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WELL Dosierkarte Quer - periskop

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Seit Dezember 2008 ist Gabriele Heinisch-Hosek Bundesministerin<br />

für Frauen und Öffentlichen Dienst. Im Periskop-Interview zieht die<br />

Niederösterreicherin Bilanz über den 100. Frauentag und spricht über<br />

ihre Ziele und Anliegen.<br />

P: Sie sind seit Dezember 2008 Bundesministerin für Frauen und<br />

Öffentlichen Dienst. Wie sehen Ihre Ziele und Pläne in dieser Position<br />

aus? Welche davon konnten Sie schon verwirklichen und<br />

wo sehen Sie weiterhin Handlungsbedarf?<br />

Heinisch-Hosek: Vor Kurzem haben wir den 100. Frauentag<br />

begangen, und da hat sich gezeigt, dass wir immer noch dieselbe<br />

Forderung erheben wie im Jahr 1911. Gleicher Lohn für gleiche<br />

Arbeit war damals einer der wichtigsten Ansprüche, und<br />

auch hundert Jahre später ist das nach wie<br />

vor aufrecht. Denn Frauen verdienen für die<br />

gleiche Arbeit um 18 Prozent weniger als<br />

Männer. Das ist unerträglich. Daher bin ich<br />

froh und stolz, dass am 1. März das Gesetz<br />

über die Transparenz der Einkommen in Kraft<br />

getreten ist. Unternehmen sind damit verpflichtet,<br />

Einkommensberichte zu erstellen – und dann werden<br />

wir es schwarz auf weiß haben, wenn Frauen und Männer für die<br />

gleiche Arbeit ungleich entlohnt werden.<br />

Neben der Forderung nach dem gleichen Lohn für die gleiche Arbeit<br />

ist für mich die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

ein besonders wichtiges Thema, bei dem wir schon viel bewegen<br />

konnten. Mit der Einführung einer einkommensabhängigen<br />

Variante mit achtzig Prozent des letzten Nettoeinkommens konnte<br />

ein frauenpolitischer Meilenstein umgesetzt werden. Ebenso<br />

haben wir bei der Kinderbetreuung sehr viel weitergebracht. So<br />

sind in Österreich durch die Anstoßfinanzierung des Bundes in<br />

den vergangenen zwei Jahren fast 17.000 neue Kinderbetreuungsplätze<br />

und 6000 neue Jobs geschaffen worden. Und auch<br />

im Bereich Frauen in Führungspositionen konnten wir einiges erreichen<br />

– wie etwa einen Quotenstufenplan für die staatsnahen<br />

Unternehmen oder die 45-Prozent-Quote im öffentlichen Dienst.<br />

P: Welche laufenden Initiativen sind Ihnen besonders wichtig?<br />

Und welche neuen Projekte möchten Sie in Angriff nehmen?<br />

Heinisch-Hosek: Auch wenn wir jetzt die Einkommensberichte<br />

beschlossen haben, bleiben die Projekte, um gleichen Lohn für<br />

gleiche Arbeit zu erreichen, meine wichtigsten Anliegen. Daher<br />

werde ich heuer im Herbst einen Gehaltsrechner präsentieren,<br />

der ein weiterer Baustein für mehr Transparenz sein wird. Der<br />

Rechner ist als Onlinetool gedacht, damit sich Frauen einen<br />

Überblick darüber verschaffen können, was sie einem bestimmten<br />

Job verdienen können. Gleichzeitig bietet er eine bessere<br />

Orientierung bei Einstellungsgesprächen und beim Jobeinstieg.<br />

Vor allem hilft eine größere Transparenz Frauen dabei, mehr<br />

Lohngerechtigkeit herzustellen. Darüber hinaus werde ich weiterhin<br />

den Ausbau der Kinderbetreuung einfordern, die Väterkarenz<br />

forcieren und mich verstärkt mit dem Thema Migrantinnen und<br />

Zwangsheirat befassen.<br />

P: Der internationale Frauentag hat im März 2011 ein besonderes<br />

Jubiläum gefeiert, nämlich den 100. Geburtstag. Wie haben<br />

Sie diesen Tag begangen und wie sieht Ihr persönliches<br />

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“<br />

„Denn Frauen verdienen<br />

doch bei gleicher Arbeit<br />

um 18 Prozent weniger<br />

als Männer.“<br />

Resümee über die Frauenpolitik in Österreich<br />

und Europa aus?<br />

Heinisch-Hosek: Die Feierlichkeiten zum<br />

hundertjährigen Jubiläum des Frauentags<br />

begannen schon im Februar und liefen bis<br />

zur großen Frauentagsdemo Mitte März.<br />

Um diesen wichtigen Tag gut abzubilden<br />

und die zahlreichen und vielfältigen Aktivitäten von engagierten<br />

Frauen in Österreich sichtbar zu machen und zu vernetzen, haben<br />

wir unter dem Motto „Wir kommen,<br />

so weit wir gehen“ eine Kampagnenwebsite<br />

aufgesetzt, die über den<br />

Frauentag hinaus Informationen zum<br />

100. Jubiläum geben wird. Die Website<br />

findet sich unter www.100jahrefrauentag.at.<br />

Wenn Sie mich nach meinem persönlichen<br />

Resümee zum 100. Frauentag<br />

fragen, so ist dieses grundsätzlich positiv.<br />

Denn in den hundert Jahren ist<br />

schon sehr viel für Frauen erreicht worden:<br />

das allgemeine Wahlrecht, das<br />

Recht auf ein selbstständiges Einkommen,<br />

das Recht auf den eigenen Körper<br />

– Letzteres ist übrigens ein Punkt,<br />

der immer noch nicht in allen europäischen<br />

Ländern durchgesetzt ist. Theoretisch<br />

ist die Frau dem Mann in Österreich<br />

gleichgestellt. Aber in der praktischen<br />

Umsetzung sind wir leider immer<br />

noch nicht besonders weit, wie etwa<br />

die ungleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit beweist. Hier ist<br />

noch viel zu tun, auch an Überzeugungsarbeit bei den Frauen.<br />

P: Im Jahr 2008 haben Sie in den heimischen Aufsichtsräten eine<br />

Frauenquote von vierzig Prozent gefordert. Nach einer hitzigen<br />

Diskussion ist es um das Thema relativ ruhig geworden. Wie sieht<br />

die aktuelle Situation bei der Einkommensschere zwischen Frauen<br />

und Männern aus und wie lässt sich diese verändern?<br />

Heinisch-Hosek: Laut der neuesten Untersuchung der Arbeiterkammer<br />

ist die Situation in den Führungsetagen der großen<br />

österreichischen Kapitalgesellschaften nahezu gleich schlecht<br />

wie im Vorjahr. Es sind nur zirka vier Prozent Frauen in den Vorstandsetagen<br />

vertreten, und unter zehn Aufsichtsräten findet sich<br />

nur rund eine Frau. Grundsätzlich<br />

bin ich der Meinung, dass wir eine<br />

gesetzliche Quote wie in Norwegen<br />

bräuchten. Ich habe aber eingesehen,<br />

dass wir das nicht so schnell<br />

schaffen werden. Daher habe ich in<br />

einem ersten Schritt einen Stufenplan<br />

und eine Selbstverpflichtung<br />

für die Unternehmen des Bundes<br />

vorgeschlagen. Ich hoffe, dass der<br />

Bund damit als Vorbild eine gewisse<br />

Sogwirkung – auch in Richtung<br />

Privatwirtschaft – haben wird. Der Wind weht für die Unternehmen<br />

jetzt jedenfalls stärker, auch aus Europa. Diesen Wind werden<br />

wir für Österreich nutzen.<br />

P: Wie beurteilen Sie die derzeitigen Rahmenbedingungen für die<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf?<br />

Heinisch-Hosek: Zentral für die Lösung dieser Frage ist ein gut<br />

ausgebautes, qualitätvolles System von Kinderbetreuungsmöglichkeiten.<br />

Hier sehe ich noch Nachholbedarf. Derzeit liegt die Betreuungsquote<br />

für die unter Dreijährigen<br />

bei knapp 16 Prozent. Vorgenommen<br />

haben wir uns aber mit den Bologna-<br />

Zielen 33 Prozent. Bei den Kleinsten<br />

sind wir also noch ein gutes Stück vom<br />

Ziel entfernt. Deswegen bemühe ich<br />

mich darum, dass der Ausbau der Betreuungseinrichtungen<br />

auch in diesem<br />

Jahr von Bundesseite unterstützt wird.<br />

Zur Vereinbarkeit gehört aber auch eine<br />

andere Unternehmenskultur, die es<br />

Frauen und Männern künftig leichter<br />

macht, Beruf und Familie unter einen<br />

Hut zu bringen.<br />

P: Zum Thema Väterkarenz haben Sie<br />

verlautbart, sich einen verpflichtenden<br />

„Papa-Monat“ vorstellen zu können.<br />

Kritiker befürchten, dass damit für viele<br />

Familien schmerzhafte Einkommensverluste<br />

verbunden sein könnten. Wie<br />

stehen Sie zu diesem Kritikpunkt?<br />

<strong>periskop</strong>/47 [ 05 ]

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