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Zur Debatte über die Kirchensteuer - Dietrich-Bonhoeffer-Verein

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Leserbrief an den TAGESSPIEGEL vom 23.04.2013:<br />

<strong>Zur</strong> <strong>Debatte</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Kirchensteuer</strong><br />

Die Ausführungen von Pfarrer Dr. Martin bedürfen einer Erwiderung.<br />

Das Problem hat eine staatskirchenrechtliche und eine innerkirchliche Seite.<br />

Diejenigen, <strong>die</strong> durch eine Verfassungsänderung das Recht der Kirchen zur Erhebung der<br />

<strong>Kirchensteuer</strong> abschaffen wollen, tun <strong>die</strong>s zumeist mit dem Wissen und in der Absicht, dadurch<br />

<strong>die</strong> Finanzkraft der Kirchen und ihren Einfluss zu schmälern. So hat es <strong>die</strong> DDR getan, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Kirchensteuer</strong> rechtlich auf den Status einer Spiel‐ und Wettschuld herabgestuft hatte.<br />

Ich verstehe <strong>die</strong> Ausführungen von Dr. Martin als einen Beitrag zur innerkirchlichen <strong>Debatte</strong>. Die<br />

Kirche ist ja keineswegs gezwungen, von dem Angebot des Staates zur Einziehung der<br />

<strong>Kirchensteuer</strong> Gebrauch zu machen. Sie könnte ihre <strong>Kirchensteuer</strong>beschlüsse jederzeit aufheben<br />

und <strong>die</strong> Sache wäre erledigt. Diese <strong>Debatte</strong> ist z. B. nach der Wende in den Gliedkirchen der<br />

ehemaligen DDR sehr ausführlich und kontrovers geführt worden. Bischof Forck und andere<br />

plä<strong>die</strong>rten damals für eine <strong>Kirchensteuer</strong> ohne Zwangscharakter, was aber ein Widerspruch in<br />

sich war. Schließlich haben sich <strong>die</strong> Synoden aller Gliedkirchen der DDR für <strong>die</strong><br />

Wiedereinführung der <strong>Kirchensteuer</strong> entschieden und <strong>die</strong>se Entscheidung auch später vielfach<br />

durch von den Synoden gefasste <strong>Kirchensteuer</strong>beschlüsse bekräftigt. Innerkirchlich ist <strong>die</strong><br />

<strong>Kirchensteuer</strong> somit voll legitimiert.<br />

Über den Grund dafür sollte man nicht herumreden: Eine Abschaffung der <strong>Kirchensteuer</strong> würde<br />

mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Finanzaufkommen dramatisch schmälern.<br />

Der Erhebungsaufwand spielt dabei nur eine nachgeordnete Rolle. Diese Folge nimmt Dr. Martin<br />

offensichtlich nicht nur in Kauf, sondern er strebt sie mit seinem Plädoyer für eine arme Kirche<br />

auch an. Er <strong>über</strong>sieht dabei: eine arme Kirche kann auch nur noch wenig für <strong>die</strong> Armen tun.<br />

Nach meinem Verständnis geht es bei der armen Kirche um <strong>die</strong> Haltung der Anspruchslosigkeit<br />

nicht nur der Institution, sondern auch und vor allem ihrer Mitglieder, denn sie sind <strong>die</strong> Kirche.<br />

Bei einer Abschaffung der <strong>Kirchensteuer</strong> wären Massenentlassungen unvermeidbar.<br />

Das angepriesene Übergangsmodell Gemeindebeitrag neben der <strong>Kirchensteuer</strong> gibt es in<br />

unserer Landeskirche bereits seit langem in Form des Gemeindekirchgelds. Es wird von<br />

Gemeindegliedern erbeten, <strong>die</strong> keine <strong>Kirchensteuer</strong> zahlen oder <strong>über</strong> ihren Pflichtbeitrag hinaus<br />

<strong>die</strong> Kirchengemeinde unterstützen wollen. Sein Aufkommen beträgt nur einen geringen<br />

Bruchteil des <strong>Kirchensteuer</strong>aufkommens.<br />

Die Taufe ist der <strong>die</strong> Kirchenmitgliedschaft begründende Akt. Zu jeder Mitgliedschaft gehören<br />

auch Pflichten. Die <strong>Kirchensteuer</strong> ist <strong>die</strong> aus der Mitgliedschaft abgeleitete Pflicht, je nach<br />

Leistungsfähigkeit zu den Lasten der Kirche beizutragen. Wer <strong>die</strong> von seinen Eltern getroffene<br />

Entscheidung korrigieren will, kann austreten und sich dadurch von seiner Beitragspflicht<br />

befreien. Er darf dann weiter <strong>die</strong> Gottes<strong>die</strong>nste besuchen, verliert aber kirchliche Rechte wie das<br />

Wahlrecht, das Recht, ein Patenamt zu <strong>über</strong>nehmen oder kirchlich bestattet zu werden. Rechte<br />

und Pflichten gehören untrennbar zusammen.


Zwei Dinge gehen bei Dr. Martin völlig unter: Die <strong>Kirchensteuer</strong> ist das einzige Modell, bei dem<br />

sich der Finanzierungsbeitrag der Gemeindeglieder einigermaßen zuverlässig an der finanziellen<br />

Leistungsfähigkeit orientiert. Es geht weniger um Zwang als um gerechte Lastenverteilung. Zum<br />

anderen sichert sie <strong>die</strong> Unabhängigkeit der Verkündigung. Die Pfarrer brauchen nicht mit dem<br />

Klingelbeutel herumzulaufen und großen Geldgebern zu Munde zu reden.<br />

Rainer Müller‐Hannemann, Berlin‐Hermsdorf

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