Wie gelingt die Leistungsbalance? - Medplus-kompetenz
Wie gelingt die Leistungsbalance? - Medplus-kompetenz
Wie gelingt die Leistungsbalance? - Medplus-kompetenz
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Zeitschrift für<br />
Herz-, Thorax- und<br />
Gefäßchirurgie<br />
Elektronischer Sonderdruck für<br />
J. Hollmann<br />
Ein Service von Springer Medizin<br />
Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2013 · 27:222–226 · DOI 10.1007/s00398-012-0970-2<br />
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013<br />
J. Hollmann · A. Geissler<br />
<strong>Wie</strong> <strong>gelingt</strong> <strong>die</strong> <strong>Leistungsbalance</strong>?<br />
Coping, Resilienz und Neuronen: So bleiben Klinikärzte Chef „im eigenen Haus“<br />
Diese PDF-Datei darf ausschließlich für nicht kommerzielle<br />
Zwecke verwendet werden und ist nicht für <strong>die</strong><br />
Einstellung in Repositorien vorgesehen – hierzu zählen<br />
auch soziale und wissen schaftliche Netzwerke und<br />
Austauschplattformen.
Karriere und Perspektiven<br />
Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2013 · 27:222–226<br />
DOI 10.1007/s00398-012-0970-2<br />
Online publiziert: 22. März 2013<br />
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013<br />
Zusatzmaterial online<br />
Dieser Beitrag enthält zusätzlich eine Zusammenstellung<br />
von Meditationsübungen und<br />
eine Literaturliste zur Wirksamkeit von Sport<br />
und Meditation.<br />
Dieses Supplemental finden Sie unter<br />
dx.doi.org/10.1007/s00398-012-0970-2.<br />
J. Hollmann 1 · A. Geissler 2<br />
1<br />
medplus-<strong>kompetenz</strong>®, Bötersheim<br />
2<br />
Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin, Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart<br />
<strong>Wie</strong> <strong>gelingt</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Leistungsbalance</strong>?<br />
Coping, Resilienz und Neuronen: So bleiben<br />
Klinikärzte Chef „im eigenen Haus“<br />
„Der Mensch ist in <strong>die</strong> Welt geworfen<br />
und sein Streben richtet sich darauf,<br />
<strong>die</strong> Gestaltungsmacht über das<br />
eigene Leben (wieder) zu gewinnen“.<br />
Der Satz des Philosophen Martin Heidegger<br />
(1889–1976) hat an Aktualität<br />
nichts eingebüßt. Nutzen Sie in Ihrer<br />
Lebensgestaltung Ihre Potenziale<br />
wirklich vollumfänglich? <strong>Wie</strong> reagieren<br />
Sie, wenn <strong>die</strong> Dinge nicht so laufen,<br />
wie Sie sich das vorgestellt haben?<br />
Woran richten Sie Ihre Ziele aus?<br />
In <strong>die</strong>sem Beitrag verzichten wir weitestgehend<br />
darauf, über <strong>die</strong> Kontexte<br />
zu schreiben, <strong>die</strong> Sie nicht verändern<br />
können oder <strong>die</strong> im Gestaltungsbereich<br />
der Klinikverwaltung liegen.<br />
Diese Aspekte haben wir in Teil 1 unserer<br />
Serie behandelt („Macht <strong>die</strong><br />
Klink Ärzte krank?“) und Ihnen Anknüpfungspunkte<br />
aufgezeigt, an denen<br />
Sie ein verantwortungsvolles<br />
Handeln der Klinikleitung einfordern<br />
können. In <strong>die</strong>sem Beitrag geht es um<br />
Denk- und Handlungsweisen, mit denen<br />
Sie auch in schwierigen Situationen<br />
Gelassenheit wahren. Wir bieten<br />
verschiedene Ansätze. Welchen Weg<br />
Sie bevorzugen, entscheiden Sie allein.<br />
Dieser Beitrag ist Teil 3 der Serie: Strategien für<br />
eine wirksame Stresskontrolle und Burn-out-<br />
Prävention für ärztliche Verantwortungsträger.<br />
Coping und Resilienz – wie Ärzte<br />
Herr der Situation bleiben<br />
Es gibt im ärztlichen Alltag eine Vielzahl<br />
von Situationen, <strong>die</strong> Sie nicht ändern können.<br />
Schwer erfüllbare ökonomische Anforderungen,<br />
Grenzverweildauern, Anfragen<br />
des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung<br />
(MDK), „case mix index“<br />
(CMI) usw. Neben den wohl bekannten<br />
Strategien („love it, leave it or change it<br />
– or endure it“) gibt es weitere Handlungsmöglichkeiten.<br />
Der Schlüssel liegt in Ihrer<br />
Haltung – zur Situation und zu Ihrem eigenen<br />
Handeln und Denken. Auf <strong>die</strong> aktuell<br />
belastende Situation bezogen, gibt es 6 Coping-Strategien,<br />
um das „Gesicht zu wahren“<br />
und als Sieger, zumindest aber mit einem<br />
Patt herauszukommen. Ein resilienter<br />
Klinikarzt empfindet <strong>die</strong> Situation von Beginn<br />
an nicht in der Schärfe oder Schwere<br />
wie der Kollege, der <strong>die</strong>se spezielle Präventivstrategie<br />
(noch) nicht beherrscht.<br />
Sechs Coping-Strategien – <strong>die</strong><br />
aktuelle Situation planvoll meistern<br />
Coping – aus dem Englischen abgeleitet<br />
(„to cope“: überwinden) – bezeichnet<br />
Handlungsstrategien, um stressbelastete<br />
Situationen planvoll zu bewältigen. Die<br />
Coping-Forschung [1] unterscheidet zwischen<br />
fallbezogenen und emotional-kognitiven<br />
Bewältigungsstrategien. Beim fallbezogenen<br />
Coping lenkt der Arzt sein Augenmerk<br />
auf das konkrete Situationserfordernis<br />
– ein Beispiel:<br />
Bei der Fertigstellung der Audit-Protokolle<br />
gerät Dr. B. jedes Mal unter Zeitdruck.<br />
Er könnte überprüfen, wie er <strong>die</strong> notwendigen<br />
Tätigkeiten und Informationen besser<br />
delegieren und wieder bündeln kann.<br />
Entscheidend beim emotional-kognitiven<br />
Coping ist das Einbeziehen weiterer<br />
Faktoren und Einstellungen anderer Situationsbeteiligter<br />
– ein Beispiel:<br />
Dr. F. ist bereits mehrfach bei der Klinikverwaltung<br />
vorstellig geworden, weil er<br />
dringend eine Personalaufstockung für seine<br />
Abteilung braucht, holt sich aber jedes<br />
Mal erneut eine Absage. Hartnäckig lässt<br />
er sich in der nächsten Woche erneut einen<br />
Termin geben, irgendwann wird er schon<br />
durchdringen.<br />
Infobox 1 Sechs Coping-<br />
Strategien<br />
F Konfrontierender Stil: Ich halte <strong>die</strong> Stellung<br />
und kämpfe für meine Position<br />
F Verleugnender Stil: Ich tue so, als sei nichts<br />
geschehen<br />
F Distanzierter Stil: Das ist nicht meine<br />
Baustelle<br />
F Kommunikativer Stil: Ich spreche mit<br />
einem Dritten, der vielleicht einen<br />
konstruktiven Beitrag leisten kann<br />
F Aussitzender Stil: Ich hoffe, dass sich <strong>die</strong><br />
Situation von selbst erledigt – bekannt<br />
v. a. in der Gesundheitspolitik<br />
F Antizipierender Stil: Ich stelle mir vor, wie<br />
sich <strong>die</strong> Dinge weiterentwickeln, wenn<br />
ich mich in einer bestimmten Weise<br />
verhalte<br />
222 | Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 3 · 2013
Abb. 1 9 Säulen der<br />
Resilienz. (Mod. nach [11])<br />
Abb. 2 9 Telomerase<br />
verhindert <strong>die</strong><br />
Telomer verkürzung.<br />
(Mod. nach [11])<br />
Abb. 3 8 Telomere. (Mod. nach [11])<br />
Wir haben aus unserer Beratung und<br />
den Seminaren mit Ärzten heraus 6 Strategien<br />
(. Infobox 1) eruiert, <strong>die</strong> je nach<br />
Situation sinnvoll oder weniger angebracht<br />
sind. Jede Strategie hat unterschiedliche<br />
Konsequenzen und Nutzenpotenziale,<br />
und je nach Ihrer Einschätzung der Situation<br />
und Ihrer Bilanz werden Sie eine<br />
andere Strategie wählen. In manchen Fällen<br />
kann es sinnvoll sein, Dinge auszusitzen<br />
oder so zu tun, als sei nichts geschehen.<br />
In anderen Situationen wiederum<br />
klärt <strong>die</strong> Konfrontation Fronten. Mit Dritten<br />
über <strong>die</strong> Situation zu sprechen, kann<br />
neue Sichtweisen eröffnen, aber auch Gefahren<br />
bergen. Entwicklungen zu antizipieren,<br />
ist gut für den Überblick; hier wird<br />
<strong>die</strong> Frage evident, wie valide der Betroffene<br />
Situationen einschätzen kann.<br />
Dr. F. folgt dem konfrontierenden Stil.<br />
Er sollte genau überlegen, ob er mit seiner<br />
Hartnäckigkeit <strong>die</strong> Verärgerung des Geschäftsführers<br />
noch „anheizt“. Möglicherweise<br />
könnte in seinem Fall das Gespräch<br />
mit einem neutralen Dritten (kommunikativer<br />
Stil) neue Perspektiven eröffnen.<br />
Resilienz – psychisch-mentale<br />
Widerstandsfähigkeit ist trainierbar<br />
Der Resilienzbegriff ist der Physik entlehnt<br />
– als Fähigkeit eines Wirkstoffs, sich<br />
verformen zu lassen und danach in <strong>die</strong> ur-<br />
Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 3 · 2013 |<br />
223
Zusammenfassung · Abstract<br />
sprüngliche Form zurückzuspringen. Resilienz<br />
ist mehr als ein auf <strong>die</strong> aktuelle Situation<br />
bezogenes Stressmanagement. Die<br />
innere Grundhaltung [2], <strong>die</strong> im Moment<br />
der fordernden Situation dem Handelnden<br />
seine Autonomie belässt, lässt sich gezielt<br />
trainieren und schützt den Handelnden<br />
davor, zum Spielball der Geschehnisse<br />
zu werden. Wir haben aus der Fülle von<br />
Interpretationen [3] und aus unserer Erfahrung<br />
6 Säulen der Resilienz (. Infobox<br />
2) eruiert, <strong>die</strong> Ihnen innere Gelassenheit<br />
ermöglichen (. Abb. 1).<br />
Selbst das amerikanische Militär hat<br />
<strong>die</strong> Relevanz der inneren Widerstandsfähigkeit<br />
gegen belastende Situationen erkannt,<br />
nachdem bei den Irak-Heimkehrern<br />
posttraumatische Belastungsstörungen<br />
und Selbstmorde signifikant wurden.<br />
In einem spezifizierten Programm (Comprehensive<br />
Sol<strong>die</strong>r Fitness, CSF) nehmen<br />
Soldaten in Theorie und Praxis an einem<br />
Resilienztraining teil [4]. Auch Trainingsprogramme<br />
für Ärzte nutzen gezielte Beratung<br />
und Relaxationstechniken, um <strong>die</strong><br />
Resilienz zu verbessern [5]. In Europa gilt<br />
als einer führenden Resilienzforscher der<br />
französische Neurologe und Psychiater<br />
Boris Cyrulnik, Inhaber des Lehrstuhls<br />
für Ethologie an der Universität Toulon<br />
sowie Leiter einer Forschungsgruppe für<br />
klinische Ethologie am Krankenhaus von<br />
Toulon. Achtsamkeitsübungen, progressive<br />
Muskelrelaxation und Meditation<br />
stellen sich als aussichtsreiche Methoden<br />
zum Aufbau einer psychomentalen Widerstandsfähigkeit<br />
heraus.<br />
Evidenzbasierte<br />
Stressrelaxation – Methoden<br />
zur Neuroneogenese<br />
In jüngerer Zeit mehren sich <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>n,<br />
<strong>die</strong> Nachweise zur Wirksamkeit von Sport<br />
und Meditation auf <strong>die</strong> neuronale Plastizität<br />
und zerebrale Aktivierung führen.<br />
Sport bewirkt <strong>die</strong> Erhaltung der Telomerlänge.<br />
Zugleich verifiziert eine Vielzahl<br />
klassisch evidenzbasierter Stu<strong>die</strong>n <strong>die</strong> seit<br />
2500 Jahren gemachten Beobachtungen<br />
zur Wirkung von Meditation auf Bewusstseinsprozesse.<br />
In der Meditation ist sogar<br />
eine Verlängerung der Telomere nachgewiesen<br />
(. Abb. 2, 3).<br />
Ausgleichstraining – Fakten<br />
zum sympathoadrenergen<br />
System und zur Telomerase<br />
Die vielfach erwiesenen und bekannten<br />
Erkenntnisse der stresssenkenden Wirkung<br />
von körperlichem Ausdauertraining<br />
führen bei ärztlichen Leistungsträgern<br />
nicht unbedingt zu Lebensstilveränderungen.<br />
Der Präsentismusfaktor, den wir in<br />
Teil 2 unserer Serie untersucht haben, ist<br />
ein nicht zu unterschätzendes Phänomen<br />
gesundheitsschädigenden Verhaltens bei<br />
Ärzten selbst – mit physischen und psychomentalen<br />
Folgen. Gut balanciertes<br />
körperliches Ausdauertraining bewirkt<br />
sowohl eine deutliche Verbesserung des<br />
Gesundheitszustands wie auch eine Normalisierung<br />
stressbedingter immunologischer<br />
Veränderungen [6].<br />
Energiestoffwechsel und Herz-Kreislauf-System<br />
werden durch das sympathoadrenerge<br />
System (SAS) reguliert. Die<br />
Wirkungen des SAS werden durch <strong>die</strong> Katecholamine<br />
Adrenalin und Noradrenalin<br />
vermittelt [7]. Das balancierte Ausdauertraining<br />
senkt nicht nur den basalen Katecholaminspiegel,<br />
sondern auch <strong>die</strong> sympathoadrenerge<br />
Aktivierung bei Stress,<br />
sodass es nun in Belastungssituationen zu<br />
einer verminderten Aktivierung des SAS<br />
kommt. Es bewirkt weiterhin, dass <strong>die</strong> Telomerlänge<br />
und damit <strong>die</strong> Neuroplastizität<br />
erhalten bleiben. Die Telomerase wird<br />
angekurbelt. Das Enzym des Zellkerns<br />
stellt <strong>die</strong> Endstücke der Chromosomen,<br />
<strong>die</strong> Telomere, wieder her und verhindert,<br />
dass <strong>die</strong> Chromosomen mit jeder Zellteilung<br />
kürzer werden. Bei Stress verkürzen<br />
sich <strong>die</strong> zur Zellteilung notwendigen Telomere<br />
deutlich. Die Zellen, <strong>die</strong> geistige Beweglichkeit<br />
erhalten, sterben ab. Körperliche<br />
Bewegung erhält <strong>die</strong> Telomerlänge<br />
und damit <strong>die</strong> Neuroplastizität (s. Zusatzmaterial<br />
online).<br />
Zerebale Vernetzung<br />
– überraschende Wege<br />
zu Gelassenheit<br />
Bei Elektroenzephalographie(EEG)-Ableitungen<br />
von Meditierenden traten während<br />
der Meditation verstärkt synchrone<br />
γ-Wellen in verschiedenen Hirnregionen<br />
auf, <strong>die</strong> vermutlich im 40-Hz-Rhythmus<br />
schwingen, der „Frequenz der Stille“. Die<br />
Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2013 · 27:222–226<br />
DOI 10.1007/s00398-012-0970-2<br />
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013<br />
J. Hollmann · A. Geissler<br />
<strong>Wie</strong> <strong>gelingt</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Leistungsbalance</strong>? Coping,<br />
Resilienz und Neuronen:<br />
So bleiben Klinikärzte<br />
Chef „im eigenen Haus“<br />
Zusammenfassung<br />
„Der Mensch ist in <strong>die</strong> Welt geworfen und<br />
sein Streben richtet sich darauf, <strong>die</strong> Gestaltungsmacht<br />
über das eigene Leben (wieder)<br />
zu gewinnen“. Der Satz des Philosophen<br />
Heidegger ist gewiss auch für den fordernden<br />
Klinikalltag von tiefer Symbolik. In <strong>die</strong>sem<br />
Beitrag werden Strategien vorgestellt,<br />
mit denen ärztliche Leistungsträger sich ihre<br />
Leistungsfähigkeit und Freude an der beruflichen<br />
Herausforderung bewahren. In der Arbeitsforschung<br />
spricht man von Coping-Strategien<br />
und Resilienzfaktoren. Die kognitiven<br />
Prozesse in der Meditation und ihre Wirksamkeit<br />
auf <strong>die</strong> Neuroplastizität sowie zerebrale<br />
Vernetzungen sind heute durch zahlreiche<br />
evidenzbasierte Stu<strong>die</strong>n belegt.<br />
Schlüsselwörter<br />
Meditation · Telomerase · Kortex ·<br />
Neuroplastizität · Evidenzbasierte Medizin<br />
How does the performance<br />
balance succeed? Coping,<br />
resilience and neurons: how<br />
clinical physicians remain in<br />
charge of „their own territory“<br />
Abstract<br />
“Man is thrown into this world and his aspirations<br />
are aimed at (re)gaining the power to<br />
shape his own life.” This statement by the philosopher<br />
Heidegger is certainly deeply symbolical<br />
even for the demanding clinical routine.<br />
In this article strategies will be presented<br />
by which medical management personnel<br />
can maintain performance ability and retain<br />
pleasure in professional challenges. In<br />
work research this is defined as coping strategies<br />
and resilience factors. The cognitive process<br />
in meditation and the effectiveness on<br />
neuroplasticity and cerebral networks have<br />
now been confirmed by many evidencebased<br />
stu<strong>die</strong>s.<br />
Keywords<br />
Meditation · Telomerase · Cortex ·<br />
Neuroplasticity · Evidence-based medicine<br />
224 | Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 3 · 2013
Infobox 2 Sechs Säulen der Resilienz<br />
F Zuversicht: Auch wenn <strong>die</strong> Krise momentan Ihr Denken und Fühlen beherrscht, so wissen Sie<br />
doch, dass sie befristeter Natur ist. Sie sind bereit für <strong>die</strong> nächste Chance<br />
F Kontaktfreude: Sie verfügen über ein stabiles Beziehungsnetz, im Rahmen dessen Sie Andere zu<br />
Rat ziehen können. Bereits der gedankliche Austausch nimmt dem Problem seine Absolutheit<br />
F Selbstbewusstsein: Im Moment der Frustration mag das Empfinden, Opfer der Umstände zu sein,<br />
in Ihnen aufsteigen. Weitergehend betrachtet: Sie haben auch andere Handlungsoptionen<br />
F Akzeptanz: Wenn es Ihnen <strong>gelingt</strong>, <strong>die</strong> Dinge so stehen zu lassen, wie sie sind, kann <strong>die</strong>s auch<br />
eine Chance sein. Die Situation kann Ihnen Informationen für künftige Vorhaben liefern<br />
F Lösungsorientierung: Betrachten Sie <strong>die</strong> Situation als Herausforderung an Ihre Gestaltungskraft<br />
F Gefühlsstabilität: Es gibt Entwicklungen, <strong>die</strong> können Sie beeinflussen, und es gibt solche, <strong>die</strong><br />
sich Ihrem Einfluss komplett entziehen. Gefühlsstabilität bedeutet, den jeweiligen emotionalen<br />
Fokus verändern zu können und aus der Warte des beobachtenden sowie regulierenden<br />
„Selbst“ heraus den Eigenanteil am Geschehen und den Fremdeinfluss abwägen zu können. Je<br />
nach Gemengelage ist ein anderes Handeln hilfreich<br />
Infobox 3 Wolf Singer: Auszüge aus einem Gespräch zur Meditation [9]<br />
F Es geht darum, eine dauerhafte Veränderung von Hirnfunktionen herbeizuführen, um das<br />
Bewusstsein verlässlich gegen schädliche Intrusionen zu schützen<br />
F Meditation macht das Gehirn zum Objekt eines hochdifferenzierten kognitiven Prozesses, der<br />
nach innen anstatt auf <strong>die</strong> äußere Welt gewandt ist. Dabei kommen <strong>die</strong> gleichen kognitiven<br />
Mechanismen ins Spiel, <strong>die</strong> das Gehirn anwendet, wenn es sensorische Signale zu kohärenten<br />
Wahrnehmungen verarbeitet<br />
F Der Fluss neuronaler Aktivität (zwischen Sendern und Empfängern) kann entweder durch Verstärkung<br />
und Abschwächung der Verbindungen gelenkt werden oder aber durch <strong>die</strong> selektive<br />
Strukturierung raumzeitlicher Erregungsmuster. Es ist durchaus denkbar, dass bei der Meditation<br />
Mechanismen zum Tragen kommen, um bestimmte Straßen (Verbindungen) zu öffnen<br />
oder zu schließen. Die aufmerksamkeitsabhängige Auswahl der zu bearbeitenden Inhalte<br />
beruht vermutlich auf <strong>die</strong>sem dynamischen Selektionsmechanismus<br />
Infobox 4 Meditation in den Kulturen<br />
Es gibt verschiedene große Richtungen, z. B: christliche Mystik und Kontemplation, indisches Yoga,<br />
Meditation in Bewegung (Sufismus, Tanz, Qi Gong), Zen in Südostasien/Japan, buddhistische/hinduistische<br />
Meditationsformen, Mindfulness-Based Stress Reduction/autogenes Training im Westen.<br />
Viele der Meditationsformen aus fernöstlichen Kulturkreisen wie etwa Zen haben ihren Weg in den<br />
Westen genommen<br />
Veränderungen der Hirnstruktur durch<br />
Meditation sind im Frankfurter Max-<br />
Planck-Institut für Hirnforschung [8] evaluiert<br />
und nachgewiesen worden. „Wenn<br />
synchron auftretende γ-Frequenzen <strong>die</strong><br />
Bewusstseinsprozesse im Gehirn koordinieren,<br />
dann hätte eine mentale Trainingsmethode<br />
wie das Meditieren einen<br />
sehr bedeutenden Einfluss auf <strong>die</strong> Hirnfunktionen<br />
und auf <strong>die</strong> Wahrnehmung“,<br />
bilanziert der Neurophysiologe Wolf Singer<br />
(. Infobox 3). Negativempfindungen<br />
wie Erregung und Schmerz konnten im<br />
Rahmen der Max-Planck-Stu<strong>die</strong> der Steuerung<br />
durch das limbische System entzogen<br />
und so deutlich abgemildert werden.<br />
Eine weitere Stu<strong>die</strong> zu EEG-Korrelaten<br />
tiefer Meditation am Bender Institute of<br />
Neuroimaging an der Universität Gießen<br />
[10] weist auf 3 Schnittebenen struktureller<br />
Magnetresonanztomographie(MRT)-<br />
Aufnahmen (sagittal, koronal und transversal)<br />
mehr graue Substanz bei Meditierenden<br />
nach. Die Zelldichte ist im somatosensorischen<br />
Kortex sowie im präfrontalen<br />
und im orbifrontalen Kortex höher.<br />
Eine Vielzahl weiterer Stu<strong>die</strong>n (s. Zusatzmaterial<br />
online) deutet – zusammengefasst<br />
– auf Folgendes hin: Effizientere<br />
zerebrale Vernetzungen sind schon nach<br />
wenigen Sitzungen nachweisbar, <strong>die</strong> Aktivität<br />
der für <strong>die</strong> Zellteilung notwendigen<br />
Telomerase erhöht sich, und <strong>die</strong> stressbedingte<br />
Schrumpfung des Hippocampus<br />
kann ausgeglichen werden. Die Amygdala<br />
verkleinert sich wieder, bei deutlich reduziertem<br />
Stressempfinden. Bei erfahrenen<br />
Meditierenden sind <strong>die</strong> Aktivitäten in<br />
den für innere Unruhe verantwortlichen<br />
Gehirnarealen verringert (Yale Universität).<br />
Kontemplative Meditation in Kombination<br />
mit Atemtechniken hat blutdrucksenkende<br />
Wirkung (Universität Würzburg).<br />
Proentzündliche Mediatoren werden<br />
wieder normalisiert; <strong>die</strong> Neurotransmitter<br />
Dopamin und Serotonin stehen<br />
vermehrt zur Verfügung.<br />
In immer mehr US-amerikanischen<br />
Kliniken wird Meditation als Behandlungselement<br />
eingesetzt, bereits 250 amerikanische<br />
Kliniken arbeiten mit der Methode<br />
Mindfulness-Based Stress Reduction<br />
(MBSR) (. Infobox 4). Auch <strong>die</strong> Anzahl<br />
der Ärzte, <strong>die</strong> für sich selbst <strong>die</strong> Meditation<br />
nutzen, steigt kontinuierlich. In<br />
Deutschland bieten mittlerweile Ärztekammern<br />
– u. a. in Zusammenarbeit<br />
mit den Autoren – spezielle Programme<br />
an. Mithilfe der verschiedenen Meditations-<br />
und Relaxationstechniken kann der<br />
Mensch sich aus den Verstrickungen des<br />
Alltags lösen, um <strong>die</strong> Potenziale, <strong>die</strong> Stärken<br />
in sich selbst zu entdecken, <strong>die</strong> es<br />
möglich machen, den immensen Anforderungen<br />
des Klinikalltags mit Gelassenheit<br />
zu begegnen. (Drei Meditationsübungen<br />
finden Sie im Online-Zusatzmaterial).<br />
Was Ärzte von der Klinikleitung einfordern<br />
können, um trotz der Anforderungen<br />
gesund und leistungsfähig zu bleiben,<br />
haben wir im Teil 1 unserer Serie dargestellt<br />
(„Macht <strong>die</strong> Klinik Ärzte krank?“);<br />
im Teil 2 haben wir Ärzten Perspektiven<br />
zur Diagnose des eigenen Verhaltens<br />
in der Klinik aufgezeigt („Wird der Präsentismusfaktor<br />
unterschätzt?“). In <strong>die</strong>sem<br />
abschließenden Teil 3 waren unsere<br />
Kernanliegen <strong>die</strong> Haltung des Handelnden<br />
zu sich selbst und der wissenschaftliche<br />
Nachweis der Wirksamkeit mentaler<br />
Prozesse auf <strong>die</strong> physisch-mentale Gesundheit<br />
von ärztlichen Leistungsträgern:<br />
Gelassenheit gilt im Westen und im Osten<br />
als Zeichen großer persönlicher Reife.<br />
Das Entdecken eines tieferen Lebenssinns<br />
reduziert das Empfinden des „Geworfenseins“<br />
in <strong>die</strong>se Welt (Heidegger),<br />
das ein entscheidender Treiber von Alltagstress<br />
ist. Mithilfe meditativer Techniken<br />
wird <strong>die</strong> Wahrnehmung der eigenen<br />
inneren Anteile am Stressgeschehen geschärft.<br />
Die so gewonnene größere Klarheit<br />
und Gelassenheit strukturieren das<br />
eigene Handeln neu.<br />
Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 3 · 2013 |<br />
225
Fachnachrichten<br />
Korrespondenzadressen<br />
J. Hollmann<br />
medplus-<strong>kompetenz</strong>®<br />
Seggernweg 4,<br />
21255 Bötersheim<br />
hollmann@<br />
medplus-<strong>kompetenz</strong>.de<br />
Prof. Dr. A. Geissler<br />
Abteilung für Radiologie und<br />
Nuklearmedizin,<br />
Robert-Bosch-Krankenhaus<br />
Auerbachstr. 110,<br />
70376 Stuttgart<br />
angela.geissler@rbk.de<br />
Jens Hollmann, Jahrgang 1965, Inhabe von medplus-<strong>kompetenz</strong>®<br />
ist Unternehmensberater und Coach<br />
in Kliniken. Er berät Leitende Ärzte in Einzelcoachings<br />
und in Workshops. Im Herbst 2012 erschien <strong>die</strong> 2. Auflage<br />
seines Buches „Führungs<strong>kompetenz</strong> für Leitende<br />
Ärzte im Krankenhaus“.<br />
Prof. Dr. Angela Geissler, Jahrgang 1959, ist Chefärztin<br />
der Radiologie und Nuklearmedizin am Robert-Bosch-Krankenhaus<br />
Stuttgart. Sie beschäftigt<br />
sich wissenschaftlich mit Selbstmanagment und<br />
der Auswirkung von Meditation und Sport auf <strong>die</strong><br />
Stressresilience. Im November 2012 erschien im Springer-Verlag<br />
das Buch „<strong>Leistungsbalance</strong> für Leitende<br />
Ärzte –Selbstmanagement, Stresskontrolle, Resilienz<br />
im Krankenhaus“ der Autoren Hollmann u. Geissler.<br />
Interessenkonflikt. Die korrespon<strong>die</strong>renden Autoren<br />
geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.<br />
Literatur<br />
1. Burisch M (2010) Das Burnout-Syndrom, 4. Aufl.<br />
Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio<br />
2. Scharnhorst J (2008) BDP Bund deutscher Psychologen<br />
und Psychologinnen, Psychologie, Gesellschaft,<br />
Politik Gesundheitsbericht, S 51–53<br />
3. Fuchs H, Huber A (2007) Selfness: Nehmen Sie Ihr<br />
Leben in <strong>die</strong> Hand. dtv, München<br />
4. Rees B (2011) Overview of outcome data of potential<br />
meditation training for sol<strong>die</strong>r resilience. Mil<br />
Med 11:1232–1242<br />
5. Soot A, Prasad K, Schroeder D et al (2011) Stress<br />
management and resilience training among department<br />
of medicine faculty. J Gen Intern Med<br />
26:858–861<br />
6. Barret B, Hayney MS, Muller D et al (2012) Meditation<br />
or exercise for preventing acute respiratory<br />
infection: a randomized controlled trial. Ann Fam<br />
Med 10:337–346<br />
7. Strobel G (2002) Sympathoadrenerges System und<br />
Katecholamine im Sport. Dtsch Z Sportmed 3<br />
8. http://www.3sat.de/page/?source=/delta/93276/<br />
index.html<br />
9. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/<br />
streitgespraech-wie-meditation-das-hirn-veraendert-a-552185.html<br />
10. Ott U (2010) Meditation für Skeptiker. Barth, München<br />
11. Hollmann J, Geissler A (2013) <strong>Leistungsbalance</strong> für<br />
Leitende Ärzte. Springer, Berlin Heidelberg New<br />
York Tokio<br />
Weiterführende Literatur<br />
Hollmann<br />
Geissler<br />
<strong>Leistungsbalance</strong><br />
für Leitende Ärzte<br />
Selbstmanagement,<br />
Stress-Kontrolle,<br />
Resilienz im Krankenhaus<br />
ABC<br />
„<strong>Leistungsbalance</strong> für Leitende Ärzte“ (2013)<br />
ISBN 978-3-642-29333-7<br />
Springer Verlag, 44,95 Euro<br />
"Führungs<strong>kompetenz</strong> für Leitende Ärzte" (2013)<br />
ISBN 978-3-642-29341-2<br />
Springer Verlag, 49,95 Euro<br />
Neuer Therapieansatz für<br />
Herzinsuffizienz<br />
Forscher der Universität Bochum erkennen<br />
in der Phosphorylierung von Titin eine<br />
neue Möglichkeit Herzinsuffizienz zu therapieren.<br />
Die veränderten mechanischen<br />
Eigenschaften des Herzmuskels bei Herzinsuffizienz<br />
begründen sich nach neuesten<br />
Erkenntnissen auf der gesteigerten Aktivität<br />
des Enzyms CaM-Kinase II, welches<br />
Titin phosphoryliert. In Versuchen mit<br />
Herzzellen von Mäusen wiesen <strong>die</strong> Wissenschaftler<br />
<strong>die</strong> Korrelation zwischen dem<br />
Enzym und der Titin-Phosphorylierung<br />
nach. Zellen von „normalen“ Mäusen, von<br />
Mäusen mit fehlendem Enzym und Mäusen<br />
mit gesteigerter Enzymproduktion <strong>die</strong>nten<br />
als Modell. Weitere Analysen bestätigten,<br />
dass eine erhöhte Enzymproduktion eine<br />
höhere Titin-Phosphorylierung und somit<br />
Elastizität der Muskelzellen nach sich zieht.<br />
Ein Enzymmangel ging mit einer vermehrten<br />
Steifheit der Zellen einher. Mit der<br />
PEVK- und der N2Bus-Region gelang es den<br />
Wissenschaftlern, <strong>die</strong> beiden Stellen von<br />
Titin auszumachen, welche CaM-Kinase II<br />
phosphoryliert. Diese Erkenntnisse bieten<br />
möglicherweise einen neuen Ansatzpunkt<br />
für <strong>die</strong> Therapie der Herzinsuffizienz beim<br />
Menschen.<br />
Literatur: Hamdani N, Krysiak J, Kreusser<br />
MM et al (2013) Crucial role for Ca2(+)/<br />
calmodulin-dependent protein kinase-II<br />
in regulating diastolic stress of normal and<br />
failing hearts via titin phosphorylation.<br />
Circulation Research 112:664-674<br />
Quelle: Ruhr-Universität Bochum,<br />
www.ruhr-uni-bochum.de<br />
226 | Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 3 · 2013