Notizen aus dem Stadt Notizen aus dem Stadt-Archiv - Rüdesheim
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<strong>Notizen</strong> <strong>Notizen</strong> <strong>aus</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>dem</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Stadt</strong>-<strong>Archiv</strong><br />
<strong>Stadt</strong> <strong>Archiv</strong><br />
Beiträge Beiträge zur zur <strong>Rüdesheim</strong>er <strong>Rüdesheim</strong>er <strong>Stadt</strong>geschichte,<br />
<strong>Stadt</strong>geschichte,<br />
her<strong>aus</strong>gegeben her<strong>aus</strong>gegeben von von <strong>Stadt</strong>archivar <strong>Stadt</strong>archivar Rolf Rolf Göttert<br />
Göttert<br />
©Alle ©Alle Veröffentlichungsrechte Veröffentlichungsrechte sind sind <strong>dem</strong> <strong>dem</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Stadt</strong>-<strong>Archiv</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Archiv</strong> <strong>Rüdesheim</strong> <strong>Rüdesheim</strong> am am Rhein Rhein vorbehalten<br />
vorbehalten<br />
143.<br />
Trara, die Post war da!<br />
Als einstige Amtsstadt wird <strong>Rüdesheim</strong> <strong>dem</strong>nächst wieder um ein Amtsgebäude ärmer, denn das<br />
Postamt in der Rheinstraße 4 fällt <strong>dem</strong> Bagger zum Opfer!<br />
Erinnern wir uns zum Abschied an die lange Geschichte des <strong>Rüdesheim</strong>er Postwesens:<br />
In früheren Zeiten gab es hierzulande noch keine amtlichen Briefträger und man musste seine<br />
Briefe und Päckchen einem privaten Boten zur Weiterbeförderung übergeben. Leute, wie z.B.<br />
der berühmte Erasmus von Rotterdam (1467-1536) beschäftigten eigene Briefboten für ein<br />
Jahresgehalt von 60 Gulden, welche eine rege Korrespondenz durch die Lande zu befördern<br />
hatten.<br />
Später wurde am Rhein eine private „Bürgerpost“ eingerichtet, für welche in <strong>Rüdesheim</strong><br />
mehrere Generationen der Familie Brandmüller (wohnhaft im H<strong>aus</strong>e Rheinstraße 27) bis zum<br />
Jahre 1806 den Briefversand via Mainz besorgten. Und 1869 starb der letzte <strong>Rüdesheim</strong>er<br />
„Postschiffer“ Anton Winau.<br />
Die amtliche Korrespondenz zwischen den Rheingau-Gemeinden wurde schon in den<br />
vorhergehenden Jahrhunderten von der „Metzger-Post“ befördert. Die Metzger gingen nämlich<br />
regelmässig einmal in der Woche über Land, um Schlachtvieh einzukaufen. Weil sie für dieses<br />
Geschäft viel bares Geld mitführten, nahmen sie zum Schutz gegen Straßenräuber starke Hunde<br />
oder einen kräftigen Metzgergesellen mit, sodaß auf diese Weise die übergebene Amtspost sicher<br />
ihr Ziel erreichte. Noch von 1825 bis 1855 besorgte der <strong>Rüdesheim</strong>er Metzger Christoph Münch<br />
solche amtliche „Metzger-Post“.<br />
In Süddeutschland hatte schon 1451 der Italiener Francesco Torriani de Tassis ein privates<br />
Sysstem von Postreitern eingerichtet, um die Amtspost des kaiserlichen Hofes zwischen Wien<br />
und den Niederlanden zu befördern. Dieser Postdienst hatte sich bald so sehr bewährt, daß 1615<br />
Kaiser Matthias die Sippe des Tassis unter <strong>dem</strong> eingedeutschten Namen „Thurn und Taxis“<br />
zum „Reichsgeneralpostmeister“ ernannte. Zwar wurde dieses Monopol von etlichen deutschen<br />
Landesherren zunächst angefochten, doch mangels Alternativen dann vielerorts als sicheres und<br />
schnelles Kommunikationsmittel akzeptiert.<br />
1
Auch im 1803 neugeschaffenen Herzogtum Nassau hatte Thurn und Taxis mit Hauptverwaltung<br />
in Frankfurt am Main das Postmonopol inne. Dazu zählten auch als Reisemittel die<br />
Postkutschen, welche in <strong>Rüdesheim</strong> ihre Haltestation am Hotel Darmstädter Hof und Gasth<strong>aus</strong><br />
zur Krone hatten. Als Eilwagen verkehrten sie dreimal täglich zwischen Wiesbaden und<br />
<strong>Rüdesheim</strong> und zurück und brauchten für diese Strecke jeweils 3 Stunden und 40 Minuten. Am<br />
10. Oktober 1856 wurden wegen der neuen Eisenbahn die Postkutschen im Rheingau<br />
aufgegeben. Auch Briefe und Pakete wurden fortan mit der Eisenbahn befördert. Bis zum Jahre<br />
1850 war im <strong>Rüdesheim</strong>er Gasth<strong>aus</strong> zur Krone (Rheinstrasse 30) als Posthalter Wilhelm Schmidt<br />
zuständig, der dann von Postsekretär Zanger <strong>aus</strong> Frankfurt /Main abgelöst wurde.<br />
2<br />
Mit <strong>dem</strong> Ende des Herzogtums Nassau<br />
ging das hiesige Postwesen am 1.7.1867<br />
an die preußische Post über, welche<br />
damals im Rheingau noch keine eigenen<br />
Dienstgebäude unterhielt. In <strong>Rüdesheim</strong><br />
wurde am 28.3.1869 als Postamt der<br />
ehemals Frankensteiner Hof (vormals<br />
Marienhäuser Klosterhof, neben Freiherr<br />
v. Ritter) in der Oberstraße 15<br />
angemietet, wo der neue preußische<br />
Postmeister Zapf mit 4 Beamten und 6<br />
Briefträgern arbeitete. (Den <strong>Rüdesheim</strong>er<br />
Bürgern gefiel dieser abgelegene Standort<br />
gar nicht und sie hätten lieber das
Postamt zentral im H<strong>aus</strong>e Marktplatz 21 gesehen, aber die Postverwaltung blieb in dieser Frage<br />
stur.<br />
Bald stand im Rheingau das <strong>Rüdesheim</strong>er Postamt hinsichtlich des Postaufkommens, bedingt<br />
durch den wachsenden Fremdenverkehr, an erster Stelle, nämlich<br />
im Jahre 1875 mit 357.714 Briefen und Ansichtskarten,<br />
im Jahre 1890 mit 1.000.524 Sendungen und<br />
im Jahre 1900 mit 1.760.000 Sendungen.<br />
Hinzu kamen im Jahre 1874: 2.384 Telegramme,<br />
im Jahre 1900: 16.600 Telegramme.<br />
Und seit <strong>dem</strong> 1.2.1890 kam als technische Neuheit noch das Telefon hinzu. Im Jahre 1892<br />
zählten in <strong>Rüdesheim</strong> 16 Telefonanschlüsse (die ersten Telefone standen bei den prominenten<br />
Weingütern) insgesamt 22.173 Anrufe, im Jahre 1900 waren es 46 Anschlüsse (jetzt waren auch<br />
die Behörden dabei) mit 44.322 Anrufen.<br />
Kein Wunder also, daß für soviel Betrieb das Postamt in der Oberstraße bald zu eng wurde und<br />
deshalb 1881 in das ehemalige Gasth<strong>aus</strong> zum Engel (Rheinstraße 11, Ecke Drosselgasse) verlegt<br />
wurde. Durch den großen Brand im Jahre 1883 wurde dieses Postamt zerstört und musste<br />
zunächst in den <strong>Rüdesheim</strong>er Bahnhof und dann in das ehemalige Gasth<strong>aus</strong> zum Schwanen<br />
(Rheinstraße 22, heute Parkhotel Deutscher Hof) <strong>aus</strong>weichen.<br />
Endlich im Jahre 1906 erwarb die nunmehr „Kaiserliche Reichspost“ als erstes eigenes<br />
Amtsgebäude die Villa des Weinhändlers Ferdinand Dilthey (Rheinstr. 4) zu <strong>dem</strong> damals<br />
horrenden Kaufpreis von 350.000 Goldmark, der eigens vom Berliner Reichstag genehmigt<br />
werden musste. Doch nun hatte unsere Post in einem sehr repräsentativen Rahmen genügend<br />
Platz für das weitere Wachstum. Um das Jahr 1900 waren schon 22 Postler tätig und 1936 gar 36<br />
Mitarbeiter, die sich nicht nur mit Briefen und Paketen, sondern in zunehmen<strong>dem</strong> Maße auch um<br />
die Telefonvermittlung und das Telegrafenamt kümmerten.<br />
3
Die Briefträger trugen zweimal täglich die Post <strong>aus</strong>, stets zu Fuß und mit schweren Taschen. Die<br />
meisten von ihnen stammten <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> damals noch selbstständigen Weindorf Eibingen und<br />
waren nebenbei noch „Feierabend-Winzer“, denn wenn sie am zeitigen Nachmittag Dienstschluß<br />
hatten, konnten sie sich noch um ihre eigenen Weinberge kümmern.<br />
Ferner gab es die „Landbriefträger“, welche die Post zu Fuß bis aufs Ebental und gar zum<br />
fernen Forsth<strong>aus</strong> Kammerforst trugen. Zwar kannte man zwar schon Automobile, doch die<br />
konnten die steilen Wege nicht bewältigen. - Und dann gab es den „Geldbriefträger“, der nicht<br />
nur den Geschäftsleuten größere Summen <strong>aus</strong>zahlte, sondern auch älteren fußkranken Leuten<br />
ihre Rente brachte. Ja, der Geldverkehr wurde schon bald für die Post ein wesentliches<br />
Aufgabengebiet und das Postsparbuch oft wichtiger als ein Bankkonto, zumal die Post und ihre<br />
Mitarbeiter absolut vertrauenswürdig waren<br />
Üblicherweise bedankten sich die <strong>Rüdesheim</strong>er Weinhändler für den gewissenhaften Service bei<br />
den Geldbriefträgern mit einem guten Schluck Wein und an regen Zahltagen konnte es passieren,<br />
daß diese schwankend kaum den Rückweg ins Postamt schafften. Überhaupt waren die<br />
<strong>Rüdesheim</strong>er Postler keine Kinder von Traurigkeit und setzten sich an sommerlich-lauen<br />
Feierabenden im Posthof gerne noch zu einem Umtrunk zusammen.<br />
So kam es auch eines Tages zu folgender Begebenheit: der Postmeister hatte sich ein Fäßchen<br />
mit hundert Litern guten Weines gekauft und bat einige Postler, ihm nach Feierabend beim<br />
Abfüllen zu helfen. Die Weinflaschen waren gespült, die Stopfen eingeweicht, doch schien es<br />
noch nötig, beim Abfüllen immer wieder den guten Tropfen zu probieren. Als anderen Tages die<br />
Postmeisterin eine Flasche von <strong>dem</strong> neuen Wein zum Abendessen <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Keller holte, fand sie<br />
nur noch ein Dutzend volle Flaschen vor. Erstaunt befragte sie ihren Mann, der dann<br />
schulterzuckend bestätigte, daß bei den vielen fleißigen Helfern das Hektofäßchen nicht mehr<br />
erbracht habe. Und ein benachbarter Kellermeister (mein Großvater) meinte lächelnd, es käme<br />
halt auf die Arbeitsmethode an.<br />
Post war anfangs eine reine Männersache und die „Christl von der Post“ <strong>aus</strong> der Operette<br />
existierte noch nicht. Erst als der wachsende Telefonverkehr die „Strippenmädchen“ zur<br />
Telefonvermittlung brauchte, fanden auch die Damen Arbeit im Postamt; dies umso mehr, als in<br />
Kriegsjahren viele Postmänner an die Front mussten. Und heute ist weiblicher Charme am<br />
Schalter und selbst bei der Briefzustellung per Auto eine Selbstverständlichkeit.<br />
Bei den Bombenangriffen auf <strong>Rüdesheim</strong> kam unser<br />
Postamt glimpflich davon: Lediglich das malerische<br />
Hinterh<strong>aus</strong> mit <strong>dem</strong> schlanken Wasserturm (das Anwesen<br />
war das erste <strong>Rüdesheim</strong>er H<strong>aus</strong>, das mit eigenen<br />
Wasserleitungen <strong>aus</strong>gestattet war) fiel einer Luftmine zum<br />
Opfer. - In den letzten Kriegstagen machten sich vielerorts<br />
die leitenden Nazi-Beamten der Post über Nacht <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />
Staub und befahlen, alle wichtigen Postakten, Briefmarken<br />
und Kassenbestände schnellstens nach Nordhessen zu<br />
senden. Die <strong>Rüdesheim</strong>er Postler schickten aber nur einige<br />
Postsäcke voll Altpapier ab und behielten ihre Unterlagen,<br />
um so bald als möglich den Postdienst wieder aufnehmen<br />
zu können.<br />
4
Leider ritt 60 Jahre später die<br />
Bundespostverwaltung der Teufel, denn sie<br />
plante in <strong>Rüdesheim</strong> an gleicher Stelle einen<br />
modernen Amts-Neubau, der den gestiegenen<br />
Anforderungen hinsichtlich des Fuhrparks und<br />
der Telefonzentrale gerecht sein sollte. Zu<br />
diesem Zweck wurde das alte Prachtgebäude<br />
niedergelegt und durch moderne Flachbauten<br />
ersetzt, die sich allerdings schlecht in das<br />
Ensemble der benachbarten Baudenkmäler<br />
einfügten. Mit einem Aufwand von 3 Millionen<br />
DM und nach 27 Monaten Bauzeit wurde am<br />
18.1.1974 dieses neue Postamt in Betrieb<br />
genommen.<br />
Seit<strong>dem</strong> hat sich die Kommunikationstechnik<br />
rasant fortentwickelt. Die bisherigen<br />
Telegramme werden heute durch Fax und E-<br />
Mail ersetzt, statt der üblichen Telefone werden<br />
Handys und SMS bevorzugt und und auch ein<br />
wesentlicher Teil des Postversands wird heute<br />
von privaten Unternehmen übernommen.<br />
Sogar die Briefmarken kann man sich daheim<br />
am eigenen Computer <strong>aus</strong>drucken. Also wurde<br />
nach rd. 100 Jahren ein eigenes <strong>Rüdesheim</strong>er<br />
Postamt entbehrlich und es reicht heute eine schlichte Postagentur in angemieteten Räumen <strong>aus</strong>.<br />
- Das Areal an der Rheinstraße 4, das vor 1974 jahrhundertelang als „Vicarie-Garten“ unbebaut<br />
war, soll nach <strong>dem</strong> Abriß des Postgebäudes bis auf Weiteres als begrünter Parkplatz genutzt<br />
werden.<br />
Heute finden wir im Briefkasten neben einem Wust von Werbeschriften nur noch selten einen<br />
Privatbrief. Laut einer Statistik der Deutschen Presse-Agentur sind nur noch 7% aller<br />
Briefsendungen reine Privat-Korrespondenz. Das will aber nicht heissen, daß die Menschheit<br />
heute schreibfaul wäre. Dank technischer Hilfsmittel kann man Texte in den Computer schneller<br />
eingeben und Schreibfehler ohne großes Radieren berichtigen<br />
Rolf Göttert, <strong>Stadt</strong>archivar,<br />
1. Januar 2010<br />
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