Madame - ARTIST NETWORK
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film Porträt<br />
66<br />
eher handwerklich. Jede Form von spirituellem<br />
oder auch nur minimalem<br />
therapeutischem Ansatz hat im Schauspiel,<br />
finde ich, nichts, aber auch gar<br />
nichts zu suchen. Familienaufstellungen<br />
am Set, wo die Leute dann total im<br />
Regen stehen gelassen werden mit ihren<br />
offenen Emotionskanälen: gruselig,<br />
einfach unverantwortlich! Wenn<br />
Schauspieler in ihren Gefühlen baden<br />
gehen, macht sich der Zuschauer doch<br />
höchstens Sorgen um sie oder er steigt<br />
gleich aus. Das sage ich auch meinen<br />
Studenten: Gefühlshülsen turnen total<br />
ab, da kennt das Publikum kein Mitleid.<br />
Ihr müsst die Gedanken und damit<br />
die Geschichte weitertreiben.“<br />
Privat aber spürt sie ganz stark:<br />
„Der Wandel, der gerade stattfindet<br />
tief in mir drinnen, der hat wirklich<br />
noch eine ganz andere Dimension als<br />
die, die sich im Außen zeigt und die<br />
ich zu fassen kriege.“ Ein Freund, erzählt<br />
sie, habe gerade bemerkt, in letzter<br />
Zeit käme bei ihrem Sternzeichen<br />
(Stier) der Aszendent (Zwilling) immer<br />
offensichtlicher zum Tragen.<br />
„Man sagt ja, das kippe ab einem gewissen<br />
Alter“, meint sie lachend, doch<br />
wird schnell ernst, als sie auf den Prozess<br />
zu sprechen kommt, in dem sie<br />
sich Unterstützung holt bei ihren spirituellen<br />
Begleiterinnen, um freizulegen,<br />
was in ihr rumort. „Oft meint<br />
man, die Dinge im Kopf für sich geklärt<br />
zu haben, und merkt doch, dass der<br />
Körper und das Herz noch nicht hinterhergekommen<br />
sind.“ Als sie in<br />
Frankreich von ihrer Bekannten Pascale<br />
– von Beruf Gesprächstherapeutin<br />
und Astrologin – gefragt wurde, ob sie<br />
quasi als Testperson an einem Projekt<br />
teilnehmen wolle, war ihre Neugierde<br />
geweckt. Erst recht, als sie erfuhr, dass<br />
die Engländerin Sasha – Medium und<br />
Seherin – mit von der Partie sein würde.<br />
Marie Bäumer war „sehr beeindruckt<br />
und auch stolz“, dass ihr Ex-<br />
Lebensgefährte in der sich hinziehenden<br />
Trennungsphase einwilligte, bei Pascale<br />
eine Paartherapie zu machen. „Wir<br />
hatten eine ganze Weile versucht, uns<br />
da selber durchzulavieren, und mussten<br />
einfach einsehen, dass wir immer<br />
an denselben Punkten steckenblieben.“<br />
Diese Phase ist abgeschlossen, die Beziehung<br />
ist geklärt, Vater und Sohn<br />
sehen sich oft, auch wenn Marie Bäumer<br />
sich als „weitgehend allein erziehende<br />
Mutter“ bezeichnet. Momentan<br />
ist sie solo. „Beziehung, Trennung, Beziehung,<br />
Trennung, diese vermeintliche<br />
Selbstverständlichkeit, Hilfe, das<br />
ist Hip-Hop-Leben, nichts für mich!“<br />
Sie konzentriert sich auf die Arbeit,<br />
dreht diesen Sommer den Sat.1-<br />
Zweiteiler „Die Grenze“ mit Benno Fürmann<br />
und Thomas Kretschmar, unter<br />
„Ich habe mehr und<br />
mehr das Gefühl,<br />
dass ich an meiner<br />
eigenen Wahr-<br />
haftigkeit nicht<br />
mehr vorbeikomme.“<br />
Marie Bäumer<br />
der Regie von Roland Suso Richter, für<br />
den sie auch schon in „Dresden“ gespielt<br />
hat. Steht für Andreas Kleinert<br />
(„Freischwimmer“) für die BR-Produktion<br />
„Haus und Kind“ vor der Kamera.<br />
Ende des Jahres soll „Der große Kater“<br />
von Wolfgang Panzer nach dem Erfolgsroman<br />
des Schweizers Thomas<br />
Hürlimann, in dem sie neben Christiane<br />
Paul und Bruno Ganz spielt, in die<br />
Kinos kommen. Anfang nächsten Jahres<br />
ist die Ausstrahlung der ARD-Serie<br />
„Im Angesicht des Verbrechens“ geplant,<br />
für die sie Dominik Graf geholt<br />
hat, als sie gerade ihren emotionalen<br />
Tiefpunkt erlebte, beruflich zwar erfolgreich<br />
war, sich aber nicht ausgefüllt<br />
fühlte: „Deine wirklich spannende<br />
Zeit kommt erst noch“, habe er ihr vor<br />
den Dreharbeiten gesagt. Und Recht<br />
behalten, meint sie heute. Was sie besonders<br />
freut: „Alle meine neueren<br />
Filme sind von Arte koproduziert und<br />
werden irgendwann auch in Frankreich<br />
gezeigt.“<br />
Die Provence, die sie als 17-Jährige<br />
auf einer Radtour für sich entdeckte,<br />
ist für sie eine magische Landschaft,<br />
und sie findet es stimmig, dass sie hier<br />
„noch mal eine ganz andere Sensibilität“<br />
entwickelt hat und eben auch durch<br />
ihre spirituellen Begleiterinnen auf die<br />
Art von Energiearbeit gestoßen ist, die<br />
ihre Seele wieder zum Schwingen<br />
bringt. „Das ist ja für mich keine Glaubensrichtung,<br />
sondern eine Art Coaching.<br />
Ich habe einfach gemerkt, dass<br />
der ganzheitliche Ansatz, der über reine<br />
Gesprächstherapie hinausgeht, auf<br />
einer anderen Ebene etwas mit einem<br />
macht, als wenn man sich nur mental<br />
und verbal mit sich auseinandersetzt.<br />
Gewisse Übungen beispielsweise, in<br />
denen man den Atem und das Bewusstsein<br />
in Einklang bringt, helfen mir, ein<br />
besseres Gespür für das Wesentliche zu<br />
bekommen, und verstärken in mir das<br />
Gefühl, an meiner eigenen Wahrhaftigkeit<br />
nicht mehr vorbeizukommen.“<br />
Marie Bäumer hat sich nicht eingesponnen<br />
in einen Eso-Kokon. Sie nutzt ihre<br />
reiche Innenwelt, um dem Leben im<br />
Außen Tiefe zu geben. Ihre größte Lernaufgabe:<br />
den Dingen die Zeit zu lassen,<br />
die sie brauchen. Sie fühlt sich „wie ein<br />
Rennpferd im Stall“, wenn sie nicht<br />
genügend ausgelastet oder gefordert<br />
ist: „Wenn ich für mich Sachen analysiert<br />
und erkannt habe, setze ich sie<br />
am liebsten sofort um. Eine der größten<br />
Aufgaben für mich ist, mit meinen<br />
Empfindungen, auch Stimmungsschwankungen,<br />
in den gesamten Organismus<br />
einzutauchen, sie zu durchleben<br />
und zu wiederholen, bis ich merke,<br />
jetzt ist er da, der Moment, in dem ich<br />
die Situation akzeptiere, wie sie ist, und<br />
dann ist die Veränderung vollzogen.“<br />
MADAME 8/2009