in<br />

die Gesichter.<br />

Denn was sich<br />

unter einer<br />

matt schwar zen<br />

Tarnschicht<br />

zwi schen den<br />

Rahmenroh ren<br />

versteckt, ist<br />

von einem Big<br />

Twin aus Milwaukee so weit weg wie<br />

das Sauerland von den Rocky Mountains.<br />

Ein 229er Eintopf ist eben nicht<br />

ganz das Richtige, um bei den Cruiser-Kumpels<br />

Eindruck zu schinden.<br />

Zumal seine Abstammung auf Vorurteile<br />

trifft. Lifan hat sich als ehemaliger<br />

Honda-Zulieferer zwar einen<br />

Namen im Motorenbau gemacht, aber<br />

Made in China gilt trotzdem noch<br />

lange nicht als Qua litätsprädikat.<br />

Aber wen interessieren schnöde<br />

Fakten wie die 16 PS Maximalleistung,<br />

wenn ein Motorrad der harten<br />

Cruiser-Szene so lässig die Zunge<br />

rausstreckt wie „Tha <strong>Heist</strong>“? Was frei<br />

übersetzt übrigens „Der Banküberfall“<br />

heißt und genauso<br />

mit dem Böse-Buben-<br />

Image spielt wie das<br />

übrige Motorrad.<br />

Obwohl es auch als<br />

Fluchtfahrzeug eine originelle<br />

Wahl wäre. Also<br />

runter vom Garagenhof und rauf auf<br />

den Highway, der hier B1 heißt und<br />

nicht nach Vegas oder Frisco, sondern<br />

bloß nach Dortmund führt. Die Stiefel<br />

nach vorn auf die Fußrasten und<br />

meilenweit geradeaus, das kann sie<br />

gut, die Kleine aus Cleveland.<br />

Schwungvoll genommene Fahrbahnkanten<br />

meißeln allerdings einen<br />

grimmigen Zug ins Gesicht des<br />

<strong>Bobber</strong>-Fahrers. Das sieht lässig aus,<br />

resultiert aber aus der Skrupellosigkeit,<br />

mit der der handbestickte, von<br />

zwei Federn getragene Ledersattel<br />

die Härte der Landstraße an den<br />

Piloten weiterreicht. Keine Frage: Das<br />

hier ist näher an „Born to be wild“<br />

als manche Luxus-Harley.<br />

Am besten spielt man sich den<br />

Soundtrack auch gleich auf den<br />

iPod und stopft sich die Ohrhörer<br />

tief unter den Jethelm. Denn sein<br />

kerniges Röhren hält der kleine<br />

Chinese nicht bis in höhere Drehzahlen<br />

durch. Mit steigenden Vibrationen<br />

mischt sich ein Scheppern<br />

in die Klangkulisse, das Pessimis ten<br />

starr<br />

MOTORRAD NEWS 3/2013 19


Test Tha <strong>Heist</strong> <strong>Bobber</strong> 250<br />

Tha <strong>Heist</strong> <strong>Bobber</strong> 250<br />

Ba-Ba-Banküberfall:<br />

„<strong>Heist</strong>“ hat anglophile<br />

Wurzeln<br />

105<br />

65<br />

153<br />

220<br />

21 und 18 Zoll, dazwischen reiner Minimalismus: Tha <strong>Heist</strong> <strong>Bobber</strong><br />

erregt als US-China-Fliwatüt mächtig Aufsehen<br />

n Motor, Kraftübertragung:*<br />

Bauart:<br />

Einzylinder-Viertakt<br />

Hubraum: 229 cm 3<br />

Bohrung x Hub:<br />

67 x 65 mm<br />

Ventile pro Zylinder: 2<br />

Gemischaufbereitung: Vergaser<br />

Leistung:<br />

12 kW (16 PS)<br />

bei 7000 min -1<br />

Drehmoment: 15,8 Nm bei 5500 min -1<br />

Luftkühlung, E-Starter,<br />

5-Gang-Getriebe, Kette<br />

n Fahrwerk, Rahmen, Bremsen*:<br />

Rahmen: Zweischleifen-Starrrahmen<br />

aus Stahl<br />

Radstand:<br />

1525 mm<br />

Federung vorn:<br />

Telegabel,<br />

Bereifung v/h: 90/90-21 / 130/80-18<br />

Bremse vorn:<br />

Scheibe mit<br />

Zweikolben-Schwimmsattel<br />

Bremse hinten:<br />

Scheibe mit<br />

Einkolben-Schwimmsattel<br />

Leistung /Drehmoment<br />

11 kW (15 PS) bei 7250 min -1<br />

14,7 Nm bei 6000 min -1<br />

n Füllmengen, Preis*:<br />

Tankinhalt:<br />

8,4 l<br />

Wartungsintervalle:<br />

k.A.<br />

Preis zzgl. Nk:<br />

3940 Euro<br />

*Herstellerangaben<br />

n MOTORRAD NEWS-Messwerte:<br />

Gewicht vollgetankt:<br />

130 kg<br />

Gewicht fahrfertig o. Kraftstoff: 123 kg<br />

Zuladung:<br />

172 kg<br />

Testverbrauch:<br />

Reichweite:<br />

v max<br />

/Tacho (km/h):<br />

3,6 l/100 km<br />

233 km<br />

105/110 km/h<br />

Beschleunigung<br />

0 – 50 km/h: 4,6 sek<br />

0 – 100 km/h: 28,8 sek<br />

400 m bei stehendem Start: 21,1 sek<br />

Durchzug im 6. Gang<br />

60 – 100 km/h: 22,0 sek<br />

nach der ADAC-Clubkarte kramen<br />

lässt. Obwohl bei unserem Testmotorrad<br />

vermutlich nur der Deckel des<br />

Batterie kastens Verursacher war.<br />

Trotzdem kommt bald das, worauf<br />

alle China-Hasser gewartet haben: Der<br />

<strong>Bobber</strong> hustet, röchelt und ver endet<br />

auf der Standspur. Ach ja, da war ja was<br />

mit der Tank-Belüftung! Wer zu fest<br />

zudreht, quetscht die Dichtung in<br />

den Luftspalt. Also kurz<br />

öffnen, hören, wie der<br />

Tank nach Luft schnappt<br />

und mit viel Gefühl<br />

wieder zudrehen. Schon<br />

ist der Lifan wie der auf<br />

dem Damm.<br />

Urtümliches Harley-Feeling liefert<br />

die Einscheiben-Bremse unserer Testmaschine.<br />

Stahlflexleitung und Doppelkolben-Sattel<br />

wecken ein Vertrauen,<br />

dass mit der ersten Bremsung<br />

beinahe in Verzweiflung um schlägt.<br />

Die Bremswirkung ist trotz hefti gen<br />

Zupackens so, dass die Kupplungshand<br />

am liebsten mit am Hebel zerren<br />

würde. Da nimmt selbst die kleinere<br />

Hinterradscheibe mehr Tempo<br />

raus. Was ist das? The american way<br />

of ABS? Nein. Wie sich in der Werkstatt<br />

zeigen sollte, war eine Nachlauf­<br />

Die B1 führt<br />

meilenweit geradeaus.<br />

Das kann sie<br />

gut, die Kleine<br />

aus Cleveland<br />

bohrung des Bremszylinders verstopft.<br />

Da wirkt eine Bremse zwangsläufig<br />

saft- und kraftlos.<br />

Erstaunlicherweise weckt der <strong>Heist</strong><br />

<strong>Bobber</strong> große Bereitschaft, solche<br />

Montagemängel als sympathische<br />

Schrulle durchgehen zu lassen. Auf<br />

diesem Bike fällt es leicht, alles nicht<br />

so ernst zu nehmen. Wozu hef tige<br />

Bremsen, wenn Tha <strong>Heist</strong> mit Anlauf<br />

110 Sachen schafft?<br />

Wozu Fahrwerk, wenn<br />

gerade mal 130 Cruiser-<br />

Kilo durch die Kurven<br />

wirbeln wol len? Die<br />

rosarote Brille wird hier<br />

quasi mitgeliefert.<br />

Ebenfalls im Preis inbegriffen sind<br />

neue soziale Kontakte. Auf dem <strong>Bobber</strong><br />

ist man nie allein. Ob auf dem<br />

Parkplatz, im Stau oder an der Ampel:<br />

Immer kurbelt jemand ein Fenster<br />

runter und will wissen, was das für<br />

ein lustiges Fliwatüt ist. Der Markt<br />

für solch einen wilden US-China-<br />

Mix ist offensicht lich da.<br />

Nur der Preis drückt Runzeln in die<br />

Stirn. Fast 4000 Euro für so ein Minimalgefährt?<br />

Nicht we nig. Aber geht<br />

es um Show-Effekt pro Euro, ist der<br />

Kleinbobber kaum zu schlagen.<br />

Leistung in kW<br />

Drehmoment in NM<br />

Drehzahl in 1/min x 1000<br />

Zum Glück ist‘s eh wurscht: Der Lifan-Single scheut sich<br />

nicht vor Duellen mit handelsüblichen 125ern<br />

Weniger geht nicht: <strong>Heist</strong>-Fahrer<br />

wissen, worauf sie verzichten<br />

Wie praktisch: Der Starrrahmen macht<br />

den Kettendurchhang überflüssig<br />

20 MOTORRAD NEWS 3/2013

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