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„HAND UND FUSS SIND DER BESTE ARZT“ - periskop

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UNIV.-PROF. DR. ERICH POHANKA PRÄSIDENT <strong>DER</strong>ÖSTERREICHISCHEN GESELLSCHAFT FÜR NEPHROLOGIE (ÖGN)„Das Herz ist emotionalbesetzt, die Niere nicht“VON SARAH JOSCHTEL, BAKK. PHIL.<strong>UND</strong> MAG. NINA BENNETT, MADie Zahl der Dialysepatienten und Nierentransplantierten hat sich inder letzten Dekade nahezu verdoppelt. Vor allem Erkrankungen wiediabetische Nephropathie, arterielle Hypertonie und vaskuläreNierenerkrankungen haben einen jährlichen Zuwachs an dialysepflichtigenPatienten von sechs Prozent verursacht, wodurch eswiederholt zu Engpässen in der Versorgung mit Dialyseplätzenkommt. Univ.-Prof. Dr. Erich Pohanka, der im Zuge der gemeinsamenJahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie(ÖGN) und der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie(ÖGH) im November 2011 für die nächsten beiden Jahre zum Präsidentender ÖGN gewählt wurde, nimmt im Periskop-Interview zudiesen Aspekten Stellung.P: Existieren zur Förderung der Früherkennung und Vorsorge hinsichtlichNierenerkrankungen auch Partnerschaften mit Allgemeinmedizinern?Pohanka: Die Allgemeinmediziner würden für uns eigentlich einebesonders wichtige Stellung einnehmen, leider ist die Bereitschaft,sich nephrologischen Themen zuzuwenden, nicht in dem Ausmaßgegeben. Ein wichtiger Aspekt ist deshalb die Stärkung der Wahrnehmungder Nephrologie und der Nephrologen in der Öffentlichkeitwie auch bei der Kollegenschaft. Das Bild vom Arzt, der sicheinzig um den Dialysepatienten kümmert, istschlichtweg falsch. Nephrologen sind nicht Dialysedoktoren,sondern diejenigen, deren Aufgabe esP: Ist der Kardiologe populärer als der Nephrologe?Pohanka: Auf jeden Fall ist der Kardiologe bekannter. Das Herz isttraditionell ein emotional besetztes Organ, die Niere nicht. DieKomplexität ihrer zahlreichen Aufgaben – im Wesentlichen die Aufrechterhaltungder intra- und extrazellularen Homöostase im Körper– ist bestimmt nur wenigen Menschen bewusst. Außerdem sindExkremente nun einmal nicht appetitlich. Hinzu kommt, dass Nierenerkrankungenvergleichsweise nur wenige Menschen betreffen.Nahezu jeder kennt jemanden, der einen Herzinfarkt hatte, abernicht jeder kennt einen Dialysepatienten. Man darf auch nicht vergessen,dass die Kardiologie als eine eigene, unverwechselbareSubdisziplin wahrgenommen wird, während Nierenerkrankungenin der Öffentlichkeit oft automatisch mit dem Fach Urologie assoziiertwerden.P: Ist es notwendig, österreichweit für eine bessere Vernetzungvon Behandlungsangeboten zu sorgen?Pohanka: Mit Sicherheit, um die adäquate Behandlung der Patientenlandesweit zu gewährleisten. Im Rahmen von Reformenund Einsparungen existiert häufig die Ansicht, dass man von derAuslagerung der Leistungen aus dem intramuralen in den extramuralenBereich profitieren könne. Bei der Nephrologie funktioniertdas jedoch nicht, denn dazu sind niedergelassene Spezialisten inder Praxis notwendig. Niedergelassene Nephrologen finden sichaber nur sehr vereinzelt. Hier wären Sonderverträge mit Refundierungder speziellen Leistungen notwendig.P: Legen die einzelnen Bundesländer unterschiedlich viel Wert aufdie Bedeutung der Nephrologie?Pohanka: Davon ist auszugehen. Allerdings sind wir besondersengagiert, gerade in jenen„Das Ziel muss sein, die insgesamtkostengünstigste, aber auch effektivsteund beste Behandlungsformfür den Patienten zu finden.“Bundesländern, in denen dieDisziplin weniger präsent ist,das Bewusstsein zu stärkenund die Thematik positiv darzustellen.P: Gibt es neben der nephrologischenVersorgung noch weitere Aufgabengebiete,die Sie anstreben?Pohanka: Im Besonderen ist es unser Anliegen, einenBeitrag zur ökonomischen Behandlung der Patientenzu liefern, denn gerade in der Nephrologie sind überausteure Therapiemethoden im Einsatz. Damit möglichstallen Patienten die bestmögliche Behandlung zurVerfügung gestellt werden kann, müssen die vorhandenenRessourcen entsprechend ökonomisch eingesetztwerden. Nur so kann garantiert werden, dassinnovative Therapien mit gesicherter Indikation den Patientenauch in Zukunft zur Verfügung stehen werden.Unabhängig davon, was sie kosten.P: Welche Themen und Ziele verfolgen Sie während Ihrer Präsidentschaft?Pohanka: Die ÖGN ist in erster Linie eine wissenschaftliche Gesellschaftzur Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Nierenerkrankungenund der Nierenersatztherapie, deren Ziele klar definiertsind. Sie ist ein Netzwerk der nephrologisch tätigen Ärzte in Österreichund dient dem Wissensaustausch der Kollegen. Dementsprechendfinden regelmäßig Veranstaltungen und Workshops fürNephrologen, aber auch für Internisten statt, die nicht direkt aufdiesem Gebiet spezialisiert sind. Zudem ist es unser Ziel, die Forschungsarbeitweiterhin zu intensivieren und diese vermehrt zu fördern.Die ÖGN sitzt aber nicht im Elfenbeinturm der Wissenschaft,sondern beschäftigt sich auch mit sozialen und gesundheitspolitischenFragen, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.P: Ist in Österreich eine ausreichende nephrologische Infrastrukturgegeben?Pohanka: Die Infrastruktur ist regional unterschiedlich, denn esgibt Gebiete, die nephrologisch sehr gut versorgt sind, undandere, in denen Aufholbedarf besteht. Es ist auf jeden Fall Zielder ÖGN, diesem Bedarf nachzukommen und die Versorgungder Patienten durch Gewährleistung einer umfassenden nephrologischenInfrastruktur in ganz Österreich zu sichern. Dies mussbesonders im Angesicht der derzeit notwendigen und geplantenSparmaßnahmen von oberster Priorität sein. Der Vorstand derÖGN sieht seine Aufgabe deshalb auch in der Wahrung von politischenKontakten, um diesen Bestrebungen entsprechendnachkommen zu können.ist, das Fortschreiten der Krankheit zu verzögern,damit der Patient nicht oder erstmöglichst spät an die Dialyse kommt – dasist das eigentliche Ziel der Nephrologie.P: Leidet unter diesen Umständen dieFrüherkennung von Nierenerkrankungen?Pohanka: Man darf nicht vergessen, dassNierenerkrankungen in den seltensten Fällenschmerzhaft sind. Deshalb werden sievon den Patienten oft viel zu spät bemerkt.Manche Menschen gehen nicht regelmäßigoder erst sehr spät zum Arzt. Generell leidetdie Früherkennung von Nierenerkrankungendort nicht, wo die regionale nephrologischeInfrastruktur vorhanden ist. Die meistenPatienten werden dann auch rechtzeitig anSpezialisten verwiesen. Jedenfalls darf einerenale Erkrankung im Frühstadium kein Anlass für therapeutischenNihilismus sein.P: Wie dringend werden Reformen benötigt?Pohanka: Es stellt sich eher die Frage, wie hoch dieBereitschaft für Reformen ist. Wenn im System einernsthaftes Problem erkannt wird, so sollten Politikergenerell bereit sein, darüber zu diskutieren, Lösungenzu finden und diese auf raschem Wege umzusetzen.Doch die Entwicklung von Maßnahmen dauert oft zulange und ist meist nicht umfassend genug. MeinerAnsicht nach wird eine Gesundheits- und nicht eineSpitalsreform benötigt, denn schließlich liegt dasProblem nicht ausschließlich bei den Spitälern – dasgesamte System ist problematisch, auch niedergelasseneKollegen sind betroffen. Es wird unbedingt einegemeinsame Finanzierung benötigt. Reform darf nichtnur bedeuten, dass Kosten von einem Kostenträgerzum anderen verschoben werden, der sich dann wiederumdagegen wehrt. Das Ziel muss sein,die insgesamt kostengünstigste, aber aucheffektivste und beste Behandlungsform fürden Patienten zu finden. Um das zu erreichen,müssen beide Bereiche, der extramurale undder intramurale, optimal vernetzt werden.______________________________________BioBox:Prim. Univ.-Prof. Dr. Erich Pohanka ist Leiterder II. Medizinischen Abteilung mit SchwerpunktNephrologie am AKH Linz. Nach demAbschluss des Medizinstudiums an derUniversität Wien folgte die Ausbildung zumFacharzt für Innere Medizin. Er besuchte dieUniversity of California in San Francisco undabsolvierte im Anschluss eine Ausbildungzum Additivfacharzt für Nephrologie. Vor derÜbernahme der Leitung der II. Medizinischen Abteilung 2009 warPrim. Univ.-Prof. Dr. Pohanka als Oberarzt der Abteilung Nephrologieund Dialyse an der Universitätsklinik für Innere Medizin III amWiener AKH tätig. Im November 2011 wurde er zum Präsidentender Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie (ÖGN) gewählt.Seit 2010 ist er außerdem Präsident von Austrotransplant undösterreichischer Vertreter im Vorstand und im Beirat von Eurotransplant.Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sindNieren- und Hochdruckerkrankungen sowie die Nachsorge nachNierentransplantationen.<strong>periskop</strong>/51 [ 17 ]

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