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„HAND UND FUSS SIND DER BESTE ARZT“ - periskop

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VEIT *BETRACHTUNGEN EINES APOTHEKERSKIN<strong>DER</strong> <strong>UND</strong> HEILMITTELUnsere Gesellschaft nimmt Kinder im Allgemeinen als gesund und lebhaftwahr. Umso mehr Sorgen bereitet es uns, wenn das eigene Kind oder Kinderim Kreis unserer Familie erkranken. Meist sind es Kinderkrankheiten wie Verkühlungenoder Infektionen durch Viren, die die Eltern bekümmern. Wir Apothekerhaben nach erfolgter ärztlicher Diagnose die für die richtige Therapieund die Heilung notwendigen Medikamente parat. Nach wenigen Tagen istdie kleine Unpässlichkeit meist schon wieder vergessen. Aber leider gibt esauch bei Kindern Erkrankungen, die nicht so schnell geheilt werden können,sondern einer längeren medikamentösen Therapie bedürfen.Wir wissen auch, dass Medikamente, die bei Erwachsenen getestet und erfolgreich angewendetwerden, bei Kindern oft anders wirken. Wenn die Dosierung nicht stimmt, können sie gesundheitlicheSchäden verursachen, denn ein junger Organismus verarbeitet Arzneien anders als der einesErwachsenen. So bauen Neugeborene Wirkstoffe langsamer ab, weil Leber und Nieren nochnicht ausgereift sind. Kinder über zwei Jahre hingegen scheiden Wirkstoffe schneller aus, da derStoffwechsel rascher arbeitet als bei Erwachsenen. Daher muss die Dosierung immer an dasGewicht und Alter des Kindes angepasst werden. Selbst vermeintlich harmlose und frei verkäuflicheArzneien können für Kinder gefährlich sein, wenn sie von Unkundigen verabreicht werden.Kinder müssen oft Medikamente einnehmen, die weder für sie entwickelt noch an ihnen getestetwurden. Meist sind es Wirkstoffe gegen lebensgefährliche Erkrankungen wie Krebs oder Herzleiden.Seit 2007 gibt es eine Verordnung der Europäischen Kommission für kindgerechte Medikamente.Arzneimittelhersteller müssen neue Präparate auch an Minderjährigen testen, um zuermitteln, welche Dosierung für sie die richtige ist und ob Nebenwirkungen auftreten. Leider giltdiese Verordnung nur bei Neuzulassungen und nicht für die vielen bereits bestehenden Arzneimittel.In diesen Fällen müssen sich die Eltern auf die Erfahrung der (Kinder-)Ärzte wie auch aufdie der Apotheker verlassen.Um diesem komplexen Thema in Zukunft mehr Nachdruck zu verleihen, hat die OberösterreichischeApothekerkammer eine Diskussionsveranstaltung mit Expertinnen und Experten aus demGesundheitswesen abgehalten. Schwerpunkt dieser Debatte war die adäquate Heilmittelversorgungfür Kinder. Speziell in Österreich wird in breiten Bevölkerungskreisen die Meinung vertreten,Studien mit Kindern seien unethisch und sollten daher auch nicht durchgeführt werden. Für dieseEinstellung spielen die menschenunwürdigen Vorkommnisse während des NS-Regimes sicher einenicht unwesentliche Rolle. Auch die in den letzten Monaten erhobenen Vorwürfe von Menschen, diein den Fünfzigerjahren Heimkinder waren, verstärken die allgemeine Abneigung gegen die wissenschaftlicheForschung in Bezug auf Verträglichkeit und Wirksamkeit von Heilmitteln bei Kindern.Trotzdem ist es meiner Meinung nach unerlässlich, dass sich die forschende Industrie, die Pharmakonzerne,vor allem aber die Regierungen als oberste Aufsicht ihrer Staaten dieses Themasstärker annehmen als bisher. Alle Diskussionsteilnehmer unseres runden Tisches in Oberösterreichforderten mehr wissenschaftliche Studien über „Kinderheilmittel“. Auch namhafte (Kinder-)Ärzte unterstützen diese Forderung. Schließlich sind sie täglich mit den Missständen in der Arzneimittelversorgungder Jüngsten konfrontiert, die darin begründet liegen, dass die Medikamentenur für Erwachsene, nicht aber für Kinder geprüft und zugelassen wurden. Trotzdem werden sieKindern – mangels Alternativen – in geringeren Dosierungen verabreicht, ohne dass entsprechendemedizinische Studien zur Verfügung stehen. Es wird angenommen, dass neunzig Prozent allerMedikamente, die Kinder einnehmen, nicht adäquat geprüft sind. Das ist aus Sicht der Medizinwie auch der Pharmazie ein unhaltbarer Zustand, der rasch korrigiert werden sollte.Aus der Perspektive der alltäglichen Praxis eines Apothekers wäre es auch wünschenswert, wenn diediversen Zulassungskriterien von bestehenden Arzneimitteln geändert würden und das den niedergelassenenÄrztinnen und Ärzten wie auch uns Apothekern rasch vermittelt würde. Wird zum Beispieldie Dauer der Verabreichung eines Medikaments verlängert oder verkürzt, wissen das die Pharmafirmen, weil sie die Gründe dafür – wie Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten – kennen. Aber behandelndeÄrzte, Pädiater oder Pharmazeuten erreicht dieses Wissen oft noch lange nicht. Häufi gerfahren wir so etwas erst von den Eltern, dabei wäre eine raschere Information absolut sinnvoll.Trotz des umfangreichen Sparpakets der Regierung, das auch unser Gesundheitssystem betreffenwird, bleiben unsere Kinder unser größtes Gut. Deshalb müssen wir – bei allem Sparwillen –mit dem Thema „Kinderheilmittel“ professioneller umgehen.Meint Ihr Thomas Veitschegger*<strong>DER</strong> HL.VEIT (VITUS) IST EINER <strong>DER</strong> 14 NOTHELFER <strong>UND</strong> SCHUTZPATRON <strong>DER</strong> APOTHEKER.Ein klares Konzeptbringt klare Vorteilefür Sie!- Erfahrene Experten als Referenten- Beispiele aus der Praxis- Q&A-Sessions pro Thema- Exklusives Networking mit Insidern- Kompetenz-ZertifikatMarket Access Management LehrgangPraxis-Lehrgang mit Wissens-Check und Kompetenz-ZertifikatStart Mai 2012Lehrgang über5 Tage!Nähere Info: 01 / 865 42 78 oder n.bauer@hcc-seminare.atAnmeldung: www.hcc-seminare.at/seminare/mam


„Hand und Fuß sindder beste Arzt“VON MAG. NINA BENNETT, MAMag. Dr. Hans Jörg Schelling zieht im Periskop-Interview Zwischenbilanzüber seine dreijährige Tätigkeit als Vorsitzender desVerbandsvorstands im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.Dabei spricht er über finanzielle Erfordernisse,notwendige Maßnahmen und bisherige Veränderungen durch denMasterplan Gesundheit. Außerdem umreißt der gebürtige Vorarlbergerdie Rolle des Hauptverbands für das zukünftige österreichischeGesundheitssystem und erklärt, wie das Bewusstsein derMenschen für Prävention gestärkt werden kann.P: Sie sind nun seit drei Jahren als Vorsitzender des Vorstands imHauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger tätig.Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?Schelling: Zu Beginn meiner Amtsperiode, 2009, musste derHauptverband der Bundesregierung innerhalb weniger WochenMaßnahmen vorschlagen, um 1,725 Milliarden Euro an Kostendämpfungfür die Periode von 2010 bis 2013 zu realisieren. Das waraus mehreren Gründen eine Herausforderung: Einerseits war diefehlende Zeit ein Problem, andererseits mussten Rahmenbedingungeneingehalten werden, etwa der Verzicht auf Leistungskürzungen.Beides erschwerte die Umsetzung dieser Forderung. Dochwir haben es geschafft, das Konsolidierungspapier vorzulegen.Zunächst wurden die Maßnahmen von vielen Seiten angezweifelt.Heute, drei Jahre später, hat sich herausgestellt, dass die Kostendämpfungnach aktueller Prognose um mindestens 500 MillionenEuro unterschritten werden konnte. Somit konsolidieren wir weitmehr, als uns aufgetragen wurde – und die Leistungsentwicklungwurde davon nicht beeinträchtigt. In den Jahren 2009, 2010 und2011 konnten wir positiv bilanzieren. Daherist der Weg, den wir mit der Konsolidierungbeschritten haben, durchaus als einErfolgsmodell zu bezeichnen – denn dieKonsolidierung ist ausgabenseitig kostendämpfend.In der Periode von 2012 bis2016 müssen wir unser Programm fortsetzen, da mit den Bundesländerneine sektorenübergreifende Gesamtkonsolidierung vereinbartwurde. Bis 2013 sind insgesamt 3,5 Milliarden Euro Kostendämpfungzu erzielen, unter Einbeziehung dessen, was wir schongeschafft haben. Da wir bereits Überschüsse erarbeiten konnten,sind wir zuversichtlich, dieses Ziel erreichen zu können.P: Wie steht es um den Schuldenstand der Gebietskrankenkassenaus heutiger Sicht?Schelling: Ausgangswert war 2009 ein Schuldenstand der Gebietskrankenkassenvon ungefähr 1,1 Milliarden Euro. Bis 2015 wareine Erhöhung auf 2,4 Milliarden Euro prognostiziert. Mit 31. Jänner2012 lagen wir bei einem Schuldenstand der Gebietskrankenkassenvon 299 Millionen Euro. Deshalb ist davon auszugehen, dassdie Gebietskrankenkassen bis 2013 schuldenfrei sein werden. Einzigdie Wiener GKK wird möglicherweise davon ausgenommensein, denn diese hat mit fast 600 Millionen Euro negativ gestartet.„Der entscheidende Faktor ist,dass wir nicht gespart, sonderndie Kosten gedämpft haben.“P: Welche Faktoren waren für diese Zwischenbilanz ausschlaggebend?Schelling: Dafür waren drei Faktoren ausschlaggebend: erstenseine Entschuldungsunterstützung vonseiten der Bundesregierungin der Höhe von dreimal 150 Millionen Euro, die bei uns allerdingsnur als Zinsersparnis ankommen, nicht als Kapital. Zweitens gibt esSondereffekte mit Beträgen von einmal 100 Millionen Euro undzweimal 40 Millionen Euro für den Kassenstrukturfonds. Der wirdnur dann ausbezahlt, wenn wir die Vorgaben erreichen. Drittens hatdas Konsolidierungsprogramm durch die Träger und mit denTrägern gegriffen. Wir haben jetzt drei Jahre hintereinander Überschüsseerwirtschaftet, die in Schuldentilgungen der Gebietskrankenkassenfließen. Der entscheidende Faktor ist, dass wir nicht gespart,sondern die Kosten gedämpft haben. Unsere Ausgabenwachsen weiterhin jährlich um rund zwei Prozent. Weil sie geringfügigunterhalb der Einnahmen wachsen, können wir aber positivbilanzieren.P: Welche Rolle nimmt die Entwicklung des Masterplans Gesundheitin dieser Zwischenbilanz ein?Schelling: Die Entwicklung des Masterplans Gesundheit ist einweiteres großes Projekt, welches als Zwischenbilanz darzustellenist. Es basiert darauf, dass wir als Hauptzahler die Aufgabe wahrnehmen,das Gesundheitssystem zukünftig nachhaltig zu organisierenund finanzierbar zu halten. Dazu muss man wissen, dass vomGesamtbudget der Sozialversicherungen etwa 4,6 Milliarden Euronicht beeinflussbar sind – das sind jene Zahlungen, die an die Landeskrankenanstaltenfondsgehen. Zudem glauben wir fest daran,dass es in der Gesundheit einen Paradigmenwechsel geben muss,um den Blick weg von der Krankheit hin zur Gesundheit zu lenken.Im Masterplan ist dieses Bestreben als „langes Leben bei guterGesundheit“ verankert. Dazu haben wir ein Modell skizziert, das beider Prävention über die Eigenverantwortung ansetzt und zumThema Gesundheitsförderung führt. Darüber hinaus muss dasModell die notwendigen Infrastrukturen bereitstellen, wie die Ärzteausbildung,neue Versorgungsformen oder integrierte Versorgungsprogramme.Der Masterplan beschäftigt sich zudem mit Finanzstrukturenund der Situation der Spitäler.P: Welche ersten Erfolge und Veränderungen brachte der MasterplanGesundheit bisher?Schelling: Der Masterplan war der Auslöser für zwei grundlegendeVeränderungen: Zum einen hat er die ersten Gesundheitsziele imRahmen der „Nationalen Konferenz für Gesundheitsziele“hervorgebracht. ObwohlÖsterreich ein hochentwickeltes Land ist,hatte es bisher noch keine nationalen Gesundheitsziele.Im Jahr 2012 werden wirerstmalig Rahmengesundheitsziele haben,auf deren Grundlage erforderliche Maßnahmen definiert werdenkönnen. Der zweite große Bereich, der durch den Masterplan eingeleitetwurde, ist der Dialog zur Gesundheitsreform. Es ist gelungen,auf unsere Initiative hin eine hochkarätig besetzte Steuerungsgruppezu installieren, in der jeweils zwei Vertreter des Bundes – nämlichFinanz- und Gesundheitsminister –, des Landes – der Landeshauptmannvon Oberösterreich, Dr. Josef Pühringer, und die Stadträtinfür Gesundheit und Soziales der Stadt Wien, Mag. a SonjaWehsely – sowie der Sozialversicherung – die Obfrau der WienerGebietskrankenkasse Mag. a Ingrid Reischl und meine Person –Gespräche führen. Diese Arbeitsgruppe hat mittlerweile mehrfachgetagt und inzwischen viele Aspekte diskutiert und erarbeitet. DerMasterplan Gesundheit ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber invielen seiner Ausprägungen auf einem sehr guten Weg.P: Was wurde im Rahmen dieser Arbeitsgruppe bisher erreicht?Schelling: Durch zahlreiche Diskussionen sind wir übereingekommen,einen Finanzstatus herzustellen. Dieser wurde mittlerweileweitestgehend finalisiert. Er zeigt die Entwicklung von Finanzstrukturenund mögliche Maßnahmen auf. Des Weiteren konnten wir einenVersorgungsstatus erarbeiten: Auf einer Versorgungslandkarte istersichtlich, in welchen Gebieten Über- oder Unterversorgungen bestehen.Auch der Konsolidierungspfad wurde erarbeitet. Außerdemhaben wir klare Definitionen über Zuständigkeiten auf Bundes- undLandesebene. In Zukunft wird die Planung der Versorgung anhandeines so genannten Zielsteuerungsmodells durch die Länder unddie Sozialversicherung organisiert. Dadurch werden eine bundeseinheitliche,bundesländerübergreifende, versorgungsorientierteverbindliche Planung nach homogenen Parametern mit Ausgabenobergrenzenund eine sektorenübergreifende Steuerung möglichsein. Bei den Finanzströmen sind wir noch weit auseinander, dennochzeichnet sich ein Kompromiss im Sinne eines vertraglichenVerrechnungskontos ab. >>><strong>periskop</strong>/51 [ 05 ]


P: Wie sehen die nächsten Schritte aus?Schelling: Als Nächstes möchten wir eine sehr klareStrategie im Bereich Prävention und Gesundheitsförderungin Angriff nehmen. Zu diesem Zweck war es zunächstwichtig, die Struktur- und Finanzreform im Gesundheitswesenzu überdenken und zu diskutieren, um feststellenzu können, wie das Gesundheitssystem der Zukunft organisiertsein soll. Wenn in etwas investiert werden muss,das erst in dreißig Jahren Gewinn bringt, ist dieses Unterfangennatürlich schwierig. Trotzdem halte ich es für richtig,dass ein langes Leben bei guter Gesundheit – und damiteine Verlängerung der gesunden Lebensjahre – nurdurch Prävention möglich ist. Gerade deshalb haben wirdas Ziel der Schaffung eines solchen Bewusstseins auchin den Masterplan integriert. Prävention kann bei allen Einrichtungenerfolgen, die wir momentan als Instrumentarienzur Verfügung haben – ambulant, stationär und im niedergelassenenBereich. Entsprechende Anlaufstellen, an diesich Menschen wenden können, scheinen mir für dieErreichung dieses Ziels essenziell. Hier sollte künftig schonim Kindesalter angesetzt werden. Denn auch Dinge wiedas Streichen von Turnstunden in der Schule habenmittelfristig Auswirkungen auf die Gesundheit.P: Wie kann das Bewusstsein der Menschen für Präventiongestärkt werden?Schelling: Wir bekennen uns im Masterplan dazu,dass die Eigenverantwortung des Individuums einegroße Rolle spielt. Ohne das Mitwirken des Einzelnenwird Prävention nicht funktionieren. Die Schaffung einesBewusstseins für Prävention muss an vier Ebenen ansetzen:Die erste ist der Gesetzgeber, der Sicherheitsvorschriftenvorgibt. Die zweite stellen jenedar, die die Ausführung der Regeln desGesetzgebers durchsetzen. Die dritte istdie Informationsvermittlung über dieseRegeln und die vierte – die Ebene derUmsetzung – ist das Individuum selbst.Achtzig Prozent der Gesundheit werdennicht von den Gesundheitsausgaben beeinflusst,sondern von Ernährung, Bewegung,Bildung, Einkommen, der Arbeitsplatzsituationoder auch genetischenFaktoren. Bei Gesundheitsversicherungen ist es imGegensatz zu allen anderen Versicherungen so, dassdiese zahlen, auch wenn der Betroffene ein völlig gesundheitsschädigendesVerhalten an den Tag legt. Esmuss klarer kommuniziert werden, dass das Zahlen vonKrankenversicherungsbeiträgen nicht das Recht aufKrankheit, sondern die Pflicht zur Gesundheitserhaltungbedeutet. Um ein Beispiel zu nennen: Wir können keingenerelles Schweinsbratenverbot aussprechen, aberdas Bewusstsein dafür wecken, dass dieser nicht täglichgegessen werden sollte. Diese Eigenverantwortungist natürlich ein Kurswechsel. Die Politik hat den Menschenjahrzehntelang versprochen, für sie zu sorgen.Und nun muss man erkennen, dass nichtmehr genug Geld in der Staatskasse ist,um dieses Versprechen einzulösen. Wiralle werden daher auch wieder Eigenverantwortungim Sinne von „Vorsorgen stattVersorgen“ übernehmen müssen.„Es muss klarer kommuniziertwerden, dassdas Zahlen vonKrankenversicherungsbeiträgennicht dasRecht auf Krankheit,sondern die Pflicht fürGesundheit bedeutet.“P: Gesundheit ist von vielen Faktoren – wieEinkommen, Arbeit, Bildung, Ernährungund Bewegung – abhängig. Gerade ärmereBevölkerungsschichten sind aber oft dazugezwungen, sich günstiger und damitoft auch schlechter zu ernähren. Wie solldieses System funktionieren, um keinenMenschen durch seine Einkommenssituationzu benachteiligen?Schelling: Ich mache ausdrücklich daraufaufmerksam, dass das Thema Eigenverantwortungin einem solidarisch finanziertenGesundheitssystem nie einen Malusauslösen kann. Der Malus würde die Falschen treffen, nämlichMenschen mit niedrigerer Bildung oder geringerem Einkommen.Bonus ist ein denkbarer Ansatz, und dazu gibt es auch dezidierteVersuche. Bei einem Bonussystem muss genau definiert werden,wie man zu diesem Bonus kommt. Prävention kann nicht darin bestehen,dass die Versicherungen den Menschen zukünftig die Fitnesscenterbezahlen. Sie wird darin bestehen, den Menschen bewusstzu machen, dass sie Teil ihrer Gesundheit sind. Die Händeund Füße sind der beste Arzt: Die Hände entscheiden, was manisst, und die Füße entscheiden, ob Bewegung gemacht wird. Esnützt nichts, zu wenig zu essen und sich dafür nicht zu bewegen.Wer sich genügend bewegt, darf aber auch das eine oder andereMal über die Stränge schlagen, denn ein Leben ohne Vergnügen istauch nicht wünschenswert.P: Bewegen sich Bund und Land diesbezüglichauf ein gemeinsames Ziel zu?Schelling: Bund, Land und Sozialversicherungversuchen, einen Konsens zu finden.Der ist in vielen Bereichen bereits gelungenund in manchen noch ausständig. Das Zielsteuerungssystemetwa stellt einen ungemeingroßen Schritt dar.P: Gibt es auch zum Thema ELGA ein gemeinsamesZiel?Schelling: Ich bin davon überzeugt, dasszukünftig eine elektronische Gesundheitsakteeingeführt wird. Denn durch die demografischeEntwicklung der Bevölkerung unddes medizinischen Fortschritts werden wiran einer nationalen E-Health-Strategie nichtvorbeikommen. Die technische Infrastrukturwürde mit Sicherheit ein besseres Kommunikationssystemvom Arzt zum Patienten herbeiführen. ELGA istnur eines der möglichen Instrumente für eine nationale E-Health-Strategie. Hinter ELGA steht die E-Medikation. Beides läuft auf derselbengesetzlichen Grundlage, die nachweislich viele Vorteilebringt, etwa für die Nachsorge. Wird ein Patient aus dem Spital entlassen,können alle Befunde für den nachsorgenden Arzt freigeschaltenwerden. Somit ist für diesen auf einen Blick ersichtlich,was behandelt wurde und welche Medikamente verabreichtwurden. Der Informationsfluss wird dadurch effizienter.P: Eine Frage zu den Kassen: Wird bis 2016 weiter so gespart oderkommt es wieder zu einer Medikamentensteigerung?Schelling: Wir haben auch weiterhin eine Medikamentensteigerung.Im vergangenen Jahr lag die Steigerungsrate bei 2,88 Prozent.Früher war die Steigerungsrate insgesamt sechs Prozent, davonsechzig Prozent Steigerung in der Menge und vierzig Prozent in derQualität. Heute haben wir eine Mengensteigerung von 1,24 Prozent,also ein Drittel Mengen- und zwei Drittel Preissteigerungen – imVergleich zum letzten Jahr ist das ein riesiger Erfolg. Und es zeigtklar, dass wir neue Medikamente rasch aufnehmen. Dieser Erfolghat weder mit dem Auslaufen von Patenten noch mit der Erhöhungdes Generikaanteils zu tun, wie häufig behauptet wird, sonderneinzig und allein mit dem Verschreibeverhalten.P: Welche Art der externen Kommunikation pflegt der Hauptverband?Schelling: Für den Hauptverband ist offene Kommunikationenorm wichtig. Von 2009 bis heute hat er äußerst viel Kommunikationsarbeitgeleistet, sei es im Rahmen von Gesprächen, Aufklärungoder Pressekonferenzen. Ehrliche Kommunikation und Transparenzwaren dabei oberste Priorität. Das wird von der Bevölkerung durchauspositiv aufgenommen._______________________________________________________________BioBox:Mag. Dr. Hans Jörg Schelling studierte an der Universität LinzBetriebswirtschaftslehre. Er promovierte 1981 und war von 1981bis 1990 in der Leiner/Kika-Unternehmensgruppe tätig. Danachfungierte er von 1992 bis 2005 zuerst als Geschäftsführer und istseit 2005 im Aufsichtsrat der XXXLutz GmbH in Wels. Seit 1999 istDr. Schelling auch geschäftsführender Gesellschafter der Big DealMarken- und MarketingberatungsgesmbH in Wien. Von 2005 bis2008 war er als Geschäftsführer für die XLA Holding GmbH in Welsverantwortlich. Der gebürtige Vorarlberger war vor seiner aktuellenPosition Obmann der Allgemeinen Unfallversicherung und ist seit21. Jänner 2009 Vorsitzender des Verbandsvorstands im Hauptverbandder österreichischen Sozialversicherungsträger.<strong>periskop</strong>/51 [ 06 ]


„Klare Gesundheitsziele fürdie längerfristige Gesundheitunserer Versicherten“VON MAG. NINA BENNETT, MAIm Periskop-Interview erläutert Mag. Peter McDonald, SVA-Obmann-Stellvertreter, das 2012 etablierte Vorsorgeprogramm„Selbständig gesund“ für SVA-Versicherte. Der gesundheits- undsozialpolitische Experte beschreibt, wie diese ihren Selbstbehalthalbieren können, und spricht darüber, wie sich die Investition indie Lebensqualität der Versicherten in Zukunft ökonomisch auswirkenwird.P: Mit Jänner 2012 ist ein Anreizsystem in Kraft getreten, demgemäßSVA-Versicherte sich bei Einhaltung defi nierter Gesundheitszielekünftig den halben Selbstbehalt ersparen. Welche Vorteilehat das Programm „Selbständig gesund“ und wie sieht es imDetail aus?McDonald: Als Sozialversicherungsanstalt der gewerblichenWirtschaft haben wir uns vorgenommen, klare Gesundheitszielein Österreich zu implementieren. Ein wichtiges Ziel stellt das Älterwerdenbei guter Gesundheit dar, denn wir Österreicher werdenzwar jährlich älter, aber nicht gesünder. Im internationalen Vergleichverbringen wir mehr kranke Jahre als der Durchschnittseuropäer.Aus gesundheitspolitischer Sicht legen wir den Fokushierzulande zu sehr auf Reparaturmedizin statt auf Vorsorge.Deshalb haben wir zusammen mit der Österreichischen Ärztekammerein Programm aufgesetzt, das zum Ziel hat, die SVA vonder Krankenversicherung hin zu einer Gesundheitsversicherungzu entwickeln – in deren Fokus also die Erhaltung der Gesundheitsteht. Unter dieser Voraussetzung haben wir das Gesundheitsvorsorgeprogramm„Selbständig gesund“ geschaffen. Nacheinem kostenfreien freiwilligen Gesundheitscheck beim Arzt desVertrauens werden für unsere Versicherten anhand von fünf Parametern– Gewicht, Blutdruck, Alkohol- und Nikotinkonsum sowieBewegung – Gesundheitsziele ermittelt. Lebt der Patient gesund,gilt es diese Werte zu erhalten, ansonsten geht es darum, sie zuverbessern. Für dieses Engagement für die eigene Gesundheitwird der Versicherte einerseits durch eine höhere Lebensqualität,andererseits durch die Halbierung des Selbstbehalts belohnt.P: Welche Anmerkungen haben Sie aus Sicht der SVA zur Gesundheitsreform?McDonald: Österreich liegt bei den Finanzaufwendungen fürGesundheit im europäischen Spitzenfeld und in der Medizin wirdHervorragendes geleistet. Was jedoch die gesunden und beschwerdefreienLebensjahre betrifft, so liegen die Österreicher mitweniger als sechzig Jahren unterhalb des EU-Durchschnitts. Diessollte bei unserer Gesundheitspolitik zu einem Umdenken führen.Dazu müssen bundesweit einheitliche Gesundheitsziele ausgearbeitetwerden, wie es der Hauptverband der Sozialversicherungsträgermit den Gesundheitszielen ja bereits vorgeschlagen hat. Einwichtiger Punkt ist hier die Investition in Prävention. Daher müssendie Finanzmittel im gesamten Gesundheitswesen effi zienter eingesetztwerden. Dann können Mittel frei gemacht werden, die in diePrävention und Gesundheitsvorsorge investiert werden können. Esmuss jetzt zu Reformmaßnahmen kommen, sonst werden wir dieGesundheitsversorgung, wie wir sie heute kennen, in 15 Jahrennicht mehr gewährleisten können. Werden wir alle gesünder, kannauch das Gesundheitssystem gesunden.BioBox: Mag. Peter McDonald ist stellvertretender Obmann derSozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA). Seit2003 ist er in der Bundesleitung des Wirtschaftsbundes tätig undwar als gesundheits- und sozialpolitischer Experte wesentlich ander Koordination der Sozialversicherungen und Einigung der Sozialpartnerzur Zukunftssicherung der Krankenkassen beteiligt. Er istseit 2009 Direktor des Österreichischen Wirtschaftsbundes.„Was [...] die gesunden undbeschwerdefreien Lebensjahre betrifft, [...]liegen die Österreicher mit wenigerals sechzig Jahren unterhalb des EU-Durchschnitts.“KOMMENTAR MR DR. WALTER DORNER,PRÄSIDENT <strong>DER</strong> ÖSTERREICHISCHEN ÄRZTEKAMMERP: Zur Ökonomie: Durch den Verzicht auf die Hälfte des Selbstbehaltswird natürlich auch die Einnahmesituation beeinfl usst. DieUntersuchung durch die Ärzte stellt jedoch einen Aufwand dar –wie trägt sich dieses Modell?McDonald: Da wir in den letzten Jahren sehr gut und solide gewirtschaftethaben, haben wir uns einen Spielraum dafür geschaffen,eine Investition in die Lebensqualität unserer Versicherten– und somit für die Zukunft – zu tätigen. Es ist ein Anfangsinvestment,welches sich mittel- bis langfristig sowohl für die SVAals auch volkswirtschaftlich rechnen wird. Zudem profi tiert derVersicherte aufgrund des Vorsorgeprogramms von einer höherenLebensqualität. Durch den Erhalt der Gesundheit sind wenigerKrankenstandstage und eine längere Erwerbstätigkeit möglich.Und somit profi tiert auch die Volkswirtschaft insgesamt.P: Können Sie die Positionierung und strategische Ausrichtungder SVA erläutern?McDonald: Wir sehen uns als unternehmerische Sozialversicherung,die sich für die nächste Funktionsperiode von fünf Jahrenhohe Ziele gesteckt hat. In den letzten Jahren wurde einigeserreicht: Wir sind einer der am effi zientesten wirtschaftendenSozialversicherungsträger. Wir haben uns zuletzt auch sehr fürdie Entlastung unserer Versicherten engagiert und es wurden imBereich der sozialen Sicherheit neue Leistungen wie eine Arbeitslosenversicherungfür Selbständige oder zusätzliches Kranken geldgeschaffen. Für die Zukunft wurden als Ziele der Paradigmenwechselweg von der Krankenkasse hin zur Gesundheits versicherungund die Entwicklung neuer Leistungspakete sowie eine Serviceoffensivegesetzt.„Ein gesunder Lebensstil lohnt sich für Selbstständige zukünftig auch in fi nanzieller Hinsicht. Denn diese haben seit Jänner 2012 dieMöglichkeit, die Hälfte ihres Selbstbehalts einzusparen: durch das Erreichen individueller, mit dem Arzt defi nierter Gesundheitsziele.Ich halte dieses Gesundheitsprogramm, das zwischen SVA und Ärztekammer vereinbart wurde, für eine bahnbrechende Idee, die sichauf lange Sicht für das Gesundheitswesen wie auch fi nanziell lohnen kann. Gesund leben zahlt sich aus!“„Lebenssituation für Gesundheit wesentlich“Dr. Martin Fuchs, leitender Arzt der SVA, spricht im Interview mitdem Periskop über die Messung der Gesundheitsziele, die medizinischeBegleitung bei deren Umsetzung und über das Interesseder SVA-Versicherten an der Teilnahme am Programm.P: Wie kann man sich die Umsetzung und Messung der fünf Ziele– Normalgewicht, Nichtrauchen, mäßiger Alkoholgenuss, aus reichendeBewegung und normaler Blutdruck – in der Praxis vorstellen?Fuchs: Es ist vorgesehen, dass der Arzt individuelle Ziele mitseinem Patienten vereinbart. Ziel ist es, den Versicherten zu motivieren,für sich selbst etwas zu tun. Beim Körpergewicht soll dasNormalgewicht erreicht werden. Bei Nikotin ist das Ziel das Aufhören.Erhöhter Alkoholkonsum soll reduziert werden. RegelmäßigeBewegung ist essenziell und erhöhter Blutdruck ist gemeinsam mitdem behandelnden Arzt adäquat zu therapieren. Sind bereits alleWerte im Zielbereich, gilt es diesen guten Zustand zu erhalten.P: Haben die Versicherten der SVA aus Ihrer Sicht selbst ein besonderesInteresse daran, gesund zu bleiben?Fuchs: Unsere Versicherten sind in ihren Berufen extrem gefordert.Daher ist es besonders wichtig, dass ihre Ärzte sie auf ihrepersönliche Lebenssituation ansprechen: im Hinblick auf Wohlbefinden, ausreichend Schlaf, Ernährung und Bewegung. UnserenVersicherten liegt primär der Erfolg ihres Unternehmens am Herzen,dabei vergessen sie oft auf sich selbst. Wir bieten ihnen einerseitsdurch den ärztlichen Dienst, andererseits durch unser Case-Management Unterstützung. Dabei handelt es sich um das Aufzeigenunterschiedlicher Möglichkeiten zur Erhaltung der Gesundheit.P: Gibt es schon ein erstes Feedback zum Modell?Fuchs: Viele Versicherten sind froh darüber, dass wir uns durchdieses Modell für ihre Gesundheit einsetzen. Natürlich gibt es auchkritische Rückmeldungen – speziell von Versicherten, die ihre Angewohnheitennicht ändern können. Die Aufgabe des leitendenArztes besteht meiner Meinung nach darin, Menschen dahin zuführen, ihre persönliche Verantwortung wahrzunehmen. Durch diefreiwillige Teilnahme und erfolgreiche Zieleinhaltung lässt sich derSelbstbehalt unserer Versicherten von zwanzig auf zehn Prozentreduzieren, und das halte ich für einen wertvollen Ansporn.BioBox: Der gebürtige WienerDr. Martin Fuchs hat sich schon inseiner Schulzeit für den Arzt berufentschieden. Sein Weg führteihn nach seinem Studium an derMedizinischen Universität Wienvorerst in die Pharmabranche, woer für Boehringer Mannheim tätigwar. Danach folgte der Wechselin die Lehrpraxis und schließlichzum Turnus. 1995 begann Fuchsseine Tätigkeit bei der SVA imchefärztlichen Dienst. Seine derzeitigeFunktion als leitender Arzthat er seit 2004 inne.<strong>periskop</strong>/51 [ 07 ]


„‚Health in all policies‘ hatbei uns noch keine Traditionund in Österreich nochnicht Fuß gefasst.“


tirolMAG. NINA BENNETT, MAZum Auftakt der neuen Serie „Krankenhaus im Focus“ wurden in der ersten Folge Persönlichkeiten aus dem Umfeld der TILAK (Tiroler LandeskrankenanstaltenGmbH) dazu eingeladen, im Rahmen einer Diskussionsrunde unter dem Titel „Die Rolle der Informationstechnologie in dermodernen Patientenbetreuung“ den Stellenwert der IT in der stationären Betreuung gemeinsam zu erörtern.TEILNEHMER <strong>DER</strong> DISKUSSIONSR<strong>UND</strong>E(in alphabetischer Reihenfolge):Mag. Claudius KaloczyGeschäftsführung ITH icoserve technology for healthcare GmbHDr. Georg LechleitnerAbteilungsvorstand der Informationstechnologie der TILAKUniv.-Prof. Dr. Alois Obwegeser MAS, M.Sc.Stellvertretender Ärztlicher Direktor des LandeskrankenhausesInnsbruckUniv.-Prof. Dr. Gerhard PiererDirektor der Univ.-Klinik für Plastische, Rekonstruktive undÄsthetische Chirurgie InnsbruckDr. Christine Schaubmayr, MBAPfl egedirektorin des Landeskrankenhauses InnsbruckMag. Andreas SteinerVorstandsdirektor der TILAKUniv.-Prof. DI Dr. Bernhard TilgLandesrat der Landesregierung TirolMag. Hanns Kratzer – PERI Consulting (Moderation)P: Was sind aus Ihrer Sicht die Kernaufgaben und Grundlagendes Zusammenwirkens eines Krankenanstaltenbetreibers undeiner Krankenanstalt? Worin sehen Sie die Hauptaufgabe einesKrankenanstaltenbetreibers? Was sind die strukturellen organisatorischenFragen, die es zu meistern gilt, und wie sieht die Zusammenarbeitmit der Landesregierung Tirol aus?Tilg: Der Bereich Informations- und Kommunikationstechnologieist bereits seit den Achtzigerjahren ein relevantes Thema beiden Tiroler Landeskrankenanstalten. Schon damals haben dieStakeholder darüber nachgedacht, welche unterstützenden Servicesdie Informations- und Kommunikationstechnologie in einemmodernen Krankenhaus bieten kann. Die TILAK war überdiese zweieinhalb Jahrzehnte sicher nicht nur in Tirol, sondernbundesweit Vorreiter. Andere Bundesländer sind erst später aufdiesen Zug aufgesprungen. Das HITT-Kompetenzzentrum(Health Information Technologies Tirol) war das erste Kompetenzzentrumfür Medizininformatik in Österreich. In diesem Umfeldsind auch Unternehmen wie ITH icoserve technology forhealthcare GmbH entstanden. Das war sicher eine Besonderheitin Österreich. Die Tiroler Landeskrankenanstalten GmbH, dasLand Tirol und der Tiroler Gesundheitsfonds haben über die Jahrehinweg erhebliche fi nanzielle Mittel in den Ausbau der IT-Infrastrukturgesteckt. Im Zuge dieser Entwicklungen wurde auchdas Gesundheitsnetz Tirol (GNT) etabliert, das eines der Vorzeigeprojektefür Gesundheitsvernetzung in unserem Bundeslanddarstellt. Zusammenfassend ist zu sagen, dass für das Land Tirolund auch für alle Spitalsträger das Thema Informations- undKommunikationstechnologie von zentraler Bedeutung ist.P: Die TILAK feierte 2011 ihr zwanzigjähriges Jubiläum. WelchenStellenwert nimmt die heutige Informations- und Kommunikationstechnologie(IKT) ein bzw. wie hat sich diese im Laufe derZeit weiterentwickelt? Welche Auswirkungen auf die Schnittstellenthematikergeben sich, welche Chancen gibt es und wo bestehenRisiken? Auf welche Best Practices ist die TILAK als Krankenanstaltenbetreiberbesonders stolz?Steiner: Das Zwanzig-Jahre-Jubiläum haben wir dazu genutzt,Bilanz über bereits Erreichtes zu ziehen, aber gleichzeitig aucheinen Blick in die Zukunft zu werfen. Bis vor Kurzem war beispielsweiseder Patient keine faktische Größe im Gesundheitswesen.Er wurde zwar möglichst gut versorgt und behandelt,aber kaum als „Systempartner“ wahrgenommen. In den letztenJahren aber, vor allem bedingt durch das Internet, sind die Patientenimmer informierter geworden. Es gibt Untersuchungen,laut welchen sechzig Prozent der Patienten online nachschauen,bevor sie zum Arzt gehen, und vierzig Prozent „überprüfen“ dieDiagnose des Arztes auch im Nachhinein noch durch „Dr. Google“.Es gibt einen Wandel in der Einstellung des Patienten, er hateinen wesentlich höheren Qualitätsanspruch und will stets umfassendinformiert werden. Auch im intramuralen Bereich hatsich sehr vieles verändert. Vor zwanzig Jahren gab es zwar eineKrankenakte, doch die Dokumentation erfolgte nur auf demPapier. Heute ist die Krankenakte elektronisch auf Knopfdruckabrufbar. Das hat immense Vorteile, nicht nur für Ärzte und Pfl e-ger, sondern vor allem auch für die Patienten. Die Spitäler habensehr viel unternommen, um aus der EDV-Unterstützung Nutzenfür die Patienten zu schaffen. Großer Nachholbedarf besteht derzeitnoch in puncto Vernetzung im extramuralen Sektor. Wirbrauchen eine intelligente Vernetzung hin zum niedergelassenenBereich, zu Rehabilitationszentren sowie zu Pfl egeheimen.Schaubmayr: Ich habe zwanzig Jahre TILAK fast vom erstenTag an miterlebt und somit auch die Entwicklung in der IT bzw.Dokumentation mitgestalten können. Wir haben, vor allem mitder Einführung des Krankenhausinformationssystems (KIS),wahre Quantensprünge absolviert und verfügen derzeit überachtzig Prozent Elektronik im Pfl egebereich. Dass sämtliche Informationenin elektronischer Form immer zur Verfügung stehen,ist nicht nur für die Patienten ein wesentlicher Vorteil, sondernauch für das Pfl egepersonal, vor allem hinsichtlich Redundanzen.Im Rahmen der elektronischen Krankenakte stehen unserenMitarbeitern Informationen zur Verfügung, die es ermöglichen,auf den Patienten und seine Bedürfnisse viel gezielter einzugehenals früher. Das stärkt die Beziehung zwischen Patient undPfl egepersonal, verschafft beiden Seiten Sicherheit und bautletztlich Vertrauen auf. Auch der Kommunikationsfl uss vom Arztzum Pfl egepersonal bis hin zum Patienten ist „fl üssiger“ geworden.Gerade beim Übergang in den Pfl egebereich ist ein gutesEntlassungsmanagement wesentlich und erspart dem Patientenund den Angehörigen viel an Verunsicherung und Ängsten bzw.bereitet die nachfolgenden Organisationen auf die pfl egerischenAnforderungen entsprechend vor.Pierer: Die Informationstechnologie im Tiroler Gesundheitswesenist auf hohem Niveau, das auch international keine Vergleichescheuen muss. Unsere Bemühungen werden nicht nurlandes- und bundesweit, sondern auch international beobachtetund als Vorreitermodell gesehen. Ein funktionierendes Gesundheitsnetzzwischen verschiedenen Trägern herzustellen ist einebeachtliche Leistung. Der Erfolg lässt sich womöglich durch diesprichwörtliche Tiroler Beharrlichkeit sowie durch die strategischeAusrichtung erklären. Die Bedeutung der Informationstechnologieist allen Beteiligten bewusst und der politische Wille zu einerentsprechenden Etablierung und Umsetzung war ebenfalls stetsgegeben. Die Politik hat unterstützt, die Träger haben Systememitentwickelt und strategisch auch so positioniert, dass einestetige Weiterentwicklung möglich ist. Die Vorteile, die wir heutedadurch sehen, sind das Ergebnis einer langen Entwicklung:Man spart Redundanzen, Befunde und Personal, das ohne IT-Unterstützung mit Organisationsfragen beschäftigt wäre. Wirmüssten heute viel mehr Geldmittel investieren und bräuchtenwesentlich mehr Administrationspersonal, um das zu bewältigen,was die IT macht. Für Organisationsverantwortliche ist die ITauch über den Patientennutzen hinweg ein sehr wertvolles Tool,das den organisatorischen Gestaltungsrahmen vorgibt und Prozesseunterstützen kann. Die Leistungen gehen also über diereine Dokumentation hinaus. Die Informationen bzw. Datenmengen,die heutzutage zur Verfügung stehen, sind ohne IT gar nichtmehr zu bewältigen.Obwegeser: Einzelne Abteilungen oder auch Ärzte habenmanchmal das Gefühl, in ihrer Freiheit eingeschränkt zu werden,weil sie diese Strukturen aufgebürdet bekommen. Dabei liefertdie IT wesentliche Vorzüge. Vieles an Administration wird von derEDV abgenommen, die Krankenakten stehen jederzeit zur Verfügungund vieles mehr. Ich plädiere daher an alle Ärzte und anderenGesundheitsberufe, dieses Angebot auch anzunehmen – undzwar unter Berücksichtigung dessen, dass ihr Beruf ein sozialerist und gewisse Freiräume bestehen bleiben müssen. Der Vorteilfür den Patienten liegt auf der Hand: Jedes Untersuchungsergebnisder letzten zwanzig Jahre steht auf Knopfdruck zur Verfügungund der betreuende Mediziner kann sehr schnell auf diebenötigten Informationen zugreifen.Lechleitner: Tirol hat seit der Etablierung des KIS und andererinnovativer Lösungen auf dem Gebiet der Medizin- und Krankenhausinformatikeine Pionierrolle eingenommen. Die TILAK wurdeals betriebswirtschaftlich ausgerichtete Holding geschaffen, daswar in der damaligen österreichischen Krankenhauslandschaftnicht selbstverständlich. Und sie hat erstmals umfassend SAP-Lösungen eingeführt. Wir haben in den Neunzigerjahren einradiologisches Bildverarbeitungssystem, ein so genanntes PACS(Picture Archiving and Communication System), in der Unfallradiologieeingeführt. Dieser Bereich schien für PACS damalsnoch völlig ungeeignet zu sein, weil die Kapazitäten und die Unmittelbarkeitvon radiologischer Bildverarbeitung es unmöglicherscheinen ließen. Dementsprechend hart mussten wir um dietechnischen und fi nanziellen Möglichkeiten kämpfen. Später warenwir einer der ersten Krankenhausverbünde, der ein integriertesklinisches Informationssystem (KIS) eingeführt hat. In bestimmtenBereichen haben wir keine IT-Lösungen gefunden, daherhaben wir eigene Unternehmen gegründet. Aus solchen Überlegungenheraus ist auch ITH icoserve entstanden, ein Unternehmen,das ein multimediales Bildverarbeitungs- und gleichzeitigein breit verwendbares Archivsystem zur Verfügung stellt. DasKrankenhaus im Focus ist eine neueSerie, die den intramuralen Bereicheines Bundeslandes vorstellt: ImZuge dieser Themenreihe möchtenwir Landeskrankenanstalten-Betreiberskizzieren und die regionalenBesonderheiten beleuchten. Best-Practice-Beispieleund Projekte aus dem Bereich Spitalserhaltung sollendazu beitragen, die regionale Verantwortung undKompetenz in diesem Bereich zu unterstreichen.<strong>periskop</strong>/51 [ 10 ]


Krankenhaus im FocusTIROL2. Reihe, v.l.n.r.: Mag. Claudius Kaloczy | Mag. Andreas Steiner | Dr. GeorgLechleitner | 1. Reihe, v.l.n.r.: Univ.-Prof. Dr. Alois Obwegeser MAS, M.Sc. |Univ.-Prof. Dr. Gerhard Pierer | Univ.-Prof. DI Dr. Bernhard Tilg | Dr. ChristineSchaubmayr, MBA | Mag. Hanns KratzerKrankenhaus Innsbruck war aber auch in der Telemedizin schonsehr früh „Schrittmacher“, z. B. in der Strahlentherapie. Wirversorgen andere Krankenhäuser, speziell in der Nacht und amWochenende, mit radiologischen Leistungen auf dem Niveau einerUniversitätsklinik. Das ist gerade in der speziellen topografi schenLage Tirols auch ein ganz naheliegender Aspekt. Die Kombinationaus lokaler Versorgung in der Peripherie und einem kompetentenZentrum in der Mitte, die über elektronische Medien verbundensind, scheint eine gut funktionierende Lösung zu sein.P: Der Markt für IT-Lösungen im Krankenhaussetting ist auch fürsehr große, international tätige Unternehmen interessant. Wiehalten Sie da Ihre Position?Kaloczy: Wir haben einerseits den großen Vorteil, über die Miteigentümerschaftder TILAK direkte Informationen über die Bedürfnisseim klinischen Alltag zu verfügen. Dies ermöglicht unseine sehr intensive Zusammenarbeit in den technischen Spezifi -kationen und Funktionsanforderungen. Andererseits treten wirals Dienstleister und Produktlieferant für unseren zweiten MiteigentümerSiemens auf. Wir nutzen so eine perfekte Kombinationaus klinischem Know-how, professioneller Produktumsetzungund internationaler Vermarktung. Der konzeptionelle Grundgedankebei der Gründung von ITH sowie icoserve war es, dieentwickelten Leistungen und Produkte nicht nur für den TILAKeigenenBedarf zu produzieren, sondern auch internationalenKunden zur Verfügung stellen zu können. Mit Siemens sind wirsehr erfolgreich unterwegs, unsere Lösungen sowohl im deutschsprachigenRaum als auch international zu vermarkten. Mittlerweilehaben wir uns als umfassender und innovativer Lösungsanbieteretabliert. Unser Produktportfolio umfasst neben einemMultimediaarchiv für sämtliche Bilddaten und Dokumenttypeneines Krankenhauses auch eine Vernetzungslösung für denregio nalen oder nationalen Datenaustausch von Befunden undBildern sowie eine Echtzeitlokalisierungslösung zur Erhöhungder Patienten- und Mitarbeitersicherheit.P: Ein immer wieder angesprochener Bereich ist jener der Schnittstellenthemenvon intramural versus extramural. Die Finanzierungvon unterschiedlichen Behandlungsformen erfolgt oft aus verschiedenenTöpfen. Die Peritonealdialyse*, eine für den Patientenmit entsprechender Indikation gute und bequeme Form der Dialyse,bietet hier ein Beispiel, anhand dessen man das Thema veranschaulichenkann. Diese Form der Dialyse, bei der der Patient zuHause die Behandlung in Anspruch nehmen kann, kommt inÖsterreich im Vergleich zur Hämodialyse nur selten zum Einsatz.Das mag an den bereits angesprochenen unterschiedlichenFinan zierungsquellen liegen. Kann man nun vielleicht mit einerdurchgängigen Führung des Patienten, wie sie die IT heutzutageermöglicht, auch die patientenorientierte Behandlungsform –unabhängig von ihrer Finanzierung – forcieren, wenn der Patient inseiner ganzen Karriere intra- und extramural gesehen wird?Tilg: Grundsätzlich erleichtert und unterstützt die elektronischeDokumentation von Krankheitsgeschichten eine patienten- undzielorientierte Behandlung. Es gibt jedoch noch einige Herausforderungen,die vor einer österreichweiten Umsetzung gelöst werdenmüssen. Die E-Medikation ist vonseiten der Bundesgesundheitskommissionder erste große Wurf zum Thema ELGA undallen politisch Verantwortlichen auf Bundes- und Länderebeneist klar, dass der Erfolg dieses Projekts darüber entscheidet, wieschnell ELGA umgesetzt werden wird. Die Mediziner haben befürchtet,dass sie in ihrer Freiheit des ärztlichen Handelns zumassiv eingeschränkt werden, das sind auch berechtigte Bedenken.Erfreulicherweise kommen wir nach vielen emotionalgeführten Diskussionen nun in eine konstruktive Verhandlungsphase.IT- bzw. Softwarelösungen können in einem Krankenhaus,im niedergelassenen Bereich und bei den Apotheken nuretabliert werden, wenn das berufl iche Handeln dieser Gruppenunterstützt, aber nicht zu sehr limitiert wird.Pierer: Ich denke, dass sich die Berufsgruppen bewegen müssen.Diese Befürchtung, zu einer unselbstständigen Marionette des IT-Systems zu werden, wird gerne als Argument benutzt, um liebgewordeneAbläufe nicht ändern zu müssen. Aber im Endeffekt wirddie IT das machen, was wir wollen. Wir sind nicht die Sklaven desSystems, sondern wir können es so gestalten, wie wir es benötigen.P: Es wird immer wieder die Angst vor dem „gläsernen Patienten“angeführt. Fühlen sich die Menschen gut betreut bzw. sehensie auch die Vorteile der elektronischen Dokumentation?Steiner: Wenn die Ärzte und Betreuer auf Pfl egeseite gut informiertsind, steigt das Vertrauen der Patienten in die Behandlung,das ist eine wesentliche Beobachtung. Es geht bei vielen dieserDiskussionen immer darum, Vertrauen zu schaffen. Wenn einneues System eingeführt wird, entstehen immer Bedenken undÄngste. Daher wird es ein zentrales Thema sein, wie man dasVertrauen schafft bzw. vermittelt, dass die IT etwas Sinnvollesleistet. Mit dieser Problematik haben auch die Verantwortlichender E-Medikation zu kämpfen. Es wird vielerorts befürchtet, dassdie Daten missbräuchlich verwendet werden könnten. Ich möchteein Beispiel anführen: Ein Patient kommt ins Spital, die EDV liefertein umfassendes Bild seiner Krankheitsgeschichte, seiner Medikationund dergleichen, und bei seiner Entlassung bekommt nichtnur er selbst, sondern auch der Hausarzt eine Notifi kation bzw.direkten Zugriff auf die Behandlungsdaten. Das bedeutet, der Patientist umfassend informiert und wird in allen Bereichen optimalbehandelt. Das schafft Vertrauen und hilft, Barrieren abzubauen.Pierer: In der Krankenhausinformationstechnologie ist der Datenschutzexzellent gewährleistet. Es sind nicht mehr Daten alssonst in der öffentlichen Verwaltung zugänglich. Ich kann beobachten,dass die Patienten diese Entwicklungen eher positiv aufnehmenund froh sind, wenn ihr Gegenüber gut informiert ist.Niemand beschwert sich, dass er im öffentlichen Leben, z. B. beijedem Bankweg, überwacht wird. Auf Social Networks wie Facebookgeben die Leute sehr viel Privates von sich preis, ohne darübergenauer nachzudenken. Im Gesundheitswesen geht es umessenzielle Daten, deren Vernetzung den Patienten zugutekommensoll, und ausgerechnet hier entstehen verquere Diskussionen.Das ist für mich nicht ganz nachvollziehbar.Tilg: Das Thema Datenschutz wird lange nicht mehr so mit Stigmatisierungverbunden, wie es noch vor einigen Jahren der Fallwar. Es ist eine sehr positive Entwicklung zu sehen, auch die Patientenvertretungen– im Speziellen in Tirol – haben sich für dieE-Medikation sehr eingesetzt. Für die Patientenvertretung ist klar,dass diese einen unmittelbaren Nutzen für die Patienten hat, undsie kommunizieren das auch. Das war vor fünf oder sechs Jahrennicht selbstverständlich. Hier ist demnach eine Veränderung zubeobachten.Schaubmayr: Das ist für mich auch nicht verständlich: Jedergeht einkaufen, bezahlt elektronisch und gibt somit Daten weiter,ohne darüber nachzudenken. Um ein Beispiel aus dem intramuralenBereich zu nennen: Gerade in der Notfallaufnahme ist eswichtig, auf bestimmte Daten des Patienten zugreifen zu können,weil man viel gezielter in eine effi ziente Behandlung einsteigenkann. Ich verstehe daher die Argumente der E-Medikations-Gegner nicht. Die Daten stehen nur dort zur Verfügung, wo siewirklich benötigt werden. Wir wissen, wie viele akute Ereignisseoder Unfälle es gibt, bei welchen jede Sekunde zählt. Wenn bestimmteInformationen sofort zur Verfügung stehen, kann enormviel Zeit gespart werden.Lechleitner: Die steigende Notwendigkeit einer IT-Vernetzungergibt sich auch aus unserer gesellschaftlichen Veränderung,nämlich der Entwicklung hin zu einer immer älter werdenden Bevölkerung.Das heißt, auch in puncto IT stehen in Zukunft nichtmehr einzelne Krankheitsfälle, sondern vor allem multimorbidePatienten mit parallelen chronischen Krankheiten und gleichzeitigakut hinzukommenden Problemen im Mittelpunkt. DieserUmstand zwingt uns zu einer verstärkten Vernetzung. Viel vondem, was wir in der hausübergreifenden Vernetzungsdiskussionbesprechen, könnte man sehr gut aus den Best-Practice-Erfahrungen,die innerhalb von großen Krankenhausorganisationenbereits gewonnen worden sind, ableiten. In Innsbruck gab esz. B. schon sehr früh die Einrichtung von interdisziplinärenBoards, im Rahmen derer man, speziell in der Onkologie,gemeinsam Krankheitsbilder diskutiert. Durch IT-Unterstützungliegen die Informationen in einer besseren Qualität und Vollständigkeitvor als früher. Dieses Modell der interdisziplinären Zusammenarbeitkann auch organisationsübergreifend als Vorbild fürkünftige IT-Lösungen dienen.Tilg: Das Kardinalsthema der Gesundheitsreform muss es sein,die Strukturen durchlässig zu gestalten. Wenn wir es nicht schaffen,den intra- und extramuralen Bereich in den nächsten drei bisfünf Jahren miteinander so abzustimmen, dass die Mauern niedergerissenwerden, die Vorteile der elektronischen Patientenakteausgespielt werden und der Workfl ow zwischen Spitalsambulanzenund niedergelassenen Ärzten optimiert wird, dannmüssen wir uns mit dem Thema in 15 Jahren wieder beschäftigen.Das gilt es in jedem Fall zu verhindern.* Bei der Peritoneal- oder auch Bauchfell-Dialyse verwendet man das gut durchbluteteBauchfell (Peritoneum) als Filtermembran während bei der Hämodialyse das Blut außerhalbdes Körpers mithilfe eines speziellen Filters gereinigt wird. Die Peritonealdialyse kann vonden Patienten weitgehend alleine zu Hause durchgeführt werden.<strong>periskop</strong>/51 [ 11 ]


Krankenhaus im FocusTIROLINTERVIEW MIT UNIV.-PROF. DI DR. BERNHARD TILGTIROLER LANDESRAT FÜR GES<strong>UND</strong>HEIT, WISSENSCHAFT, VERKEHR„Die Krankenhausstruktur inTirol hat sich in den letztenJahren stark verändert“LR Univ.-Prof. DI Dr. Tilg spricht im Periskop-Interview über die Besonderheiten der Tiroler Krankenanstaltenstrukturim Vergleich zu anderen Ländern, über die Herausforderungen im stationären und ambulanten Bereichsowie über die Versorgung des (Ski-)Tourismus durch die Tiroler Krankenanstalten.P: Welche Besonderheiten zeigt die Tiroler Struktur im BereichKrankenanstalten im Vergleich zu anderen Ländern?Tilg: Wir haben in Tirol derzeit zehn öffentliche Krankenanstalten,welche eine fl ächendeckende Versorgung der Tiroler Bevölkerunggewährleisten. Ein Vergleich Tirols mit den anderenBundesländern zeigt eine sehr differenzierte Trägerstruktur. Historischbedingt spielen in Tirol die Gemeinden bzw. die Gemeindeverbändein der wohnortnahen Versorgung in den Bezirkeneine große Rolle. So fungieren neben der TILAK für die vier Landeskrankenhäuserfünf Gemeindeverbände als Träger und Betreibervon Bezirksspitälern. Daneben engagiert sich ein Ordensehr erfolgreich seit Jahrzehnten für die öffentliche Krankenanstaltenversorgung.Die Gemeinden Tirols haben in der Vergangenheitin der stationären Krankenversorgung viel Verantwortungübernommen, insbesondere auch in fi nanzieller Hinsicht. DieKrankenhausstruktur in Tirol hat sich in den letzten Jahren starkverändert, insbesondere wurden Standortbereinigungen vorgenommen.Bereits im Jahr 1999 wurden mit dem BezirkskrankenhausKufstein-Wörgl zwei ehemalige Krankenhausstandorte amStandort Kufstein konzentriert. Ab dem Jahr 2009 übernahm dasBKH St. Johann die volle Versorgung für den Bezirk Kitzbühel.Somit konnte das sehr kleine und damit wirtschaftlich suboptimaleKrankenhaus Kitzbühel aus der öffentlichen Krankenanstaltenversorgungherausgelöst werden. Im Jahr 2011 wurden diebeiden in Hall in Tirol bestehenden Krankenhäuser – das BezirkskrankenhausHall und das Psychiatrische Krankenhaus –, welchezuvor durch verschiedene Träger geführt wurden, unter der Leitungder Tilak zu einer Krankenanstalt, dem LandeskrankeshausHall, zusammengefasst. Neben den öffentlichen Krankenanstaltenspielen in Tirol traditionell zahlreiche private Krankenanstalteneine bedeutende Rolle in der Versorgung; neben drei Sanatoriensowie weiteren privaten bettenführenden Einrichtungen erfüllenauch private Ambulatorien in zunehmendem Maße Versorgungsfunktionenim ambulanten bzw. tagesklinischen Bereich. Diestrifft in Tirol in besonderer Weise auf die unfallchirurgischeVersorgung zu. Diese Entwicklung steht insbesondere auch mittourismus- bzw. saisonbedingten erhöhten Anforderungen andie medizinische Versorgung im Zusammenhang.P: Was sind die Herausforderungen im stationären und ambulantenBereich in Tirol?Tilg: Mit dem Regionalen Strukturplan Gesundheit stationäresModul haben wir im Jahr 2009 für die öffentlichen Krankenanstaltenden Entwicklungshorizont bis 2015 gestellt. Dabei warendie Stärkung der Altersmedizin (Akutgeriatrie/Remobilisation;Palliativmedizin, Neurologie, Psychiatrie), die Herstellung derregionalen Ausgewogenheit sowie insgesamt die langfristigeGewährleistung der Finanzierbarkeit wesentlich. Die Bezirkskrankenhäuserwerden auch weiterhin die fl ächendeckendeBasisversorgung in den Regionen garantieren. Insgesamt wirdes im Rahmen der Leistungsangebotsplanung zu einer stärkerenAbstimmung zwischen Leistungen der Basis- und jenen der Spezialversorgungkommen müssen.P: In welchen Bereichen gibt es aus Ihrer Sicht Verbesserungspotenzial?Tilg: Verbesserungspotenzial sehe ich insbesondere in der ambulantenGesundheitsversorgung. Gemeinsam mit der Sozialversicherungsowie weiteren Systempartnern bearbeiten wir geradedas ambulante Modul des Regionalen Strukturplans. Dieambulanten Leistungen des niedergelassenen Bereichs müssenstärker mit jenen des spitalsambulanten Sektors abgestimmtwerden. Wir haben insbesondere im fachärztlichen Bereich teilweiseParallelangebote und keine ausreichenden Steuerungsmöglichkeiten.Wichtig wäre aus meiner Sicht insbesondere dieStärkung der Hausärzte. Jede wohnortnahe Lösung einesgesundheit lichen Problems hilft den Patienten und spart Kostenfür das System.P: Welchen Stellenwert nimmt die Versorgung für den (Ski-)Tourismusdurch die Tiroler Krankenanstalten ein?Tilg: Aufgrund der – saisonbedingt – hohen Tourismusintensitäteinzelner Regionen in Tirol ergeben sich naturgemäß auch besondereHerausforderungen für die Gesundheitsstrukturen bzw.-versorgung. Darauf war insbesondere bei der Bettenplanung fürden stationären Bereich Rücksicht zu nehmen. Andererseitshaben sich in Tirol starke private Partner, unfallchirurgischeTageskliniken, herausgebildet, um dem Ansturm ausreichendbegegnen zu können.P: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?Tilg: Insgesamt sollten wir zu echten Gesundheitsreformen inÖsterreich kommen. Die zentralen Probleme sehe ich in den –nach wie vor – getrennten Verantwortungen in den BereichenFinanzierung und Planung. Ich bekenne mich zu einem föderalenGesundheitssystem. Durch Intensivierung der Kooperation zwischenden Sozialversicherungsträgern und dem Land soll es aufregionaler Ebene zu einer bedarfsgerechten integrierten Gesundheitsplanungfür den intra- und extramuralen Bereich kommen.Auch sollten die Möglichkeiten für gemeinsame Finanzierungenim Bereich der integrierten Versorgung bzw. imambulanten Bereich auf Ebene der Länder geschaffen werden.Die Kompetenzen der Gesundeitsplattformen müssten in diesemZusammenhang entsprechend gestärkt werden. Die notwendigenRahmenbedingungen hierfür müssten in einem gemeinsamenReformdialog vonseiten des Bundes, der Länder und derSozialversicherung geschaffen werden.FACTBOX TIROLKRANKENANSTALTENKrankenanstalten im Bundesland TirolKrankenanstalten mit Öffentlichkeitsrecht 11Krankenanstalten ohne Öffentlichkeitsrecht 8Bettenanzahl Tiroltatsächlich aufgestellte Betten 4.643 1 (Österreich: 64.008)Ärzte in den Tiroler Krankenanstalten 2010 1.864 2Mit der Gründung der TILAK – Tiroler LandeskrankenanstaltenGmbH im Jahr 1990 wurden alle die Landeskrankenhäuser betreffendenBereiche zusammengefasst und 1991 aus der öffentlichenVerwaltung ausgegliedert. Die TILAK nahm mit Beginn des Jahres1991 ihre Agenden auf und übernahm damit die Führung dervier Landeskrankenhäuser Innsbruck – Universitätskliniken (LKI),Hochzirl, Natters und des Psychiatrischen Krankenhauses Hall.Mit 1. Jänner 2011 wurde das Aö. Bezirkskrankenhaus Hall indie TILAK integriert und gleichzeitig mit dem PsychiatrischenKrankenhaus Hall zum Landeskrankenhaus Hall fusioniert. DieTILAK führte damit 2011 mehr als die Hälfte aller öffentlichenKrankenhausbetten Tirols, wobei das Landeskrankenhaus Innsbruck– Universitätskliniken (LKI) mit 1.604 krankenanstaltenrechtlichbewilligten Betten im Jahresdurchschnitt eine der größtenallgemein öffentlichen Krankenanstalten in Österreich ist.Der Bereich TILAK-Informationstechnologie ist für den Betriebund die Weiterentwicklung der Anwendungssysteme zuständig.In allen vier Landeskrankenhäusern werden weitgehend einheitlicheIT-Lösungen eingesetzt. Dazu gehören das Patientenmanagementsystem(SAP-ISH), das klinische Informationssystem(Cerner KIS), das OP-Dokumentationssystem (My-Medis),die medizinischen Bildverarbeitungslösungen (PACS und icoserve-AIM)und die betriebswirtschaftlichen Anwendungen(insbesondere SAP). In vielen medizinischen Abteilungen undBereichen werden darüber hinaus Spezialsysteme eingesetzt.Wichtige Partner sind das Allgemeine Rechenzentrum (und diegemeinsame Firma ATSP) sowie die Tochterfi rma ITH icoserve. 3Die Fa. ITH-icoserve hat mit dem „Advanced Image Management“in der TILAK eines der größten multimedialen medizinischenArchivsysteme geschaffen, das inzwischen als syngo.share international vertrieben wird. Mit dem „GesundheitsnetzTirol“ wurde ein erster Teil der ELGA-Österreich realisiert.Die Geschichte der ITH icoserve begann im Jahr 1998 mit derGründung und dem Ziel, an den Universitätskliniken Innsbruckein klinisches Informationssystem zu implementieren. Seitherist dieses erfolgreich im Live-Einsatz. Als Tochter der SiemensAG und des Krankenhausbetreibers TILAK Tiroler LandeskrankenanstaltenGmbH ist ITH icoserve im Verbund eines der Weltmarktführerim Gesundheitswesen integriert und trotzdem naheam Betreiber mehrerer Kliniken. 4Quellen: 1. BMG, erstellt am 18. 10. 2011, veröffentlicht von Statistik Austria.2.BMG, Jahresmeldung Krankenanstalten, Oktober 2011, Angabe in Vollzeitäquivalenten.3. http://www.tilak.at. 4. http://www.ith-icoserve.com<strong>periskop</strong>/51 [ 12 ]


Die Diskussion um die elektronische Gesundheitsakte ELGA geht indie nächste Runde: Nachdem die Ärztekammer in den vergangenenMonaten auf die Mängel des derzeitigen ELGA-Gesetzesentwurfsaufmerksam gemacht hat und sich in einer aktuellen Befragung derWiener Ärztekammer satte 95 Prozent der Ärztinnen und Ärztegegen das Gesetz in der von Gesundheitsminister Alois Stöger vorgelegtenForm ausgesprochen haben, bestätigt nun ein aktuellesjuristisches Gutachten grobe verfassungsrechtliche Defizite.vorhandene Dokumentenlöschungsmöglichkeiten für Patientenund Unklarheiten bei der ärztlichen Aufklärung bis hin zu nachwie vor fehlenden Such- und Dokumentenkorrekturfunktionen.Die weitere zentrale Frage nach der Freiwilligkeit der Teilnahmean ELGA (Opt-out/Opt-in) war insbesondere für die Ärzteschaftverfassungsrechtlich endgültig abzuklären.Der Ärztekammerpräsident kritisiert darüber hinaus: „Ausschreibungenerfolgen bereits jetzt ohne legistische Grundlagen undELGA: Verstoß gegen dasVerfassungsrecht?!ÄRZTEKAMMERFÜR WIENEntwurfsinhalt durch. Unter „Gesundheitsdaten“ sind alle personenbezogenenDaten „über die physische oder psychische Befindlichkeiteines Menschen einschließlich der im Zusammenhangmit der Erhebung der Ursachen für diese Befindlichkeit sowie derVorsorge oder Versorgung, Diagnose, Therapie- oder Pflegemethoden,der Pflege, der verordneten oder bezogenen Arzneimittel(‚Medikationsdaten‘), Heilbehelfe oder Hilfsmittel, …“ zu verstehen.„Was die physische oder psychische Befindlichkeit einesMenschen beeinflusst, ist bekanntlich uferlos. Allein diese Bestimmungbewirkt, dass alle Bestimmungen des Entwurfs, die anden Begriff der Gesundheitsdaten anknüpfen, verfassungswidrigsind“, betont Mayer.„Das vorliegende Gutachtenbestätigt, dass der aktuelleELGA-Gesetzesentwurf nocheiner gründlichen Überarbeitungbedarf.“3 KASSENÄRZTE KÖNNEN GEZWUNGEN WERDEN, ANELGA TEILZUNEHMEN, HABEN ABER DAS RECHT AUFVOLLE KOSTENABGELTUNG DURCH DEN GESAMTVERTRAGDem Gesetzesentwurf zufolge sind Gesundheitsdiensteanbieter zurVerwendung der ELGA verpflichtet und dürfen allfällige Kosten, dieihnen im Zusammenhang mit ELGA entstehen, nicht an ELGA-Teilnehmerweitergeben. Dies bedeutet, dass Gesundheitsdiensteanbieter,also auch Ärztinnen und Ärzte, grundsätzlichverpflichtet sind, die technischen Einrichtungen anzuschaffen,die ihnen die Teilnahme am ELGA-Systemermöglichen. Im Entwurf zeigt sich jedoch,dass die Kosten, die den Gesundheitsdiensteanbieternerwachsen können, nicht limitiertsind. Bei jenen Ärztinnen undÄrzten, die in einem Vertragsverhältniszu einem Sozialversicherungsträgerstehen, also „Kassenärzte“sind, ist davon auszugehen, dassdie Kosten der Teilnahme an ELGAbei der Vereinbarung der Honorarordnungenim Rahmen der Gesamtvertragsverhandlungenzu berücksichtigen sind. „Konkretbedeutet das, dass die Kosten der Teilnahme amELGA-System jedenfalls bei der Festsetzung derArzthonorare zu berücksichtigen sind“, so Mayer.„Erfolgt eine solche Berücksichtigung nicht, istder Gesamtvertrag insoweit gesetzwidrig und kannSchadenersatzansprüche der betroffenen Ärztinnenund Ärzte begründen.“ Für ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter,die nicht in ein derartigesHonorierungssystem eingebunden sind, also Wahlärzteohne Kassenvertrag, wird ganz entscheidenddie absolute und relative Höhe der durch die Teilnahmeam ELGA-System entstehenden Kostenrelevant sein. Mayer: „Wahlärzte zur Teilnahmean ELGA zu zwingen ist verfassungswidrig.“Bereits auf den ersten Gesetzesentwurfzum ELGA-Gesetz, der am 23. Februar2011 in Begutachtung gegangen ist, folgtenin Summe fünfzig Stellungnahmen, von denen48 zumindest als kritisch bis hin zu gegendie Umsetzung des ELGA-Gesetzeseinzustufen sind. Die Österreichische Ärztekammeralleine hat – zusammenfassend füralle Landesärztekammern – eine ungefährfünfzigseitige ablehnende Stellungnahmeunter Anführung aller kritischen Punkte abgegeben.Der ELGA-Gesetzesentwurf vom4. November 2011 ist der letzte, der vorliegt.Auch hier hat die Ärztekammer wiederholtauf grobe Defizite hingewiesen. Dass dasGesetz in seiner derzeitigen Form nicht verfassungskonformist, ist das Fazit des aktuellenRechtsgutachtens, das die WienerÄrztekammer beim renommierten Verfassungs-und Verwaltungsjuristen Heinz Mayer in Auftraggegeben hat. Das Ergebnis kommt für ÄrztekammerpräsidentWalter Dorner „wenig überraschend“. Dorner betont: „Wir sindgrundsätzlich nicht gegen den elektronischen Datenaustausch immedizinischen Bereich, schon gar nicht, wenn er unsere Arbeiterleichtert. Das vorliegende Gutachten bestätigt allerdings, dassder aktuelle ELGA-Gesetzesentwurf noch einer gründlichenÜberarbeitung bedarf.“Bezüglich der offenen Rechtsfragen kritisiert die Ärztekammerinsbesondere das Fehlen von Regelungen über die ELGA-Architektur(dazu gehört eine Darstellung der Struktur von ELGA, desAufbaus, der Kompetenzaufteilung etc.). Dies beginnt beim Fehleneiner klaren Struktur der E-Medikation und geht über nichtVorgaben. Die damit verbundenen Risikensind aus der Erfahrung mit der E-Medikationbekannt.“ Es müssten dringend Lösungenfür diese und andere offene Fragen gefundenwerden, denn nur mit einem „größtmöglichenKonsens“ könne es eine Akzeptanzder Ärzteschaft geben.Ergebnisse des Rechtsgutachtens3 OPT-OUT FÜR PATIENTEN ISTVERFASSUNGSWIDRIGIm aktuellen Gesetzesentwurf ist vorgesehen,dass alle Patienten automatisch imELGA-System sind, sofern sie nicht von sichaus Einspruch erheben, also aus dem Systemhinausoptieren. Der Verfassungs- undVerwaltungsjurist Heinz Mayer stellt in seinemGutachten fest: „Die Möglichkeit desOpt-out kann eine Zustimmung nicht ersetzen.“Denn ein Opt-out setze stets voraus, dass der Betroffenemit seinen Daten zuvor bereits erfasst wurde. Das Unterlassendes Opt-out kann nicht als Zustimmung qualifiziert werden.Die Zustimmung der Patienten zur konkreten Verwendung vonELGA-Daten ist allerdings verfassungsrechtlich notwendig. Mayer:„Würde man ein Opt-out durch ein Opt-in ersetzen, wären diedatenschutzrechtlichen Probleme beseitigt.“3 DIE „GES<strong>UND</strong>HEITSDATEN“ IN ELGA MÜSSEN AUSGRÜNDEN DES LEGALITÄTSPRINZIPS VIEL KLARERDEFINIERT WERDENDie Begriffsbestimmung „Gesundheitsdaten“ ist im Gesetzesentwurfaußerordentlich weitreichend und schlägt auf den gesamten3 NICHTERFASSUNG VON PSYCHOTHERA-PEUTEN <strong>UND</strong> KLINISCHEN PSYCHOLOGENIST VERFASSUNGSWIDRIGAngehörige des ärztlichen Berufs sind – von bestimmtenAusnahmen abgesehen – ex lege Gesundheitsdiensteanbieter.Zu diesen Ärztinnenund Ärzten zählen auch Fachärzte für Psychiatriesowie alle Ärztinnen und Ärzte, die psychotherapeutischeoder psychologische Leistungen erbringen. Sie sindverpflichtet, an ELGA teilzunehmen.„Demgegenüber sind Psychotherapeuten nach dem Psychotherapiegesetzund klinische Psychologen nach dem Psychologengesetzkeine ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter. Für diese Unterscheidungbesteht keine sachliche Rechtfertigung“, stellt Mayerabschließend fest.Ärztekammer sieht sich bestätigtDer Vizepräsident und Obmann der Kurie niedergelassene Ärzteder Ärztekammer für Wien, Johannes Steinhart, sieht sich laut diesemGutachten jedenfalls in vielen seiner Forderungen bestätigt.Besonders was die Freiwilligkeit der Teilnahme an ELGA betrifft, istSteinhart kritisch: „Es kann nicht sein, dass Patienten erst aktivwerden müssen, um aus ELGA herauszukommen, sondern siesollen, ganz im Gegenteil, selbst aktiv werden, wenn sie wirklich mitihren Daten in ELGA aufscheinen wollen.“Auch die Kostenabgeltung für die Ärzteschaft ist vor allem für dieniedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ein zentrales Thema. „Unshaben bereits mehrere Gutachten bestätigt, dass ELGA mit hohenKosten sowohl für Vertrags- als auch für Wahlärzte verbunden ist.“Deshalb sei es wichtig, dass – wie jetzt im aktuellen Gutachtenbestätigt – die Kosten der Teilnahme am ELGA-System bei derFestsetzung der Arzthonorare zu berücksichtigen sind.„Das Rechtsgutachten von Professor Mayer zeigt, dass im Gesetzesentwurfnoch viele Lücken offen sind und das Gesetz auf keinenFall überstürzt beschlossen werden darf.“ Die Ärztekammerhabe es jetzt schwarz auf weiß, dass das Gesetz teilweise verfassungswidrigsei. „Und wir werden uns bis zum Schluss dafüreinsetzen, dass die rechtlichen Ungereimtheiten, die katastrophaleAuswirkungen sowohl auf die Patienten als auch auf unsÄrztinnen und Ärzte hätten, ausgeräumt werden“, so Steinhart.<strong>periskop</strong>/51 [ 13 ]


PodiumsdiskussionIm Auge den ganzen Körper sehenVON MAG. NINA BENNETT, MAAugenprobleme gehören für über vierzig Prozent der Österreicherzu ihrem Alltag. Da nur wenige Betroffene rechtzeitig einen Augenarztkonsultieren, werden viele Leiden erst bemerkt, wenn bereitsSchäden entstanden sind. Zwar wird häufig ein Optiker aufgesucht,regelmäßige Kontrollen beim Ophthalmologen bleiben jedochaus. Ziel der Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft(ÖOG) ist es, bei der heimischen Bevölkerung, in der Politikund durchaus auch bei der Ärzteschaft das Bewusstsein für dieAugengesundheit zu steigern – insbesondere in Bezug auf dieernsten Konsequenzen bei fehlender Diagnostik und Therapie.Die Veranstaltung wurde von Pfizer und Novartis unterstützt.Azem: Die Ophthalmologie steht derzeit an einem Scheideweg, derChancen, Trends und Risiken in sich birgt. Die Bedeutung derAugenheilkunde wird steigen – alleine durch die demografische Entwicklung.Durch die höhere Lebenserwartung der Menschen steigtdas Risiko, eine Augenkrankheit zu bekommen, die sogar zur Erblindungführen kann. Die Chance der Augenheilkunde liegt im enormenmedizinischen und technischen Fortschritt. Diese Faktoren gehen alledamit einher, dass augenärztliche Versorgung langfristig gesichertwerden muss und vermehrt zu einer Aufgabe der Gesundheitspolitikwird. Gerade im Bereich der Ophthalmologie kann vieles an Leidenund Kosten durch Prävention vermiedenwerden. Die Risiken der Augenheilkundeliegen in Fehlentwicklungen wie Ökonomisierung,Sparzwang, mangelnden Ressourcen„Augenärzte prüfen nichtnur das Auge an sich,sondern betrachten denMenschen ganzheitlich.“Hinter Leseschwierigkeiten etwa kann ein Hirntumor stecken. SolcheDiagnosen können aber nur vom Augenarzt vorgenommenwerden. Wir wünschen uns die Zusammenarbeit mit Gesundheitsberufenwie Optikern. Diese muss aber immer im Rahmen ihrerKompetenz, Befugnis, Ausbildung und Qualität stattfinden. Geradedie heimischen Fachärzte für Augenheilkunde bieten die qualitativbeste medizinische Leistung in Bezug auf Augengesundheit.Österreichs Augenärzte versorgen die Bevölkerung auf höchstemmedizinischem Niveau.Binder: Augenärzte prüfen nicht nur dasAuge an sich, sondern betrachten den Menschenganzheitlich. So sind sie in der Lage,nicht nur Augenkrankheiten, sondern auchUnter dem Motto „Mehr Augenmerk! Die Bedeutung klarer Strukturenin den Gesundheitsberufen in der Behandlung chronisch Kranker“diskutierten OMR Dr. Helga Azem, (Präsidentin der ÖsterreichischenOphthalmologischen Gesellschaft – ÖOG), Prim. Univ.-Prof.Susanne Binder (Vorstand der Augenabteilung im KrankenhausRudolfstiftung), Dr. Reinhold Glehr (Präsident der ÖsterreichischenGesellschaft für Allgemeinmedizin), Mag. Dr. Hans Jörg Schelling(Verbandsvorsitzender im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger)und Dr. Thomas Holzgruber (Kammeramtsdirektorder Wiener Ärztekammer) am 27. Jänner in Wien überdie Zukunft der Augenheilkunde.im Gesundheitssystem und Wirtschaftsliberalismus. Diese führen zunehmendzu einem Eindringen von Gesundheitsberufen niedrigererQualifikation in den Kernbereich ärztlicher Versorgung. Dadurch wirddem Bürger etwas verkauft, von dem er annimmt, es wäre gratis – jedochzahlt er gleich doppelt: einerseits in Form von Margen, andererseitsdurch Steuern und Beiträge. Dabei erhält der Bürger aberweniger Qualität. Diese Tatsache führt zu einer Entprofessionalisierungdes Gesundheitssystems. Dieses erspart sich zwar kurzfristigGeld, langfristig aber zahlt das System in Form von Folgekosten. DasAuge ist ein Anhang unseres Gehirns, wo sich auch andere Erkrankungen,die nicht primär das Auge betreffen, bemerkbar machen.zahlreiche systemische Erkrankungen, die nicht primär das Augebetreffen, zu diagnostizieren. Vierzig Prozent der Menschen überfünfzig werden im Laufe ihres Lebens an einer bedrohlichen Augenerkrankungleiden – aber nur sehr wenige sind sich dessen auchbewusst. Wir haben nichts gegen die Optiker, aber wir wünschenuns, dass die Diagnostik und die Therapie von Augenerkrankungenbeim Augenarzt bleibt. Um Patienten ganzheitlich betreuen zukönnen, ist die Zusammenarbeit von Augenärzten mit anderenGesundheitsberufen notwendig. So können Ressourcen gebündeltund Synergien genutzt werden. Augengesundheit ist dashöchste Gut des Menschen und gehört daher in die Hand des<strong>periskop</strong>/51 [ 14 ]


Facharztes. Die Ausbildung der Augenärzte dauert zwölf Jahreund umfasst dabei nicht nur die Lehre um das Auge, sondern beziehtden gesamten Körper mit allen Zusammenhängen mit ein.Diagnose und Therapie obliegen daher ausschließlich dem Arzt.Im Spital sehe ich viele Patienten mit übersehenen Erkrankungen,etwa Netzhautschwellungen oder -abhebungen, die erst spät zuuns geschickt wurden.Glehr: Mir als Allgemeinmediziner ist die Zusammenarbeit mitdem Augenarzt enorm wichtig. Einerseits ergibt sich daraus dieZuweisung zur Abklärung von Symptomen wie Sehleistungsverschlechterung,Kopfschmerzen oder Schwindel. Andererseits sindviele Erkrankungen am Auge erkennbar – etwa Gefäßschäden,höherer Blutdruck, das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall.Für die Früherkennung, Prävention oder das Erkennen von Medikamentennebenwirkungenist der augenärztliche Befund unverzichtbar.Bei Diabetes können wir im Auge das Fortschreiten derErkrankung sehr gut nachvollziehen. Gerade die Zusammenarbeitim Hinblick auf chronische Erkrankungen wie Diabetes und Hypertonieist für eine adäquate Betreuung und Behandlung unserer Patientenvon hoher Bedeutung.Schelling: Ich lasse mir – auch in meiner Funktion als Vizepräsidentder Wirtschaftskammer – meine Optiker nicht schlechtmachen.Ich glaube, dass es dem Patienten auch recht ist, wenn ihnein gut ausgebildeter Optiker im Verdachtsfall zum Augenarztschickt. Schließlich geht es um dasWohl des Patienten und nicht um persönlicheBefindlichkeiten diverser medizinischerFachgruppen. PräventiveMaßnahmen sind essenziell, und diesesBewusstsein muss auch die Bevölkerungerlangen. Der praktischeArzt muss als Gesundheitskoordinatordurch das System helfen und Patientenan Fachärzte weiterverweisen. Geradeim Hinblick auf die wachsendeZahl chronischer Erkrankungen ist diegezielte integrierte Versorgung wichtig.Wir brauchen eine Kette von Gesundheitsberufen,die dazu aufgerufensind, zusammenzuarbeiten, um sodem Patienten die beste Betreuungzugänglich zu machen.Holzgruber: Im Hinblick auf dieFrage, welche Berufsgruppe die augenärztlichenPatienten betreuen soll,möchte ich auf ein Grundsatzproblemhinweisen: Mitte des 19. Jahrhundertswurden die Ärzte und andereGesundheitsberufe aus derGewerbeordnung herausgenommen.Sie sind seitdem sehr strengen Regelungenin Hinblick auf den Patientenschutzunterworfen. In der Folge habensich die Gewerbe- und die Gesundheitsberufegetrennt entwickelt.Wir haben die Schwierigkeit, die Gewerbeberufemit den Gesundheitsberufenzu harmonisieren. Denn im Gewerberechtherrscht eine generelleLiberalisierungstendenz, die mit denstrengen Regeln des Berufsrechtsder Gesundheitsberufe nicht zusammenpasst.Der Ärzteausbildungskatalogumfasst 350 Seiten, im anderenBereich des Gewerberechts hingegengibt es eine Tendenz zum Liberalismus.Ein durchschnittlicher Facharztfür Ophthalmologie ist vierzigJahre alt, wenn er mit seiner Ausbildung fertig ist. Gerade deshalbbin ich der Meinung, dass jene, die eine so fundierte Ausbildungabsolvieren wie der Augenarzt, auch den integrierten Prozessder Patientenversorgung leiten und koordinieren müssen.Gerade der schwierigste Bereich, die Differenzialdiagnose, mussin jedem Fall dem Arzt obliegen.Azem: Ich arbeite in meiner Gruppenpraxis mit vier Optikernzusammen und mache sie sicher nicht schlecht. Der Optikersoll gut ausgebildet sein und den Patienten, wenn er nichtweiter weiß, zum Augenarzt schicken. Die Differenzialdiagnose– also festzustellen, ob ein Patient noch gesund oder schonkrank ist – sollte im Sinne der Augengesundheit auf jeden Falldem Arzt obliegen. Das ist die schwerste Diagnose, die manüberhaupt stellen kann, und erfordert unwahrscheinlich vielErfahrung und Wissen.Schelling: Wenn man sich bestimmte Berufsbilder und ihre Qualifikationansieht – zum Großteil bilden wir heute auf Fachhochschulniveauaus –, kann man durchaus überlegen, ob etwa eineHebamme mehr tun darf, als dies heute der Fall ist. Es gibt vieleFälle, in denen es vielleicht sogar besser ist, von einer Hebammestatt von einem Turnusarzt entbunden zu werden. So weit sind wirmit der Qualität nicht, wie wir gerne wären. Ein dramatischesBeispiel: Wenn jemand vor zwanzig Jahren das ius practicandigemacht hat, aber zwanzig Jahre nicht praktiziert hat, weil ervielleicht in der Pharmaforschung gearbeitet hat, kann er nachdieser Zeit seine Tätigkeit als niedergelassener Arzt wieder aufnehmen.Er muss nur die Ordination anmelden und den Kammerbeitragzahlen. Das bedeutet, dass wir über das ThemaQualität diskutieren müssen. Es ist auch verblüffend, wenn ineinem Bezirk doppelt so viele Graue-Star-Operationen durchgeführtwerden als in einem anderen. Gibt es Richtlinien dafür, obdie Behandlung immer notwendig war?Binder: Lokale Unterschiede erklären sich aus der Verfügbarkeitvon Chirurgen und Zentren. Im Vergleich zu anderen Ländern istÖsterreich kein progressives „Katarakt-Entfernungsland“. Dienächste Diskussion sind die tomografischen Untersuchungen derNetz- und Aderhaut, die es derzeit nur im Spital gibt. Im niedergelassenenBereich werden sie nicht bezahlt. Aber es gibt einzelneOptiker, die sich das ohne Weiteres leisten können und demKunden kostenlos anbieten. Da haben wir schon Bedenken – nurein ausgedrucktes Blatt Papier wird dem Patienten nicht sagenkönnen, ob er gesund ist.Rechtzeitig untersuchen„Der erste ,Augenblick‘ gehört dem Augenarzt“Da nur wenige Menschen rechtzeitig einen Augenarzt konsultieren,werden viele Leiden erst bemerkt, wenn bereitsSchäden entstanden sind“, erklärt die Augenärztin HelgaAzem. „Um die Bedeutung der Augengesundheit in der Öffentlichkeitins richtige Blickfeld zu rücken, wurde von unsAugenärzten die Initiative ,Augenblick‘ ins Leben gerufen.Den Patienten soll durch gezielte Informationsangebotebewusst werden, dass der Augenarzt der erste und wichtigsteAnsprechpartner sein muss, wenn es um die Gesundheitder Augen geht. Auch wenn sich andere Gesundheitsberufe,die sich mit dem Auge auseinandersetzen –wie Orthoptisten und Optiker –, etabliert und einen hohenStellenwert erreicht haben, ist es dennoch wesentlich,dass der erste Augenblick dem Arzt gehört.“ Prim. Univ.-Prof. Dr. Susanne Binder: „Das Medizinstudium ist für einenAugenarzt eminent wichtig, weil das Auge kein einzelnesoptisches Organ darstellt, sondern in Zusammenhang mitdem menschlichen Körper ganzheitlich betrachtet werdenmuss. Augenheilkunde ist eine Wissenschaft – man kannsie nicht rein handwerklich lernen.“INFO: AB VIERZIG JÄHRLICH ZUM AUGENARZTVorsorgeuntersuchung: „Eine gute Sehschärfe istnoch kein Garant für ein gesundes Auge“, betont AugenärztinOMR Dr. Helga Azem. „Auch wenn man keine Problememit den Augen hat, sollte man ab dem Alter vonvierzig Jahren einmal jährlich zur Augen-Vorsorgeuntersuchunggehen.“ Denn dank der Entwicklung der modernenMedizin sind Augenkrankheiten heute in vielen Fällenheil- oder zumindest gut behandelbar.Kleinkinder: Besonders wichtig ist die Vorsorgeuntersuchungim Kleinkindalter. Sie ist im Rahmen des Mutter-Kind-Passes zwischen dem 22. und 26. Lebensmonatvorgesehen. Azem: „Sie zählt zu den wichtigsten im Lebeneines Menschen, denn hier können Fehlsichtigkeiten,Augenerkrankungen und Schielen rechtzeitig entdecktwerden – Dinge, die unerkannt zu Schwachsichtigkeit biszur funktionellen Blindheit führen können.“OMR Dr. Helga Azem,Präsidentin der Österreichischen OphthalmologischenGesellschaft – ÖOGMag. Dr. Hans Jörg Schelling,Verbandsvorsitzender Hauptverband derösterr. SozialversicherungsträgerPrim. Univ.-Prof. Dr. Susanne Binder,Vorstand der Augenabteilung imKrankenhaus RudolfstiftungDr. Thomas Holzgruber,Kammeramtsdirektor der WienerÄrztekammerDr. Reinhold Glehr,Präsident der Österreichischen Gesellschaftfür Allgemeinmedizin<strong>periskop</strong>/51 [ 15 ]


IM BLICKPUNKT: ÖOGBLICKEine Initiative derösterreichischen AugenärzteÖSTERREICH SCHAUT AUF SEINE AUGEN.ÖSTERREICH SCHAUT ZUM AUGENARZT.„Unsere Augen als Spiegel unserer Seele“Unsere Augen sind der Spiegel unserer Seele. Sie spiegeln aber auchunser Leben wider. Deshalb begleiten wir Augenärztinnen und Augenärzteunsere Patientinnen und Patienten von der frühen Kindheit bis inshohe Alter. Ungefähr achtzig Prozent aller Informationen werden überdie Augen wahrgenommen. Daran lässt sich messen, wie wichtig die Sehleistung und die Entwicklungdes Sehvermögens für Kinder sind.Sehen will aber gelernt sein. Nur wenn in den ersten Lebensjahren ein scharfes Netzhautbildbesteht, lernt das Gehirn, diese Informationen zu verarbeiten – das Kind sieht scharf. Ist diesesensible Phase für das Erlernen des Sehens vorbei und kann nicht nachgeholt werden, bleibt dasAuge für immer schwachsichtig. Als Augenärzte können wir schon in den ersten Lebensmonatenfeststellen, ob sich Kinderaugen normal entwickeln. Eine genaue Messung der Brechkraft deskindlichen Auges kann nur vom Augenarzt bei weitgetropfter Pupille durchgeführt werden. Kindersind normalerweise weitsichtig. Übersteigt die Weitsichtigkeit eine bestimmte Grenze odersind die Kinder kurz- bzw. stabsichtig, muss eine Kinder- bzw. Babybrille verordnet werden.Störungen des Sehens bleiben den Eltern häufi g verborgen, da das Auge kosmetisch unauffälligerscheinen mag und sich Kinder diesbezüglich oft nicht äußern. Je früher eine Sehschwächeerkannt und behandelt wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Bei sichtbaren Auffälligkeitenwie zum Beispiel Augenzittern, lichtscheuen Augen, Trübungen am Auge, Herunterhängen derLider, Kopfschiefhaltung oder Schielen sollte sofort unser augenärztlicher Rat eingeholt werden.Ebenso können wir durch eine Augenuntersuchung oft die Ursache für schnelles Ermüden,Leseunlust, Konzentrationsprobleme, Augenreiben und Blinzeln herausfi nden und behandeln.Ein Kind beim Augenarzt ist nicht einfach ein „kleiner Erwachsener“. Es gibt viele Besonderheiten,die bei der Untersuchung und Behandlung zu beachten sind.Wichtig ist ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und dem kleinen Patienten. Diegenaue Beobachtung des Kindes, die Prüfung der Augenbeweglichkeit sowie die Kontrolle derAugenstellung sind ein wesentlicher Bestandteil der Untersuchung. Ein Sehtest ist bei kleinenKindern auf herkömmliche Weise nicht möglich. Hier werden statt Buchstaben oder Zahleneinfache Symbole vorgeführt. Bei Säuglingen können wir die Sehleistung durch die Aufmerksamkeitsreaktionauf unterschiedlich breite Schwarz-Weiß-Streifenmuster im Vergleich zu einerhomogenen grauen Fläche einschätzen. Der Vorderabschnitt des Auges wird mit der Spaltlampevöllig schmerzfrei untersucht. Die Beurteilung der Netzhaut erfolgt bei weitgetropfter Pupille,ebenso wie die Messung der Brechkraft des Auges, um eine Brille zu bestimmen oder einenormale Brechkraft nachzuweisen. Diese wird mit der Skiaskopie schmerzlos ermittelt. Mithilfeeines Skiaskops wird ein Lichtstrahl ins Auge projiziert. Durch Vorhalten verschieden starkerKorrekturgläser werden die Intensität und die Bewegung des Refl exes verändert. Aus diesenPhänomenen kann der Augenarzt die Brechkraft exakt bestimmen. Die Skiaskopie ist den Computersehtestsweit überlegen und bei Kindern unerlässlich. Tritt eine Schwäche im Erlernen desLesens und Schreibens auf, besteht oft die Verdachtsdiagnose Legasthenie. Etwa fünf Prozentder Bevölkerung leiden an dieser Störung, doch um die korrekte Diagnose stellen zu können, isteine exakte augenärztliche Untersuchung unumgänglich. Komplexe Fragestellungen werden anden österreichischen Sehschulen im interdisziplinären Team von Augenärztinnen und Augenärztensowie Orthoptistinnen und Orthoptisten abgeklärt und weiter behandelt. So ist eineoptimale Rundumversorgung unserer Kinder bei allen Augenproblemen gegeben.Prim. Dr. Barbara NeudorferKonventhospital Barmherzige Brüder LinzAbteilungsleiterin der Abteilung für Orthoptik – SehschuleVorsitzende des Consiliums Strabologicum Austriacum der ÖOGNEUE WEGE FÜRJUNGE ÄRZTINNEN <strong>UND</strong> ÄRZTE!Berufen! Die internationale Berufs- und Karriereplattform.Die Österreichische Ärztekammer veranstaltet 2012 in Zusammenarbeit mitgroßen deutschen, österreichischen und auch weiteren europäischen Krankenanstaltensowie der Hochschülerschaft der Medizinischen Universitäten eineJob- und Karrieremesse für angehende Ärztinnen und Ärzte. Diese findet andrei auf einanderfolgenden Tagen in Innsbruck, Graz und Wien statt. IdealeGelegenheiten, um sich über Aus bildungen und Arbeitsbedingungen vorwiegendan deutschen und österreichischen, aber auch an anderen europäischenSpitälern zu informieren. Nach Vorträgen und Erfahrungsberichten zu Beginnder Messe stehen Vertreter dieser Krankenhäuser persönlich für Gesprächeund Fragen an den Messeständen den ganzen Tag zur Verfügung.TermIne der VeransTalTunGsreIhe22. 05. 2012 Innsbruck | Congress Innsbruck23. 05. 2012 Graz | messe Graz24. 05. 2012 Wien | stadthalle Wien„Wir überschreiten Grenzen“Für nähere Informationen: Österreichische Ärztekammer | Internationales Büro | Weihburggasse 10 –12 | 1010 WienTel.: 01­514 06 ­ DW 931 | Fax: 01­514 06 ­ DW 933 | E­Mail: international@aerztekammer.at<strong>periskop</strong>/51 [ 16 ]


UNIV.-PROF. DR. ERICH POHANKA PRÄSIDENT <strong>DER</strong>ÖSTERREICHISCHEN GESELLSCHAFT FÜR NEPHROLOGIE (ÖGN)„Das Herz ist emotionalbesetzt, die Niere nicht“VON SARAH JOSCHTEL, BAKK. PHIL.<strong>UND</strong> MAG. NINA BENNETT, MADie Zahl der Dialysepatienten und Nierentransplantierten hat sich inder letzten Dekade nahezu verdoppelt. Vor allem Erkrankungen wiediabetische Nephropathie, arterielle Hypertonie und vaskuläreNierenerkrankungen haben einen jährlichen Zuwachs an dialysepflichtigenPatienten von sechs Prozent verursacht, wodurch eswiederholt zu Engpässen in der Versorgung mit Dialyseplätzenkommt. Univ.-Prof. Dr. Erich Pohanka, der im Zuge der gemeinsamenJahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie(ÖGN) und der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie(ÖGH) im November 2011 für die nächsten beiden Jahre zum Präsidentender ÖGN gewählt wurde, nimmt im Periskop-Interview zudiesen Aspekten Stellung.P: Existieren zur Förderung der Früherkennung und Vorsorge hinsichtlichNierenerkrankungen auch Partnerschaften mit Allgemeinmedizinern?Pohanka: Die Allgemeinmediziner würden für uns eigentlich einebesonders wichtige Stellung einnehmen, leider ist die Bereitschaft,sich nephrologischen Themen zuzuwenden, nicht in dem Ausmaßgegeben. Ein wichtiger Aspekt ist deshalb die Stärkung der Wahrnehmungder Nephrologie und der Nephrologen in der Öffentlichkeitwie auch bei der Kollegenschaft. Das Bild vom Arzt, der sicheinzig um den Dialysepatienten kümmert, istschlichtweg falsch. Nephrologen sind nicht Dialysedoktoren,sondern diejenigen, deren Aufgabe esP: Ist der Kardiologe populärer als der Nephrologe?Pohanka: Auf jeden Fall ist der Kardiologe bekannter. Das Herz isttraditionell ein emotional besetztes Organ, die Niere nicht. DieKomplexität ihrer zahlreichen Aufgaben – im Wesentlichen die Aufrechterhaltungder intra- und extrazellularen Homöostase im Körper– ist bestimmt nur wenigen Menschen bewusst. Außerdem sindExkremente nun einmal nicht appetitlich. Hinzu kommt, dass Nierenerkrankungenvergleichsweise nur wenige Menschen betreffen.Nahezu jeder kennt jemanden, der einen Herzinfarkt hatte, abernicht jeder kennt einen Dialysepatienten. Man darf auch nicht vergessen,dass die Kardiologie als eine eigene, unverwechselbareSubdisziplin wahrgenommen wird, während Nierenerkrankungenin der Öffentlichkeit oft automatisch mit dem Fach Urologie assoziiertwerden.P: Ist es notwendig, österreichweit für eine bessere Vernetzungvon Behandlungsangeboten zu sorgen?Pohanka: Mit Sicherheit, um die adäquate Behandlung der Patientenlandesweit zu gewährleisten. Im Rahmen von Reformenund Einsparungen existiert häufig die Ansicht, dass man von derAuslagerung der Leistungen aus dem intramuralen in den extramuralenBereich profitieren könne. Bei der Nephrologie funktioniertdas jedoch nicht, denn dazu sind niedergelassene Spezialisten inder Praxis notwendig. Niedergelassene Nephrologen finden sichaber nur sehr vereinzelt. Hier wären Sonderverträge mit Refundierungder speziellen Leistungen notwendig.P: Legen die einzelnen Bundesländer unterschiedlich viel Wert aufdie Bedeutung der Nephrologie?Pohanka: Davon ist auszugehen. Allerdings sind wir besondersengagiert, gerade in jenen„Das Ziel muss sein, die insgesamtkostengünstigste, aber auch effektivsteund beste Behandlungsformfür den Patienten zu finden.“Bundesländern, in denen dieDisziplin weniger präsent ist,das Bewusstsein zu stärkenund die Thematik positiv darzustellen.P: Gibt es neben der nephrologischenVersorgung noch weitere Aufgabengebiete,die Sie anstreben?Pohanka: Im Besonderen ist es unser Anliegen, einenBeitrag zur ökonomischen Behandlung der Patientenzu liefern, denn gerade in der Nephrologie sind überausteure Therapiemethoden im Einsatz. Damit möglichstallen Patienten die bestmögliche Behandlung zurVerfügung gestellt werden kann, müssen die vorhandenenRessourcen entsprechend ökonomisch eingesetztwerden. Nur so kann garantiert werden, dassinnovative Therapien mit gesicherter Indikation den Patientenauch in Zukunft zur Verfügung stehen werden.Unabhängig davon, was sie kosten.P: Welche Themen und Ziele verfolgen Sie während Ihrer Präsidentschaft?Pohanka: Die ÖGN ist in erster Linie eine wissenschaftliche Gesellschaftzur Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Nierenerkrankungenund der Nierenersatztherapie, deren Ziele klar definiertsind. Sie ist ein Netzwerk der nephrologisch tätigen Ärzte in Österreichund dient dem Wissensaustausch der Kollegen. Dementsprechendfinden regelmäßig Veranstaltungen und Workshops fürNephrologen, aber auch für Internisten statt, die nicht direkt aufdiesem Gebiet spezialisiert sind. Zudem ist es unser Ziel, die Forschungsarbeitweiterhin zu intensivieren und diese vermehrt zu fördern.Die ÖGN sitzt aber nicht im Elfenbeinturm der Wissenschaft,sondern beschäftigt sich auch mit sozialen und gesundheitspolitischenFragen, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.P: Ist in Österreich eine ausreichende nephrologische Infrastrukturgegeben?Pohanka: Die Infrastruktur ist regional unterschiedlich, denn esgibt Gebiete, die nephrologisch sehr gut versorgt sind, undandere, in denen Aufholbedarf besteht. Es ist auf jeden Fall Zielder ÖGN, diesem Bedarf nachzukommen und die Versorgungder Patienten durch Gewährleistung einer umfassenden nephrologischenInfrastruktur in ganz Österreich zu sichern. Dies mussbesonders im Angesicht der derzeit notwendigen und geplantenSparmaßnahmen von oberster Priorität sein. Der Vorstand derÖGN sieht seine Aufgabe deshalb auch in der Wahrung von politischenKontakten, um diesen Bestrebungen entsprechendnachkommen zu können.ist, das Fortschreiten der Krankheit zu verzögern,damit der Patient nicht oder erstmöglichst spät an die Dialyse kommt – dasist das eigentliche Ziel der Nephrologie.P: Leidet unter diesen Umständen dieFrüherkennung von Nierenerkrankungen?Pohanka: Man darf nicht vergessen, dassNierenerkrankungen in den seltensten Fällenschmerzhaft sind. Deshalb werden sievon den Patienten oft viel zu spät bemerkt.Manche Menschen gehen nicht regelmäßigoder erst sehr spät zum Arzt. Generell leidetdie Früherkennung von Nierenerkrankungendort nicht, wo die regionale nephrologischeInfrastruktur vorhanden ist. Die meistenPatienten werden dann auch rechtzeitig anSpezialisten verwiesen. Jedenfalls darf einerenale Erkrankung im Frühstadium kein Anlass für therapeutischenNihilismus sein.P: Wie dringend werden Reformen benötigt?Pohanka: Es stellt sich eher die Frage, wie hoch dieBereitschaft für Reformen ist. Wenn im System einernsthaftes Problem erkannt wird, so sollten Politikergenerell bereit sein, darüber zu diskutieren, Lösungenzu finden und diese auf raschem Wege umzusetzen.Doch die Entwicklung von Maßnahmen dauert oft zulange und ist meist nicht umfassend genug. MeinerAnsicht nach wird eine Gesundheits- und nicht eineSpitalsreform benötigt, denn schließlich liegt dasProblem nicht ausschließlich bei den Spitälern – dasgesamte System ist problematisch, auch niedergelasseneKollegen sind betroffen. Es wird unbedingt einegemeinsame Finanzierung benötigt. Reform darf nichtnur bedeuten, dass Kosten von einem Kostenträgerzum anderen verschoben werden, der sich dann wiederumdagegen wehrt. Das Ziel muss sein,die insgesamt kostengünstigste, aber aucheffektivste und beste Behandlungsform fürden Patienten zu finden. Um das zu erreichen,müssen beide Bereiche, der extramurale undder intramurale, optimal vernetzt werden.______________________________________BioBox:Prim. Univ.-Prof. Dr. Erich Pohanka ist Leiterder II. Medizinischen Abteilung mit SchwerpunktNephrologie am AKH Linz. Nach demAbschluss des Medizinstudiums an derUniversität Wien folgte die Ausbildung zumFacharzt für Innere Medizin. Er besuchte dieUniversity of California in San Francisco undabsolvierte im Anschluss eine Ausbildungzum Additivfacharzt für Nephrologie. Vor derÜbernahme der Leitung der II. Medizinischen Abteilung 2009 warPrim. Univ.-Prof. Dr. Pohanka als Oberarzt der Abteilung Nephrologieund Dialyse an der Universitätsklinik für Innere Medizin III amWiener AKH tätig. Im November 2011 wurde er zum Präsidentender Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie (ÖGN) gewählt.Seit 2010 ist er außerdem Präsident von Austrotransplant undösterreichischer Vertreter im Vorstand und im Beirat von Eurotransplant.Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sindNieren- und Hochdruckerkrankungen sowie die Nachsorge nachNierentransplantationen.<strong>periskop</strong>/51 [ 17 ]


Der Apothekerverband verfügt seit Anfang 2012 über ein neuesPräsidium. Mag. pharm. Dr. Christian Müller-Uri, Konzessionärder Landschaftsapotheke in Schwechat, wurde vom Vorstand desÖsterreichischen Apothekerverbands mit großer Mehrheit zumPräsidenten gewählt. Gemeinsam mit seinen ebenfalls neu gewähltenVizepräsidenten, dem Vorarlberger LandesgruppenobmannMag. pharm. Jürgen Rehak und dem oberösterreichischen LandesgruppenobmannMag. pharm. Thomas Veitschegger, übernahmer am 1. Jänner 2012 das Steuerrad in der Standesvertretung derselbstständigen Apotheker. Im Periskop-Interview diskutierte dasDreierpräsidium über Ziele, Anliegen und Ideen für die Zukunft.muss, um Wahrnehmung und Aufmerksamkeit zu erlangen. DiesesBestreben kann vor allem bei einem strukturierten und gut erarbeiteteninternen System gelingen. Kunden werden von uns umfassendund optimal versorgt. Daher sind wir im Gesundheitssystemein wichtiger Berufsstand. Diese Tatsache muss an die Politik kommuniziertwerden, denn die Politiker als Repräsentanten der Bürgerkönnen hier Abhilfe schaffen. Problematisch war bisher, dass wirApotheker im Hinblick auf die Gesellschaftspolitik eher reagiert habenstatt aktiv zu agieren und zu kommunizieren.Rehak: Die Apothekerschaft war lange Zeit der Meinung, dass stilleDiplomatie mehr nützt als lautes Hinausrufen. Früher hat manP: Es existieren Verband und Kammer. Besteht bezüglich derAufgabengebiete eine klare Trennlinie?Veitschegger: Generell sollte der Verband Themen erarbeiten unddurchaus ohne Scheuklappen gewisse Aspekte bedenken, um sieanschließend in die Kammer zu tragen, damit es ein gemeinsamesThema wird. Es gilt jetzt, diese Linie verstärkt zu erarbeiten.Österreichischer Apothekerverband„Agieren stattreagieren“VON MAG. NINA BENNETT, MAP: Sie wurden Anfang 2012 zum neuen Präsidium des Apothekerverbandsgewählt. Herr Dr. Müller-Uri, was bedeutet Ihnen Ihreneue Funktion als Präsident des Apothekerverbands?Müller-Uri: Ich freue mich über das„Mein Team und ich werden nicht allesneu, aber einiges anders machen.“große Vertrauen in unsere Kompetenz.Seit 1997 bin ich bereits in derStandesvertretung der Apothekeraktiv. Ich verstehe diese Wahl alsBestätigung meiner jahrelangen Arbeit im Verband, aber auch alsAuftrag. Mein Team und ich werden nicht alles neu, aber einigesanders machen. Ein wichtiges Anliegen ist es, auch in Zukunft diewohnortnahe Versorgung der Bürger mit lebenswichtigen Arzneimittelnzu sichern. Dieses System gewährleisten die öffentlichenApotheken fl ächendeckend.P: Welche Ziele möchten Sie in den nächsten fünf Jahren für dieApothekerschaft erreichen?Müller-Uri: In erster Linie wollen wir eine Imagestärkung des Apothekerstandes– insbesondere bei der Politik – erreichen, denn inder Bevölkerung ergeben die Vertrauensumfragen immer hervorragendeWerte. Die Politik muss dahingehend informiert werden,welche Leistungen wir Apotheker bieten, welche Funktionen wirhaben und weshalb diese essenziell sind. Die Leistungen der Apothekerschaftwerden heute als ganz selbstverständlich hingenommen,das gilt es zu korrigieren. Obwohl wir – je nach Standort – proTag mehrere hundert Patienten hochprofessionell beraten und betreuen,werden wir oftmals vergessen, wenn Gesundheitsberufe inden Medien Erwähnung fi nden. Wir müssen der Öffentlichkeit vermitteln,dass wir ein professioneller Berufsstand sind, der bei denPatienten durch den niederschwelligen Zugang hohes Vertrauengenießt, und dass wir diese auf der Grundlage unserer Kompetenzauf persönlicher, fachlicher und sozialer Ebene umfassend beratenund betreuen.P: Hat sich die Apothekerschaft bisher nicht ausreichend als wesentlicherBestandteil des Gesundheitssystems positioniert?Müller-Uri: Um an die Bevölkerung heranzutreten, müssen dieMitglieder der Apothekerschaft in erster Linie intern davon in Kenntnisgesetzt werden, dass mehr Außenwirkung gezeigt werdensich mit den Stakeholdern verständigt und versucht, sachorientiertgemeinsame Lösungen zu fi nden. Das hat lange Zeit recht gutfunktioniert, doch inzwischen hat sich die Medien- und Öffentlichkeitsarbeitverändert. Heute wird man nur wahrgenommen, wennman demonstrativ auftritt. Dieser Wechsel von der eher stillen Diplomatiezu einer etwas kämpferischeren Haltung wurde nur teilweiseund langsam vollzogen – deshalbwurden wir bisher in der Öffentlichkeitnur bedingt wahrgenommen. Dies giltes zu verändern.Veitschegger: Um es konkret zu formulieren:Tue Gutes und rede darüber. Unser Tun muss gemeinsammit den Medien dementsprechend kommuniziert werden.Mag. pharm. Dr. Christian Müller-UriP: Gibt es demnach eine Umkehr im Hinblick auf die Kommunikationnach außen und innen?Müller-Uri: Wir stehen zur Seriosität der Apothekerschaft, möchtenunseren Patienten Sicherheit, Kompetenz und eine Vertrauensbasisbieten. Das war bisher vermutlich ein Weg, der in der Öffentlichkeitnicht immer gebührend wahrgenommen wurde. Manchmalgewährleistet ein unbequemerer Weg ein Mehr an Aufmerksamkeit.Es ist daher wichtig zu hinterfragen, ob unser Wert für die Gesellschaftauch entsprechend gewürdigt worden ist und wird. Jedenfallsist feststellbar, dass er bisher zuwenig kommuniziert wurde. Jetzt istein verstärktes, lauteres Auftreten inder breiten Öffentlichkeit gefragt, einAufzeigen unserer Leistungen, eineVeranschaulichung unserer Kompetenzenund unserer nicht zu unterschätzenden vertrauensvollenund persönlichen Beziehung zu unseren Kunden. Deshalb sprecheich mich für ein verstärktes Auftreten der Apothekerschaft in derZukunft aus.Rehak: In der Vergangenheit wurde zudem zu wenig innerhalb desBerufsstands kommuniziert und auch von den Mitgliedern nicht indem gewünschten Ausmaß mitgetragen. Es gilt, sich mit den Apothekernzu solidarisieren und sie im Hinblick auf unsere Anliegen insBoot zu holen. Durch eine klare Strategie kann diesbezüglich eineÄnderung herbeigeführt werden. Von der Kammer wünsche ich mirmehr Kompromissbereitschaft und auch, dass Themen, deren Zuständigkeitenauf selbstständiger Seite liegen, stärker unterstütztwerden.„Tue Gutes und rede darüber. Unser Tunmuss gemeinsam mit den Mediendementsprechend kommuniziert werden.“P: Wird die Apothekerschaft durch patientenindividuelle Einzelverpackungenvon Medikamenten, das Blistern, gefährdet?Veitschegger: Das Blistern ist in Österreich unter Mitwirken derApothekerschaft entstanden, denn das Abpacken von Medikamentenund dasVorbereiten vonmundgerechterMedikation dient der Arzneimittelsicherheit. Letztendlich muss aberfestgestellt werden, dass das Ausblistern von Medikamenten enormeKosten verursacht und diese nicht von der Apothekerschaftübernommen werden können. Grundsätzlich ist man als Apothekerdazu aufgerufen, die Patienten über die Einnahme der Arzneimittelzu beraten und sie bei verschiedenen Therapiemaßnahmen zuunterstützen. Vor allem in einer Zeit, in der die Medikation immerkomplizierter wird, ist das portionierte Abpacken von Arzneimittelnvon enormem Vorteil – gerade bei vergesslichen und älteren Menschen.Arzneimittel müssen zum richtigen Zeitpunkt in der richtigenAbfolge in der richtigen Dosierung eingenommen werden, und esist Aufgabe der Apotheker, dafür bestehende Hilfsmittel zum Wohledes Kunden anzubieten.Rehak: Bei der Versorgung einer älter werdenden Bevölkerung bekommtdie Arzneimittelsicherheit eine immer größere Bedeutung.Hierfür ist die individuelle maschinell unterstützte Zusammenstellungder Tages- bzw. Wochenmedikation, die so genannte Verblisterung,das Mittel der Wahl. Die Verlagerung der Arzneimittelzusammenstellungvon beeinträchtigten Patienten, Angehörigenoder Betreuungspersonal in die Hand des maschinell unterstütztenApothekers vermindert die Medikationsfehlerdeutlich und erhöht dieEinnahmetreue der Patienten. PositiverNebeneffekt ist die Übernahmedes Medikamentenmanagementsdurch die Apotheke, wodurch eineintensivere Kommunikation mit dem Kunden über seine Medikationentsteht. Zur Verblisterung stehen zwei Systeme zur Verfügung: dieVersorgung von Heimen durch Blisterzentren im Auftrag der jeweiligenApotheke oder die Anschaffung eines Automaten einzelnerApotheken und die Belieferung von Heimen. Das Blistern ändertam geltenden Konzessionssystem der Apotheken nichts, welchesbesagt, dass Apotheken einen Nahversorgungsauftrag erfüllenmüssen. Anhand eines ermittelten Bedarfs wird eine entsprechendeAnzahl an Apotheken in einer Region eingerichtet. Durchbedarfsorientierte Systeme wie dieses wird die Arzneimittelversorgunggewährleistet. Einzig das Medikamentenmanagement ändertsich. Das führt dazu, dass man sich intensiver mit dem Patientenauseinandersetzt.Mag. pharm. Thomas Veitschegger<strong>periskop</strong>/51 [ 18 ]


Veitschegger: Egal ob man es Bedarfsorientiertheit oder Gebietsschutznennt, die Gesellschaft garantiert uns einen gewissenSchutz, der mit Verpfl ichtungen verbunden ist, ob das nun Nachtdienstebetrifft oder das Weiterleiten der Patienten an Ärzte. Beidiesen Verpfl ichtungen können wir am Markt nicht als Unternehmeragieren, sondern sind durch ethische Aufl agen in unserer Tätigkeiteingeschränkt. Auch wenn der Bedarf in Wirklichkeit nicht in dieserDimension gegeben ist, so muss doch eine gewisse Grundversorgungaufrechterhalten werden, ohne dass dabei die Rentabilitäteine Rolle spielt.P: Worin liegt das Problem beim Vertrieb und der Erhältlichkeit vonArzneimitteln und Medizinprodukten im Vergleich?Müller-Uri: Bislang war es üblich, wirksame Produkte als Arzneimittelzu bezeichnen und unter ärztlicher Kontrolle zuzulassen. Mittlerweileist eine Kategorie „Medizinprodukte“ geschaffen worden,die oft wie Arzneimittel wirken, aber nicht die Aufl agen der strengenKontrolle erfüllen müssen. Dieser Weg soll unserer Meinung nachnicht beschritten werden, allerdings sind unseren Behörden dabeioffensichtlich die Hände gebunden. Wenn Medizinprodukte in einembeliebigen Land der Europäischen Union verwendet werdenund dort angemeldet sind, dürfen sie in der gesamten EU vertriebenwerden.Veitschegger: Um als „Arzneimittel“ zugelassen zu werden, mussein Produkt bestimmte Kriterien erfüllen. Das dient als Grenzziehungzwischen einem gewissen Maß an Sicherheit, welches zumWohle der Gesellschaft gewahrt werden muss, und einem Maß anBequemlichkeit, sodass Produkte an den Kunden vermittelt werdenkönnen. Für das Ziehen dieser Grenze ist in letzter Konsequenzdie Politik zuständig. Im Bereich der Arzneimittel sollte der Weg weiterhinüber die Apotheker beschritten werden, da auf diese WeiseSicherheit und eine Vertrauensbasis geboten werden kann.P: Was halten Sie davon, wenn Arzneimittel über Drogeriekettenoder aus dem Internet bezogen werdenkönnen?Rehak: Werden Arzneimittel überDrogerieketten oder aus dem Internetbezogen, so gehen die Kundenbestimmte Risiken ein. Die Abgabein Drogeriemärkten erfolgt ohne jede Beratung. Im Internet habenes Kunden häufi g mit unbekannten, dubiosen oder kriminellenHändlern zu tun, die ungeprüfte Waren auf unkontrolliertenWegen gutgläubigen Kunden verkaufen wollen. Natürlich gilt dasnicht für alle – aber für viele. Die Gesundheitspolitik sollte diesesRisiko verhindern. Strukturen und Einschränkungen sind sinnvoll,denn Internethändler, die ihre Pakete häufi g mit gefälschten, giftigenoder zumindest unwirksamen Produkten versenden, dürfennicht mit Apothekern gleichgesetzt werden, die strengen Aufl agenunterliegen.Müller-Uri: Gegen dieses Problem muss aus standes- wie auchaus gesundheitspolitischer Sicht aktiv vorgegangen werden. Hiermuss in Zukunft eine gemeinsame Strategie verfolgt werden, mitder wir massiv aufzeigen, welche Gefahren diese Vertriebswege insich bergen.P: Welche Herausforderungen kommen auf die Apotheker zu?Veitschegger: Die Basis soll erhalten bleiben, wobei die Vorzügeder kompetenten Beratung mehr kommuniziert werden müssenund die Betreuung von Patienten in Richtung Selbstmanagement„Die Technik, speziell die E-Medikation,wird vermehrt zum Nutzen des Patientenund des Systems eingesetzt werden.“verbessert werden muss. Unseren Kunden bzw. den Patientenmuss kommuniziert werden, dass der Alltag trotz einer bestehendenKrankheit durch das richtige „Krankheitsmanagement“ lebenswertgestaltet werden kann.Rehak: Betreuung muss auch Informationenbeinhalten, etwa wie derPatient verschriebene Medikamentekorrekt einzunehmen hat, ohne sichMag. pharm. Jürgen Rehak dabei zu schaden. In Zukunft wird eszudem nötig sein, durch Aufklärungmassiver präventiv tätig zu sein und sich hier stärker einzubringen.Die Technik, speziell die E-Medikation, wird vermehrt zum Nutzendes Patienten und des Systems eingesetzt werden. Ein weitererPunkt stellt der Ärztemangel dar, der dazu führen wird, dass dievorhandenen Ressourcen, also wir Apotheker, mehr eingebundenwerden müssen. Die Bereitschaft dazu ist auf jeden Fall gegeben.BioBox Müller-Uri: Mag.pharm. Dr. Christian Müller-Uri bekam 1991 die Konzessionzur Leitung der Landschaftsapothekein Schwechatverliehen, in der heute auchseine Tochter beschäftigt ist. Sein Sohn ist ebenfalls Apothekerund seit 2010 Konzessionär der Vindobona-Apotheke in neuntenBezirk in Wien. 1996 begann seine standespolitische Tätigkeit alsEDV-Referent des Österreichischen Apothekerverbands. In dieserFunktion war Müller-Uri maßgeblich an der Konzeption der heutemeistverwendeten Apothekensoftware „AVS“ beteiligt. Federführendwirkte er bei der Einführung der kostenlosen Rund-um-die-Uhr-Telefonhotline 1455 der Apothekerschaft mit. 2003 wurde erin den Vorstand der Österreichischen Apothekerkammer gewählt,seit 2007 ist er Obmannstellvertreter der Pharmazeutischen Gehaltskassefür Österreich und Obmannstellvertreter im Präsidiumder österreichischen Apothekerkammer. Nun wurde er zum neuenPräsidenten der selbstständigen Apotheker Österreichs berufen.BioBox Rehak: Nach demBesuch des NaturwissenschaftlichenOberstufenrealgymnasiumsin Lauterachstudierte Mag. pharm. JürgenRehak Pharmazie in Innsbruck.Nach einem Aspirantenjahr war der gebürtige Vorarlberger zwölfJahre als angestellter Apotheker tätig, bis er sich schließlich im Jahre1999 selbstständig machte. Auf berufspolitischer Ebene war ervon 1991 bis 1997 Vizepräsident der Österreichischen ApothekerkammerLandesgeschäftsstelle Vorarlberg und von 1997 bis 1999erster Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer. Seit2007 ist Rehak Präsident der Österreichischen ApothekerkammerLandesgeschäftsstelle Vorarlberg und seit 1. Jänner Vizepräsidentdes Apothekerverbands in Wien.P: Muss die Apothekerschaft „lauter“ werden?Müller-Uri: Ich glaube nicht, dass wir unbedingt lauter werdenmüssen, sondern dass die Politik erkennen muss, welchen Wertwir im Gesundheitswesen darstellen. Das zu kommunizieren ist unsereAufgabe, und dazu ist es nicht notwendig, mittels der Medien„herauszuschreien“, dass wir da sind.Rehak: Wenn Anliegen essenziell sind, wird man nicht darum herumkommen,lauter zu werden. Das Grundverständnis für medialeAktivität hat sich verändert, heute erwartet man fast, dass man sichregelmäßig anlassbezogen äußert.Veitschegger: Manche Dinge müssen sicher akzentuierter angegangenwerden, um Gehör zu fi nden.BioBox Veitschegger: Nachdem Studium der Pharmaziean der Universität Wien übernahmMag. pharm. ThomasVeitschegger die Führungder Apotheke seiner Elternim Mühlviertel. Im April 2007 wurde er zum Präsidenten derApothekerkammer Oberösterreich gewählt und trat den Vorsitz derLandeskonferenz der freien Berufe an, um für die Funktionsperiodevon einem Jahr die Interessen der oberösterreichischen Freiberufl erzu vertreten. Veitschegger wurde im letzten Jahr vom Vorstand desÖsterreichischen Apothekerverbands zum 2. Vizepräsidenten desÖsterreichischen Apothekerverbands gewählt und übernahm am1. Jänner 2012 das Steuerrad in der Standesvertretung der selbstständigenApotheker. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.<strong>periskop</strong>/51 [ 19 ]


Der Ball der Wiener Ärztinnen und Ärztezählt zu den glanzvollen Fixsternen amWiener Ballhimmel.Zum 62. Mal lud der traditionelle WienerÄrzteball in die Hofburg. Auch heuer ließensich rund 4.000 Gäste dieses Ereignisnicht entgehen und erfreuten sich an einerrauschenden Ballnacht. Die historischenRäumlichkeiten der Wiener Hofburg botenden Wiener Ärztinnen und Ärzten ein grandiosesAmbiente. Unter ihnen befandensich auch zahlreiche internationale Gäste.Bei großartigen Show-Acts und Tanzeinlagenamüsierten sich die Ballbesucher aufsTrefflichste. Die Mitternachtseinlage lieferteMichael Seida mit Rat-Pack-Songs aufWienerisch. Gegen 1.30 Uhr folgte derShow-Act „Reggae-Night“, um drei Uhrgab es die traditionelle Publikumsquadrilleim Festsaal. Zu den Ehrengästen zählten:„Alles Walzer“am WienerÄrzteball 2012Präsident MR Dr. Dorner und Frau Dorner,Bundesminister Diplomé Stöger und FrauStöger, Bundesminister Hundstorfer undFrau Risser, Stadträtin Mag. a Wehsely undStaatssekretär Dr. Schieder, Abg. z. NRDr. Rasinger und Frau Rasinger, Abg. z. NRDr. Karlsböck und Frau Karlsböck, FrauAbg. z. NR Marek und Begleitung, Univ.-Prof. Dr. Wolner und Frau Wolner (Vors.des OSR), Stadtrat Lasar und Begleitung(Gesundheitssprecher FPÖ Wien), BundeskurienobmannVP Dr. Mayer und FrauMayer, Präsident Dr. Haas und Frau Haas,Präsident Dr. Routil und Frau Routil,Präsident Dr. Niedermoser und FrauNiedermoser, VP MR Dr. Haslwanter undFrau Haslwanter (ÄK OÖ), PräsidentinMag. Leitner und Begleitung (ApothekerkammerWien), Präs. Dr. Montgomery undFrau Montgomery (BundesärztekammerDeutschland), Präs. Dr. Jonitz und FrauJonitz (ÄK Berlin), Präs. Dr. Kaplan undFrau Kaplan (ÄK Bayern), Präs. Dr. vonKnoblauch zu Hatzbach und Frau vonKnoblauch zu Hatzbach (ÄK Hessen), PräsidentDr. Wesser und Frau Wesser (ÄKThüringen), Präsident Dr. Eger und FrauEger (ÄK Ungarn), VorstandsmitgliedDr. Fuchs und Frau Dr. Rhein (ÄK Niedersachsen),Staatssekretär a. D. Univ.-Prof.Dr. Waneck und Frau Mag. Waneck,Altpräsident Präsidialreferent Dr. Pjeta undFrau Mag. Pjeta, Generaldirektor-Stv. Dipl.-Ing. Schörghofer und Frau Schörghofer(HV der SV), Generaldirektor Ing. Mag. Sulzbacherund Frau Sulzbacher (WGKK),Generaldirektor-Stv. Ing. Mag. Dr. Koblmüllerund Frau Koblmüller (KAV), ärztl. DirektorUniv.-Prof. Dr. Krepler und Frau Dr. Krepler,Chefarzt Prof. HR MR Dr. Fous undFrau Fous (Bundespolizei), Chefarzt Prof.Dr. Müller und Frau Müller (PVA), FrauMag. Griesser und Begleitung (WGKK),Frau Dr. Angel und Herr SektionsleiterDr. Auer (BM für Gesundheit), SektionsleiterinDoz. Dr. Rendi-Wagner und HerrMag. Rendi (BM für Gesundheit), SektionsleiterHon.-Prof. Dr. Aigner und FrauMR Dr. Aigner (BM für Gesundheit), HerrDI Dr. Leisch und Frau Leisch (BM fürGesundheit), Brigadier MR Dr. Somlyayund Frau Somlyay (BM für Landesverteidigung),Oberstleutnant Koutnik undBegleitung (Vertr. MilitärkommandantSchmidseder), Sozialattaché Mag. Stullerund Frau Stuller, Generaldirektor Dr. Brandstetterund Frau Brandstetter (Uniqa),Vorstandsvorsitzender Mag. Heisinger undFrau Heisinger (Bank für Ärzte und freieBerufe), Direktor Abler und Frau Abler(Bank für Ärzte und freie Berufe), Abg.Prof. Dr. Goder und Frau Goder.<strong>periskop</strong>/51 [ 20 ]


Umsatzes werden in „Forschung & Entwicklung“ investiert, womitdie Branche weit vor „Software & Computersysteme“ – die mit 9,9Prozent an zweiter Stelle sind – rangiert. Darüber hinaus sichertein Pharmajob 2,65 Arbeitsplätze in der Gesamtwirtschaft – dasprechen wir von über 27.000 Beschäftigten. Innovative Arzneimittelverbessern die Lebensqualität, verkürzen Krankenhausaufenthalteund bewirken somit Kostendämpfungseffekte im Gesundheitswesen.Und nicht zuletzt hält die pharmazeutischeIndustrie den Standort Österreich für besonders qualifizierte Akademikerattraktiv. Sie ist eine Branche mit sehr hohem Akademikeranteilund gibt jungen Absolventen eine interessante Job- undLebensperspektive. Insofern trägt die pharmazeutische Industriewesentlich dazu bei, politische und wirtschaftliche Vorstellungenzu realisieren.INTERVIEW MIT DR. JAN OLIVER HUBERGENERALSEKRETÄR DES VERBANDS <strong>DER</strong> PHARMAZEUTISCHEN INDUSTRIE ÖSTERREICHS (PHARMIG)„Innovation für mehrgesunde Jahre!“Österreich als Wirtschafts-, ForschungsundProduktionsstandortMAG. NINA BENNETT, MAWeltweit gibt es 6.000 bis 8.000 seltene Erkrankungen. Obwohl inÖsterreich nicht mehr als 4.000 Personen an einer seltenen Krankheitleiden, sind in Summe etwa 400.000 Österreicher betroffen.Aufgrund niedriger Prävalenz- und Inzidenzzahlen stellen selteneErkrankungen spezielle Anforderungen an die Versorgungsstrukturendes Gesundheitssystems. Bei Patienten mit seltenen Erkrankungenist oft nicht nur die Diagnose kompliziert, auch verspätetetherapeutische Versorgung, Schwierigkeiten mit der Kostenerstattungund Bewilligung sowie die Stigmatisierung stellen Problemedar. Zudem fehlen spezialisierte Einrichtungen für diese Patienten,die Versorgung erfolgt in erster Linie über Eigeninitiative der Betroffenen.Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig, desVerbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs, erläutert imPeriskop-Interview die Notwendigkeit der Erforschung von Arzneimittelnfür seltene Erkrankungen, den Wert innovativer Arzneimittelfür die Patienten und wesentliche Faktoren für eine Weiterentwicklungdes Produktions- und Forschungsstandorts Österreich.P: Die pharmazeutische Industrie allgemein – und im Speziellen inÖsterreich – arbeitet intensiv an der Erforschung und Entwicklungvon Arzneimitteln für Erkrankungen, die durch ihre Seltenheit oftnur ein paar tausend Einwohner betreffen. Wieso legen die Pharmigund die pharmazeutischen Unternehmen so großen Wert aufdiese Forschung, obwohl die Anzahl der Betroffenen so gering ist?Huber: Auch die Betroffenen von seltenen Erkrankungen braucheneine optimale Therapie. Eine Auseinandersetzung damit –das heißt bezogen auf die pharmazeutische Industrie, die Erforschungdieser Krankheiten und die Entwicklung von Therapiendafür – ist Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung. SelteneErkrankungen sind chronische, oft fortschreitende Krankheiten,die häufig lebensbedrohend sind. Die pharmazeutische Industrieleistet durch die Entwicklung von Arzneimitteln ihren Beitrag, umden Betroffenen mit neuen Therapiemöglichkeiten zu helfen undderen Lebensqualität zu verbessern. Diese Notwendigkeit hatauch die Politik erkannt und mit der europäischen Verordnungüber Arzneimittel für seltene Leiden im Jahr 2000 wichtige Weichengestellt. Diese Verordnung bietet Unternehmen reduzierteZulassungsgebühren und ein zehnjähriges exklusives Vermarktungsrecht.Diese Rahmenbedingungen helfen der Pharmaindustrie,ihren Aufgaben nachkommen zu können.P: Können Sie anhand eines konkreten Beispiels – wie etwa derCystischen Fibrose – erklären, weshalb „Rare Diseases“ so seltenauftreten und warum die Forschung gerade bei diesen so wichtigist?Huber: Achtzig Prozent der seltenen Erkrankungen sind genetischbedingt, das stellt die Wissenschaft und die Industrie vorkaum lösbare Probleme. Es istnämlich so, dass rund 75.000 Geneexistieren und jedes Gen den Bauplanfür ein Protein enthält. Wennbei nur einem davon eine Mutation– also eine Veränderung im Erbmaterial– auftritt, hat das verheerendeFolgen. Bei der Cystischen Fibrosewurden bis jetzt seit der Entdeckungdes defekten Gens im Jahr1989 mehr als tausend Genmutationennachgewiesen. Das machtdiese und andere seltene Erkrankungenso komplex, entsprechendschwierig ist die Entwicklung vonspezifischen Medikamenten.P: Die EU befasst sich mit der Ausarbeitungvon Verordnungen, diedie Entwicklung von Orphan Drugsfür Unternehmen attraktiver macht.Die NKSE („Nationale Koordinationsstellefür Seltene Erkrankungen“)entwickelt detaillierte nationale Aktionspläne. Was wird seitensder Pharmig konkret unternommen, um diese Maßnahmenund auch jene der forschenden Industrie hier zu unterstützen?Huber: Die Pharmig hat den Arbeitskreis „Rare Diseases“ installiert,der mit Spezialisten aus Pharmig-Mitgliedsunternehmen besetztist. Dieser gestaltet als Expertengremium die politischen undfachlichen Rahmenbedingungen für Arzneimittel für seltene Erkrankungenin Österreich aktiv mit. Die Mitglieder des Arbeitskreisessind qualifizierte Experten und behandeln aktuelle politischeund fachliche Fragestellungen. Sie bereiten Informationen für Mitgliedsunternehmenauf und etablieren Qualitätsstandards undBest Practices.P: Dass die Pharmawirtschaft ein wichtiger Faktor für die Attraktivitätund Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreichist, ist mit produzierten pharmazeutischen Produkten im Wert von2,25 Milliarden Euro pro Jahr unumstritten. Können Sie das fürunsere Leser noch etwas konkretisieren und ausführen?Huber: Einerseits ist die Pharma- und Biotechbranche führendim Bereich „Forschung & Entwicklung“ in der EU. 16 Prozent desP: Welche Faktoren sind für eine Weiterentwicklung des Produktions-und Forschungsstandorts Österreich aus Sicht der produzierendenbzw. forschenden Unternehmen wichtig?Huber: Pharmazeutische Unternehmen, ob mit Headquarter-Funktionen oder auch im Forschungs- und Produktionsbereich,tragen qualifiziert zum Wirtschaftswachstum bei. Dabei ist diePolitik aufgefordert, die Produkte dieser Unternehmen nicht alsKostenfaktor, sondern als Wert für die Gesellschaft zu verstehen.In den nächsten Jahren werden die öffentlichen Förderprogrammeüberarbeitet werden müssen. Wichtig für eine Weiterentwicklungdes Produktions- und Forschungsstandorts Österreich sind eineAtmosphäre des Wissens und eine Vielzahl von ganz allgemeinengesetzlichen Rahmenbedingungen, die von Bildungspolitik überattraktive Forschungsförderung bis hin zu guten Bedingungen fürklinische Forschung, Steuergesetzen oder Regelungen im Aufenthaltsrechtreichen. Die Entscheidung produzierender und forschenderUnternehmen für den Standort Österreich hängt davonab, wie attraktiv die Summe dieser Faktoren ist.P: Welche Gewichtung hat das Ziel „Wirtschaftsstandort“ in Relationzu den anderen Zielen der Pharmaindustrie wie zum Beispieloptimale Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, Stärkungder Patientenrechte und Förderung der Therapietreue?Huber: Die Entwicklung und Erforschung, der Vertrieb und dieoptimale Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sindunsere ursprünglichen Aufgaben, genauso wie die Stärkung derPatientenrechte. Je besser die pharmazeutische Industrie dieseAufgaben erfüllen kann, desto besserwerden die Patienten in Österreichbehandelt werden können.Die Voraussetzung dafür ist, dassdie Menschen im Land über dieLeistungen des GesundheitssystemsBescheid wissen. Ein leistungsfähigesGesundheitssystemist eine wichtige Säule jeder Volkswirtschaft,deshalb wollen wir auchin Zukunft der Politik und demGesundheitswesen mit unseremKnow-how zur Verfügung stehen.Den Wirtschaftsstandort stärkenwir aber nicht nur durch die Produktion,sondern auch durch die Arbeitsplätze,die durch die Pharmawirtschaftgeschaffen werden.P: Wenn Sie ein Motto entwickelnmüssten, unter dem die Bestrebungender Pharmabranche für dienächsten Jahre treffend zusammengefasstwerden sollen, wie würde sich das anhören?Huber: „Innovation für mehr gesunde Jahre!“BioBox:Nach Abschluss seines Jus-Studiums begann Dr. Jan Oliver Huber1985 seine Karriere als Area Sales Manager in der Verkaufsabteilungder Firma Franz Haas Waffelmaschinen GmbH, ein Jahrspäter ging er für das Unternehmen als Verkaufs- und Marketingleiterfür mehrere Jahre nach Brasilien. Im Jahr 1990 wechselteDr. Huber in die Energiewirtschaft, wo er mehr als neun Jahre langin unterschiedlichen Positionen für BP tätig war: als Leiter derProjektabteilung der BP Austria AG, dann als Verantwortlicher fürdie Tankstellennetzentwicklung in Österreich, Tschechien undUngarn, als Mitglied der Geschäftsleitung von BP Polen undschließlich von BP Austria. Im Jahr 1999 wechselte Dr. Huber zumweltweit führenden Zementproduzenten Lafarge als Geschäftsführerund Vorstand für Vertrieb und Marketing nach Deutschland.Seit 2004 ist Dr. Huber Generalsekretär der Pharmig.<strong>periskop</strong>/51 [ 21 ]


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WELLDONE ÖFFNET AUGEN!Eine österreichweite TV-Kampagne aus dem Hause Welldonefür unsere Augenärzte.„Augenblick! Österreich schaut auf seine Augen – Österreich schaut zumAugenarzt.“ Unter diesem Slogan informierte Welldone Werbung und PR alleÖsterreicherInnen über die Bedeutung von regelmäßigen Augen-Untersuchungen.Anzeigen in den heimischen Printmedien und TV-Spots im ORFtransportieren die Botschaft im Auftrag der Österreichischen OphthalmologischenGesellschaft (ÖOG) an die Bevölkerung.EinE initiativE dEröstErrEichischEn augEnärztEwww.Österreich-schaut-zum-Augenarzt.atWELLDONE, WERBUNG <strong>UND</strong> PR.Es ist nämlich noch nicht in ausreichendem Ausmaß bekannt, dass fürAugenärzte das Auge ein „Fenster in den Körper“ ist und sie so ein Schlaganfallrisiko,Diabetes oder Bluthochdruck frühzeitig erkennen können. Um diesesBewusstsein zu steigern, entwickelte die Kreation der Welldone um CDKurt Moser und AD Doris Augustin einen TV-Spot, der sehr reduziert und klarauf den Punkt kommt – und die Message „auf den ersten Blick“ vermittelt.Auf der Website www.österreich-schaut-zum-augenarzt.at können sich dieÖsterreicherInnen näher über die Wichtigkeit von regelmäßigen Untersuchungenbei ihrem Augenarzt informieren. Agenturleiterin Mag. Birgit Bernhardund die verantwortliche Etat-Direktorin Beatrix Kollmann sind davon überzeugt,dass mit dieser Kampagne „ein wichtiger und kreativer Beitrag zurStärkung der Früherkennung für die Menschen wie auch zur Aufklärung überden Stellenwert der österreichischen Augenärzte“ geleistet werden kann.Credits Welldone Werbung und PRCREATIVE DIRECTOR: Kurt Moser | SENIOR ART DIRECTOR: Doris Augustin |JUNIOR ART DIRECTOR: Natascha Windpassinger | HEAD OF ACCOUNTS:Mag. (FH) Birgit Bernhard | ETAT-DIRECTION: Beatrix KollmannTV-PRODUKTION: Marcel Paal, Theresia Grösslinger, pr-video.atAugenblick: österreichs augenärzte versorgen uns auf höchstemmedizinischen niveau. sie sehen mehr als nur das auge – betrachtenden Menschen ganzheitlich, können unbemerkte chronische Krankheitenwie Bluthochdruck oder diabetes erkennen. das auge ist nicht nur dasFenster in die Welt, sondern auch das Fenster in den Körper. nur deraugenarzt kann schleichende augenerkrankungen wie z. B. den grünenstar früh erkennen. Darum sollte jeder Augenblick dem Augenarztgehören.OeOG_AZ_95x120.indd 1 24.10.11 13:37<strong>periskop</strong>/51 [ 23 ]


INTERVIEW MIT ALEXAN<strong>DER</strong> WRABETZGENERALDIREKTOR ORF„GES<strong>UND</strong>HEITIST DEM ORFEIN GROSSESANLIEGEN“Alexander Wrabetz ist seit 2007 Generaldirektor des ORF. In dieserFunktion wurde er im August 2011 wiedergewählt. Im Periskop-Interview spricht er über seine Ziele für die nächste Amtszeit,Veränderungen in der Medienlandschaft sowie über die Gesundheitsberichterstattungim ORF.P: Sie wurden vor einem dreiviertel Jahr in Ihrer Position des Generaldirektorsdes ORF bestätigt. Wie sehen Ihre Ziele für Ihre nächsteAmtszeit aus?Wrabetz: Vorweg: Der ORF ist ein gesundes, leistungsstarkesUnternehmen und sowohl nach Marktanteilen als auch nach Reichweiteneiner der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen ProgrammanbieterEuropas – mit einem breiten Spektrum hochwertiger,dem öffentlich-rechtlichen Auftrag verpfl ichteter Medienangebotein Fernsehen, Radio und online. In den nächsten Jahren wird esvor allem darum gehen, den erfolgreich durchgeführten Konsolidierungskursfortzusetzen und gleichzeitig durch nachhaltige Akzentedas öffentlich-rechtliche Profi l des ORF weiter zu schärfen.Im Konkreten heißt das, sicherzustellen, dass der ORF auch in denkommenden fünf Jahren Marktführer in Fernsehen, Radio und onlinebleibt; zu aktuellen politischen, gesellschaftlichen und kulturellenFragen die vertrauenswürdige und objektive Informationsquelleim elektronischen Bereich ist; die Qualität der journalistischen undprogrammlichen Arbeit auf anerkanntem internationalen Niveauhält; eine gesunde wirtschaftliche Situation als Basis der redaktionellenUnabhängigkeit aufweist und die Chancen der neuenMedien für sein Publikum nützt.„In den nächsten Jahren wird esvor allem darum gehen, den erfolgreichdurchgeführten Konsolidierungskursfortzusetzen und gleichzeitig durchnachhaltige Akzente das öffentlichrechtlicheProfi l des ORF weiter zuschärfen. “P: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen auf sich zukommen?Wrabetz: Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen, sozialer Spannungenund eines gesellschaftlichen Klimas, das von Veränderungund Verunsicherung geprägt ist, werden vertrauenswürdige, nichtnur anonymen Shareholdern, sondern der Gesellschaft verpfl ichteteMedien immer wichtiger. Daher ist eine verstärkte Aufmerksamkeitund Zusammenarbeit sowie ein gemeinsames Vorgehender europäischen Public-Service-Broadcaster von besondererBedeutung, um öffentlich-rechtliche Medien europaweit in ihrerLeistungsstärke zu erhalten und an sichtbaren Programminnovationenim Auftrag der Gesellschaft zu arbeiten. Angesichts einerimmer mächtiger werdenden internationalen Konkurrenz durchkommerzielle Medienkonzerne muss der ORF eine starke, allenÖsterreicherinnen und Österreichern zugängliche und in vielfacherHinsicht qualitätsorientierte Stimme bleiben.P: Wo sehen Sie die Zukunft der Massenmedien? Wohin werdensich das Fernsehen und das Radio entwickeln? Welchen Einfl usshaben die Privatsender dabei?Wrabetz: In den kommenden Jahren wird sich die Medienlandschaftdramatisch verändert haben. Nicht nur, was die Medien Print,Fernsehen, Radio und online betrifft, sondern vor allem was dieVerbreitungswege betrifft, über die Content zu den Kunden kommt.2030 wird jeder Österreicher „24/7“ online sein. Viele Dinge destäglichen Gebrauchs, der Administration und Verwaltung wird er/sie bequem von zu Hause oder vom Wartezimmer des Arztes auserledigen können. Was sich aber auch bis 2030 nicht geändert habenwird, ist, dass die Österreicherinnen und Österreicher weiterhinein gutes Fußballmatch live sehen wollen, die Nachrichten aktuellsein sollen und nicht jeder Fernsehabend mit einer umfassendenPlanung und Programmierung des Festplattenrekorders beginnensoll. Als öffentlich-rechtlichem Rundfunk kommt dem ORF hier einezentrale Rolle zu: verlässliche Information zu produzieren, der dieÖsterreicherinnen und Österreicher vertrauen können – und mitdiesem Content auf allen Plattformen präsent zu sein.„Mit der 2008 gestarteten Initiative‚Bewusst gesund‘ erreichen wirmehrmals im Jahr rund 40 Prozent derBevölkerung über zwölf Jahren ...“P: Was konnte mit der Initiative „Bewusst gesund“ bisher erreichtwerden?Wrabetz: Mit der 2008 gestarteten Initiative „Bewusst gesund“erreichen wir mehrmals im Jahr rund vierzig Prozent der Bevölkerungüber zwölf Jahren allein mit den österreichweit ausgestrahltenFernsehsendungen. Dazu kommen die ORF-Radios Ö1, Ö3 undFM4 sowie jene der Landesstudios, die „Bewusst gesund“ ebenfallsmittragen und gemeinsam eine Tagesreichweite von über 70Prozent erzielen. Das sind mehr als 5,2 Millionen Menschen. Nichtzu vergessen, dass sich auch ORF.at – vor allem im Rahmen derTVthek – und der ORF TELETEXT sowie die ORF-Nachlese immervoll Engagement in den Dienst von „Bewusst gesund“ stellen.P: Wie ist es zur Gründung der Initiative gekommen und was ist dieIntention dahinter?Wrabetz: Gesundheit ist dem ORF immer schon ein großes Anliegen,das ja auch gesetzlich verankert ist. Ich erinnere nur an dielegendäre Ilse Buck, mit der ganze Generationen morgens geturnthaben, oder an die Aktion „Fit mach mit“. 2006 hat der ORF-Publikumsratseine jährliche Meinungsumfrage dem Thema „Gesundheitin den ORF-Medien“ gewidmet. Ergebnis war etwa, dass dieMehrheit das Ausmaß der Gesundheitsberichterstattung im ORFals „gerade richtig“ betrachtet hat. Jede/r Fünfte hat sogar angegeben,aufgrund von ORF-Berichten zumindest gelegentlich daseigene Verhalten geändert zu haben.Nach meiner Bestellung zum Generaldirektor wollte ich trotz diesereigentlich sehr guten Bewertung die Gesundheitsberichterstattungintensivieren. Ich habe einerseits gemeinsam mit Univ.-Prof.Dr. Siegfried Meryn 2007 einen Gesundheitsbeirat mit Vertreterinnenund Vertretern wichtiger Stakeholder im Gesundheitsbereichinstalliert. Andererseits habe ich 2008 mit der Initiative „Bewusstgesund“ das Thema Gesundheit neben dem Klimaschutz als eineder beiden wesentlichen gesellschaftspolitischen Herausforderungenunserer Zeit in der Unternehmenspolitik verankert. Für die Umsetzungder Initiative habe ich ein Gesundheitskompetenzzentrumunter der Leitung von Dr.in Ricarda Reinisch eingerichtet, die auchSendungsverantwortliche von „Bewusst gesund – Das Magazin“ist, das seit Ende 2010 samstags auf Sendung ist.<strong>periskop</strong>/51 [ 24 ]


„2030 wird jederÖsterreicher ‚24/7‘online sein.“„Im Rahmen der ‚Bewusst gesund‘-Schwerpunktwochen wird großesAugenmerk auf die Kindergesundheitgelegt ...“P: Was haben die ORF-Seherinnen und -Seher von der Initiative?Welche Resonanz gibt es darauf?Wrabetz: Umfragen zeigen uns, dass die Österreicherinnen undÖsterreicher die Initiative sehr schätzen: 85 Prozent fi nden sie „sehrgut“ bzw. „eher gut“, 76 Prozent sehen auch die Programmentgeltedafür „sehr gut“ bzw. „eher gut“ angelegt. Auch die Resonanz ausFachkreisen bestätigt unseren Weg.P: Wie steht es um die Gesundheitsberichterstattung im ORF?Was darf hier in Zukunft zu erwarten sein? Steht der Gesundheitgenügend Sendezeit zur Verfügung? Welchen Beitrag möchte derORF mit seiner Gesundheitsberichterstattung für die Bevölkerungleisten?Wrabetz: Unsere Gesundheitsberichterstattung ist sehr gut aufgestellt,neben „Bewusst gesund“ – Initiative und Magazin – gibt esja auch noch weitere regelmäßige Sendungen wie etwa „TreffpunktMedizin“ in ORF III, den Radiodoktor in Ö1, Mini-Serien wie „Der1. Erste-Hilfe-Kurs im Radio“, nämlich in Ö3, oder Serviceeinrichtungenwie die Ö3-Kummernummer und „Rat auf Draht“. Außerdemist Gesundheit auch ein Dauerbrenner in den Regionalradiosund vielen TV-Formaten wie dem Servicemagazin „Konkret“, demVorabendmagazin „Jahreszeiten“ oder den Talkformaten „BarbaraKarlich Show“ und „Stöckl am Samstag“. Für alles gilt: Wir wollenden Österreicherinnen und Österreichern seriös, niederschwelligund motivierend Zugang zu dem Thema in all seinen Facettenermöglichen. In Zukunft wollen wir all diese Gesundheitsangeboteschrittweise unter der Dachmarke „Bewusst gesund“ zusammenführenund damit für unser Publikum noch leichter zugänglichmachen.„Wir wollen den Österreicherinnenund Österreichern seriös, niederschwelligund motivierend Zugang zu dem Thema(Gesundheit) in all seinen Facettenermöglichen.“P: Meinungsumfragen zeigen immer wieder, dass Gesundheit inden Medien hauptsächlich von älteren Personen konsumiert wird,z. B. die Sendereihe Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterzeit.Gesundheit, und hier vor allem die Vorsorge, sollte aber schon imKindesalter beginnen. Welchen Beitrag leistet der ORF dazu? Gibtes genügend Vorsorgeangebote bzw. Themen für Menschen vonzwei bis vierzig Jahren im ORF?Wrabetz: Im Rahmen der „Bewusst gesund“-Schwerpunktwochenwird großes Augenmerk auf die Kindergesundheit gelegt,insbesondere natürlich im ORF-Kinderprogramm „Okidoki“, das dieInhalte passend für sein junges Publikum aufbereitet. Jugendlicheund jüngere Erwachsene werden mit verschiedensten TV-Formatenund mit den Radios gut erreicht und nehmen Serviceangeboteauch an. Das zeigt unsere Notrufnummer „Rat auf Draht“, die wirmit professionellen Partnerorganisationen betreiben: 2011 wurdenmehr als 90.000 psychologische Beratungsgespräche mit Kindernund Jugendlichen geführt. Es ist traurig, dass so viele Kinder undJugendliche bei uns Hilfe suchen müssen, und ich bin froh, dasswir sie geben können.BioBox:Alexander Wrabetz ist seit 2007 Generaldirektor des öffentlichrechtlichenÖsterreichischen Rundfunks. Wrabetz besuchte von1970 bis 1978 das 2. Bundesgymnasium XIX in Wien. NachAbschluss des Studiums und der Promotion zum Doktor derRechtswissenschaften im Jahr 1983 absolvierte Wrabetz seinGerichtsjahr. Von 1984 bis 1987 arbeitete er in der Girozentraleund Bank der Österreichischen Sparkassen AG. 1987 wechselteer als Assistent des Vorstandes in die Österreichische Industrieverwaltungs-AG(ÖIAG), war ab 1992 Geschäftsführer der VoestAlpine Intertrading GmbH in Linz und danach, von 1995 bis 1998,Vorstandsmitglied der ebenfalls zur ÖIAG gehörenden VAMED inWien. In mehreren Unternehmen der ÖIAG war er im Aufsichtsrattätig. Ab 1995 war er Mitglied des ORF-Kuratoriums, von 1998 bis2006 Kaufmännischer Direktor des ORF.<strong>periskop</strong>/51 [ 25 ]


„Vertrauen,Würde undRespekt“VON MAG. NINA BENNETT, MAAls General Manager von Johnson & Johnson Medical Austria ist Doris Winklerunter anderem für die „Market Access“-Initiativen des Unternehmens und„General Surgery“ verantwortlich. Im Interview mit dem Periskop spricht sieüber ihren Tätigkeitsbereich, die mittelfristigen Ziele von Johnson & JohnsonMedical in Österreich und die Entwicklung des österreichischen Gesundheitswesens.P: Sie sind General Manager von Johnson & Johnson Medical Austria. Wiekönnen wir uns Ihren Tätigkeitsbereich vorstellen?Winkler: Seit April 2010 bin ich Geschäftsführerin von Johnson & JohnsonMedical Austria, einem Teil des weltweit tätigen Konzerns Johnson & Johnson.In dieser Funktion war ich in den letzten eineinhalb Jahren vor allem für die„Market Access“-Initiativen des Unternehmens verantwortlich. Darunter verstehenwir alle Maßnahmen, die nötig sind, um Zugang zum Markt und zu denwichtigsten Stakeholdern im Gesundheitssystem zu bekommen und nachhaltigaufrechtzuerhalten. In Market Access werden für alle Unternehmensbereicheund Produktsparten wichtige Services gebündelt, wie etwaKey Account Management, Customer Service und Logistik, Gesundheitsökonomieoder Regulatory Affairs. Market Access istquasi die „Serviceplattform“ im Unternehmen. Seit Jänner diesesJahres habe ich zusätzlich die Verantwortung für den Bereich„General Surgery“. Darunter fallen die Aktivitäten unserer GeschäftsbereicheEthicon und Ethicon Endo-Surgery. Die beidendecken eine breite Produktpalette rund um das Thema Chirurgie ab, von Nadelnund Nahtmaterial über Instrumente für die offene und die minimal invasiveChirurgie bis hin zu hochentwickelten Energietechnologien in der Chirurgie.„Als größter Pluspunkt wird unsvon unseren Kunden jedoch diehohe Qualität unserer Erzeugnissebestätigt.“P: Welche Ziele haben Sie sich in Ihrer Funktion gesetzt?Winkler: Generell möchte ich Johnson & Johnson Medical Austria auf dembisherigen Erfolgskurs halten und neue Wachstumsfelder schaffen. Beibehaltenbzw. verstärken möchte ich den Fokus auf unsere Kunden. Gerade ineiner wirtschaftlich angespannten Zeit ist es für ein Unternehmen im Gesundheitswesenwichtig, seinen Kunden möglichst nahe zu sein. Dies erfolgt zueinem guten Teil bereits durch unsere Außendienstmitarbeiter. So zeigenBefragungen immer wieder, dass unsere Kunden mit der Betreuung und Beratungdurch den Außendienst sehr zufrieden sind. Andererseits versuchenwir weitere Maßnahmen zu setzen, um das Unternehmen noch näher an dieKunden zu bringen. Verstärken möchten wir auch den Kontakt zu Entscheidungsträgernim nichtmedizinischen Bereich der Krankenhäuser, also zu Verwaltungsdirektorenund kaufmännischen Leitern.P: Wie ist Johnson & Johnson weltweit strukturiert? Wie viele Mitarbeiter hatdas Unternehmen?Winkler: Das Unternehmen ist weltweit in drei Sektoren gegliedert: Die Sparte„Medical Devices & Diagnostics“ (MD&D) erzeugt und vertreibt unterschiedlichsteMedizinprodukte. In Österreich wird dieser Sektor über Johnson &Johnson Medical abgedeckt. Die zweitgrößte Sparte ist der Pharmabereich,der auch in Österreich unter dem Namen „Janssen“ firmiert. Der Schwerpunktliegt auf Medikamenten zur Behandlung von Schizophrenie, Demenz, Onkologie,HIV/Aids und Diabetes. Der dritte Sektor, Consumer Health Care, bietetjene Produkte und Marken, für die Johnson & Johnson bei vielen Konsumentenbekannt ist, wie z.B. die Babypflegeprodukte von Penaten oder bebe,Neutrogena, Piz Buin, o.b., Listerine für die Mundhygiene oder Nicorette zurRaucherentwöhnung. Weltweit ist Johnson & Johnson in fast 60 Ländern tätigund beschäftigt mehr als 115.000 Mitarbeiter. In Österreich sind alle drei Sektorenals eigenständige Unternehmen vertreten, seit Oktober 2010 haben wireinen gemeinsamen Standort in Wien.P: Welchen Stellenwert hat die Medizinproduktesparte von Johnson & Johnsonin Europa bzw. in Österreich?Winkler: Weltweit gesehen ist Johnson & Johnson mit seiner Sparte MedicalDevices & Diagnostics der größte Hersteller von Medizinprodukten. Konzernweiterzielen wir 70 Prozent unseres Umsatzes mit Erzeugnissen, die führendoder an zweiter Stelle am Markt sind. Auch in Österreich bzw. generell inEuropa zählen wir sicher zu den Big Playern am Markt, in einem Bereich mehr,im anderen weniger. Wie unsere letzte Kundenbefragung hierzulande gezeigthat, schätzen die Menschen vor allem die Kompetenz unserer Mitarbeiter imInnen- und Außendienst, von denen sie sich gut betreut fühlen, aber auchunsere Geschwindigkeit und Verlässlichkeit bei Produktlieferungen. Als größterPluspunkt wird uns von unseren Kunden jedoch die hohe Qualität unsererErzeugnisse bestätigt. >>><strong>periskop</strong>/51 [ 26 ]


DORIS WINKLER GENERAL MANAGERVON JOHNSON & JOHNSON MEDICAL AUSTRIA


P: Wo liegt die Kernkompetenz des Unternehmens?Winkler:: So wie generell die Medizinproduktesparte des Konzernssetzt sich auch Johnson & Johnson Medical in Österreichaus mehreren Unternehmensbereichen mit vielfältigen Produktenzusammen. Die Produktpalette umfasst Stents und Katheter,künstliche Gelenke, Nahtmaterial, Nadeln, chirurgische Instrumente,Produkte für Wundverschluss, Magenbänder und Magenbypass,Blutzuckermesssysteme und Kontaktlinsen. Damit könnenwir viele Disziplinen der Medizin abdecken, von Kardiologie,Orthopädie, Neurochirurgie und Sportmedizin über die verschiedenstenBereiche der Chirurgie bis hin zur Gynäkologie, Urologieund Wundversorgung. Auch wenn unsere Erzeugnisse in der Öffentlichkeitwenig bekannt sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch,dass ein Patient bei einem Eingriff in einem Krankenhaus mit ihnenin Kontakt kommt. Kunden kennen unsere Produkte unter denNamen der einzelnen Sparten wie Cordis, Codman, BiosenseWebster, DePuy, Ethicon oder Ethicon Endo-Surgery.P: Welche mittelfristigen Ziele hat sich Johnson & Johnson Medicalin Österreich gesetzt?Winkler: Unsere Ziele für die nächsten Jahre ergeben sich vor allemaus der laufenden Veränderung des Medizinproduktemarktsund den Bedürfnissen unserer Kunden und Patienten. Wir wolleneinerseits die Partnerschaft mit unserenKunden ausbauen und andererseitsunseren hohen Qualitätsanspruchbei Produkten und Serviceleistungenhalten. Es ist geplant, gemeinsammit den EntscheidungsträgernLösungen für die Zukunft zu erarbeiten,die über das Produkt hinausgehen.Am Standort Österreich wollenwir ein attraktiver Partner für die heimischeWirtschaft sein und verstärkt inunsere Mitarbeiter investieren. Zudemist es unser Ziel, Marktanteile zu gewinnenund in allen unseren ProduktbereichenNummer eins oder Nummerzwei zu werden.P: Wie beurteilen Sie dieallgemeine Entwicklungim österreichischen Gesundheitssystem?Winkler: In den nächstenJahren liegen die Herausforderungenim Gesundheitssystem zumeinen in der demografischen undzum anderen in der gesellschaftlichenEntwicklung. Demografischgeht es in die Richtung, dass dieösterreichische Bevölkerung zunehmendaltert und die Zahl an hochbetagtenMenschen zunimmt. Gesellschaftlichgesehen gibt es eineTendenz zu sinkenden Kinderzahlen,einer steigenden Erwerbsquote derFrauen und einer Veränderung derFamilienstruktur. Die höhere Lebenserwartungder Bevölkerung und die Auflösungvon Familienstrukturen führen zu einerwachsenden Nachfrage nach Krankheitsversorgungs-und Pflegeleistungen.Diese Entwicklungen bewirken Finanzierungsproblemeund Mehrkosten im ärztlichen,vor allem aber im pflegerischen Bereich.Auch die Kosten für die Gesundheitsvorsorgewerden steigen. Um dieLangzeitversorgung der Bevölkerung zufinanzieren, sind umfassende Reformennotwendig.„Konzernweit erzielen wir 70 Prozentunseres Umsatzes mit Erzeugnissen,die führend oder an zweiter Stelle amMarkt sind.“P: Was erwarten Sie sich vom Gesundheitssystembzw. von den zuständigen Entscheidungsträgernin der Politik?Winkler: Ich erhoffe mir klare Rahmenbedingungenfür ein gut funktionierendesGesundheitssystem – und die Durchführungder nötigen Reformen. Damit der personelle und technische Aufwandfür das Gesundheitssystem nicht weiter explodiert, müssenMaßnahmen gesetzt werden, die zu mehr Effektivität, Transparenzund Kostenoptimierung führen. Dazu muss zunächst die Finanzierungder gesetzlichen Krankenversicherung auf der EinnahmenundKostenseite angepasst werden. Die geplante Gesundheitsreformkann jedoch nicht nur von Einsparungen im Gesundheitssystemgetragen werden, es muss auch zu Strukturveränderungenkommen. Eine der Grundlagen für eine greifende Reform istTransparenz in Bezug auf die Leistungen und Kosten des Gesundheitssystems.Ich bin mir sicher, dass alle beteiligten Gruppenund Leistungserbringer im Gesundheitswesen – also auch dieIndustrie – die nötigen Maßnahmen mittragen und sich einem fairenund leistungsorientierten Wettbewerb stellen werden. Wichtigist mir jedoch, bei allen Reformen darauf zu achten, dass in Österreichauch in Zukunft jeder Patient die bestmögliche Behandlungerhält und jeder am medizinischen Fortschritt teilhaben kann.P: Das Image der Industrie wird in der Öffentlichkeit oft in einschlechtes Licht gerückt. Mit welchen Schwierigkeiten sehen Siesich konfrontiert?Winkler: Als Medizinproduktehersteller gelten wir natürlich alsKostenverursacher für das Gesundheitssystem, selbst wennunser Anteil im Vergleich zu Ausgaben wie jene für Personal, Infrastrukturoder Arzneimittel relativ gering ist. Auch wenn wirbeispielsweise die Kosten einer durchschnittlichen Operationbetrachten, entfällt nur ein kleiner Teil auf Medizinprodukte. Wasoft übersehen wird: Wir verursachen nicht nur Kosten, sondernhelfen mit hochwertigen Produkten dabei, Kosten zu senken. Ichdenke da etwa an das Thema postoperative Wundinfektionen undunser antibakteriell beschichtetes Nahtmaterial. Trotz hoher hygienischerStandards sind Wundinfektionen nach wie vor häufigeKomplikationen nach einer Operation. In Österreich liegt dieInzidenz bei drei bis 14 pro 100 Patientenaufnahmen. PostoperativeWundinfektionen sind eine der wesentlichen Ursachen fürungeplante Reoperationen, die wiederumden Krankenhausaufenthalt der Patientenund damit die Behandlungskosten erhöhen.Durch die Verwendung von antibakteriell beschichtetemNahtmaterial – ein Produkt, dasübrigens nur wir anbieten – kann das Risikovon postoperativen Wundinfektionen deutlichreduziert und damit einiges an Kosteneingespart werden.Manchmal werden wir mit dem Vorwurf konfrontiert,unsere Produkte wären teurer alsdie anderer Anbieter. Bei Preisvergleichen istes leider üblich, alleine den Preis eines Produktsheranzuziehen und nicht das „Gesamtpaket“zu prüfen. Das „Gesamtpaket“beinhaltet aber auch die Serviceleistungen,die ein Unternehmen zu einem Produkt anbietet,wie zum Beispiel Aus- und Weiterbildungfür Ärzte und OP-Personal sowie Klinikmanagement.Wir glauben jedoch, dass eine gute Einschulungfür die Anwender wesentlich ist, und verfolgen daher in einigenBereichen sogar eine strikte „no train – no use“-Policy: MedizinischenEinrichtungen werden neue Produkte nur nach entsprechenderSchulung des anwendenden Personals überlassen.P: Was ist Ihnen bei Ihrer Arbeit wesentlich?Winkler: Gerade im Gesundheitsbereich haben wir in den letztenJahren gesehen, dass es viel Bewegung und Veränderungam Markt gibt. Daran muss sich unser Unternehmen anpassen.Das geht aber nur mit der Unterstützung aller Mitarbeiter. Mir istes wichtig, dass die Mitarbeiter von Johnson & Johnson Medicalihre Ideen, ihr Know-how und ihre bisherigen Erfahrungen einbringen– aber auch die Bereitschaft haben, sich zu verändernund neue Wege auszuprobieren. Wesentlich ist für meinenArbeitsalltag das Credo von Johnson & Johnson, unser Firmenleitbild,das mehr oder weniger unverändert seit den 1940er-Jahren besteht. Für mich persönlich ist es ein Regelwerk, dasvorgibt, wofür der Konzern steht, und welche Werte wichtigsind, sowohl für die Geschäftsführung als auch für die Mitarbeiter.Im Credo geht es um die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern,Kunden, der Gesellschaft im Sinne von Gemeinwesenund den Aktionären, und darum, wie wir einen fairen Umgangmit diesen Gruppen erreichen können. All dies versuche ich sogut wie möglich zu befolgen.P: Wie setzt sich Ihr Team zusammen und worauf legen Sie beiIhrer Arbeit im Team besonderen Wert?Winkler: Die Mitarbeiter von Johnson & Johnson Medical bildenein bunt gemischtes Team, sowohl hinsichtlich der Geschlechterverteilungals auch hinsichtlich des Alters und der Ausbildung.Ich glaube, das macht einen großen Teil unseres Erfolges aus.Wichtig ist mir, dass unsere Mitarbeiter neben Leidenschaft fürden Bereich Gesundheit gewisse Eigenschaften mitbringen: Siesollen Eigenverantwortung übernehmen, innerhalb sehr flacherHierarchien mit unterschiedlichen Unternehmensbereichen zusammenarbeiten,vor allem aber mit den laufenden Veränderungenam Markt bzw. im Unternehmen selbst umgehen können. Dasnötige Fachwissen kann man sich bei Johnson & Johnson Medicaldurch gezielte interne Trainings und „on the job“ aneignen.Bei der Arbeit im Team sind mir die Werte wichtig, für die Johnson& Johnson steht, wie etwa Vertrauen, Würde und Respekt. Umdiese Werte umzusetzen, ist persönlicher Einsatz nötig, gegenseitigeWertschätzung, Transparenz und Offenheit. Dies sindauch die Maßstäbe, die ich täglich in meiner Arbeit ansetze –und die ich auch von unseren Mitarbeitern erwarte. Für Johnson& Johnson Medical zu arbeiten erfüllt mich mit Freude und Stolz,und genau das versuche ich meinem Team weiterzugeben.______________________________________________________________BioBox:Doris Winkler sammelte ihre ersten Erfahrungen in der Pharmabranchebeim österreichischen Pharmaunternehmen Laevosan,das später von der deutschen Fresenius GmbH übernommenwurde. Dort war sie in unterschiedlichen Positionen in den BereichenMarketing und Vertrieb tätig. Im Mai 1999 wechselte sie zuJohnson & Johnson Medical Austria, zunächst als Sales Managerfür LifeScan, einen Unternehmensbereich, der sich mit Diabetesbeschäftigt. 2003 übernahm sie die Verantwortung für die gesamteBusiness Unit in Österreich, später auch für die Schweiz. SeitApril 2010 ist Doris Winkler Geschäftsführerin von Johnson &Johnson Medical Austria und damit verantwortlich für den BereichMarket Access. Seit Jänner 2012 verantwortet die Mutter einesSohnes zusätzlich „General Surgery“, also die GeschäftsbereicheEthicon und Ethicon Endo-Surgery.<strong>periskop</strong>/51 [ 28 ]


Schmerzbericht JOANNEUM RESEARCH:Aktueller wissenschaftlicher Bericht zeigt Handlungsbedarfbei der Schmerzversorgung in Österreich aufMAG. NINA BENNETT, MASchmerz, besonders chronischer Schmerz, ist in der heimischenBevölkerung ein weit verbreitetes Problem, daszu einer enormen Belastung der Patienten wie auch desGesundheitswesens führt. In Österreich leiden mehr alszwanzig Prozent der Erwachsenen an chronischem Schmerz, dassind rund 1,7 Millionen Menschen. Viele davon benötigen Zugang zueiner multimodalen, interdisziplinären Therapie. Schmerz zählt zu denhäufigsten Ursachen für Krankenstände, Berufsunfähigkeit undFrühpension. Die Patienten leiden oft lange, bevor es zur richtigenDiagnosestellung und der entsprechenden Therapie kommt. Deraktuelle Bericht von JOANNEUM RESEARCH, „Versorgungssituationbei Schmerz in Österreich“, ist das Ergebnis einer landesweitenBetrachtung. Er stellt die aktuelle Situation sowie Strukturen undProzesse in der Schmerzversorgung in Österreich dar.Prim. Priv.-Doz. Dr. Christian LamplGesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin(ÖGARI), der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG) sowie derÖsterreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie(ÖGPP) eine Ärzte-Schmerz-Petition gestartet. 1.391 Ärzte forderndarin mit ihrer Unterschrift ein breiteres Therapieangebot sowie dieumfassendere Erstattung von innovativen Schmerzmedikamentendurch die österreichische Sozialversicherung. So sollen Schmerzengelindert und Belastungen für die Volkswirtschaft durch Krankenstand,Invalidität und Berufsunfähigkeit minimiert werden.Mit dem Hausarzt durch das GesundheitssystemSchmerzen sind in den meisten Fällen der Konsultationsgrund Nummereins in der allgemeinmedizinischen Praxis. „Dabei ist es essenziell,dass Generalisten – wie gute und kompetente Hausärzte – eineklare Einordnung der Symptome vornehmen. Genauso wenig wiejemand mit Herzinfarkt zum Orthopäden gehört, soll ein Blinddarmpatientmit schmerzstillenden Medikamenten abgefertigt werden.Der Schmerz als Alarmsignal und Ausdruck einer Erkrankung mussfür den Betroffenen sowie für den Arzt seine wichtige Rolle beibehalten.Chronischen Schmerzpatienten sollten in der Regel Ambulanzennachhaltige Lösungen zur Verbesserung ihrer Lebensqualitätbieten. Aber auch optimale multimodale Therapieprogramme sindnur begrenzt imstande, chronische Schmerzen dauerhaft zu beseitigen“,so Dr. Winfried Koller, Steirische Akademie für Allgemeinmedizin.Um eine Optimierung der Versorgungssituation von Schmerzpatientensowie flächendeckende Betreuungsstrukturen zu schaffen,sollten „gestufte Behandlungsansätze“ entwickelt werden, dieden Betroffenen Orientierung geben und sie an die richtigen Institutionenheranführen. „Notwendige Eingriffe zur Verhinderung einerChronifizierung könnten viel Leid verhindern. Hausärzte sind Generalistenund können dadurch als Leitsystem zwischen Institutionenwie Fachärzten oder Ambulanzen fungieren“, bekräftigt Koller.Louise Jane Schmidt, M.Sc.Chronischer Schmerz belastet die VolkswirtschaftSchmerz hat Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens. Nichtnur auf die eigene Befindlichkeit, sondern natürlich auch auf diePartnerschaft, das Familienleben und nicht zuletzt die Arbeitsfähigkeit.„Trotzdem ist die Datenlage zum ‚Gesamtbild‘ Schmerzextrem schlecht. Dies liegt vor allem daran, dass dieser keineigenes Krankheitsbild ist. Deswegen kann keine Gesamtsummebeziffert werden, was den ‚Schaden‘ betrifft, den er verursacht.Zusammenfassend kann jedoch gesagt werden, dass beiChronischer Schmerz hat erhebliche Auswirkungen auf das Lebender Betroffenen, zudem ist deren Versorgung immer noch optimierungsbedürftig.Im Bericht von JOANNEUM RESEARCH, „Versorgungssituationbei Schmerz in Österreich“, wurden Informationenüber die Epidemiologie und Leitlinien zusammengefasst, mittelsLiteraturrecherche und einer Umfrage die Versorgungsstrukturenund -prozesse erhoben, die ökonomischen Auswirkungen eingeschätztsowie Empfehlungen abgegeben.„Ziel ist es, Empfehlungen für die Optimierung und Weiterentwicklungder Versorgung von Patienten mit chronischem Schmerz zugeben“, so Louise Jane Schmidt, M.Sc., Autorin des Berichts vonJOANNEUM RESEARCH. „Schmerz, besonders chronischerSchmerz, ist ein weit verbreitetes Problem in der Bevölkerung, dassowohl zu enormer Belastung der Patienten wie auch des Gesundheitssystemsführt. Bei über 440.000 Österreichern ist der Schmerzals schwerer Dauerschmerz zu bezeichnen“, erläutert Schmidt.Unzureichende Schmerzversorgung in Österreich„Jeder Schmerztherapie muss eine genaue Anamnese und Abklärungvorangehen – erst dann kann eine Behandlung erfolgen. Oftkann es Jahre dauern, bis Betroffene gezielt therapiert werden“, soPrim. Priv.-Doz. Dr. Christian Lampl, Präsident (elect) der ÖsterreichischenSchmerzgesellschaft. Den Grund dafür sieht Lampl in der häufigmangelhaften Versorgungsstruktur, die aus Sicht der ÖsterreichischenSchmerzgesellschaft (ÖSG) verbesserungswürdig ist. „BesonderenVersorgungsbedarf gibt es bei den ‚Schmerzrandgruppen‘ wieMag. Hanns KratzerKopf- und Rückenschmerz oder neuropathischem Schmerz, aberauch bei schmerzbedingten Depressionen. Festzuhalten ist allerdings,dass die Versorgungsstruktur beim onkologischen Schmerzals gut bzw. ausreichend zu bewerten ist“, erläutert Lampl. Voraussetzungfür eine gute Schmerzversorgung ist der Zugang zu innovativenmedikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieformen.Um diesen zu erleichtern, wurde von der ÖSG, der ÖsterreichischenProf. Bernhard SchwarzSchmerzprävention im FokusFür Angehörige medizinischer Berufe ist es oberstes Gebot, Schmerzenzu lindern bzw. zu verhindern. „Deshalb ist Prävention geradebei Schmerz ein Garant für die rechtzeitige Vermeidung und Heilung.Besonders chronischer Schmerz hat seine Ursache meist inchronischen Krankheiten. Kommen Begleiterkrankungen ins Spiel,lassen sich Schmerzen oft nicht mehr ihrer eigentlichen Ursachezuordnen. Daher müssen wir umdenken und versuchen, die Problemean der Wurzel zu packen. Ein Schmerzvermeidungsversuchist mittels Gesundheitsprävention und -förderung leichter möglich“,so Mag. Peter McDonald, stellvertretender Obmann der SVA.Dr. Winfried KollerMag. Peter McDonaldSchmerzen der Hauptteil der direkten Kosten mit Chronifizierungverbunden ist“, erklärt Prof. Bernhard Schwarz vom Zentrum fürPublic Health der Universität Wien. Der Experte ergänzt: „Besondersbei chronischem Schmerz besteht für die zuständigen Stellendringender Handlungsbedarf, um die betroffenen Menschenwieder in den Arbeitsprozess und das soziale Leben einzugliedern.Die Krankenstandstage wegen Schmerzen – vor allem imStütz- und Bewegungsapparat – nehmen immer mehr zu.“Fakten Schmerzbericht:3 Umfragen zeigen, dass Schmerzbetroffene in Österreichlange leiden und mehrere Ärzte aufsuchen, bevor es zur richtigenDiagnosestellung und zur entsprechenden Therapiekommt. Im Schnitt vergehen über zwei Jahre bis zur Diagnoseund weitere elf Monate bis zur adäquaten Behandlung.3 Die geschätzten direkten Kosten für chronischen Schmerzliegen hierzulande zwischen 1,4 und 1,8 Milliarden Euro.Klare Kostentreiber und gleichzeitig führend auf der Liste derhäufigsten Schmerzerkrankungen sind dabei chronischeRücken- und Kopfschmerzen.3 Spezifische Daten zur österreichischen Situation fehlen.Jedoch zeigen grobe Schätzungen, dass sich Kosten durchFehltage aufgrund von Krankenständen auf ca. 400 MillionenEuro pro Jahr für nichtspezifischen Rückenschmerz belaufenkönnten.3 Etwa 4.400 Neupensionierungen sind pro Jahr auf chronischenRückenschmerz zurückzuführen.3 Konservativen Schätzungen für nichtspezifischen Rückenschmerzzufolge entstehen direkte Kosten in der Höhe vonca. 170 Millionen Euro (davon ca. 58 Millionen Euro nur fürSpitalsaufenthalte).3 In Österreich gibt es 85 Schmerzambulanzen, das ist imDurchschnitt eine pro 100.000 Einwohner.<strong>periskop</strong>/51 [ 29 ]


DR. MARTIN ANDREAS, MBA REFERENT FÜRARBEITSLOSE ÄRZTE <strong>UND</strong> JUNGMEDIZINER <strong>DER</strong>ÄRZTEKAMMER WIEN„Ausbildung der Ärztein Österreich dauert oftdoppelt so lange als nötig“VON SARAH JOSCHTEL, BAKK. PHIL.<strong>UND</strong> MAG. NINA BENNETT, MAUm in Österreich nach einem abgeschlossenen Studium derHumanmedizin als Arzt praktizieren zu dürfen, ist die Absolvierungeines mindestens dreijährigen Turnus zur Ausbildung zum Allgemeinmedizinervorgeschrieben. In Wien warten promovierte Ärztedurchschnittlich 28 Monate auf einen Ausbildungsplatz. Die medizinischenTätigkeiten, mit denen diese Wartezeiten überbrücktwerden, sind großteils unbezahlt und in der weiteren Ausbildungoftmals nicht anrechenbar. Ist das Warten endlich überstanden,stellt sich der Ausbildungsplatz vielfach zunächst als Übernahmevon Systemerhaltertätigkeiten heraus. Im Periskop-Interviewnimmt Dr. Martin Andreas, MBA, Referent für arbeitslose Ärzteund Jungmediziner der Ärztekammer Wien, zur Ärzteausbildung inÖsterreich Stellung und berichtet über die Schwierigkeiten derjungen Turnusärzte in den heimischen Spitälern.ÄRZTEKAMMERFÜR WIENP: Welche Services bietet dieÄrztekammer den Jungmedizinern?Andreas: Als Serviceleistungenfür arbeitslose Jungmedizinerund Turnusärzte werdengeförderte Fortbildungsveranstaltungenorganisiert, Tippszur Turnusausbildung gegebenund Erstinformationen zur Lehrpraxiserteilt. Das Referat istbemüht, Fragen rund um denTurnus umfassend zu beantwortenund Lösungen zu finden,um auch den frisch promoviertenÄrzten eine sinnvolle Überbrückungder Wartezeit zwischenPromotion und Ausbildungsplatzzu ermöglichen.Zudem sind wir Herausgeberder Zeitschrift „Junge Mediziner“.Diese erscheint mehrmalsjährlich und wird gratis an alleJungpromoventen versandt.Wir führen des Weiteren eineJobbörse mit aktuellen Angeboten, die ständig aktualisiert wird,bieten persönliche Beratung und erstellen eine Informationsbroschüremit Serviceleistungen der Wiener Ärztekammer. Gleichzeitigwird versucht, arbeitslosen Ärzten Hilfestellung bei derStellensuche zu geben sowie neue Impulse und interessanteLösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen.P: Welche Herausforderungen haben die jungen Turnusärzte imSpital zu bewältigen?Andreas: Der Großteil der Aufgaben für Turnusärzte im Spital sindRoutinetätigkeiten und bürokratische Arbeiten, obwohl diese keinerärztlichen Ausbildung bedürfen. Dadurch wird ihre Arbeitszeit nichtoptimal genutzt. Eine Verschiebung der Aufgaben ist dringend notwendig:Dokumentations- und Systemerhaltertätigkeiten solltenHauptaufgaben der Turnusärzte im Spital klar definiert werden.Tätigkeiten, die nicht Kernaufgaben der Turnusärzte sind, müssenentsprechend delegiert werden, um die Chance auf eine adäquateAusbildung zu erhöhen. Die gesetzliche Aufnahme des „Turnusärzte-Tätigkeitsprofils“konnte bisher jedoch nicht durchgesetztwerden, denn die Länder müssten in diesem Fall in den Krankenanstalteneine Umstrukturierung vornehmen.P: Seit 2010 ist das so genannte „ius migrandi“ durch die Änderungeiner EU-Richtlinie sowie deren Veröffentlichung im Amtsblattder EU Realität. Was bedeutet diese Regelung für österreichischeJungmediziner?Andreas: Der Vorteil der Änderung der EU-Richtlinie ist, dass manfrüher auf die Anerkennung der österreichischen Ausbildung in andereneuropäischen Ländern durch deren Kontrollgremien angewiesenwar. Da österreichische Ärzte im Gegensatz zu jenen inDeutschland nach dem Abschluss des Studiums nicht approbieren,musste man erst um die Anerkennung der Ausbildung ansuchen.Das „ius migrandi“ bedeutet eine Aufwertung der Grundausbildungfür Medizin, denndiese hat nun injedem europäischenLand denselbenStellenwert.„Es gibt bei uns keine echteZwei-Klassen-Medizin undgemessen am Bruttoinlandsprodukthaben wir ein vergleichsweisegünstigesGesundheitssystem.“P: Viele Expertenbehaupten, Österreichhätte dasbeste Gesundheitssystemder Welt.Wie stehen Sie zudieser Aussage?Andreas: Ich glaube,dass Österreicheines der bestenGesundheitssystemeder Welt hat. Esgibt bei uns keineechte Zwei-Klassen-Medizin und gemessenam Bruttoinlandsprodukt habenwir ein vergleichsweise günstigesGesundheitssystem. Im Vergleich zuAmerika oder anderen europäischenLändern wird dafür verhältnismäßigwenig ausgegeben. Trotzdem werdendie Menschen durch denleichten Zugang zu Gesundheitsleistungenexzellent versorgt.Natürlich hat dasösterreichische Gesundheitssystemauch Verbesserungspotenzial,beginnend mit derÄrzteausbildung. Österreichleistet sich für Mediziner eineAusbildung, die doppelt so langedauert als nötig. Das Gesundheitssystemwürde unter einer Änderung dieserTatsache nicht leiden, ganz imGegenteil. Zudem bin ich überzeugt,dass vor allem im niedergelassenenBereich Nachholbedarf besteht.Allerdings möchte ich vor der Privatisierungvon Gesundheitsleistungenwarnen – Amerika hat ein voll privatisiertesSystem und ist wahrscheinlichdas teuerste der Welt.P: Sie sind Referent für arbeitslose Ärzte und Jungmediziner in derÄrztekammer Wien. Worin liegt Ihre Motivation, sich für eine Verbesserungder Ausbildungssituation von Ärzten einzusetzen?Andreas: Für mich war es schon seit Beginn meines Studiumswichtig, Probleme nicht einfach als gegeben hinzunehmen, sondernLösungsansätze zu suchen und Verantwortliche in die Pflicht zurufen. Deshalb habe ich mich schon während des Studiums imRahmen der Hochschülerschaft in der Interessenvertretung engagiert.Nach dem Medizinstudium wurde mir schnell bewusst, dasssich die anschließende Ausbildung in vielen Punkten als problematischerweist. Aus diesem Grund bin ich bei der Ärztekammer fürWien aktiv geworden, um mich als Referent für arbeitslose Ärzteund Jungmediziner vor allem für deren Interessen einzusetzen.von den Medizinern an andere Kräfte ausgelagert werden. Blutabnehmenzum Beispiel könnte wie in anderen europäischenLändern von nichtärztlichen Fachkräften, etwa dem diplomiertenPflegepersonal, übernommen werden. Aus Sicht der Jungärztekönnte eine Aufwertung des Pflegepersonals gleichzeitig eineAufwertung des Turnus bewirken. Dann würde auch die Facharztausbildungnicht zu kurz kommen.P: Seit Jahren fordert die Ärztekammer vom Gesundheitsministeriumdie gesetzliche Aufnahme des „Turnusärzte-Tätigkeitsprofils“.Wie ist diesbezüglich der Status quo?Andreas: Es ist eine unserer langjährigen Forderungen, das „Turnusärzte-Tätigkeitsprofil“ins Ärztegesetz aufzunehmen, damit dieP: Was ist Ihnen bei Ihrer Arbeit in derÄrztekammer wichtig und was bereitetIhnen Freude?Andreas: In der Ärztekammer habeich die großartige Möglichkeit, mitmehreren Generationen von Ärzten inunterschiedlichen Positionen überProbleme sprechen zu können, dabeiimmer wieder auf Missstände hinzuweisenund gemeinsam Lösungsansätze auszuarbeiten._______________________________________________________________BioBox:Dr. Martin Andreas, MBA, absolvierte sein Medizinstudium an derMedizinischen Universität in Wien und schloss es 2006 ab. Im Jahr2010 absolvierte er den MBA in Health Care Management. Derzeitfungiert er als Referent für postgraduale Studien bei der ÖsterreichischenHochschülerschaft (ÖH) Wien und als Referent für arbeitsloseÄrzte und Jungmediziner bei der Ärztekammer. Im Oktober 2011wurde er zudem zum Vizepräsidenten des Alumni-Clubs der MedizinischenUniversität Wien gewählt.<strong>periskop</strong>/51 [ 30 ]


OA DR. SYLVIA HARTL PRÄSIDENTIN <strong>DER</strong> ÖSTERREICHISCHENGESELLSCHAFT FÜR PNEUMOLOGIE (ÖGP)„Die Pneumologie ist einzukunftsträchtiges Fach“VON SARAH JOSCHTEL, BAKK. PHIL.<strong>UND</strong> MAG. NINA BENNETT, MASeit Herbst des vergangenen Jahres fungiertmit OA Dr. Sylvia Hartl erstmals eine Frau alsPräsidentin der Österreichischen Gesellschaftfür Pneumologie (ÖGP), die diese Fachrichtungund deren Anliegen als wissenschaftlicheVereinigung in unserem Land vertritt. DieOberärztin an der ersten internen Lungenabteilungam Wiener Otto-Wagner-Spital erläutertim Periskop-Interview die wichtigstenZiele ihrer zweijährigen Präsidentschaft undspricht über Österreichs eklatanten Datenmangelin Bezug auf die epidemiologischeEntwicklung von Lungenerkrankungen sowieüber die Zukunft der Pneumologie.P: Sie sind seit September 2011 als Präsidentinder Österreichischen Gesellschaft fürPneumologie im Amt. Welche thematischenSchwerpunkte möchten Sie setzen undwelche Ziele haben Sie für die Zeit IhrerPräsidentschaft?Hartl: Bereits im Jahr 2008 hat die ÖGPdamit begonnen, einen Strategieplan zuentwickeln. Ein Mission-Statement fasst diewichtigsten Aufgaben der Gesellschaft –Weiterbildung, Wissenschaftsförderungund Patientenanwaltschaft– zusammen.Die Überarbeitung derWeiterbildungsstrategiestellt eines meinergroßen Ziele dar: DieSelektion, die Aufbereitung und die Form desBereitstellens einer enormen Wissensmengeist ein aufwändiger Prozess, bei dem man aufdie „Nachbarschaft“, die sich am Marktbewegt, achten muss.„Die Lunge ist ein Umweltorgan,das allen möglichen Einflüssenausgesetzt und daher auchstark mit Zivilisationskrankheitenbehaftet ist.“P: Sie haben das Wort „Nachbarschaft“ ganzbewusst verwendet, könnte man auch vonKonkurrenz sprechen?Hartl: Eine wissenschaftliche Gesellschafthat im eigentlichen Sinne keine Konkurrenz,denn es ist eine ihrer Hauptaufgaben, demStillstand des Wissens vorzubeugen und denletzten Stand der Forschung gemeinsam mitanderen Gesellschaften interdisziplinär zubeleuchten. Auch wenn noch weitere hochqualitativeFortbildungseinrichtungen bestehen,so betrachte ich diese nur bedingt alsKonkurrenz. Jene, die selbstständig Fortbildungen anbieten – wieetwa die pharmazeutische Industrie – verstehen wir durch ihre anderenthematischen Schwerpunkte als eine Ergänzung. Technikenund Entwicklungen vorauszusehen bringt für die Zukunft klareWettbewerbsvorteile.P: Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie den Begriff „Masterplan Pneumologie“geprägt, der das Profil der Pneumologie schärfen soll.Wie sehen hier Ihre Ziele aus?Hartl: Der Masterplan beschreibt, welchen Weg die Pneumologieeinschlagen muss, damit die Wachstumschancen des Fachbereichsgesucht, wahrgenommen und verwirklicht werden können.Der Masterplan ist auf einen Zeitraum von fünf Jahren ausgelegtund macht sich schwerpunktmäßig zum Ziel, die Ausbildungsstrukturso zu verbessern, dass der Nachwuchs gezielt gefördert,die Patientenbehandlung bezüglich Strukturen und Vernetzungenoptimiert und die Datenerhebung durch notwendige Krankheitsregistergestärkt wird.P: In Österreich besteht ein eklatanter Datenmangel, speziell imHinblick auf Daten zur Krankheitsentwicklung. Könnte es in derPneumologie nicht auch verfügbare Daten geben, die existieren,aber nicht zugänglich sind?Hartl: Es gibt viele Beispiele für Datenquellen, die gewisse Fragenbeantworten können. Wir haben bereits über das statistischeZentralamt versucht, anhand der bestehenden Datenzum Raucherverhalten Risikogruppen zu suchen. Bezogenauf die Daten aus dem Mikrozensus, könnte manRisikoprofile oder Kennzahlen erstellen. Auch andereDatenquellen enthalten Angaben, die vernetzt Aussagenermöglichen können. Was im Vergleich zu den meistenanderen europäischen Ländern fehlt, sind epidemiologischeErkrankungszahlen in der Pneumologie. Und dasobwohl wir wissen, dass Lungenerkrankungen im Vergleichzu den meisten anderen chronischen „non communicablediseases“ im Zunehmen sind. Der drohendeFachärztemangel in der Pneumologie in den nächstenzehn Jahren geht auf fehlende österreichische Datenzurück. Aber auch Daten über die inhomogene Behandlungpneumologischer Erkrankungen lagen hierzulandebislang nicht vor. Die Österreichische Gesellschaft fürPneumologie hat zum ersten Mal einen Audit-Prozess gemeinsammit 13 europäischen Ländern durchgeführt, die Verbesserungendurch Aufzeigen von Mängeln und Lernen ermöglichen sollen.P: Welche Zukunftsperspektiven bestehen für die Pneumologieund weshalb würden Sie einem Medizinstudenten raten, sich fürdieses Fach zu entscheiden?Hartl: Die Pneumologie ist ein großes Fach mit sehr breiten Entfaltungsmöglichkeiten.Die Lunge ist ein Umweltorgan, das allenmöglichen Einflüssen ausgesetzt und daher auch stark mit Zivilisationskrankheitenbehaftet ist. Diese sind in den industrialisiertenLändern sehr stark im Steigen begriffen. Die Pneumologie hat dahereinen sehr hohen Forschungsbedarf, sowohl in der Grundlagenforschungals auch in der klinischen Forschung. Daher ist sieein sehr zukunftsträchtiges Fach. Unsere Aufgabe als Gesellschaftist es, die Karrieremöglichkeiten explizit aufzuzeigen – und dasmöglichst schon zu Beginn des Studiums, da laut Statistik beieinem Studenten bereits im ersten Drittel seiner AusbildungKarrierewunschbilder entstehen.P: Die ÖGP warnt regelmäßig davor, dass durch eine falsche Gesundheitspolitik,besonders was den Nichtraucherschutz betrifft,die Basis für „Generationen von Lungenkranken“gelegt wird. Sind Sie mit dem Gesundheitsministeriumdiesbezüglich im Gespräch?Hartl: Wir befinden uns regelmäßig im Gesprächmit dem Ministerium. Dabei handelt essich allerdings um ein Thema, das sich nichteinzig und allein auf die Lunge beschränkt.Durch das Einschränken des Rauchens entstehtetwa auch in der Kardiologie schlagartigein Gewinn. In der Pneumologie hingegen isthier die längerfristige Komponente von Bedeutung:Es kommt zu einer Reduktion vonKrankheiten wie der chronisch obstruktivenLungenerkrankung (COPD).P: Gibt es eine medizinische Erklärung dafür,dass unter den Jugendlichen die Zahl derweiblichen Raucher höher ist als die dermännlichen?Hartl: Mädchen sind etwas frühreifer alsJungs, deshalb fangen sie auch früher an zurauchen. Die Tatsache, dass so jung begonnenwird zu rauchen, resultiert meiner Ansicht nachdaraus, wie wenig Eltern in die Gesunderhaltungihrer Kinder investieren. Es ist ein Zeichenfür die abnehmende Sozialisierung einer Gesellschaft,wenn Kinder unter diesem Erlebnisdruckstehen – ob nun Alkohol, Drogen oderTabak betreffend. Eine Jugend, die einer Konsumweltgegenüber allein gelassen wird, ineinem Alter, in dem weder Konsumverhaltennoch dessen Folgen richtig eingeschätzt werdenkönnen, wird vernachlässigt.P: Sie haben anfangs die internationaleVernetzung als eine wesentliche Aufgabe derGesellschaft genannt. Wie wichtig ist es fürSie persönlich, aber auch für die Gesellschaft,einen gewissen Austausch zu pflegen?Hartl: Die Sammlung von medizinischemWissen auf globaler Ebene ist nur noch imNetzwerk zu bewältigen, genauso wie dieForschung. Sonst würde es zu lange dauern,Erkenntnisse zu erlangen. Mir ist es wichtig,zumindest in meinem Fachbereich in dieserHinsicht Erfolge zu erlangen.______________________________________BioBox:OA Dr. Sylvia Hartl ist seit 1992 Oberärztin ander 1. Lungenabteilung am Otto-Wagner-Spital in Wien und Präsidentinder Österreichischen Gesellschaftfür Pneumologie (ÖGP). Zuvorwar sie vier Jahre als Generalsekretärinder European RespiratorySociety (ERS) tätig. Im Jahr 1976begann Sylvia Hartl an der UniversitätWien Medizin zu studieren, siepromovierte sechs Jahre später undist seit 1990 Fachärztin für Pneumologie.Vor ihrer Promotion war sie alswissenschaftliche Mitarbeiterin inder „Myocardial Depressant FactorResearch Group“ am Institut fürPhysiologie der Universität Wientätig. In ihrer Funktion als Oberärztininstitutionalisierte sie die erste „Respiratory Care Unit“ in Österreich,eine Station zur Beatmung von chronisch kranken Lungenpatienten.Seit 2010 leitet sie die europäische COPD-Audit-Gruppe derERS, die die Behandlungsqualität von spitalspflichtiger COPD untersucht.Seit 2011 leitet sie im Konsortium die österreichischeLEAD-Studie, die erste epidemiologische Gesundheitsstudie zumnatürlichen Verlauf der Lungengesundheit in Österreich im Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und pneumologische Epidemiologieam Otto-Wagner-Spital.<strong>periskop</strong>/51 [ 31 ]


„Gesundheit im Dialog“Diskussion über Reformpotenzialean den Schnittstellen desösterreichischen GesundheitssystemsVON SARAH JOSCHTEL, BAKK. PHIL <strong>UND</strong> MAG. NINA BENNETT, MAIm Rahmen des „Tages des Apfels“, der traditionell am zweitenFreitag im November begangen wird, veranstaltete Bayer AustriaGes.m.b.H. gemeinsam mit der Industriellenvereinigung (IV) amVortag des Apfeltages bereits zum vierten Mal die Diskussionsrunde„Gesundheit im Dialog“. Dabei wurde im Wiener Haus derIndustrie die Zukunft des österreichischen Gesundheitssystemserörtert. Zu den Diskutanten zählten Gesundheitsminister AloisStöger, Mag. a Sonja Wehsely, Wiener Stadträtin für Gesundheitund Soziales, Mag. Peter McDonald, SVA-Obmann-Stellvertreter,Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer,und Thomas Salzer, geschäftsführender Gesellschafter der SalzerGruppe. Zum Auftakt der Diskussion referierte Professor Dr. AndreasWörgötter von der OECD über Reformnotwendigkeiten für dasösterreichische Gesundheitssystem.Die Diskutanten erläuterten, dass das österreichische Gesundheitswesenvon einer Zersplitterung der Kompetenzen geprägtsei. Die Finanzierungsverantwortung von Bund, Ländern,Gemeinden und Sozialversicherungsträgern decke sich nicht mitihrer Aufgaben- und Ausgabenverantwortung. Dies führe zuunterschiedlichen Interessen, Ineffi zienzen, Doppelgleisigkeiten,Intransparenz, Zielkonfl ikten und Steuerungsdefi ziten. Des Weiterenwurde darüber gesprochen, dass die Bundesregierung beiihrer Klausur im Mai 2011 eine Spitals- und Gesundheitsreformvereinbart hat, als auch über den Masterplan des Hauptverbandsder Sozialversicherungsträger, der bereits im November 2010vorgelegt wurde. Anfang April 2011 setzte die Bundesgesundheitskommissioneine Steuerungsgruppe aus Bund, Ländern undSozialversicherung ein, die vor allem im Bereich der SpitälerReformmaßnahmen erarbeiten sollte. Bei der Diskussionsrunde„Gesundheit im Dialog“ wurde erörtert, welche Reformpotenzialeinsbesondere an den Schnittstellen des österreichischenGesundheitswesens zu beobachten sind und inwiefern diese beider geplanten Gesundheitsreform berücksichtigt werden.OECD schlägt deutlichere Zuordnungder Verantwortungen vorDas österreichische Gesundheitssystem biete laut Prof.Dr. Andreas Wörgötter eine gute Qualität und leicht zugänglicheärztliche Versorgung, sei aber zu teuer. Steuerung und Finanzierungseien stark fragmentiert und zu viele Gesundheitsleistungenwerden im stationären Bereich erbracht, obwohl eine adäquateVersorgung im niedergelassenen Bereich ebenso möglich wäre. Esbestehe zudem zu wenig Interesse an Kosteneffi zienz und spezielldie Vorsorge komme zu kurz. Der Länderbericht der OECD schlägtfür Österreich vor, die Verantwortung für Leistungserbringung,Finanzierung und Ausgaben deutlicher zuzuordnen und einen landesweitenKapazitätsplan für öffentlich fi nanzierte stationäre undambulante Gesundheitseinrichtungen durchzusetzen. Außerdemsollten ergebnisorientierte Zahlungsmechanismen in allen Gesundheitsdienstleistungeneingeführt werden, und auch eine Umstellungauf integrierte Versorgungsmodelle sollte gefördert werden.Nutzung der elektronischen Gesundheitsakteals Instrument der VernetzungMag. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung,legte in seinen Ausführungen den besonderen Wertder Einführung der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) dar.Durch diese würde ein wesentlicher Schritt zur besseren Vernetzungvon behandelnden Ärzten im stationären und im niedergelassenenBereich gesetzt werden. „Es könnten viele der bisherigenBruchstellen im Gesundheitswesen überwunden und damitdie Behandlungsqualität erhöht werden.“ Neumayer sieht in ELGAvor allem Verbesserungen für die Patienten. Auch wenn es in demeinen oder anderen Punkt zur gesetzlichen Umsetzung noch Klärungsbedarfgebe, appellierte er an alle Akteure, das Projekt einerelektronischen Gesundheitsakte grundsätzlich zu unterstützen.Mauern einreißen und Grenzen überwindenAlois Stöger, Bundesminister für Gesundheit, erklärte: „Reformpotenzialegibt es an diversen Schnittstellen im Gesundheitssystem:Die unterschiedlichen Landes-Spitalsgesetze behinderndie effi ziente Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg – dieGrenzen gleichen manchmal eisernen Vorhängen. Aber auch ander Schnittstelle zwischen niedergelassenem Bereich und Spitälerngibt es Reformbedarf. Vor allem die Einführung der elektronischenGesundheitsakte ELGA ist unbedingt notwendig.“Dazu nahm Mag. a Sonja Wehsely, Stadträtin für Gesundheit undSoziales der Stadt Wien, Stellung: „Vor jeder Schnittstellendiskussionmuss die Frage geklärt werden, wie man wieder zu einerGrundversorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte inWien kommen kann – weg von der mittlerweile realiter existierendenGrundversorgung durch die Spitalsambulanzen. Traditionellerweisegibt es hohe Mauern zwischen den Verantwortungsbereichen.Deswegen bestehen für mich die wichtigsten Ziele darin,die Mauern in den Köpfen zu überwinden, Schnittstellen in Verbindungsstellenumzuformen und weg von der Tradition zu gelangen,Interessen- und Standespolitik in den Vordergrund zu stellen.“Vordergründig nationale Gesundheitsziele schaffenMag. Peter McDonald, SVA-Obmann-Stellvertreter, merkte an,dass unter den Experten Einigkeit darüber herrsche, dass esReformmaßnahmen geben müsse. Denn sonst würde dieGesundheitsversorgung in Österreich bereits in zehn Jahren nichtmehr aufrechtzuerhalten sein. „Österreich ist zu klein für neunabgegrenzte Gesundheitssysteme. Benötigt wird ein einheitlichfunktionierendes Gesundheitssystem, in dem der Patient – nichtdie Institution, das Spital – im Mittelpunkt steht. Wir benötigennationale Gesundheitsziele, zu denen sich alle Systemverantwortlichenösterreichweit bekennen. Wir müssen die Reform endlichangehen – zum Nutzen der Patienten!“Unnötige Mehrkosten einsparenDr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer,vertrat die Ansicht, dass es unverständlich sei, dass gerade inZeiten der knappen Mittel seitens des Bundesministers „Mammutbürokratieprojekte“wie die ELGA umgesetzt werden sollen. AusSicht der Ärzteschaft sollten die ohnedies begrenzten Mittel imGesundheitssystem so effi zient wie möglich eingesetzt werden.Thomas Salzer, geschäftsführender Gesellschafter der SalzerGruppe und Vorsitzender der Fokusgruppe Gesundheit derIndustriellenvereinigung, meinte, dass das Kernproblem diemangelnde Abstimmung zwischen stationärem und niedergelassenemBereich bei der Planung, Finanzierung und Steuerung sei.Dadurch würden „zwei Gesundheitssysteme“ nebeneinanderexistieren, die durch unterschiedliche Finanzierungs- und Anreizmechanismengekennzeichnet seien und mitunter ungewollteLeistungsverschiebungen vom niedergelassenen in den stationärenBereich bewirken würden. Unnötige Mehrkosten für das Systemseien die Folge. Vorrangiges Ziel von Reformen müsse eine österreichweite,sektorenübergreifende Planung des Leistungsangebotsim Gesundheitsbereich sein.Reformierung durch Einbindung aller Partnerdes GesundheitssystemsDr. Martin Hagenlocher, Geschäftsführer von Bayer AustriaGes.m.b.H., sprach darüber, dass die Voraussetzung für eineechte Gesundheitsreform die Einbindung aller Partner darstelle.Jeder Einzelne müsse dazu bereit sein, einen Schritt auf die anderenzuzugehen. Abschließend stellte er klar: „Mir ist es wichtig,dass es bei der geplanten Gesundheitsreform nicht nur umKosteneinsparungen gehen soll, sondern in erster Linie darum,die bestehenden Ressourcen – nicht zuletzt auch für innovativeArzneimittel – besser einzusetzen, damit schlussendlich alle,insbesondere die Patientinnen und Patienten, von dieser Reformprofi tieren können.“v.l.n.r.: Prof. Dr. Andreas Wörgötter | Alois Stöger, diplômé | Dr. MartinHagenlocher | Mag. a Sonja Wehsely | Dr. Martina Salomon | Thomas Salzer |Mag. Peter McDonald | Dr. Johannes Steinhart<strong>periskop</strong>/51 [ 32 ]


UPDATE EUROPEGesellschaft für ärztliche Fortbildung„Burden of Disease Reports“:Epidemiologie und Krankheitslast im FokusAktuelle Problemfelder der Public Health sind aus einer klinischen, ökonomischen und gesamtgesellschaftlichen Perspektive von Relevanz und bedürfen entsprechender Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit.Im Rahmen des „Burden of Disease Reports“, eines neuen Publikationsmoduls im Rahmen der „Internationalen Zeitschrift für ärztliche Fortbildung“, gewährleistet UPDATE EUROPE – Gesellschaftfür ärztliche Fortbildung eine bedarfsorientierte Projektarbeit. Dabei werden vielfältige Themen aufgegriffen und im Hinblick auf die epidemiologische Situation in Österreich aufbereitet. Spezifi schePublikationen mit Zahlen und Fakten, die auch die Kosten und den sozialen Impact bestimmter Erkrankungen widerspiegeln, verdeutlichen den aktuellen Präventions- und Therapiebedarf und bieten einemaßgeschneiderte wissenschaftliche Grundlage für die Argumentation gegenüber Vertretern des Gesundheitswesens und der Kostenträger.Gesundheitsökonomischer Stellenwert von KrankheitenZahlreiche Erkrankungen wie etwa Depression, Demenz, Diabetesmellitus oder Osteoporose stellen heute aufgrund der hohen Morbiditätund Mortalität, teils schwerer gesundheitlicher Langzeitfolgensowie der starken Beeinträchtigung der Lebensqualität und gegebenenfallsProduktivität nicht nur ein medizinisches Problem, sondernauch eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem und dieVolkswirtschaft dar. Das Ausmaß des Problems ist vielschichtig undumfasst auch die gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Folgekosten.Effektive Therapien können somit nicht nur zur Reduktion derBeschwerden, sondern auch zur Prävention von Langzeitschäden undVerbesserung der Funktionsfähigkeit sowie zur Kosteneinsparung imGesundheitssystem beitragen.„BURDEN OF DISEASE REPORTS“: MEHRSEITIGE PUBLIKATION,INFO-LEAFLET <strong>UND</strong> WISSENSCHAFTLICHES POSTERDie Evaluierung der Krankheitslast geht primär auf das Projekt „GlobalBurden of Disease“ (GBD) zurück, welches 1992 von der HarvardUniversity, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Weltbankbegründet wurde. Die groß angelegte GBD-Studie ist der Quantifi -zierung von Todesfällen, Krankheit, Behinderung und Risikofaktoren,aufgeteilt nach Regionen und Bevölkerungsgruppen, gewidmet. Zielwar es, anhand dieser epidemiologischen Daten weltweit die Ursachenfür Sterblichkeit und Krankheiten zu ergründen und damit Ansatzpunktefür eine Reduktion der Krankheitslast zu identifi zieren. DieQuantifi zierung der Krankheitslast mittels einer nachvollziehbaren undstandardisierten Herangehensweise trägt wesentlich dazu bei, Prioritätenfür Präventions- und Therapiemaßnahmen zu defi nieren. Mit den„Burden of Disease Reports“ hat UPDATE EUROPE nun ein neuesPublikationsmodul etabliert, welches diesen Ansatz im Hinblick auf dieepidemiologische und gesundheitspolitische Situation in Österreichadaptiert.Umfassendes Projektmanagement durch UPDATE EUROPEDie „Burden of Disease Reports“ basieren auf Erkenntnissen der klinischenEpidemiologie, welche die Verteilung, die Determinanten unddie Risikofaktoren gesundheitsbezogener Zustände und Ereignisse inBevölkerungsgruppen untersucht und dieses Wissen für die Bewältigungvon Gesundheitsproblemen oder die Planung von Gesundheitsdienstleistungenanzuwenden versucht. Darüber hinaus werden auchKrankheitskostenstudien berücksichtigt, welche die sozialen Kosteneiner Krankheit oder eines gesundheitsschädigenden Verhaltensermitteln. Dies hilft bei der Beurteilung der gesundheitspolitischenDringlichkeit der betreffenden Krankheit, dient aber auch zur Abschätzungaussichtsreicher Behandlungsstrategien.Entsprechend dem breiten interdisziplinären Themenspektrum vonUPDATE EUROPE, werden im Rahmen der „Burden of Disease Reports“Public-Health-Problemfelder aus allen Bereichen der Medizinaufgegriffen und in Kooperation mit Gesundheitsökonomen, Expertenfür Statistik und wissenschaftliche Methodik sowie Meinungsbildnernund Sponsoren aus der pharmazeutischen Industrie übersichtlichund praxisrelevant dargestellt. Das Projektmanagement von UPDATEEUROPE inkludiert neben Konzepterstellung, Textierung („MedicalWriting“) und Abstimmungsarbeiten mit den involvierten Expertenauch umfassende Literaturrecherche sowie die Erhebung und statistischeAuswertung der entsprechenden Daten.WEITERE PUBLIKATIONSMODULE VON UPDATE EUROPEUPDATE EUROPE ist seit mehr als zwanzig Jahren mit einem vielfältigen Leistungsangebot als Drehscheibe undNetzwerk im medizinischen Publikations- und Veranstaltungsmanagement etabliert. Die Module im Rahmen einereigenen Publikationsreihe („Internationale Zeitschrift für ärztliche Fortbildung“) werden fortlaufend weiterentwickeltund dem aktuellen Bedarf angepasst. Dabei hat sich UPDATE EUROPE als kompetenter und verlässlicher Partner fürUnternehmen, Universitäten, Forschungseinrichtungen, medizinische Fachgesellschaften und Arbeitsgemeinschaftensowie Experten und „Key Opinion Leaders“ (KOLs) auf österreichischer und internationaler Ebene bewährt.Für das renommierte Profi l von UPDATE EUROPE sind insbesondere folgende Module prägend geworden:• Experten- & Konsensusstatements: widmen sich der Positionierung, dem Stellenwert bzw. neuenEinsatzmöglichkeiten von etablierten Substanzen in verschiedenen Fachgebieten.• New-Drugs-Statements: präsentieren neu eingeführte Medikamente und zielen darauf ab, praxisrelevanteEmpfehlungen durch ein österreichisches oder internationales Expertengremium zu erarbeiten.• Studienaufbereitung in Form von Sonderdrucken: strukturierte Aufbereitung aktueller Studien zu einemThemengebiet bzw. Präparat in kurzer, prägnanter Form für den Arzt in der Praxis, evtl. mit Kommentierungder Studien durch einen Experten oder ein Expertengremium.Darüber hinaus bietet UPDATE EUROPE mit seiner interdisziplinären medizinischen Ausrichtung individuell abgestimmteDienstleistungen im Bereich Wissenschaftsredaktion und Medical Writing für alle Fachgebiete, zum Beispielfür das Erstellen von wissenschaftlichen Dokumenten sowie von Publikationen und Aussendungen mit wissenschaftlichfundierter Argumentation.<strong>periskop</strong>/51 [ 33 ]


VEREIN „BURN AUT – ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFTFÜR ARBEITSQUALITÄT <strong>UND</strong> BURNOUT“BURNOUT IST KEINE„MODEERKRANKUNG!“VON MAG. SABINE SOMMERIm Vorfeld des Symposiums „Burnout – Ursachen und Folgen“,das Ende Jänner vom Anton-Proksch-Institut veranstaltet wurde,stellte sich der neue Verein „BURN AUT – Österreichische Gesellschaftfür Arbeitsqualität und Burnout“ erstmals den Medienvertreternvor. Die Plattform führt unterschiedliche Kooperationspartnerzum Thema Arbeitsqualität und Burnout zusammen undfordert einen seriösen öffentlichen Diskurs statt des infl ationärenGebrauchs des Begriffs. Außerdem will „BURN AUT“ Maßnahmenzur Früherkennung des Krankheitsbildes und die zahlenmäßigeErfassung der Betroffenen etablieren.„BURN AUT“, die im November 2011 gegründete „ÖsterreichischeGesellschaft für Arbeitsqualität und Burnout“, setzt sich für dieSchaffung eines neuen Bewusstseins zum Thema Arbeitsqualität,Stresserkrankungen und Burnout in der breiten Öffentlichkeitsowie unter Experten aus dem Gesundheitssystem ein. Kürzlichwiesen die Gesellschaftsgründer und Vereinsvorstände, Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek, ärztlicher Direktor des Anton-Proksch-Instituts Wien, und Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek, Leiterdes Gesundheitszentrums „The Tree“ und des Beratungsinstituts„Medical Coaching“, anlässlich einer Pressekonferenz nachdrücklichdarauf hin, dass Burnout keine Modeerscheinung sei. Vielmehrstelle Burnout einen massiven Leidensdruck für die Betroffenendar, der professionelle, multimodale und interdisziplinäreTherapieansätze erfordere.DIALOG ZWISCHEN DEN VERANTWORTUNGSTRÄGERNFÖR<strong>DER</strong>NUniv.-Prof. Dr. Musalek nannte als Grundidee die Errichtung einesKompetenzzentrums zur Zusammenführung von Experten. „ImZusammenwirken mit Wissenschaft, Fachgesellschaften, Patientenorganisationen,Sozialversicherung, Interessenvertretungenund Politik möchte ,BURN AUT‘ den Dialog zwischen den Verantwortungsträgernfördern und aktiv an der Formulierung und Umsetzungkonkreter Lösungen arbeiten. Diese Zielsetzungen sollendurch Unterstützung des Austausches zwischen den Mitgliedernund allen relevanten Entscheidungsträgern im österreichischenGesundheitswesen sowie durch Darstellung und Betonung dervon der medizinischen Wissenschaft, Lehre und Praxis erbrachtenLeistungen verfolgt werden. Wir haben ein großes Interessedaran, mit Institutionen wie Ministerien, der Arbeiterkammer, derIndustriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer zusammenzuarbeiten.“„BURNOUT ERNST NEHMEN <strong>UND</strong> NICHT ALS,MODEERKRANKUNG‘ HERUNTERSPIELEN“Die Vereinsgründung habe sich aus der zunehmenden Relevanzdes Themas ergeben, so die Referenten bei der Pressekonferenz.Das Krankheitsbild Burnout habe in ganz verschiedene Gesellschaftsbereicheausstrahlende Konsequenzen, die weiter gingen,als man auf den ersten Blick denken würde. Eine Analyse derSozialversicherung habe gezeigt, dass im Jahr 2009 rund 900.000Menschen das Gesundheitssystem aufgrund von psychischenErkrankungen in Anspruch genommen hätten. Auf der gesellschaftspolitischenund volkswirtschaftlichen Ebene seien demnachKrankenstände und Frühpensionierungen die Folgen. „Burnoutwird auch medizinisch ein immer relevanteres und häufi ger diskutiertesThema. Als eigenständige Krankheit ist Burnout im ICD-10derzeit noch nicht erfasst, sondern gilt nur als Faktor, der denGesundheitszustand beeinfl usst. Auch in der Psychiatrie bekommtdas Phänomen noch nicht die Aufmerksamkeit, die ihm eigentlichzusteht. Der wichtigste Aspekt ist aber: Wir müssen Burnout endlichernst nehmen und nicht als ,Modeerkrankung‘ herunterspielen,denn für die Betroffenen bedeutet die Krankheit einenmassiven Leidensdruck, der unbedingt professionelle, multimodaleund interdisziplinäre Therapieansätze erfordert“, so Univ.-Prof. Dr. Musalek. Beim Phänomen Burnout gäbe es das Problem,dass es vielerorts falsch kommuniziert und der Begriff nahezuinfl ationär verwendet würde, daher entstünden Verwirrungen. EinHauptziel des Vereins sei auch die Informationsvermittlung zudieser Thematik.ZENTRALE THEMEN:ARBEITSFREUDE <strong>UND</strong> ARBEITSQUALITÄTDie Beschäftigung mit Burnout setze auch eine Beschäftigungmit Arbeit und Arbeitsqualität voraus. „In Österreich gibt eskeinen Diskurs über Arbeitsqualität, Freude an der Arbeit oderRessourcengewinnung durch sie. Das sind aber zentrale Themenim Umgang mit der Burnoutproblematik, die daher auch unserenVerein beschäftigen werden. Wie kann man Arbeitsqualitätsteigern? Wie können wir Bedingungen schaffen, die derErwerbstätigkeit ihre eigentliche Rolle als gesundheitserhaltenderFaktor wieder zukommen lässt? Diese Fragen lassensich nur durch nachhaltige Ansätze lösen, denn Arbeit und dieMöglichkeit, etwas zu gestalten und innerhalb der Gesellschaftetwas Sinnvolles zu bewirken, sind wesentliche Voraussetzungendafür, gesund zu bleiben“, berichtete Univ.-Prof. Dr. WolfgangLalouschek, der als Leiter des Gesundheitszentrums „The Tree“und des Beratungsinstituts „Medical Coaching“ langjährigeErfahrung in der Betreuung von Burnoutpatienten hat. Undweiter: „Es wäre wünschenswert, dass wir – etwa durch dasAnbieten von Standards bei der Defi nition – einen Beitrag zurVerbesserung der Arbeitsqualität und zur Bekämpfung vonStresserkrankungen leisten können.“BURNOUT:EIN STUFENWEISE VORANSCHREITEN<strong>DER</strong> PROZESSDie frühen Anzeichen eines Burnouts sind keine Ausfallsymptome,sondern Erscheinungen wie erhöhte Aktivität bis hin zurHyperaktivität, freiwillige unbezahlte Mehrarbeit oder besondersgroße, übermäßige Identifi kation mit der Arbeit. Erst spätertreten die ersten Negativsymptome wie Schlafstörungen odereine schwankende Stimmungslage auf. Hohe Arbeitsbelastungallein führt noch nicht zu Burnout. Das Risiko, daran zu erkranken,liegt in einer fatalen Kombination aus schlechter Arbeitsqualitätund dem persönlichen Hintergrund der Betroffenen: zumeistMenschen, die bereit sind, mehr zu leisten als andere, und sichsehr stark durch Arbeit defi nieren. Entscheidend für die richtigeBeurteilung dieser Anzeichen durch die Umgebung sei, dasssie als Veränderungen wahrgenommen würden. Essenziell seies also, Burnout im Frühstadium „aufzufangen“, und zwar mitprofessioneller, adäquater Hilfe.„[...] für die Betroffenen bedeutet die Krankheiteinen massiven Leidensdruck, [...]“Musalek„Arbeit und die Möglichkeit, etwas zugestalten und innerhalb der Gesellschaftetwas Sinnvolles zu bewirken, sindwesentliche Voraussetzungen dafür,gesund zu bleiben“ LalouschekÜBER „BURN AUT – ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR ARBEITSPROBLEMATIK <strong>UND</strong> BURNOUT“Aufgabe und Ziel ist es, sich in Österreich als Kompetenzzentrum für das Thema Burnout zu etablieren und verstärkt die medialeAufmerksamkeit auf die Bedeutung der Erkrankung und den seriösen Umgang mit ihr zu lenken. Die wesentlichen Aufgaben desVereins sind:· Als Kompetenzzentrum zum Thema Arbeitsqualität und Stresserkrankungen sowie· als Plattform zur Zusammenführung unterschiedlicher Kooperationspartner zum Thema Arbeit und Burnout zu fungieren,· die Möglichkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit zu etablieren und Stakeholder aus allen involvierten Bereichenzusammenzubringen.Der Verein ist unter der E-Mail-Adresse offi ce@burnaut.com zu erreichen.Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek (links)Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek (rechts)<strong>periskop</strong>/51 [ 34 ]


INTERVIEW MIT MAG. RENÉE GALLO-DANIELGESCHÄFTSFÜHRENDE GESELLSCHAFTERIN VON PERI HUMAN RELATIONS GMBH„Allianzenbildenund Kräftebündeln“VON MAG. NINA BENNETT, MAMag. Renée Gallo-Daniel, neue geschäftsführende Gesellschafterinvon PERI Human Relations GmbH, erläutert im Periskop-Interviewihre Ziele in dieser Position. Sie spricht auch darüber, weshalb Siesich nach den Jahren in der pharmazeutischen Industrie für einenberufl ichen Wechsel entschieden hat und welche Rolle sie innerhalbder PERI-Gruppe einnehmen wird. Des Weiteren erörtertMag. Gallo-Daniel ihr Bestreben, die Position der „Women inHealth“ zu stärken, Tendenzen und Entwicklungen im Gesundheitswesensowie Werte, die ihr wichtig sind.P: Sie haben seit Kurzem die Position der geschäftsführendenGesellschafterin der PERI Human Relations GmbH inne. WelcheZiele haben Sie sich gesetzt und welche Projekte möchten Sie inAngriff nehmen?Gallo-Daniel: Nach mehr als zwanzig Jahren in der pharmazeutischenIndustrie möchte ich mich künftig neuen Aufgaben alsGeschäftsführerin von PERI Human Relations GmbH widmen. Esist mir ein Anliegen, die bestehende Philosophie der PERI HumanRelations fortzusetzen und als Teil der PERI Group mit meinen Kundenumfassende Lösungen für diverse Fragestellungen im Gesundheitsbereichzu entwickeln. Wichtig ist mir der Fokus auf die Umsetzungvon individuellen Gesundheitsprojekten. Die Einbindungder Sichtweisen aller relevanten beteiligten Gruppen ist wichtig, umein Gesundheitsthema erfolgreich zu positionieren. Hier möchteich bei Bund, Land, Gemeinden, Kammern, öffentlichen Institutionenwie auch der pharmazeutischen Industrie verstärkt ansetzen.Wesentlich ist mir, Projekte zu betreuen, die in Einklang mit denErfordernissen unseres Gesundheitssystems stehen. Hier sollenvor allem Präventionsthemen – nach demMotto „Vorbeugen ist besser als Heilen“ –einen Schwerpunkt bilden. Eines meinerZiele ist es auch, in Zeiten der immer knapperwerdenden Budgets die Public-Private-Partnership zu fördern. Es ist wichtig, Allianzenzu bilden und Kräfte zu bündeln. Einweiterer Fokus liegt auf dem individuellenSchnittstellenmanagement und Health-Coaching. Welche Themen sind geradebedeutend und was gilt es zu diskutieren?Welche Netzwerke werden benötigt, umdem ausreichend Raum zu geben? MaßgeschneiderteLösungen für alle am ProjektBeteiligten und Ergebnisse, die die positiveWeiterentwicklung unseres Gesundheitssystemsermöglichen, sind erstrebenswert.P: Warum haben Sie sich nach den Jahren Ihrer Tätigkeit in derpharmazeutischen Industrie für einen berufl ichen Wechsel entschieden?Gallo-Daniel: Ich habe den Schritt, die pharmazeutische Industriezu verlassen, nicht als großen berufl ichen Wechsel verstanden. Ichhabe mich bei GlaxoSmithKline Pharma mit Gesundheitsthemenbeschäftigt und tue dies auch weiterhin. Die Perspektive und dieRolle ist jetzt eine andere – von einem internationalen Konzern inein Consultingunternehmen mit klarem Fokus auf die Umsetzungvon Gesundheitsprojekten. Bei GlaxoSmithKline Pharma war ichseit einigen Jahren für den öffentlichen Impfstoffbereich zuständig,der Produktfokus ist in den Hintergrund gerückt und die Kooperationmit Akteuren des öffentlichen Gesundheitswesens war einzentrales Thema meiner Arbeit. Eswar eine spannende Erfahrung, gemeinsameProjekte zu entwickelnund umzusetzen. Als Generalsekretärindes Österreichischen Verbandsder Impfstoffhersteller (ÖVIH) habeich verstärkt die Möglichkeit bekommen,mich mit Präventionsthemen zu beschäftigen. Als Geschäftsführerinder PERI Human Relations habe ich nun die einzigartigeChance, die im Laufe der Jahre gesammelten Erfahrungen in derpharmazeutischen Industrie und das erlernte Wissen als Klinischeund Gesundheitspsychologin kombiniert einzubringen.P: Welche Rolle nehmen Sie mit PERI Human Relations innerhalbder PERI Group ein?„Mein Ziel ... ist es, mich alsverstärkende Kraft – auch mit weiblicherIntuition – einzubringen und einekompetente Partnerin zu sein ...“Gallo-Daniel: Als Teil der PERI Group erwartet mich ein gut eingespieltesTeam an Experten aus verschiedenen Fachbereichen.Die Stärke der PERI Human Relations liegt darin, durch das breitePortfolio individuelle Gesundheitsprojekte zu entwickeln. Durch diestarken Vernetzungen im Gesundheitssystem sowie auch zur pharmazeutischenIndustrie wird es uns gelingen, einen wesentlichenBeitrag im Gesundheitsbereich zu leisten. Mein Ziel innerhalb derPERI Group ist es, mich als verstärkende Kraft – auch mit weiblicherIntuition – einzubringen und eine kompetente Partnerin zu sein,sowohl intern zu den PERI Partnern als auch extern für Vertreter desGesundheitswesens.P: Sie haben angekündigt, den Dialog zwischen Frauen im Gesundheitswesenfördern zu wollen und so die Position der „Womenin Health“ zu stärken. Wie möchten Sie das konkret tun?Gallo-Daniel: Es ist eines meiner Hauptanliegen, den Dialog zwischenFrauen im Gesundheitswesen zu fördern. Frauen waren imGesundheitswesen immer schon federführend, Gesundheitsentscheidungenzu treffen – für sich selbst, für ihre Männer und diegesamte Familie. Frauen sind im Gesundheitswesen zwar vernetzt,aber sie treten meiner Meinung nach zu wenig in gemeinsamenProjekten auf. Mein Ziel ist es, die Akteurinnen im Gesundheitswesenzusammenzubringen und so die Position der „Woman inHealth“ zu stärken.P: Welche Tendenzen und Entwicklungen sind im Gesundheitswesenfestzustellen? Was sind die aktuellen und künftigen größtenHerausforderungen und wie muss Ihrer Ansicht nach das Pharmamarketingdarauf reagieren?Gallo-Daniel: Die demografi sche Entwicklung der österreichischenBevölkerung verursacht steigende Kosten. Gleichzeitig habenwir Kinder, die sich nicht immergesund ernähren oder regelmäßigSport treiben. Es ist mir ein Anliegen,mich für die Förderung von Maßnahmenzur Stärkung der Kinder- undJugendgesundheit einzusetzen. DieFitness- und Ernährungsindustrie sowieder schulische Bereich sollten stärker in die Entwicklung vonMaßnahmen integriert werden. Auch die Zunahme von psychischenLeiden, Stoffwechselkrankheiten und Herz-Kreislauf-Erkrankungenstellt uns künftig vor eine große Herausforderung. Ein Augenmerkliegt sicher auch bei Public-Private-Partnership. Zudem geht eineTendenz in Richtung Corporate Social Responsibility. Wir müssenuns heutzutage auf limitierte Budgets einstellen, die die Bildungvon Allianzen und eine Bündelung der Kräfte erfordern. Wir habenein gutes und sicheres Gesundheitssystem,in demallen Versicherten ein einfacherZugang zur Gesundheitsversorgungermöglichtwird. Allerdings fokussierenwir zu sehr auf kurative Medizinanstatt auf Vorsorge.P: Welche Eigenschaftenund Werte sind Ihnen beiIhrer Arbeit, aber auch abseitsdavon wichtig?Gallo-Daniel: Werte, diemir bei meiner Arbeit undim Privatleben wichtig sind,sind Gemeinsamkeit, Partnerschaftlichkeit,Respekt und Ergebnisorientierung. ZielgerichteteAktivitäten und die Einladung zum Nachdenken und Refl ektierensind für mich von besonderer Bedeutung. Wenn ich von einerSache überzeugt bin, setze ich mich hundertprozentig dafür ein.Um erfolgreich zu sein benötigt man auch ein hohes Maß an Selbstreflexion und Analysefähigkeit, man muss wissen, wo man geradesteht, welche Schwächen man hat und worin die Erwartungen andie Zukunft liegen. Erfolg bedeutet zudem Offenheit für Neues undständiges Lernen – auch aus Fehlern.BioBox: Ihre berufl iche Laufbahn begann Mag. a rer. nat. RenéeGallo-Daniel, die über eine mehr als zwanzigjährige Erfahrung inverschiedenen Bereichen der pharmazeutischen Industrie verfügt,bei GlaxoSmithKline Pharma GmbH (GSK) und deren Vorgängerfirmen. Erfahrungen als Klinische und Gesundheitspsychologinsammelte sie im Donauspital und anschließend in einer dermatologischenPraxis. Schwerpunktmäßig beschäftigte sie sich mit Onkologieund dermatologischen Krankheitsbildern, die häufi g psychosomatischdominiert sind. Ab 2001 widmete sich Mag. Gallo-Daniel dem Impfstoffbereich und fokussierte hier insbesondereauf die Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen und Behördenauf Bundes- und Landesebene. Seit 2011 ist sie Generalsekretärindes Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller und seitFebruar 2012 Geschäftsführerin bei PERI Human Relations GmbH.<strong>periskop</strong>/51 [ 35 ]


GES<strong>UND</strong>HEIT <strong>UND</strong> WISSENSCHAFT IN TV,RADIO, PRINT <strong>UND</strong> INTERNET. TEIL 22„Leserzufriedenheitals Maßstab für Erfolg“INTERVIEW MIT DR. WOLFGANG EXELALLGEMEINMEDIZINER,RESSORTLEITER GES<strong>UND</strong>HEIT <strong>DER</strong> „KRONEN ZEITUNG“VON MAG. NINA BENNETT, MA„Krone Gesund & Familie“, seit vielen Jahreneines der beliebtesten Magazine für Gesundheitsthemen im Land,möchte 2012 mit erweiterten Inhalten und ansprechender Neugestaltungden veränderten Bedürfnissen der „Kronen Zeitung“-LeserRechnung tragen. Im Periskop-Interview gewährte Dr. WolfgangExel, Ressortleiter Gesundheit der „Kronen Zeitung“ und Allgemeinmediziner,Einblicke in seine Arbeit. Er sprach über die Veränderungder Gesundheitsberichterstattung in den letzten Jahren,Trends im Gesundheitswesen und die Notwendigkeit, über dieLeserzufriedenheit Bescheid zu wissen, um langfristig erfolgreichzu sein.P: Die eigene Gesundheit wird immer wichtiger: Noch nie warendie Österreicher so gesundheits- und körperbewusst wie heute.Gleichzeitig gibt es eine „Explosion“ an chronischen Erkrankungenwie Diabetes, Hypertonie etc. Was kann die Gesundheitsberichterstattungdazu beitragen, diese „Schere“ zu schließen?Exel: Diesem Gegensatz in der heutigen Zeit – einerseits das verstärkteGesundheitsbewusstsein und andererseits die Zunahmechronischer Erkrankungen – kann die Gesundheitsberichterstattungam effektivsten durch umfassende Aufklärung begegnen.„Krone Gesund & Familie“ möchte seinen Lesern wertvolle Hilfestellungenbieten. Unser Redaktionsteam arbeitet mit Ärzten,Apothekern, Selbsthilfegruppen, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten,Pfl egern und anderen Gesundheitsberufen zusammen.Dadurch haben wir alle Institutionen an Bord, um Gesundheitsberichterstattungmöglichst praxisnah in Form von Information,Aufklärung, Ratschlägen und Tipps an die Zielgruppe weiterzugeben.Selbstverständlich zählen dazu auch neue wissenschaftlicheErkenntnisse, komplexe Studien und medizinisches Fachvokabular.Das alles muss den Lesern in leicht verständlicherSprache vermittelt werden.„‚Krone Gesund & Familie‘ möchteseinen Lesern wertvolle Hilfestellungenbieten.“P: Das Magazin „Krone Gesund & Familie“ – früher „Krone Gesund“– wurde Ende 2011 einem Relaunch unterzogen. Was war das Zieldieser Maßnahme?Exel: Durch die Ankündigung der thematischen und visuellen Erweiterungund Veränderung von „Krone Gesund & Familie“ Ende2011 wollten wir unsere Leserschaft in erster Linie darüber informieren,dass eine Umstrukturierung stattfi nden wird, wir uns anderenThemen annähern werden und auch dafür sorgen wollen,eine noch höhere Leserzufriedenheit zu generieren. Der Relaunchist aber noch nicht zur Gänze umgesetzt, wir befi nden uns derzeitmitten in der Umstrukturierungsphase. Der Beginn hat sich verzögert,weil wir uns zuerst den derzeitigen Interessen, Wünschen undBedürfnissen unserer Leser annehmen wollten. So haben wir ganzbewusst eine Analyse bei einem Markt- und Meinungsforschungsinstitutin Auftrag gegeben. Auf den Ergebnissen aufbauend, werdenwir jene Aspekte verändern, die für unsere Leser besonders wichtigsind. Fest steht allerdings, dass der Schwerpunkt auf sozialer undmedizinischer Hilfestellung liegen wird. Des Weiteren möchten wirden Spagat zwischen Jung und Alt schaffen und hier möglichst viele– für diese Gruppierungen interessante – Bereiche abdecken. DasWissen um die Bedürfnisse und Interessen unserer Leser ist unsein großes Anliegen. Aus diesem Grund hatten wir schon vor einigenJahren eine ähnliche Umfrage veranlasst, obwohl wir uns ganzsicher waren, die Hauptanliegen unserer Leser ohnehin bereits zukennen. Unser Tipp war damals das Thema „Schmerz und die Behandlungvon Schmerzen“. Aber wir hatten uns geirrt. ÜberlegenerSpitzenreiter bei den Lesern waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen,hier bestand der größte Informationsbedarf. Wir erkundigten unsbeim betreffenden Forschungsinstitut nach möglichen Gründendafür. Die Angst vor der Lebensbedrohung durch einen Herzinfarktoder Hirnschlag schien viel größer zu sein als die vor Schmerzen.Aufgrund dieser Erfahrung und der wertvollen Rückmeldungenlegen wir nun sehr viel Wert auf Umfrageergebnisse.„Das Wissen um die Bedürfnisseund Interessen unserer Leser ist unsein großes Anliegen.“P: Gibt es Themen, die Sie besonders interessieren? Wo liegenIhre persönlichen Schwerpunkte?Exel: Meine persönlichen Vorlieben liegen bei allen medizinischenThemen – durch meinen allgemeinmedizinischen Hintergrund.Meine Lieblingsthemen sind Sport und Sportmedizin.P: Seit über zwanzig Jahren bietet „Krone Gesund & Familie“ seinenLesern praktische Tipps und Ratschläge in allen Gesundheitsfragen:Medizin, Wellness, Sport und Ernährung. Wie sehen Sie dieVeränderung der Gesundheitsberichterstattung der letzten Jahre?Was sind die Trends und Tendenzen im Gesundheitswesen?Exel: Ein fortwährender Trend ist beispielsweise die Sexualität.Auch manche Krankheiten entwickeln sich zum „Dauerbrenner“:Diabetes, Rheuma, psychische Erkrankungen. Über diese berichtenwir in der „Krone Gesund & Familie“ regelmäßig, da ständigNeuerkrankungen in diesen Indikationen zu verzeichnen sind undInformationen darüber allen Patienten zugänglich gemacht werdensollen. Die Wiederholung von Themen begünstigt die längerfristigeErinnerung der Leser an wichtige Tipps und Informationen.Zudem ist es essenziell, dass wir uns an die modernen Kommunikationsmittelanpassen. Heute sind die Leser viel informierter alsfrüher. Viele holen sich ihre Informationen über das Fernsehen unddas Internet.Da die medizinischen Grundlagen unserer Leserschaft weitgehendbekannt sind, können wir mehr Wissen voraussetzen undstärker ins Detail gehen. Auch die Kompatibilität unserer Webangebotemit Smartphones oder iPads muss gegeben sein, umjüngere Zielgruppen zu erreichen. Aber auch die ältere Zielgruppeist nicht zu unterschätzen, denn viele Personen über siebzigbuchen ihre Urlaube oder Gesundheitsangebote bereits über dasInternet. So müssen wir auch die Senioren, die mit modernenKommunikationsmitteln und neuen Technologien umgehen, hier„abholen“ können. Eine weitere Tendenz ist die häufi ge Verbreitungvon Falschinformationen über das Internet. Oft werden wirvon unseren Lesern dann um eine Zweitmeinung gebeten. Problematischerscheint es mir, dass im Internet nicht differenziert wird.Wenn man im Netz eine medizinische Frage stellt, bekommt manvielleicht eine richtige Antwort, dennoch fehlt der Bezug zum individuellenZustand oder der persönlichen Vorgeschichte des Fragestellers.So ist die Antwort für die betreffende Person häufi g ungültig,denn Diagnosen, die den Patienten ganzheitlich betrachten,kann nur der behandelnde Mediziner stellen. Demnach sehe ichdas Internet eher als gutes Medium zur Vorinformation. Auch auf„Krone Gesund & Familie“ kommen immer wieder medizinischeAnfragen zu. Wir stellen hier natürlich keine Diagnose, sondernweisen auf Möglichkeiten hin und geben dem Leser die Richtungvor, in welche er sich weiter beraten lassen sollte.„Problematisch erscheint es mir, dass imInternet nicht differenziert wird. [...]Demnach sehe ich das Internet eher alsgutes Medium zur Vorinformation.“P: Gibt es Projekte, die Sie in nächster Zeit in Angriff nehmenmöchten?Exel: Im Bereich der Familie wollen wir uns vermehrt alleinstehendenMüttern widmen. Im Vorjahr gab es eine Untersuchung,wonach über vierzig Prozent der alleinstehenden Mütter an derArmutsgrenze oder darunter leben. Daher möchten wir in diesemBereich verstärkt informieren und Hilfestellungen anbieten.P: Was bedeutet für Sie Erfolg? Und was ist Ihr Erfolgsrezept?Exel: Als Journalist ist mein Erfolgsrezept, eine für meine Leserverständliche Sprache zu fi nden – also schwierige medizinischeMaterie so auszudrücken, dass sie jeder versteht. Ich sehe es alsNotwendigkeit an, auf die Wünsche und Bedürfnisse meiner Lesereinzugehen, um langfristig erfolgreich zu sein. Mein Erfolg beruhtzudem darauf, mir die richtigen Partner auszusuchen. Ich arbeitemit kompetenten Leuten zusammen. Außerdem habe ich gelernt,Niederlagen einzustecken und auch diesen etwas Positivesabzugewinnen.BioBox:Dr. Wolfgang Exel, Ressortleiter Gesundheit der „Kronen Zeitung“und Allgemeinmediziner, begann seine Karriere 1969 als Sportreporter,wechselte dann in den Wirtschafts- und später in denLokaljournalismus. Vierzehn Jahre lang war er für den Lokalteilder „Kronen Zeitung“ tätig, 1978 begann eran der Universität Wien Medizin zu studieren.Seit 1984 ist Exel in der „Kronen Zeitung“ fürdie Sparten Medizin und Gesundheit zuständig.Seit 1989 ist er Leiter des Gesundheitsmagazinsder „Kronen Zeitung“. Der Autorzahlreicher Bücher praktiziert seit 1987 alsAllgemeinmediziner mit dem SchwerpunktVorsorgeuntersuchungen.<strong>periskop</strong>/51 [ 36 ]


„Kommunikation durchLeadership, Integrität,Flexibilität und Effizienz“COMMUNICATIONS-MANAGERIM GESPRÄCHTEIL 4HELENE EINRAMHOF-FLORIANBAYERVON MAG. NINA BENNETT, MABayer agiert weltweit in den Kernbereichen Gesundheit, Ernährungund hochwertige Materialien. Helene Einramhof-Florian spricht imPeriskop-Interview über ihre Aufgaben als Leiterin der Unternehmenskommunikationbei Bayer Austria und erläutert die Herausforderungeninterner und externer Kommunikation sowie die Besonderheitender österreichischen Gesundheitsmedienlandschaft.Außerdem legt sie dar, warum Krisensituationen eine Bereicherungdarstellen können.P: Wie ist die Kommunikationsabteilung bei Bayer strukturiert?Einramhof-Florian: Die Kommunikationsabteilung bei BayerAustria besteht aus drei Personen. Mit den KollegInnen aus denZentralen in Leverkusen, Berlin, Basel und Monheim besteht eineenge Zusammenarbeit. Gerade für die externe Kommunikation undganz besonders im Krisenfall ist das ein wichtiges Thema.P: Wie sieht Ihr Aufgabenbereich aus und wie gestaltet sich dieZusammenarbeit mit anderen Abteilungen?Einramhof-Florian: Bayer ist ein weltweit agierendes Unternehmenmit Kernkompetenzen in den Gebieten Gesundheit, Ernährungund hochwertige Materialien. Wir betreuen in Österreich alle dreiTeilkonzerne. Zu unterscheiden ist zwischen der internen undexternen Kommunikation. Insbesondere bei der internen Kommunikationarbeiten wir sehr eng mit der Geschäftsführung und demHR-Manager sowie mit der Abteilung Health Policy and PublicAffairs zusammen – etwa wenn es darum geht, Veranstaltungenwie „Gesundheit im Dialog“ in Kooperation mit der Industriellenvereinigungauszurichten. Die externe Kommunikation gliedert sich beiuns in Krisenkommunikation, Public Relations, Medienbeobachtungund -analyse sowie das Gebiet Corporate Social Responsibility.Meine Aufgaben sind dabei die Mitarbeiterführung, die Koordinationund Unterstützung von geplanten Projekten, die strategischeKoordination der Kommunikation der eingangs erwähnten drei Gebietesowie die operative Unterstützung einiger Geschäftseinheiten.P: Worauf kommt es bei einer guten Kommunikation – sowohl internals auch extern – an? Worin bestehen die größten Herausforderungen?Einramhof-Florian: Sowohl in der internen als auch in der externenKommunikation ist es wichtig, ein gutes Businessverständniszu haben und unternehmerisches Denken mitzubringen. Aber auchdie Bayer-Werte „LIFE“ – L für Leadership, I für Integrität, F für Flexibilitätund E für Effi zienz –, die für unser Unternehmen stehen, sindin berufl icher wie persönlicher Hinsicht von Bedeutung. Eine Maßnahmefür die interne Kommunikation ist die Nutzung des Intranetsinnerhalb des Unternehmens. Zudem werden wir intern zukünftigeinen regelmäßigen elektronischen Newsletter oder eine Mitarbeiterzeitungintegrieren. Bei guter und effi zienter externer Kommunikationzählen Verlässlichkeit, Professionalität, Glaubwürdigkeit undSchnelligkeit, um Nachhaltigkeit für die Medien zu schaffen undfür JournalistInnen ein kompetenter, reliabler Ansprechpartner zusein. Transparenz ist für mich unabdingbar und schafft Vertrauen –gegenüber den MitarbeiterInnen, den Führungskräften und denJournalistInnen.P: Wie empfi nden Sie die Gesundheitsmedienlandschaft in Österreich?Sehen Sie Veränderungen im Vergleich zu vor etwa fünfJahren? Was erwarten Sie sich von einer guten Zusammenarbeitmit den Medien?Einramhof-Florian: Selbstverständlich sind in der Gesundheitsmedienlandschaftin Österreich in den letzten Jahren Veränderungenzu erkennen. Ich persönlich erlebe ein immer größer werdendesInteresse der ÖsterreicherInnen am Gesundheitsmarkt zu verschiedenenThemen, etwa zu den Krankenkassen, der individuellen Gesundheitsförderung,der Prävention etc. Von großer Bedeutung fürjedes einzelne Pharmaunternehmen in Österreich ist mit Sicherheitdie Zusammenarbeit mit den diversen Pharma-Interessenvertretungen.So werden Impulse für Qualität und Versorgungssicherheitdes Gesundheitswesens geschaffen. Heute funktioniert eine guteZusammenarbeit mit den Medien vor allem durch Schnelligkeit inder Berichterstattung, gute Erreichbarkeit und Flexibilität. Natürlichgilt es dabei stets abzuwägen, ob eine proaktive oder reaktive Formder Kommunikation verfolgt werden soll.nur Vorteile, sie benötigen immens viele Kapazitäten. Bei falscherAnwendung von Social Media kann aus dem erhofften Erfolg sehrschnell ein Misserfolg werden.P: Wie steht Bayer zum Thema Corporate Social Responsibility(CSR) und welche Aktivitäten gibt es hier vonseiten des Unternehmens?Einramhof-Florian: Für Bayer ist das Thema Corporate SocialResponsibility sehr wichtig. Momentan existieren rund 300 Projektemit Schwerpunkten in den Bereichen Bildung und Wissenschaft,Umweltschutz, soziale Grundbedürfnisse sowie Sport undKultur. In Österreich unterstützen wir seit fünf Jahren das Europahausdes Kindes, eine sozialpädagogische Einrichtung für Kinderaus schwierigen Familienverhältnissen. Zudem sind wir Mitglieddes Vereins respACT. Darüber hinaus fördert Bayer Austria durcheinen gestifteten Preis naturwissenschaftliche Arbeiten von DiplomantInnenund DissertantInnen im Rahmen des ALSA und INITSAwards.P: Können Sie beschreiben, wie Krisen im Unternehmen kommunikativbewältigt werden?Einramhof-Florian: Am wichtigsten ist die optimale Vorbereitungauf Krisensituationen. Zu einer guten Krisenkommunikation gehörtprofessionelles Medientraining sowie die Pfl ege guter Journalistenkontakte.Neben der Schaffung, Erhaltung und Weiterentwicklungeines Vertrauensverhältnisses ist auch die Übermittlung aktuellerInformationen an MedienvertreterInnen und die ständige Erreichbarkeitfür Rückfragen essenziell. Zeitgleich ist auch die umfassendeInformation der MitarbeiterInnen überaus wichtig, damit sie vonKrisen nicht aus der Zeitung erfahren müssen. Die Bewältigungeiner Krise halte ich trotz ihrer Schwierigkeiten für eine spannendeund herausfordernde Zeit und für eine Bereicherung der eigenenErfahrungen.P: Die Pharmabranche steht trotz intensiver Bemühungen immerwieder im Kreuzfeuer der Medienkritik. Wie ist dem mit Kommunikationentgegenzuwirken?Einramhof-Florian: Ich vermute, dass in der Vergangenheit vonvielen Branchen nicht transparent genug kommuniziert wurdeund Medien diese Vorgehensweise zum Anlass für Kritik nehmen.Gerade weil diese Branche immer wiederins Kreuzfeuer der Medienkritik gerät, hatdie Verbreitung transparenter, aktueller undglaubwürdiger Information vonseiten derPharmabranche absoluten Vorrang. Allerdingswird nicht nur die Pharmabranche angegriffenund diskutiert. Die Kritik betrifft jedeBranche, ob nun Bauunternehmen, das Bankwesen oder andere.In jeder Sparte tun sich Herausforderungen und schwierige Themenauf, die guter Kommunikation bedürfen. Wir bei Bayer arbeitennachhaltig und stellen uns unserer Verantwortung als sozial undethisch handelndes Unternehmen. Unsere Bayer-Werte sind dabeiunsere Richtschnur. „Science for a better life“ – so lautet unser Versprechenan die Gesellschaft.P: Social Media werden immer mehr zum Thema. Wie könnenSocial Media in der Konzernkommunikation genützt werden? Undinwiefern ist das für Bayer interessant?Einramhof-Florian: Social Media sind natürlich ein Thema fürBayer. Unsere Social-Media-Präsenz umfasst Facebook, Twitter,Flickr und dergleichen. So wurde zum Beispiel vor einiger Zeit dieKarriereseite von Bayer auf Facebook von Karrierebibel.de zu denfünf besten Karriereseiten gekürt. Social Media bergen aber nicht„Wir bei Bayer arbeiten nachhaltigund stellen uns unserer Verantwortungals sozial und ethisch handelndesUnternehmen.“BioBox: Helene Einramhof-Florian verbrachte ihre Kindheit undJugend in Spittal an der Drau und absolvierte dort die Handelsakademie.Bevor Wien zu ihrem Lebensmittelpunkt wurde, legte sie füreinige Semester einen „Zwischenstopp“ in Salzburg ein, um dortPublizistik und Politikwissenschaften zu studieren. Nach dreijährigerBerufserfahrung im Marketing eines bekannten Lebensmittelkonzernswechselte sie zu einem Monatsmagazin und begann1997 in der Kommunikationsabteilung von Bayer, die sie damals inZusammenarbeit mit Kollegen auf- und ausbaute. Dort bewältigtesie im Team sämtliche Fusionen. Seit Oktober 2010 leitet HeleneEinramhof-Florian die Abteilung.<strong>periskop</strong>/51 [ 37 ]


Sucht als chronischeErkrankungRückblick des interdisziplinärenSymposiums zur SuchterkrankungVON MAG. NINA BENNETT, MAWie bei einem interdisziplinären Symposium zur Suchterkrankung Mitte Februar in Grundlsee festgehalten wurde, leiden in der EU38,2 Prozent der Bevölkerung an einer psychischen Störung. Das sind insgesamt 164,8 Millionen Betroffene. Am häufi gsten sind Angststörungen,Schlafl osigkeit, Depression und Suchterkrankungen. In Österreich sind etwa 15 Prozent der Bevölkerung von Alkohol, knappein Prozent von Opiaten und zirka zwei Prozent von Kokain abhängig. Sieben von zehn Jugendlichen haben Konsumerfahrungen mitCannabis und zirka ein Prozent ist von Spielsucht betroffen. Beim Symposium bemängelten die Experten das Fehlen epidemiologischerwissenschaftlicher Untersuchungen zu Suchterkrankungen. Außerdem wurde die Behandlung der betroffenen Patienten aus medizinischer,psychologischer und rechtlicher Sicht diskutiert.„Interdisziplinäres Symposium zur Suchterkrankung: medizinische,psychologische, psychosoziale und juristische Aspekte“ – unterdiesem Motto trafen in der Suchttherapie tätige Experten aus ganzÖsterreich am 17. und 18. Februar dieses Jahres in Grundlsee,Steiermark, zusammen. Eine breite Auswahl an Themen stand beidieser Konferenz auf der Tagesordnung – von psychiatrischen undsomatischen Begleiterkrankungen der Suchtkranken und derenTherapie über strafrechtliche Aspekte und Risiken für Ärzte, dieopioidabhängige Patienten betreuen, bis hin zu den Aufgaben derklinischen Psychologie und Sozialarbeit in der Suchtdiagnostik und-therapie.Im Rahmen des Symposiums fand auch eine Podiumsdiskussionzum Thema „Sucht als chronische Erkrankung – Akzeptanz,Herausforderungen und aktuelle Entwicklungen im Bereich derOpioiderhaltungstherapie“ statt. Dabei sprachen sich die Diskutantengegen eine Ausgrenzung von Menschen mit Suchtverhaltenund für eine Entstigmatisierung von Suchtkranken aus. Am Podiumdiskutierten Univ.-Prof. Dr. Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz,Suchtforschung und -therapie der Medizinischen UniversitätWien, Univ.-Prof. Dr. Anton Luger, Leiter der KlinischenAbteilung für Endokrinologie & Stoffwechsel der Universitätsklinikfür Innere Medizin III an der Medizinischen Universität Wien,Mag. Ulla Konrad, Präsidentin des Berufsverbands österreichischerPsychologInnen und Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer, Leiter derAbteilung für Praxis der Strafrechtswissenschaften und Medizinstrafrechtan der Johannes-Kepler-Universität Linz.Teilnehmer der Podiumsdiskussion:UNIV.-PROF. DR. ALOIS BIRKLBAUERLeiter der Abteilung für Praxis der Strafrechtswissenschaftenund Medizinstrafrecht an der Johannes-Kepler-Universität LinzUNIV.-PROF. DR. GABRIELE FISCHERLeiterin der Drogenambulanz, Suchtforschung und -therapieder Medizinischen Universität WienMAG. ULLA KONRADPräsidentin des Berufsverbands österreichischerPsychologInnenUNIV.-PROF. DR. ANTON LUGERLeiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie &Stoffwechsel der Universitätsklinik für Innere Medizin III an derMedizinischen Universität WienUniv.-Prof. Dr. Alois BirklbauerUniv.-Prof. Dr. Gabriele FischerMag. Ulla KonradUniv.-Prof. Dr. Anton Luger<strong>periskop</strong>/51 [ 38 ]


Entstigmatisierung und Verhaltensänderung bei SuchtUniv.-Prof. Dr. Fischer stellte die Problematik der Suchterkrankungdar: „Sucht ist eine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung,der Zugang zur Behandlung in Österreich ist sicher zu verbessern.Diese Krankheit muss optimal behandelt werden – wie andereauch. Suchterkrankungen sind weder ein Zeichen von Schwächenoch ein Charakterfehler, daher sind Vorurteile gegen Suchtkrankevöllig unangebracht“, betonte Univ.-Prof. Dr. Fischer eingangs.Gerade Eltern betroffener Jugendlicher seien zusätzlich zurSuchterkrankung ihres Kindes von Schamgefühlen und Schuldzuweisungenbetroffen. Neben der Behandlung mit Medikamentensei eine Verhaltensmodifi kation der Patienten notwendig. Dazubrauche es das Angebot entsprechender Schulungen. „Suchtbehandlungensollten in das Gesundheitssystem integriert werden,um neben einem verbesserten Zugang eine Entstigmatisierung zuerreichen. Die Zahl der Opioidabhängigen, die sich in Österreich ineiner ärztlich kontrollierten Opioiderhaltungstherapie befi nden, istin den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen – von etwa 4.500 aufrund 13.500. Etwa dreißig Prozent der opioidabhängigen Personenunterziehen sich einer Erhaltungstherapie. Trotzdem haben wirnoch Nachholbedarf bei der Anzahl behandelter Patienten – unserZiel ist es, möglichst viele Opioidabhängige zu erreichen“, betonteUniv.-Prof. Dr. Fischer.Univ.-Prof. Dr. Luger erklärte, dass zwar insbesondere Typ-2-Diabetikernnicht immer ausreichend Verständnis entgegengebrachtwürde und diese durch ihr häufi g bestehendes Übergewicht vonder Gesellschaft marginalisiert würden, trotzdem hätten sie einenwesentlich leichteren Stand als Menschen mit anderen Suchterkrankungen– auch was den Zugang zu Behandlungsmöglichkeitenbetreffe. Und das obwohl bei Typ-2-Diabetikern meist auch eineArt Sucht, die Ess-Sucht, die viele Parallelen zu anderen Suchterkrankungenaufweise, die Basis für die Manifestation der Erkrankungdarstelle. Univ.-Prof. Dr. Luger zeigte die Diabetestherapie alsBeispiel für Verhaltensmodifi kationen auf: „Neben Medikamentenwird in der Behandlung von Diabetes auf Verhaltensänderungengesetzt, da dadurch die Häufi gkeit von Spätkomplikationen wie Erblindung,Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen und Amputationengesenkt werden kann.“Abwertung psychischer Erkrankungenin der ÖffentlichkeitMag. Ulla Konrad erläuterte, dass gerade Psychologen wesentlichzu einer Verbesserung der Situation von Suchtkranken beitragenkönnen: „Im Suchtbereich hat unsere Berufsgruppe zwei sehrwichtige Aufgabengebiete: Zum Einen die klinisch-psychologischeDiagnostik, um auch psychische Begleiterkrankungen feststellenzu können. Der zweite Teil ist die klinisch-psychologische Behandlungmit gezielten Methoden. Hier haben wir derzeit eine Lücke inder Versorgung im niedergelassenen Bereich. Zudem besteht hinsichtlichder Entstigmatisierung und Gleichstellung der psychischenLeiden wie Suchterkrankungen mit den somatischen Krankheitennoch ein sehr großer Nachholbedarf. Gerade die Abwertung psychischerErkrankungen bekommen wir bei der breiten Öffentlichkeitschwer aus den Köpfen“, stellte Mag. Konrad fest.Besitz von Suchtgift, nicht der Konsum strafbarAus juristischer Sicht erklärte Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer dieRolle des Strafrechts, das lediglich zum Schutz von Werten eingesetztwerden dürfe, die der Staat mit anderen Maßnahmen nichtschützen könne. Das Strafrecht dürfe in einer demokratischenGesellschaft immer nur das letzte Mittel sein. „Im Suchtmittelstrafrechtist der zu schützende Wert die Gesundheit der Menschen. Indiesem Bereich macht die Gesellschaft eine grundsätzliche Ausnahmevom sonst geltenden Autonomieprinzip. So darf sich etwajeder noch so unvernünftig ernähren – er darf zum Typ-2-Diabetikerwerden –, ohne dafür bestraft zu werden. Bei Suchtmitteln ist dasallerdings anders. Obwohl der Konsum von Suchtgift in Österreichnicht strafbar ist, wird letztlich über die Strafbarkeit des Besitzesvon Suchtgift indirekt eine Kriminalisierung des Konsums und damitder eigenen Gesundheitsgefährdung erreicht. Dies ist ein gespaltenerUmgang mit dem Thema. Die Gefährdung anderer Menschendurch ein Drängen in die Abhängigkeit sollte zwar strafbar sein,nicht aber das Risikoverhalten, das ein Mensch seiner eigenen Gesundheitgegenüber an den Tag legt“, so Univ.-Prof. Dr. Birklbauerabschließend.Die Vorträge des Symposiums sind unterwww.sucht-news.at abrufbar.<strong>periskop</strong>/51 [ 39 ]


MAG. SIGRID HASLINGER DIRECTOR MARKET ACCESS & COMMERCIALOPERATIONS BEI MERCK SHARP & DOHME (MSD)„Forschungszusammenarbeitals Schlüssel zur Lösungweltweiter Gesundheitsprobleme“und der so genannten kleinen Moleküle. Unsere Pipeline ist sehrbreit gefächert und vielversprechend.P: MSD arbeitet mit zahlreichen Gesundheitsbehörden und Institutionenzusammen, um die allgemeine gesundheitsbezogene Infrastrukturin Entwicklungsländern zu verbessern und den Zugangzu Bildung, Prävention, Betreuung und Behandlung zu erleichtern.Um welche Projekte handelt es sich hier konkret?Haslinger: In den letzten Jahrzehnten hat die Gesundheitsversorgungdurch Medizin und Therapie enorme Fortschritte gemacht.Dazu haben auch zahlreiche Medikamente und Impfstoffe vonMSD beigetragen. Doch immer noch fehlen zu vielen Menschen inEntwicklungs- und Schwellenländern passende Gesundheitslösungenzur Prävention und Therapie von Erkrankungen. Forschungszusammenarbeitgilt heute als ein Schlüssel zur Lösungder weltweiten Gesundheitsprobleme. Es birgt Vorteile für alle, dasWissen innerhalb der Forschungsgemeinschaft zu teilen, denn jeschneller Erkenntnisse über Krankheiten und ihren Verlauf erzieltwerden, desto eher können auch entsprechende Therapien entwickeltwerden. MSD hat sich den UN-Millenniumszielen verschrieben,bis 2015 die Lebenssituation dieser Menschen zu verbessern,und initiiert eine Vielzahl von Projekten in der Forschung und Entwicklung– auch ohne monetäre Gewinne. Unser Unternehmen beteiligtsich zum Beispiel an der Erforschung von Krankheiten wieMalaria, die laut der WHO zu den global am dringendsten zuVON MAG. NINA BENNETT, MADie rasche Verfügbarkeit von innovativen Medikamentenam österreichischen Markt ist eines derHauptanliegen von Merck Sharp & Dohme (MSD). ImPeriskop-Interview erläutert Mag. Sigrid Haslingerihren Tätigkeitsbereich als Director Market Access &Commercial Operations bei MSD, die zukünftigentherapeutischen Schwerpunkte des Unternehmensund die Stellung von Market Access in österreichischenPharmaunternehmen. Zudem spricht sie überdas Image der Pharmaindustrie in Österreich, dieVerantwortung von Pharmaunternehmen im Hinblickauf die Förderung der Gesundheitskompetenz sowieüber konkrete Maßnahmen, die MSD in diesemBereich setzt.P: Wie definieren Sie Ihre Rolle als Director MarketAccess & Commercial Operations bei MSD? Wiekönnen wir uns Ihren Tätigkeitsbereich vorstellen?Haslinger: Meine Tätigkeitsbereiche als DirectorMarket Access & Commercial Operations bei MSDumfassen in erster Linie Pricing und Reimbursement.Diesbezüglich führe ich auch Verhandlungen mit demHauptverband. Für uns bei MSD bedeutet MarketAccess mehr als nur die Sicherstellung des Marktzugangs.In meiner Abteilung beschäftigen wir unsauch mit der gesundheitspolitischen Landschaft undnehmen jede Gelegenheit wahr, MSD als verlässlichenPartner zu positionieren. Darüber hinaus bin ichfür den Bereich Business Development und unsereDiversified Brands verantwortlich.P: Welche Ziele haben Sie sich in Ihrer Funktiongesetzt?Haslinger: Grundsätzlich geht es mir um die rascheVerfügbarkeit von innovativen Medikamenten amösterreichischen Markt. Dazu bedarf es einer gutenPartnerschaft mit relevanten Entscheidungsträgernaus dem Gesundheitswesen. Durch gemeinsameZiele und Projekte mit den Stakeholdern möchten wiran der Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystemsmitwirken und unsere Position konstant verbessern.P: Welche therapeutischen Schwerpunkte setztMSD für die Zukunft?Haslinger: Um innovative Arzneimittelforschung zugenerieren, gehört das verantwortungsbewussteHandeln gegenüber Patienten und Ärzten zu unserenLeitlinien. Das begründet auch den Erfolg unseresUnternehmens. Wir arbeiten fortwährend daran,neue Arzneimittel zu entwickeln und die Verträglichkeitund Sicherheit bereits bestehender Therapienzum Wohle der Menschen zu verbessern. Dieser Ansatzist nur mithilfe der klinischen Forschung möglich.Unsere therapeutischen Forschungsschwerpunkteliegen im Bereich der Onkologie, der Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie bei Diabetes und Stoffwechselkrankheiten,Ophthalmologie, Immunologie, Impfstoffenund „women’s health“. MSD forscht sowohlim Impfstoffsektor als auch im Bereich der Biologika


ekämpfenden Erkrankungen gehört. Die Forschung orientiert sicham besonderen Bedarf der Länder, in denen Malaria epidemischauftritt. Unabhängig von den eigenen Forschungsschwerpunktengeht MSD Kooperationen ein und macht seine Ergebnisse zugänglichbzw. überlässt anderen Partnern kostenfrei Lizenzen zurWeiterentwicklung. Um ein Beispiel zu nennen: In den HillemanLaboratories in Indien erforschen ambitionierte Wissenschaftlerauf gemeinnütziger Basis Impfstoffe für Entwicklungsländer. Mitzwei anderen führenden Pharmaunternehmen entwickelt MSDeine Krebsdatenbank – ein Novum in der Branche. So dient dasWissen allen, die Lösungen für die Behandlung von Patienten inEntwicklungsländern beschleunigen wollen. MSD ist bestrebt,durch den aktiven Austausch mit anderen Unternehmen die eigenenStärken mit jenen der anderen zu bündeln, etwa von Universitäten,Akademien und Forschungsinstituten, gemeinnützigenForschungsorganisationen oder sonstigen Initiativen.Vor allem Kooperationen prägen die Forschungspraxisbei MSD. Beispiele für Kooperationsprojekte imBereich der Forschung und Entwicklung sind: MSDWelcome Trust Hilleman Laboratories, eine Partnerschaftmit Medicines for Malaria Venture (MMV), mitder Asian Cancer Research Group (ACRG) sowie mitdem Merck Vaccine Network – Africa (MVN-A).Health-Forums Gastein Vorträge und Diskussionen über Health-Literacy statt. 2011 unterstützte MSD die Health-Literacy-Konferenzin Brüssel anlässlich der EU-Survey-Datenpräsentation. Auchim privaten Bereich bieten wir Services an, um Compliance undHealth-Outcome zu verbessern. Am Arbeitsplatz MSD fördern wirdie Gesundheitskompetenz unserer eigenen Mitarbeiter, so etwaim Rahmen des MSD-Cycle-Meetings im Jänner 2012. Schwerpunktewaren hier Bewegung, die gesunde Kaffeepause und Ähnliches.Weiters organisierten wir für unser Team im Rahmen desWelt-Diabetes-Tages Vorträge zu Ernährung und Bewegung. ImGesundheitswesen selbst unterstützen wir DMP-Programme undauf europäischer Ebene kooperieren wir mit Unternehmen ausanderen Bereichen wie E-Health. Schließlich unterstützt MSDProjekte in Forschung und Wissenschaft wie z. B. die Health-Literacy-Survey in Österreich.P: Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation im österreichischenGesundheitswesen?Haslinger: Das österreichische Gesundheitswesen steht sicherlichvor den bedeutendsten Reformen der zweiten Republik. DieWirtschafts- und Finanzkrise zwingt auch Österreich, seine Budgetmittelganz gezielt einzusetzen. In den vergangenen Tagenwurden Pakete beschlossen, Abkommen getroffen, die ihre Auswirkungenauch im Gesundheitswesen zeigen werden. Die so oftzitierte Gesundheitsreform wird nun vielleicht doch konkrete Gestaltannehmen. Wie genau sich das auswirken wird, wird sichhoffentlich im Laufe des Jahres 2012 abzeichnen. Umbrüche undReformen bedeuten, dass sich etwas verändert. Ich als Optimistinsehe diesen Veränderungen positiv entgegen.P: Wie können Qualität und Finanzierung im GesundheitssystemIhrer Meinung nach langfristig gesichert werden? Welche Problemesehen Sie?Haslinger: Ich plädiere für bessere Steuerungsmodelle, mehrTransparenz von Kosten und Leistung, gemeinsame Ziele undFinanzierung sowie die enge und gut abgestimmte Zusammenarbeitvon Bund und Ländern.P: Das Image der Pharmaindustrie wird in der Öffentlichkeit oft inein schlechtes Licht gerückt. Wirkt sich das auf Ihre Arbeit alsP: Welche Stellung nimmt Market Access IhrerAnsicht nach heute in den österreichischen Pharmaunternehmenein? Hat sie sich in den letzten Jahrenverändert?Haslinger: Für mich als Director Market Access &Commercial Operations ist die Politik ein wichtigerMarkt. Heute wird nahezu jeder Unternehmensbereichvon der Politik beeinflusst. Daher rechne ich mit einerAufwertung der Bereiche Market Access und CommercialAffairs. Die Pharmaindustrie war in der Vergangenheitstark auf die klassischen MarketingundSales-Strukturen fokussiert. Hier zeichnet sich ausmeiner Sicht ein Paradigmenwechsel ab, da die Rahmenbedingungenzunehmend komplexer werden. Ichsehe unsere Abteilung als eine Drehscheibe, in der wirhorizontal und vertikal über sämtliche Hierarchie- undFunktionsebenen agieren können und müssen.P: Welche Besonderheiten hat der österreichischeMarkt aus Ihrer Sicht im Vergleich zu anderen europäischenLändern?Haslinger: Der österreichische Markt ist durch einestarke Reglementierung gekennzeichnet, dennochist sicheres Handeln in vielen Bereichen möglich. Der Pharma-Rahmenvertrag garantiert Planbarkeit, darüber bin ich sehr froh.Dies existiert in Verbindung mit der Wirtschafts- und Finanzkrisein vielen anderen europäischen Ländern nicht mehr – speziell inSpanien und Griechenland.P: Warum sehen Sie es auch in der Verantwortung von Pharmaunternehmen,die Gesundheitskompetenz zu fördern?Haslinger: Als Unternehmen im Gesundheitsbereich hat MSDeinen ganzheitlichen Zugang zur Gesundheit. Zusätzlich zu unserenMedikamenten unterstützenwir Services und Programme, diemöglichst viele relevante Einrichtungenund Personen vereinen,um die Gesundheit gemeinsam zuverbessern. MSD unterstützt einePolitik, die die Interessen von Patientenvorantreibt, Public-Health-Themen fördert und nicht zuletzt auch den Zugang zu innovativenArzneimitteln erleichtert. Ein Weg, Bürger zu bestärken und eineaktivere Rolle hinsichtlich ihrer eigenen gesunden Lebensweiseeinzunehmen, ist Health-Literacy. In einem Gesundheitssystem,das immer umfangreicher, dynamischer und komplexer wird, sindviele Menschen überfordert und generieren dadurch unnötige finanzielleund intangible Kosten. Das wird in Österreich zusätzlich durchdie Trennung von intra- und extramuralem Bereich verschärft.Doppeluntersuchungen und Polypharmazie stehen an der Tagesordnung.In unserem eigenen Interesse sollten alle Einrichtungen –Politik, Sozialversicherung und auch die pharmazeutische Industrie– einen Beitrag zur Verbesserung der Systemorientierung derVersicherten leisten. Dies bedeutet ein Fördern von und Partizipierenan kooperationsbasierten Dienstleistungsangeboten zurInformationsvermittlung im Versorgungssystem.„Um innovative Arzneimittelforschung zugenerieren, gehört das verantwortungsbewussteHandeln gegenüber Patientenund Ärzten zu unseren Leitlinien.“P: Welche konkreten Maßnahmen kann ein Industrieunternehmensetzen, um zur Steigerung der Gesundheitskompetenz beizutragen?Haslinger: MSD engagiert sich auf vielen Ebenen, um die Gesundheitskompetenzzu fördern. In der Politik thematisiert MSDHealth-Literacy seit vielen Jahren auf europäischer Ebene, beispielsweisedurch die Abbildung der Health-Literacy-Strategie im„White Paper“ der DG SANCO seit 2008. Zudem haben wir 2010eine Lunch-Debate zu Health-Literacy im Europäischen Parlamentdurchgeführt, im selben Jahr fanden im Rahmen des European-P: Inwiefern profitiert die Pharmaindustrie von einer gesteigertenGesundheitskompetenz?Haslinger: Der Bürger hat einen dreifachen Benefit: bessere Gesundheitund Chancengleichheit auf gesellschaftlicher und individuellerEbene, gestärktes Vertrauen in die gesamte Gesundheitsbranchesowie kostendämpfende ökonomische Auswirkungen aufbetriebs- und volkswirtschaftlicher Ebene. PartnerschaftlichesHandeln ist bei immer knapper werdenden finanziellen Ressourcenund zunehmenden Reglementierungen im Gesundheitsbereich unumgänglich.Durch verbesserte Gesundheitskompetenz kann inbestimmten Bereichen Geld eingespartund somit an anderer Stellesinnvoll eingesetzt werden. Wirstellen Patienten moderne Medikamenteauf dem neuesten Wissensstandzur Verfügung. Unsere Produktesollen dort zum Einsatzkommen, wo sie benötigt werden.Ein grundsätzliches Verständnis für eine Erkrankung ist – wie wiraus vielen Untersuchungen wissen – unumgänglich für die richtigeund, wenn nötig, kontinuierliche Einnahme von Medikamenten.Dies betrifft vor allem die chronischen Krankheitsbilder wie Diabetes,Asthma und kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Förderung derGesundheitskompetenz ist aus unserer Sicht ein wichtiger undrichtiger Weg, dieses Krankheitsverständnis und damit auch dieCompliance zu verbessern. Denn Medikamente wirken nur, wennsie auch richtig eingenommen werden. Die teuersten Präparatesind bekanntlich jene, die nie eingenommen werden. Eine Untersuchungder Boston Consulting Group (BCG) bei 13.000 Patientenüber einen Zeitraum von 18 Jahren hat erhoben, dass jeder drittePatient seine Medikamente nicht richtig einnimmt, jeder vierte seinRezept nicht einlöst und jeder fünfte die Medikamenteneinnahmevor der vom Arzt bestimmten Zeit beendet.Director Market Access & Commercial Operations aus? Mit welchenSchwierigkeiten sehen Sie sich konfrontiert?Haslinger: Ich sehe mich seit vielen Jahren mit dem Versuch,das Image der Pharmaindustrie zu verbessern, konfrontiert – wieviele Kollegen anderer Unternehmen auch. Hier besteht noch vielAufholbedarf. Wir haben in der Vergangenheit große Erfolge erlebt,die dazu geführt haben, dass viele Menschen die heutigeGesundheitsversorgung als selbstverständlich ansehen. Durch erfolgreicheMedikamentenentwicklungen und Impfprogramme sindviele noch vor einigen Jahrzehnten tödliche Erkrankungen aus deröffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Obwohl die Forschungder pharmazeutischen Industrie enorme Leistungen erbringt,werden in den Medien leider oft nur negative Aspekte – und dasbesonders stark – thematisiert. Selbstverständlich gibt es auch inder Industrie Einzelfälle, in denen Kritik angebracht ist. Diesen begegnetman aber mit laufend aktualisierten Compliance-Richtlinienund einem strengen Verhaltenskodex.P: Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Ihren Kollegenim Ausland aus?Haslinger: Die Zusammenarbeit mit anderen Ländern und unserenKollegen auf europäischer und amerikanischer Ebene funktioniertausgezeichnet. Es gibt einen regelmäßigen Austausch zu einerVielzahl an spannenden Themen. Dadurch sind wir alle gut darüberinformiert, was anderswo vor sich geht, und können uns ein Bildvon möglichen Einflüssen auf Österreich machen.______________________________________________________________BioBox:Nach ihrem Studium der Wirtschaftswissenschaften an derJohannes Kepler Universität in Linz war Mag. Sigrid Haslingerbeim Marktforschungsinstitut IMAS als Projektmanagerin, beimUnternehmen Austria Collegialität in Linz als General Manager des„Austria Vital Clubs“ für Oberösterreich und bei „The point – agencyfor marketing and economical communication“ in Linz als CustomerCare Manager beschäftigt. Von 1995 bis 2000 fungierte sie als ProductManager Gynaecology bei der Schering Wien Ges. m. b. H.und fünf weitere Jahre als Business Unit Manager Dermatology.Bei Merck Sharp & Dohme Ges. m. b. H. ist Mag. Haslinger seit2005 tätig – zuerst als Marketing and Sales Manager, vier Jahrelang als Business Unit Director und schließlich seit 2010 als DirectorMarket Access & Commercial Operations.<strong>periskop</strong>/51 [ 41 ]


MAG. ANITA FRAUWALLNER PRÄSIDENTIN <strong>DER</strong> ÖSTERREICHISCHENGESELLSCHAFT FÜR PROBIOTISCHE MEDIZIN (ÖPROM)„Der Darm als Zentrum fürGesundheit und Wohlbefinden“VON SARAH JOSCHTEL, BAKK. PHIL.<strong>UND</strong> MAG. NINA BENNETT, MADer Sitz unserer Gesundheit liegt im Darm, dem größten Körperorgandes Menschen. Eine aus dem Gleichgewicht gebrachte Darmflora,Verdauungsstörungen oder das berüchtigte Reizdarmsyndromkönnen Betroffene massiv belasten. Im Periskop-Interview erläutertMag. Anita Frauwallner, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaftfür probiotische Medizin (ÖPROM), den Beginn ihrer Forschungsarbeit,die Rolle von Bakterien bei der Früherkennung vonKrebs und die zukünftige Positionierung des Darms in der Medizin.in den Griff zu bekommen, sollte immer die Untersuchung einerStuhlprobe sein. Wenn beispielsweise eine Woche lang ein Antibiotikumeingenommen werden muss, werden dabei achtzig bisneunzig Prozent der Darmflora zerstört. Um den Verlust wiederauszugleichen, sind mehrere Monate gesunder Ernährung notwendig:viel Obst, Gemüse, Vollkorn- und probiotische Milchprodukte– und möglichst ab dem Beginn ein spezielles Probiotikumgegen die mit Antibiotika assoziierten Nebenwirkungen.P: Wann kam Ihnen im Laufe Ihrer Forschungsarbeit der Gedanke,ein Buch über Ihre Erkenntnisse zu publizieren? Und wiewar das Echo auf Ihr Buch?Frauwallner: Als ich immer öfter gefragt wurde, wie der Darm aufnatürliche Weise selbstständig in Ordnung gehalten werden könne,wuchs mein Wunsch, meine Erfahrungen auf eine für jedermannverständliche Weise aufzuschreiben. Ich wollte kein Fachbuch fürSpezialisten schreiben, sondern eines, das an einem verregnetenSamstagnachmittag auf erheiternde Weise informiert. Es sollteSchleusen öffnen, um das Thema Darmprobleme in der Öffentlichkeitzu enttabuisieren und eine offenere Kommunikation darüber zuentfachen. Aktuell erscheint die zweite Auflage meines Buchs, unddas Feedback ist durchwegs positiv. Ich lebe mit Begeisterung vor,was ich schreibe. Daher probieren die Menschen meine Ratschlägegerne aus, um dieselben positiven Erfahrungen zu machen.P: Welche Rolle wird der Darm zukünftig in der Medizin einnehmen?Frauwallner: Vor noch etwa zwanzig Jahren wurde der Darm einzigund allein als Verdauungsrohr gesehen. Doch heute ist bekannt,wie sehr er unseren gesamten Körper beeinflusst. Deshalb wird derDarm in fast allen medizinischen Gebieten mehr berücksichtigt, egalob nun von Orthopäden, Rheumatologen oder Ophthalmologen.Die neueste Forschung entwickelt sichhin zur personalisierten Medizin, in welcher der Darmein fester Bestandteil ist. Heute kennen wir bereitseinige Bakterienarten, die nurvorkommen, wenn die Gefahreiner Darmkrebserkrankungbesteht. Es wird dadurcheinmal möglich sein, nur überdie Darmbakterien Screeningprogrammezu entwickeln,die heute noch zu kostspielig wären.„Bei der Behandlungvon Krankheiten müssenDarmbakterien künftigmehr Beachtung finden.“_________________________________________________BioBox:Nach ihrem Studium der Sprachwissenschaften an derUniversität Graz war Mag. Anita Frauwallner Besitzerineiner der ältesten Grazer Apotheken. Im Jahr 1992übernahm sie die Leitung des Instituts Allergosan,eines Zentrums für innovative naturheilkundliche Forschungmit dem Schwerpunkt auf der Entwicklungmedizinisch relevanter Probiotika. Seit 2007 fungiertdie geborene Steirerin als Präsidentin der ÖsterreichischenGesellschaft für probiotische Medizin (ÖPROM),die als Ziel die Fortbildung von Ärzten und Apothekernim Bereich der präventiven Medizin verfolgt.P: Seit wann beschäftigen Sie sich mitDarmgesundheit und Probiotika?Frauwallner: Die intensive Beschäftigungergab sich aus einer privaten Erfahrung.Mein verstorbener Mann, derselbst als Arzt praktizierte, litt an Colitisulcerosa, einer chronisch-entzündlichenDarmerkrankung. Durch einen von mirausgearbeiteten Ernährungsplan und regelmäßigeKontrollen konnte er mehr alszehn Jahre gut mit der Erkrankung leben,bis schließlich Darmkrebs diagnostiziertwurde. Trotz des Einsatzes vonSchulmedizin in Kombination mit alternativenHeilmethoden konnte ihm nichtgeholfen werden. Später wurde ichdurch Zufall mit einem holländischenWissenschaftler bekannt, der sich mit probiotischen Bakterienbeschäftigte. Durch den Austausch mit ihm wurde mir bewusst,dass der Einsatz probiotischer Bakterien bei der Krebsbehandlungmeines Mannes vielleicht ein anderes Ergebnis gebrachthätte. Bei der Behandlung von Krankheiten müssenDarmbakterien künftig mehr Beachtung finden.P: Welche Beschwerden gehen mit einer defekten Darmflora einher?Wozu raten Sie von Darmproblemen Betroffenen?Frauwallner: Der Darm ist aufgrund seiner riesigen Fläche von300 bis 400 Quadratmetern enorm anfällig für Entzündungen, diesich im gesamten Körper verteilen. Für viele Krankheiten findensich die Ursachen im Darm, darunter Rheuma, Arthritis, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Migräne. Da es sich beimDarm zudem um ein hormonproduzierendes Organ handelt, nehmenhier auch Depressionen, Stimmungsschwankungen undRastlosigkeit ihren Anfang. Der erste Schritt, um DarmproblemeP: Inwieweit beeinflussen der Darm und diedarin existenten Bakterien den menschlichenOrganismus?Frauwallner: Der Darm ist, je nach Auslegung,das Zentrum für Gesundheit und Wohlbefindenoder auch für Krankheit und Tod. Dieim Darm vorkommenden Bakterien spieleneine große Rolle, da sie unsere Nahrung soverarbeiten, dass wir sie aufnehmen und verwertenkönnen. In einem gesunden Darmwerden Eindringlinge und Giftstoffe durchprobiotische Bakterien sofort unschädlich gemacht.Diese Symbiose bewirkt, dass dieBakterien die Darmzotten von gärenden undfaulenden Resten reinigen, für die Aufnahmevon lebenswichtigen Nahrungsbestandteilensorgen und unser Immunsystem ankurbeln.Das Lebensumfeld der Bakterien sollte nicht zerstört werden, dasie sonst nicht mehr in der Lage sind, das „Gesamtsystem“ Menschinstand zu halten. Bei einem erkrankten Darm funktioniert diesesWechselspiel nicht mehr. Das Zentrum unseres Lebens ist unserDarm, daher halte ich auch die Arbeit von entsprechenden Vereinenwie „Darm Plus – CED Initiative Österreich“ für eine gute Möglichkeit,die Aufmerksamkeit für die Darmgesundheit zu erhöhen.P: Bestehen Zusammenhänge zwischen Darmgesundheit und denübrigen Körperfunktionen, die erst bekannt und erforscht werden?Frauwallner: Probiotik wird immer mehr zu einem vorrangigenThema. Derzeit wird viel in die Grundlagenforschung investiert,da man künftig durch gezielte Maßnahmen mehr Augenmerk aufdie Sanierung des Darms und des Verdauungssystems legenwird. Eine Vielzahl an Krankheiten wie Rheuma, Herz- Kreislauf-Erkrankungen oder Allergien werden nicht mehr behandelt werdenkönnen, ohne den Darm zu berücksichtigen.BUCHVORSTELLUNG:„Was tun, wenn der Darm streikt?“Mehr als die Hälfte der in den westlichen Ländern lebendenMenschen leiden unter Verdauungsproblemen.Da nur selten Krankheiten die Ursache für die Beschwerdensind, ist die Schulmedizin oftmals hilflos,während Betroffene meistens über eine massive Minderungder Lebensqualität klagen. Der interessante und leicht verständlicheRatgeber von Mag. Anita Frauwallner mit dem Titel „Wastun, wenn der Darm streikt?“ vereint auf humorvolle Weise Bewährtesaus der Ganzheitsmedizin mit den neuesten Erkenntnissen aus derForschung. Die Expertin für Darmgesundheit bietet Antworten aufinteressante Fragen, etwa auf welche Weise man Probiotika sinnvolleinsetzen kann, wann Vitamine aus der Apotheke benötigt werdenund welche Mittel die Naturheilkunde bei chronischen Beschwerdenbietet. Der Ratgeber erschließt mit vielen anregenden Tipps undInformationen einen neuen Zugang zu einem bedeutsamen Thema.Der Weg zu einem gesunden Darm:3 Ausreichende Bewegung an der frischen Luft zu jederJahreszeit hält den Darm auf Trab3 Viel Gemüse, reifes Obst, Naturreis und Kartoffelnzu sich nehmen3 Auf Abführmittel verzichten, da sie bei häufiger Anwendungeine natürliche Stuhlregulierung verhindern3 Täglich zwei Liter Wasser trinken, um Giftstoffe ausdem Organismus zu schwemmen3 Die Kraft der Papaya nutzen, denn die tropische Fruchtist das basischste aller Lebensmittel und besondersreich an Enzymen und Aminosäuren3 Regelmäßig Darmbakterien wie Laktobazillen, Enterokokkenund Bifidobakterien aufnehmen, denn sieschützen vor schädlichen Stoffen, die mit der Nahrungin den Darm gelangen3 Den Darm mindestens einmal jährlich mit entsprechendenKräuterauszügen entgiften, um faulende undgärende Nahrungsreste zu entfernen.<strong>periskop</strong>/51 [ 42 ]


Tagung Medizin und Ethik:Krankheit als Lebensstil? Wege und IrrwegeLogo Europäisches Forum Alpbach (2009) CMYKMAG. NINA BENNETT, MAIm Rahmen der Tagung des Europäischen Forums Alpbach„Medizin und Ethik: Krankheit als Lebensstil? Wege und Irrwege“fand am 5. und 6. Oktober 2011 in Wien die Paneldiskussion„Eigenverantwortung und Selbstbestimmung“ statt. Die Expertendiskutierten über das Verhältnis von Arzt und Patient, die immerdringendere Forderung nach Eigenverantwortung und Selbstbestimmungdes Patienten sowie die geistige Verfassung vonPatienten und ihre Handlungsmöglichkeiten im Krankheitsfall. DieVeranstaltung des Europäischen Forums Alpbach fand in Kooperationmit der Österreichischen Ärztekammer und der Ärztekammerfür Wien statt.Diskussionsteilnehmer (alphabetische Reihung):• DR. ALENA BUYX, StellvertretendeDirektorin, Nuffi eld Council onBioethics, London• DKFM. MAG. THEOL. GREGORULRICH HENCKEL-DONNERS-MARCK, Abbas emeritus, StiftHeiligenkreuz, Heiligenkreuz• MAG. BIRGIT KRAFT-KINZ,Geschäftsleitung, Beratungsunternehmenfür KommunikationKRAFTKINZ GmbH, Wien• MAG. DR. DORIS PFABIGAN,wissenschaftliche Projektmitarbeiterin,Institut für Philosophie, UniversitätWienModeration: UNIV.-PROF. DR. ANITARIE<strong>DER</strong>, Professorin für Sozialmedizinund Curriculumdirektorin für Humanmedizin,Medizinische Universität Wien,Referentin für Public Health und Sozialmedizin,Ärztekammer für WienIn seiner Begrüßungsrede wies Dr. WalterDorner, Präsident der ÖsterreichischenÄrztekammer, auf die zu hinterfragendeEntfremdung vom eigenen Körperhin, wenn Schönheit und Erfolg gleichgesetztwürden. Die Gesundheit würdefür diese Werte immer bedenkenlosergeopfert. Ein deutliches Alarmzeichenwäre etwa die Entwicklung, dass sichMädchen zur Matura nicht mehr denFührerschein, sondern eine Brustvergrößerungwünschten. Dr. Dorner appelliertean die Verantwortung von Medizinerngegenüber der Gesellschaft: Siesollten ihr eigenes Handeln – zum Beispieldie Verschreibung von Dopingmittelnoder medizinisch unnotwendigechirurgische Eingriffe – in Zukunft kritischerbetrachten.Univ.-Prof. Dr. Anita RiederDr. Alena BuyxDr. Erhard BusekEigenverantwortung undSelbstbestimmung von PatientenDie Paneldiskussion „Eigenverantwortungund Selbstbestimmung“ beschäftigtesich mit den Leitfragen: Wie vielMag. Dr. Doris PfabiganEigenverantwortung ist Patienten zumutbar?In welcher kognitiven Verfassung sind von einer KrankheitBetroffene und deren Angehörige? Wie stellen sich Eigenverantwortungund Selbstbestimmung aus religiöser und philosophischerSicht dar? Und welche Rolle spielt das Arzt-Patienten-Verhältnis? Die Moderatorin Univ.-Prof. Dr. Anita Rieder,Professorin für Sozialmedizin und Curriculumdirektorin für Humanmedizinder Medizinischen Universität Wien sowie Referentinfür Public Health und Sozialmedizin der Ärztekammer für Wien,eröffnete die Diskussion mit der Frage, ob Patienten generell dieMöglichkeit hätten, Eigenverantwortung und Selbstbestimmungfür ihre Gesundheit zu ü bernehmen. Dr. Alena Buyx, StellvertretendeDirektorin vom Nuffi eld Council on Bioethics in London,erläuterte, dass für eine Zuweisung von Eigenverantwortung dreiwichtige Fragen beantwortet werden sollten: „Erstens müssenwir herausfi nden, welches Verhalten eines Patienten zu einemKrankheitszustand geführt hat. Es besteht zweitens ein grundsätzlicherDissens darüber, ob das Gesundheitsverhalten einesMenschen bereits in der Kindheit stark geprägt wurde oder ob ersich immer wieder frei für eine bestimmte Handlung entscheidet,zum Beispiel bei der Ernährung. Und drittens ist unklar, welcheKonsequenzen wir im Gesundheitswesen ziehen wollen, wenndie beiden ersten Fragen beantwortet sind – ignorieren wir denpersönlich verantworteten Gesundheitszustand oder ‚strafen‘wir? Hinsichtlich der letzten Frage bietet der ‚libertäre Paternalismus‘interessante neue Ansätze. Diese sollen Menschen helfen,bessere Entscheidungen zu treffen, als sie es von sich aus täten,ohne Zwang und ohne Strafen“, so Dr. Buyx. Um das Verhaltenvon Menschen im Alltag zu verändern, könnte ein „Nudge“ – einso genannter Stups – eingesetzt werden. Hier machen sich dieVerantwortlichen die menschliche Natur zunutze: zum Beispielunsere Trägheit und unseren Mangel an Selbstbeherrschung. ImZweifel neigen Menschen dazu, eher nichts zu tun, selbst wenndie Kosten einer Veränderung unbedeutend sind. Zudem fällt unsSelbst beherrschung oft schwer. „Ein offensichtliches Beispiel istdie alarmierende Zahl an Übergewichtigen. Die meisten vonihnen wären gern schlanker, können sich selbst aber nicht zuSport oder einer Diät überreden“, erklärte Dr. Buyx weiter. Einsanfter Stups könnte helfen, wie zum Beispiel die Veränderungdes Essensangebots in der Kantine.Aus Sicht der Religion:keine absolute Selbstbestimmung bei KrankheitAbbas emeritus des Stiftes Heiligenkreuz, Dkfm. Mag. theol. GregorUlrich Henckel-Donnersmarck, sprach über die Auto nomie undMoral des Menschen im Allgemeinen: „Da der Mensch AbbildGottes ist, ist dieser zu verantwortlicher Selbstbestimmung berufen.In dieser Welt ist er auch Krankheit und letztlich dem TodLogo Europäisches Forum Alpbach (2009) Pantone 300 Uausgesetzt.“ Der Mensch soll demnach das eigeneLeben und das Leben anderer, seine Gesundheit und dieGesundheit anderer schützen, pfl egen und erhalten. Krankheitensollen nach Möglichkeit geheilt oder in menschlicher Würdegetragen werden. Gerade wegen seiner Berufung zu verantwortlicherSelbstbestimmung sei der Mensch aber nicht völlig frei,Logo Europäisches Forum Alpbach (2009) RGBsondern zu wertvollen Entscheidungen berufen.Auch bei Krankheit – Vertrauen als Basisjeder KommunikationLogo Europäisches Forum Alpbach (2009) SWMag. Birgit Kraft-Kinz, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmensfür Kommunikation KRAFTKINZ GmbH in Wien, wies inweiterer Folge auf die Bedeutung des Arzt-Patienten-Verhältnisseshin und erläuterte, welche Rolle„Vertrauenskapital“ im Zusammenhangmit Eigenverantwortung und Selbstbestimmungspielt. Sie erklärte, dassVertrauen Basis jeder Kommunikation sei.„Vertrauen ist die Grundlage für die Annahmeärztlicher Dienstleistungen. Ärztetragen enorm viel Verantwortung, da siedurch ihr Handeln und ihre Kommunikationeben jenes Vertrauenskapital aufbauenkönnen“, so Mag. Kraft-Kinz. Weiters betontesie, dass mündige Patienten durchDkfm. Mag. theol. Gregor Ulrich Henckel-Donnersmarckihre Erkrankung zugleich auch persönlichhöchst betroffen seien. Dadurch seien siefür jede erdenk liche Information sensibilisiertund würden auf zahlreiche Detailsachten. Authentische und empathischeKommunikation vonseiten des Arztes seialso wichtig. „Eine Krankheitssituationgeht in den meisten Fällen mit Angst einher.Eigenverantwortung und Selbstbestimmungverändern das Bedürfnis desPatienten nach vertrauensvollem UmgangMag. Birgit Kraft-Kinzmit dem behandelnden Arzt nicht. Nachwie vor ist der Arzt zum Ausbau desVertrauens kapitals aufgefordert, um demPatienten ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln“,ist sich Mag. Kraft-Kinz sicher.MR. Dr. Walter DornerWie wird Eigenverantwortungzu- oder abgesprochen?Mag. Dr. Doris Pfabigan, wissenschaftlicheProjektmitarbeiterin am Institut fürPhilosophie an der Universität Wien,machte darauf aufmerksam, dass kaumein Terminus in den Debatten um Ethikund Moral so stark strapaziert wird wieAutonomie und der oft synonym dazu verwendeteBegriff der Selbstbestimmung.„Im Gesundheitsbereich gelten Selbstbestimmungund Eigenverantwortung desPatienten als das Ideal. Doch geht es tatsächlichimmer um die Selbstermächtigungund die Interessen der Patienten?Und wie sollen jene Menschen, die überkeinen oder nur sehr begrenzten Zugangzu gesellschaftlichen Ressourcen verfügen,mit der stetig lauter werdendenForderung nach Eigenverantwortung umgehen?“,stellte Mag. Dr. Pfabigan in den Raum.Klare und einfache Kommunikation schafft SicherheitDr. Buyx erläuterte in der Diskussion, dass es um die verständlicheKommunikation des Arztes gehe. Es gäbe demnach immerwieder Fälle, in denen Patienten Schwierigkeiten haben, die gesagtenInhalte ausreichend zu verstehen. „Hier ist der Arztgefragt, sein sprachliches Niveau an jenes des Patienten anzupassenund die kognitiven Einschränkungen Betroffener mitzuberücksichtigen“,so Dr. Buyx. Eltern hätten zum Beispiel zehnMinuten nach einem Gespräch mit dem Arzt über die Operationihres Kindes die meisten Inhalte bereits wieder vergessen.Mag. Kraft-Kinz stellte hierzu fest: „Klare und einfache Kommunikationgibt Menschen ein Sicherheitsgefühl. Durch Betonung desDialogs und durch die umfassende Information des Patientenwerden Interpretationen verhindert. Zudem wird das Nachfragenermöglicht und die Angst minimiert.“<strong>periskop</strong>/51 [ 43 ]


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