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Hormonersatz in den Wechseljahren ? Aug 2012 - IPPM

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Psychologische Praxis Dipl.-Psych. T. Fehr<br />

<strong>Hormonersatz</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

<strong>Wechseljahren</strong> ?<br />

Risiken e<strong>in</strong>er <strong>Hormonersatz</strong>therapie<br />

Psychologische Praxis Dipl.-Psych. T.- Fehr<br />

Bislicher Str. 3<br />

46499 Hamm<strong>in</strong>keln<br />

fon (02852) 508 99 60<br />

fax (02852) 909 75 90<br />

www.i-p-p-m.de<br />

mailto t.fehr@i-p-p-m.de<br />

Theo Fehr<br />

1<br />

© <strong>2012</strong> by Theo Fehr


1 HORMONERSATZTHERAPIE IN DER KRITIK .....................................................................3<br />

2 HORMONERSATZTHERAPIE ....................................................................................................8<br />

3 KASSENÄRZTLICHE VEREINIGUNG NORDRHEIN: EINSPARPOTENZIALE IM<br />

BEREICH DER GYNÄKOLOGISCHEN PRÄPARATE NUTZEN..............................................11<br />

4 DIE HALBWERTSZEIT UND WIDERSPRÜCHLICHKEIT WISSENSCHAFTLICHER<br />

FORSCHUNGSERGEBNISSE ZUR HORMONERSATZTHERAPIE.........................................13<br />

4.1 ZWEIFEL AN HORMONTHERAPIESTUDIE ..................................................................................13<br />

4.2 WENIGER BRUSTKREBS NACH RÜCKGANG DER HORMONERSATZTHERAPIEN........................14<br />

5 DER SPIEGEL: DIE GROßE HORMON-BLAMAGE............................................................15<br />

6 GEHIRNSCHRUMPFUNG DROHT...........................................................................................18<br />

7 DER SPIEGEL: WOHLTAT ODER RISIKO ?........................................................................19<br />

8 ÖSTROGENE SCHÜTZEN NICHT VOR SCHLAGANFALL ...............................................22<br />

9 HERZSCHUTZ NUR TÄUSCHUNG? .......................................................................................22<br />

10 VERSCHLEIERT ER DIE MAMMOGRAPHIE?...................................................................23<br />

11 MEHR BRUSTKREBS DURCH KOMBITHERAPIE? ..........................................................24<br />

12 SCHWANGERSCHAFTSVERHÜTUNG: PILLE ERHÖHT DAS RISIKO FÜR<br />

ZAHNFLEISCHENTZÜNDUNGEN .................................................................................................25<br />

13 SPERMIENKONZENTRATION BEI MÄNNERN UM BIS ZU 70% GESUNKEN...........25<br />

14 HORMONE IN DER MENOPAUSE: WAS GILT?.................................................................26<br />

14.1 EINE THERAPIE WIRD HINTERFRAGT.......................................................................................26<br />

14.2 VORTEILE . . . ..........................................................................................................................26<br />

14.3 . . . GEFAHREN UND UNSICHERHEITEN ...................................................................................27<br />

14.4 ABSCHÄTZEN DES «INDIVIDUELLEN RISIKOS» .......................................................................28<br />

15 HORMON-THERAPIE NOTWENDIG? HILFREICH? GEFÄHRLICH? .........................29<br />

ÖSTROGENE, TESTOSTERON & CO UND DIE NATÜRLICHEN ALTERNATIVEN.....................................29<br />

16 POSITIVE EIGENSCHAFTEN DER SOJA-ISOFLAVONE .................................................38<br />

17 TÖDLICHE THERAPIE.............................................................................................................42<br />

18 HORMONBEHANDLUNG IN UND NACH DEM WECHSEL UMSTRITTEN:<br />

GESTAGENE ERHÖHEN BRUSTKREBSRISIKO........................................................................43<br />

19 HORMONPFLASTER SIND NICHT HARMLOS ..................................................................44<br />

20 PHARMAFIRMEN UND ÄRZTINNEN LASSEN FRAUEN ÜBER RISIKEN DER<br />

HORMONEINNAHME IM UNKLAREN.........................................................................................44<br />

21 SCHERING LÄßT NEUE NEBENWIRKUNGEN DER ANTI-BABY-PILLE<br />

ERFORSCHEN ....................................................................................................................................45<br />

22 PRESOMEN..................................................................................................................................46<br />

23 SCHERING LÄßT NEUE NEBENWIRKUNGEN DER ANTI-BABY-PILLE<br />

ERFORSCHEN ....................................................................................................................................48<br />

24 STOFFSTRÖME WICHTIGER ENDOKRIN WIRKSAMER<br />

INDUSTRIECHEMIKALIEN (BISPHENOL A;<br />

DIBUTYLPHTHALAT/BENZYLBUTYLPHTHALAT; NONYLPHENOL /<br />

ALKYLPHENOLETHOXYLATE)....................................................................................................49<br />

25 ANGRIFF AUF DAS HORMONSYSTEM - UMWELTCHEMIKALIEN GEFÄHRDEN<br />

FORTPFLANZUNG UND GESUNDHEIT.......................................................................................49<br />

2


1 <strong>Hormonersatz</strong>therapie <strong>in</strong> der Kritik<br />

Die Ergebnisse der „Women’s Health Initiative“<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> USA verunsichern zurzeit viele Frauen <strong>in</strong><br />

Deutschland. Diese bislang größte Studie zu<br />

Nutzen und Risiken der so genannten <strong>Hormonersatz</strong>therapie<br />

wurde wegen zu großer Risiken<br />

für die Teilnehmer<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>er Therapiegruppe<br />

vorzeitig abgebrochen. Auch hierzulande ist die<br />

<strong>Hormonersatz</strong>therapie e<strong>in</strong>e Standardbehandlung.<br />

Vier bis fünf Millionen Frauen <strong>in</strong> und nach<br />

<strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> nehmen Hormonpräparate<br />

e<strong>in</strong>. Die Anwendung geht oft weit über das Behandeln<br />

von Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong> h<strong>in</strong>aus.<br />

Vielfach wer<strong>den</strong> Hormone zur Vermeidung von<br />

Herz<strong>in</strong>farkt und Schlaganfall oder zur Vorbeugung<br />

gegen Osteoporose verordnet. Was sollen<br />

betroffene Frauen jetzt tun? Die AOK hat geme<strong>in</strong>sam<br />

mit der Redaktion FAKT des Mitteldeutschen<br />

Rundfunks Informationen über die<br />

US-Studie, mögliche Konsequenzen und Alternativen<br />

für Frauen zusammengestellt.<br />

Die „Women’s Health Initiative“ <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> USA<br />

Die „Women´s Health Initiative“ (WHI) <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA<br />

sollte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitraum über m<strong>in</strong>destens acht<br />

Behandlungsjahre erfassen, wie sich bei Frauen <strong>in</strong><br />

und nach <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> das E<strong>in</strong>nehmen von<br />

Hormonpräparaten auswirkt. Das Ziel war es, mög-­‐<br />

liche Risiken und Nutzen der Therapie besser ab-­‐<br />

schätzen zu können. Dabei g<strong>in</strong>g es <strong>in</strong>sbesondere<br />

um die Frage, ob Hormone vor Herz-­‐Kreislauf-­‐<br />

Erkrankungen und vor Knochenbrüchen durch<br />

Osteoporose (Knochenschwund) schützen. In die<br />

Studie waren 16.608 Frauen im Alter zwischen 50<br />

und 79 Jahren e<strong>in</strong>bezogen. 8.506 Frauen <strong>in</strong> der<br />

Behandlungsgruppe erhielten e<strong>in</strong>e Hormonkombi-­‐<br />

nation aus Östrogen und Gestagen. In e<strong>in</strong>er Ver-­‐<br />

gleichsgruppe bekamen 8.102 Frauen regelmäßig<br />

e<strong>in</strong> Sche<strong>in</strong>präparat (Placebo) ohne wirksame Sub-­‐<br />

stanzen.<br />

Warum wurde die Studie abgebrochen?<br />

3<br />

Die Studie wurde im Mai diesen Jahres nach fünf<br />

Jahren vorzeitig abgebrochen. Der Grund: Die <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> USA verwendeten Präparate schützen nicht<br />

vor Herz-­‐Kreislauf-­‐Erkrankungen. Stattdessen<br />

erhöhen sie offenbar die Gefahr, an Brustkrebs zu<br />

erkranken, und das Risiko, e<strong>in</strong>en Herz<strong>in</strong>farkt oder<br />

Schlaganfall zu erlei<strong>den</strong>. Die Häufung von Brust-­‐<br />

krebsfällen trat <strong>in</strong>sbesondere im fünften Jahr der<br />

Studie auf. Da bei sonst gesun<strong>den</strong> Frauen die Risi-­‐<br />

ken durch E<strong>in</strong>nahme des Komb<strong>in</strong>ationspräparates<br />

größer waren als der Nutzen, wurde dieser Teil der<br />

Untersuchung vorzeitig abgebrochen. Der Studien-­‐<br />

teil zur Wirkung e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Östrogen-­‐<br />

Behandlung (Monotherapie) bei Frauen, deren<br />

Gebärmutter entfernt wurde, läuft dagegen noch<br />

weiter.<br />

Hochgerechnet auf 10.000 Frauen traten <strong>in</strong> der<br />

Behandlungsgruppe mit Östrogen-­‐Gestagen-­‐<br />

Komb<strong>in</strong>ation im Vergleich zur Placebo-­‐Gruppe<br />

jedes Jahr zusätzlich sieben Herz<strong>in</strong>farkte, acht<br />

Schlaganfälle, acht Fälle von Lungenembolie und<br />

acht Brustkrebserkrankungen auf. Zugleich wur-­‐<br />

<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Behandlungsgruppe pro Jahr sechs Fälle<br />

weniger an Darmkrebs und fünf weniger Hüftfrak-­‐


turen beobachtet. Was sich zunächst nicht drama-­‐<br />

tisch ausnimmt, sieht bei e<strong>in</strong>er Hochrechnung auf<br />

e<strong>in</strong>e Million Frauen schon anders aus: Jährlich 700<br />

zusätzliche Herz<strong>in</strong>farkte, 800 zusätzliche Schlagan-­‐<br />

fälle, 800 zusätzliche Brustkrebserkrankungen. In<br />

Deutschland nehmen zwischen vier und fünf Mil-­‐<br />

lionen Frauen <strong>in</strong> und nach <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong><br />

Hormone e<strong>in</strong>.<br />

S<strong>in</strong>d die Ergebnisse auf Deutschland übertragbar?<br />

Die Hormonkomb<strong>in</strong>ationen, die durch die US-­‐<br />

Studie <strong>in</strong> die Kritik geraten s<strong>in</strong>d, machen <strong>in</strong><br />

Deutschland etwa 6,5 Prozent der Verordnungen<br />

aus. Über Risiken und Nutzen der übrigen Präpara-­‐<br />

te ist allerd<strong>in</strong>gs so gut wie nichts bekannt. Bislang<br />

fehlt es an breit angelegten Studien. Nach Ansicht<br />

von Experten kann das Risiko <strong>in</strong> Deutschland mög-­‐<br />

licherweise sogar größer se<strong>in</strong> als <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA, weil<br />

bei uns stärker wirksame Substanzen verwendet<br />

wer<strong>den</strong>. Insbesondere im Bereich der Langzeite<strong>in</strong>-­‐<br />

nahme von Hormonpräparaten liegen ke<strong>in</strong>e ausrei-­‐<br />

chen<strong>den</strong> Erkenntnisse vor. Die US-­‐Ergebnisse be-­‐<br />

stätigen aber vorangegangene Studien, die von<br />

e<strong>in</strong>em Ansteigen des Brustkrebsrisikos im fünften<br />

Jahr der Hormone<strong>in</strong>nahme ausgehen.<br />

Welche Konsequenzen s<strong>in</strong>d nötig?<br />

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hält das Bundes<strong>in</strong>-­‐<br />

stitut für Arzneimittel und Mediz<strong>in</strong>produkte<br />

(BfArM) die Anwendung der Hormonpräparate bei<br />

ausgeprägten Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong> für e<strong>in</strong>en<br />

überschaubaren Zeitraum für vertretbar. Die Be-­‐<br />

handlung sollte aber nur nach Ausschluss von Risi-­‐<br />

kofaktoren und nicht länger als nötig erfolgen.<br />

Kritisch bewerten Experten vor allem die langfri-­‐<br />

stige E<strong>in</strong>nahme von Hormonpräparaten zur vor-­‐<br />

beugen<strong>den</strong> Therapie. Zum Beispiel wirken Hor-­‐<br />

monpräparate zur Prävention und Behandlung von<br />

Osteoporose nur, so lange sie e<strong>in</strong>genommen wer-­‐<br />

<strong>den</strong>.<br />

Anders als <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA s<strong>in</strong>d bei uns Hormonkombi-­‐<br />

nationen offiziell nicht zur Vorbeugung von Herz-­‐<br />

Kreislauf-­‐ Erkrankungen zugelassen. Die Praxis<br />

spricht häufig e<strong>in</strong>e andere Sprache. Doch die Zulas-­‐<br />

sung für e<strong>in</strong>e vorbeugende Behandlung mit Östro-­‐<br />

gen-­‐Gestagen-­‐Komb<strong>in</strong>ationen gegen Herz-­‐<br />

Kreislauf-­‐Erkrankungen ersche<strong>in</strong>t dem BfArM nach<br />

der WHI-­‐Studie ke<strong>in</strong>esfalls s<strong>in</strong>nvoll. Das Bundes<strong>in</strong>-­‐<br />

stitut will Nutzen und Risiko von Östrogen-­‐ Gesta-­‐<br />

gen-­‐Komb<strong>in</strong>ationstherapien jetzt auch für die bis-­‐<br />

her zugelassenen Anwendungsgebiete (Wechsel-­‐<br />

4<br />

jahrsbeschwer<strong>den</strong> und Osteoporose-­‐Prävention)<br />

neu bewerten. Die AOK setzt sich für e<strong>in</strong>e hochwer-­‐<br />

tige deutsche Nutzen-­‐Risiko-­‐Bewertung, schärfere<br />

Kriterien bei der Arzneimittelzulassung und phar-­‐<br />

maunabhängige Informationen für Patient<strong>in</strong>nen<br />

und Ärzte e<strong>in</strong>.<br />

Was betroffene Frauen<br />

mit ihrem Arzt besprechen sollten:<br />

Viele Ärzte verordnen Frauen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Wechseljah-­‐<br />

ren Hormonpräparate, um die Beschwer<strong>den</strong> und<br />

Begleitersche<strong>in</strong>ungen zu l<strong>in</strong>dern. Die Präparate<br />

sollen die verr<strong>in</strong>gerte Produktion weiblicher Hor-­‐<br />

mone ersetzen. Nutzen und Risiken e<strong>in</strong>er solchen<br />

Behandlung müssen im E<strong>in</strong>zelfall sorgfältig gegen-­‐<br />

e<strong>in</strong>ander abgewogen wer<strong>den</strong>. Im Gespräch mit<br />

ihrer Ärzt<strong>in</strong> oder ihrem Arzt sollten Sie klären, was<br />

für Sie am besten ist.<br />

Längst nicht alle Frauen müssen wegen<br />

starker Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong> Hormon-­‐<br />

präparate e<strong>in</strong>nehmen. Ob e<strong>in</strong>e Hormonbehand-­‐<br />

lung nötig ist, sollten Sie mit Ihrem Arzt be-­‐<br />

sprechen und aufgrund Ihrer persönlichen Si-­‐<br />

tuation <strong>in</strong>dividuell entschei<strong>den</strong>.<br />

Dosierung und E<strong>in</strong>nahmedauer der Mittel<br />

sollten möglichst niedrig gehalten wer<strong>den</strong>, um<br />

e<strong>in</strong> Risiko zu verr<strong>in</strong>gern. Klären Sie zunächst<br />

für sich, wie stark sie Ihre Wechseljahresbe-­‐<br />

schwer<strong>den</strong> erleben und wie sehr Sie dadurch <strong>in</strong><br />

Ihrem täglichen Leben e<strong>in</strong>geschränkt s<strong>in</strong>d. Fra-­‐<br />

gen Sie unbed<strong>in</strong>gt nach, wie lange e<strong>in</strong> Medika-­‐<br />

ment genommen wer<strong>den</strong> soll.<br />

Bei e<strong>in</strong>er Hormontherapie kann der Arzt<br />

zwischen verschie<strong>den</strong>en Präparategruppen<br />

wählen. Wichtig ist dabei, ob bei e<strong>in</strong>er Patien-­‐<br />

t<strong>in</strong> bereits die Gebärmutter entfernt wor<strong>den</strong><br />

ist. Frauen, die ihre Gebärmutter noch haben,<br />

müssen e<strong>in</strong>e Östrogen-­‐Gestagen-­‐<br />

Komb<strong>in</strong>ationstherapie erhalten, um e<strong>in</strong> ver-­‐<br />

mehrtes Auftreten von Gebärmutterkrebs zu<br />

verh<strong>in</strong>dern. Fragen Sie deshalb, ob Ihr Arzt<br />

diesen Punkt bei der Wahl des Medikamentes<br />

berücksichtigt hat.<br />

Bei bestimmten Krankheiten sollte ke<strong>in</strong>e<br />

Hormonbehandlung <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> er-­‐<br />

folgen. Informieren Sie Ihre Ärzt<strong>in</strong> oder Ihren<br />

Arzt unbed<strong>in</strong>gt über folgende Erkrankungen:


Lebererkrankungen, Thrombosen, Tumore der<br />

Brust und der Gebärmutter.<br />

Was passiert <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong>?<br />

Wechseljahre s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Krankheit, sondern e<strong>in</strong>e<br />

natürliche Veränderung des Körpers. Mit <strong>den</strong><br />

<strong>Wechseljahren</strong> (Klimakterium) stellen bei Frauen<br />

die Eierstöcke ihre Hormonproduktion nach und<br />

nach e<strong>in</strong>. In diese Zeit fällt die letzte monatliche<br />

Regelblutung, die Menopause. Sie tritt zumeist<br />

zwischen dem 45. und 50. Lebensjahr e<strong>in</strong>.<br />

Die Veränderung des Hormonspiegels kann ver-­‐<br />

schie<strong>den</strong>e Beschwer<strong>den</strong> auslösen: Typisch s<strong>in</strong>d<br />

Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Nervosi-­‐<br />

tät. Die Hormonumstellung kann darüber h<strong>in</strong>aus<br />

auch seelisch belastend se<strong>in</strong> und zu Reizbarkeit,<br />

allgeme<strong>in</strong>er Anspannung, depressiven Verstim-­‐<br />

mungen oder zu Schlafstörungen führen.<br />

Nicht alle Frauen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> haben Be-­‐<br />

schwer<strong>den</strong>. Und wie stark die Veränderung des<br />

Körpers erlebt wird, ist von Frau zu Frau verschie-­‐<br />

<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>ige Frauen lei<strong>den</strong> kaum oder erleben ihre<br />

Wechseljahre sogar als Erleichterung: Die monatli-­‐<br />

chen Blutungen haben aufgehört, Verhütung ist<br />

nicht mehr notwendig.<br />

Gegen Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong><br />

helfen nicht nur Pillen!<br />

Frauen, die aktiv s<strong>in</strong>d und sich viel bewe-­‐<br />

gen, bewältigen <strong>den</strong> Übergang meistens leich-­‐<br />

ter. Oft hilft schon e<strong>in</strong> täglicher halbstündiger<br />

Spaziergang oder e<strong>in</strong>e Wanderung am Wo-­‐<br />

chenende. Bewegung an der frischen Luft för-­‐<br />

dert das allgeme<strong>in</strong>e Wohlbef<strong>in</strong><strong>den</strong>, stärkt au-­‐<br />

ßerdem die Knochen und beugt so Osteoporose<br />

vor. Wassertreten, Wechselduschen oder e<strong>in</strong><br />

Saunagang wirken positiv auf <strong>den</strong> Kreislauf.<br />

Entspannungsübungen helfen dabei, mit<br />

körperlichen Veränderungen besser fertig zu<br />

wer<strong>den</strong>. Frauen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> sollten<br />

ihrem Körper öfter mal Ruhepausen gönnen<br />

und Alltagsstress ausgleichen.<br />

Gesunde und regelmäßige Ernährung ist<br />

Trumpf: Vermei<strong>den</strong> Sie Süßes, <strong>den</strong>n starke<br />

Blutzuckerschwankungen lösen Hitzewallun-­‐<br />

gen aus. Am besten ist ausgewogene Kost mit<br />

Vollkornprodukten, frischem Gemüse und<br />

Obst, wenig Fett und Fleisch. Die Ernährung<br />

5<br />

sollte viel Vitam<strong>in</strong> D enthalten. Milchprodukte<br />

wie Hartkäse enthalten viel Kalzium, das gegen<br />

Knochenentkalkung hilft. Tr<strong>in</strong>ken Sie statt Kaf-­‐<br />

fee oder schwarzem Tee lieber Kräutertees. Die<br />

unterstützen <strong>den</strong> Stoffwechsel und wirken<br />

ausgleichend.<br />

Durch Östrogenmangel wird die Haut trok-­‐<br />

kener, unelastischer und dadurch faltiger. Das<br />

Altern der Haut lässt sich nicht verh<strong>in</strong>dern,<br />

aber verzögern. Hautpflege mit fetthaltigen<br />

Pflegeprodukten hilft dabei. Wichtig ist auch<br />

ausreichend Schlaf. Alles, was der Haut nicht<br />

gut tut, sollte vermie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> – zum Bei-­‐<br />

spiel ausgedehnte Sonnenbäder, Solariumbe-­‐<br />

suche und Rauchen<br />

Die gesamte Lebenssituation hat wesentli-­‐<br />

chen E<strong>in</strong>fluss auf das Erleben der Wechseljah-­‐<br />

re: Studien haben gezeigt, dass Frauen mit<br />

Konflikten im Beruf oder Privatleben häufig<br />

stärker unter Beschwer<strong>den</strong> lei<strong>den</strong> als Frauen<br />

mit e<strong>in</strong>er positiven Lebense<strong>in</strong>stellung und gu-­‐<br />

tem partnerschaftlichen Zusammenleben.


W E I T E R E I N F O R M AT I O N E N<br />

Das Wissenschaftliche Institut der AOK und das Bremer<br />

Institut für Präventionsforschung und Sozialmediz<strong>in</strong><br />

(BIPS) haben im Dezember 2000 e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Stu-­‐<br />

die zu Nutzen und Risiken der <strong>Hormonersatz</strong>therapie<br />

herausgegeben:<br />

„Weibliche Hormone – e<strong>in</strong> Leben lang. Mehr Scha<strong>den</strong><br />

als Nutzen?“ (ISBN: 3-­‐922093-­‐23-­‐x).<br />

Kontaktadresse:<br />

Wissenschaftliches Institut der AOK<br />

6<br />

Kortrijker Str. 1 -­‐ 53177 Bonn<br />

E-­‐Mail: wido@wido.de / Internet: www.wido.de<br />

Die WHI-­‐Studie im Orig<strong>in</strong>al:<br />

http://jama.ama-assn.org/issues/v288n3/fpdf/<br />

joc21036.pdf<br />

AOK-­‐Bundesverband:<br />

www.aok.de/bundesverband<br />

Bremer Institut für Präventionsforschung<br />

und Sozialmediz<strong>in</strong> (BIPS):<br />

www.bips.uni-bremen.de<br />

Mitteldeutscher Rundfunk / Magaz<strong>in</strong> FAKT:<br />

www.fakt-onl<strong>in</strong>e.de


Vom E<strong>in</strong>fluss der Pharma<strong>in</strong>dustrie...<br />

Der Mitteldeutsche Rundfunk hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Sendungen „FAKT“ (ARD) und „exakt“ (MDR)<br />

mehrfach über Risiken durch allzu sorglos<br />

verschriebene Medikamente berichtet. Vor<br />

allem über Medikamente, deren Langzeitwir-­‐<br />

kungen nicht geprüft s<strong>in</strong>d. Das ist <strong>in</strong>sbeson-­‐<br />

dere dann be<strong>den</strong>klich, wenn neue Präparate<br />

auf <strong>den</strong> Markt kommen, deren zusätzlicher<br />

Nutzen gegenüber älteren bewährten kaum<br />

nachgewiesen ist. Die neuen Medikamente<br />

unterschei<strong>den</strong> sich aber von <strong>den</strong> herkömmli-­‐<br />

chen oft dadurch, dass über ihre Langzeit-­‐<br />

wirkungen wenig oder nichts bekannt ist.<br />

In FAKT wurde dabei der Zusammenhang<br />

thematisiert, dass die Industrie natürlich<br />

Interesse an neuen Produkten hat. Denn nach<br />

zehn Jahren läuft der Patentschutz aus, und<br />

dann dürfen die bewährten Präparate von<br />

allen Herstellern produziert wer<strong>den</strong>. Damit<br />

s<strong>in</strong>ken die Gew<strong>in</strong>nspannen erheblich.<br />

Leider ergibt sich dadurch e<strong>in</strong>e Ten<strong>den</strong>z, das<br />

jeweils Neueste <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vordergrund zu stel-­‐<br />

len und anzupreisen. Das neue Medikament<br />

kann <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Langzeitwirkungen noch gar<br />

nicht so erforscht se<strong>in</strong> wie ältere, bewährte<br />

Präparate.<br />

Gleichzeitig wer<strong>den</strong> entsprechende Studien<br />

nicht oder zu selten gemacht. Der Versuch<br />

europäischer mediz<strong>in</strong>ischer Zentren, e<strong>in</strong>e<br />

große europäische Studie zur <strong>Hormonersatz</strong>-­‐<br />

therapie zu <strong>in</strong>itiieren, scheiterte auch daran,<br />

dass sich Herstellerfirmen weigerten, dies<br />

f<strong>in</strong>anziell zu unterstützen (FAKT am<br />

29.05.2000).<br />

Bereits vor dem Abbruch der WHI-­‐Studie gab<br />

es ernsthafte Zweifel h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er<br />

Schutzwirkung der <strong>Hormonersatz</strong>therapie<br />

gegen Herz<strong>in</strong>farkt und Schlaganfall (FAKT am<br />

29.05.2000).<br />

Bislang wurde von <strong>den</strong> Befürwortern immer<br />

auf die große amerikanische WHI-­‐Studie, die<br />

ja aktuell laufe, h<strong>in</strong>gewiesen – deren Ergeb-­‐<br />

nisse müsse man zunächst abwarten. Nun ist<br />

7<br />

diese Studie vorzeitig abgebrochen wor<strong>den</strong><br />

und das Ergebnis ernüchternd: Die Risiken<br />

übersteigen <strong>den</strong> Nutzen. Jetzt lautet das Ar-­‐<br />

gumentationsmuster vielfach: die Ergebnisse<br />

seien auf die Bundesrepublik nicht übertrag-­‐<br />

bar, da hier zum Beispiel andere Präparate<br />

und andere Dosierungen verwendet wür<strong>den</strong>.<br />

Nur: an Nachweisen dafür, dass die hierzu-­‐<br />

lande verwendeten Präparate und Dosierun-­‐<br />

gen e<strong>in</strong> günstigeres Ergebnis liefern, mangelt<br />

es. Man weiß es e<strong>in</strong>fach nicht. Es könnte auch<br />

noch schlimmer se<strong>in</strong>. Darüber hat der MDR <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Sendung FAKT am 02.09.2002 berich-­‐<br />

tet.<br />

Die Texte der genannten Sendungen können<br />

beim MDR angefordert wer<strong>den</strong>:<br />

Mitteldeutscher Rundfunk<br />

Redaktion Zeitgeschehen<br />

04360 Leipzig<br />

Oder im Internet:<br />

www.fakt-onl<strong>in</strong>e.de<br />

HOT L I N E<br />

Die AOK und das Bremer Institut für Präventionsforschung<br />

und Sozialmediz<strong>in</strong> (BIPS) haben<br />

e<strong>in</strong>e Experten-Hotl<strong>in</strong>e zu Fragen rund um die<br />

<strong>Hormonersatz</strong>therapie geschaltet. Sie erreichen<br />

die Hotl<strong>in</strong>e vom<br />

3. bis 6. September,<br />

jeweils von 8.00 bis 19.00 Uhr :<br />

0180/200 55 99<br />

(6 Cent pro Anruf)


FAKT<br />

2 <strong>Hormonersatz</strong>therapie<br />

Von Andreas Rummel<br />

DAS MDR MAGAZIN<br />

E<strong>in</strong>e Frauenarztpraxis <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Dr. Albrecht<br />

Scheffler ist Vorsitzender des Berl<strong>in</strong>er Frauenärzteverbandes<br />

und e<strong>in</strong> Verfechter der Hormontherapie<br />

für Frauen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong>. Viele<br />

Frauen klagen ihm ihr Leid: Hitzewallungen, Depressionen, faltige Haut,<br />

Schlafstörungen. Und er verspricht zu helfen.<br />

Prof. Peter Schönhöfer, Pharmakologe<br />

"Die Zahlen der WHI-Studie kann man ja berechnen auf die Bundesrepublik,<br />

<strong>in</strong> der 4,6 Millionen Frauen behandelt wer<strong>den</strong>. Und das s<strong>in</strong>d dann etwa<br />

an Herz<strong>in</strong>farkten 3700 pro Jahr mehr. An Schlaganfällen fast die gleiche<br />

Zahl, und an Brustkrebsfällen das gleiche. Und bei <strong>den</strong> Thrombosen,<br />

die zunehmen, s<strong>in</strong>d es fast 8000 Fälle mehr als normalerweise <strong>in</strong> der Bevölkerung<br />

zu erwarten. Das ist e<strong>in</strong>e beachtliche Last an zusätzlichen Erkrankungen,<br />

die diese sogenannte Therapie auslöst!"<br />

Wir wollen vom Vorsitzen<strong>den</strong> des Berl<strong>in</strong>er Landsverbandes der Frauenärzte<br />

wissen, welche Konsequenzen er nun aus der amerikanischen Studie<br />

zieht. Doch er me<strong>in</strong>t, <strong>in</strong> Amerika bekämen die Frauen die Hormone e<strong>in</strong>fach<br />

nur zu spät.<br />

Dr. Albrecht Scheffler, Frauenarzt, Vorsitzender Frauenärzteverband Berl<strong>in</strong><br />

"Ich werde <strong>den</strong> Frauen weiter empfehlen Hormone zu nehmen."<br />

Frage: "Prophylaktisch auch?"<br />

"Prophylaktisch. Das heißt aber: früh genug beg<strong>in</strong>nend. Nicht erst e<strong>in</strong><br />

Zeitraums des Nichtstuns."<br />

Frage: "Prophylaxe gegen?"<br />

"Für die Gefäße, also sprich: gegen Herz<strong>in</strong>farkt. Für <strong>den</strong> Knochen, für die<br />

Schleimhäute, für die Psyche, und für das vegetative System!"<br />

Die Hormone e<strong>in</strong>fach nur zu spät gegeben?<br />

Prof. Peter Schönhöfer, Pharmakologe<br />

"Wer so etwas behauptet, kennt die Studie nicht. Hat die WHI-Studie nicht<br />

gelesen. Das ist e<strong>in</strong>e Behauptung, die <strong>in</strong> die Luft geblasen wird ohne jegliche<br />

Evi<strong>den</strong>z."<br />

8


In vielen Wartezimmern von Frauenärzten jedoch herrscht ke<strong>in</strong>e Alarmstimmung.<br />

Im Gegenteil: statt Aufklärung Irreführung. Denn <strong>in</strong> <strong>den</strong> Praxen<br />

liegt zur Zeit häufig e<strong>in</strong>e Patient<strong>in</strong>nen<strong>in</strong>formation über die Women´s<br />

Health Studie aus.<br />

Dass die Studie wegen zu hoher Risiken abgebrochen wurde - ke<strong>in</strong> Wort<br />

davon. Stattdessen wer<strong>den</strong> neutral "Ergebnisse" wiedergegeben. Es heißt<br />

dort:<br />

Grafik<br />

- "E<strong>in</strong>e leichte Erhöhung der Anzahl diagnostizierter Brustkrebserkrankungen"<br />

- "E<strong>in</strong>e Senkung der Knochenbruchrate"<br />

- "E<strong>in</strong>e Senkung der Anzahl von Dickdarmkrebserkrankungen".<br />

26 Prozent mehr Brustkrebsfälle wer<strong>den</strong> zu e<strong>in</strong>er leichten Erhöhung. Und<br />

zum Herz<strong>in</strong>farkt- und Schlaganfallrisiko heißt es lapidar:<br />

Grafik<br />

- "Ke<strong>in</strong>e Senkung der Herz-Kreislauferkrankungen"<br />

29 Prozent mehr Herz<strong>in</strong>farkte und 41 Prozent mehr Schlaganfälle wer<strong>den</strong><br />

nicht erwähnt. Sie s<strong>in</strong>d halt ke<strong>in</strong>e Senkung. Diese Patienten<strong>in</strong>formation<br />

ist e<strong>in</strong> Lehrbeispiel, wie man ohne zu lügen die Wahrheit verschweigen<br />

kann. So sieht es auch das zuständige Bundes<strong>in</strong>stitut für Arzneimittel<br />

und Mediz<strong>in</strong>produkte.<br />

Prof. Jürgen Beckmann, Bundes<strong>in</strong>stitut für Arzneimittel und Mediz<strong>in</strong>produkte<br />

"Solche Information, die formal gesehen korrekt ist, aber nicht das Wesentliche<br />

sagt, oder Wesentliches verschweigt, ist unredlich - oder: nicht<br />

sachgerecht."<br />

Fragt sich, wer e<strong>in</strong>e solche "Patienten<strong>in</strong>formation" <strong>in</strong> die Welt setzt. Das<br />

Kl<strong>in</strong>ikum Aschaffenburg. Chef der Frauenkl<strong>in</strong>ik hier ist Professor Alexander<br />

Teichmann. Se<strong>in</strong> Name stand auf dem Begleitschreiben der Patienten<strong>in</strong>formation,<br />

und er unterschrieb als Vorsitzender e<strong>in</strong>es Ausschusses des Berufsverbandes<br />

der Frauenärzte. Für e<strong>in</strong> Interview steht der Professor nicht<br />

zur Verfügung.<br />

Per Fax teilt er uns mit, die Patienten<strong>in</strong>formation stamme nicht von ihm,<br />

sondern von der Firma Scher<strong>in</strong>g.<br />

Im Klartext: e<strong>in</strong> Pharmakonzern verschickt e<strong>in</strong>e sogenannte Patienten<strong>in</strong>formation,<br />

die vom Berufsverband der Frauenärzte zu stammen sche<strong>in</strong>t,<br />

geschmückt mit dem Namen e<strong>in</strong>es Kl<strong>in</strong>ikchefs. Der Frauenärzteverband<br />

hat sich gegenüber FAKT <strong>in</strong>zwischen von dem Werk distanziert. Und der<br />

Scher<strong>in</strong>g-Konzern? Dort steht niemand für e<strong>in</strong> Interview zur Verfügung.<br />

9


Die Professor<strong>in</strong> für Gynäkologie Mart<strong>in</strong>a Dören vom Kl<strong>in</strong>ikum Benjam<strong>in</strong>-<br />

Frankl<strong>in</strong> der FU Berl<strong>in</strong> muss seit Bekanntwer<strong>den</strong> des Studienabbruchs viele<br />

besorgte Anrufe entgegennehmen. Auch sie kennt die Patienten<strong>in</strong>formation.<br />

Prof. Mart<strong>in</strong>a Dören, Gynäkolog<strong>in</strong>, Kl<strong>in</strong>ikum Benjam<strong>in</strong>-Frankl<strong>in</strong>, FU Berl<strong>in</strong><br />

"In dieser Broschüre wer<strong>den</strong> diese Risiken verniedlicht. Und der Nutzen -<br />

der <strong>in</strong> dieser Studie <strong>in</strong> der Tat auch da war, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise dargestellt, die<br />

<strong>den</strong> Ergebnissen nicht gerecht wird. Ich kann das nicht Patienten<strong>in</strong>formation<br />

nennen!"<br />

Unterdessen wappnen sich deutsche Gynäkologen gegen die Kritik. Das<br />

Argument: die Präparatekomb<strong>in</strong>ation, die <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA untersucht wor<strong>den</strong><br />

sei, werde <strong>in</strong> Deutschland kaum e<strong>in</strong>gesetzt. Hier kämen andere Präparate<br />

und andere Dosierungen zum E<strong>in</strong>satz. Nur: Studien dazu gibt es nicht.<br />

Prof. Eberhard Greiser, Leiter des Bremer Instituts für Präventionsforschung<br />

und Sozialmediz<strong>in</strong>, sieht das Risiko auch für die deutschen Präparaten<br />

klar gegeben.<br />

Prof. Eberhard Greiser, Leiter des Bremer Instituts für Präventionsforschung<br />

und Sozialmediz<strong>in</strong> – BIPS<br />

"Wir müssen davon ausgehen, dass die Krankenkassen pro Jahr etwa 500<br />

Millionen Euro alle<strong>in</strong> für die Hormonpräparate zahlen. Für die Behandlung<br />

von Krebserkrankungen, Herz<strong>in</strong>farkten, Schlaganfällen oder Lungenembolien<br />

entstehen weitere Milliar<strong>den</strong>kosten, die auf alle Versicherten umgelegt<br />

wer<strong>den</strong>. Es wäre an der Zeit, dass diese Kosten eben nicht jedem E<strong>in</strong>zelnen<br />

zu Lasten fallen, sondern der Industrie, und die Krankenkassen sich<br />

hier bemühten, die Kosten zu m<strong>in</strong>dern."<br />

Für die Pharma<strong>in</strong>dustrie geht es um e<strong>in</strong>en lukrativen Absatzmarkt. Und<br />

manche Frauenärzte sehen durch allzu schnelle Hormonbehandlung gesunde<br />

Frauen regelmäßig <strong>in</strong> ihrer Praxis. Doch jetzt müsste damit Schluss<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Prof. Jürgen Beckmann, Bundes<strong>in</strong>stitut für Arzneimittel und Mediz<strong>in</strong>produkte<br />

"Die Anwendung dieser Präparate bei nicht ausdrücklich vorliegen<strong>den</strong><br />

starken Wechseljahresbeschwer<strong>den</strong> und bei nicht vorhan<strong>den</strong>er extra starker<br />

Osteoporose ist nach der WHI-Studie heute nicht mehr vertretbar!"<br />

02.09.2002 | 22:37<br />

10


KVNO Aktu-<br />

A RZNEIMITTELINFORMATIO NEN<br />

KVNO AKTUELL<br />

ell<br />

7+8/02, JULI-AUGUST 2002<br />

3 Kassenärztliche Vere<strong>in</strong>igung Nordrhe<strong>in</strong>: E<strong>in</strong>sparpotenziale im<br />

Bereich der gynäkologischen Präparate nutzen<br />

PRESOMEN COMP (Wirkstoff: konjugierte Östrogene (Stutenharn)+ Medrogeston)<br />

KLIOGEST (Wirkstoff: Estradiol + Norethisteronacetat)<br />

CLIMOPAX (Wirkstoff: konjugierte Östrogene + Medroxyprogesteronacetat)<br />

PRESOMEN (Wirkstoff: konjugierte Östrogene)<br />

ESTRADERM TTS/MX (Wirkstoff: Estradiol)<br />

ACTIVELLE (Wirkstoff: Estradiol + Norethisteronacetat)<br />

Die therapeutischen Ziele der postmenopausalen Östrogen / (Gestagen)-Therapie s<strong>in</strong>d Gegenstand<br />

aktueller Diskussion und wur<strong>den</strong> im Arzneimittelbrief 3/01 umfassend beleuchtet: ,,Die generelle Verordnung<br />

von Östrogenen/(Gestagenen) für länger als 5 Jahre, nur mit dem Ziel der Kardio-, Osteo- und<br />

Neuroprotektion ohne <strong>in</strong>dividuelle Indikation, wie bisher vielfach üblich, ist aufgrund der derzeitigen<br />

Datenlage nicht mehr vertretbar.“ Durch Östrogene und Östrogene/Gestagene erhöhe sich das Risiko<br />

für Thromboembolien, auch bei E<strong>in</strong>nahme für nur wenige Jahre, um das Dreifache.<br />

Schwerer wiegt laut Arzneimittelbrief das bei mehr als 5-jähriger E<strong>in</strong>nahme von Östrogenen erhöhte<br />

Risiko für Mammakarz<strong>in</strong>om, besonders von sequenziell e<strong>in</strong>genommenen Östrogenen/Gestagenen. Die<br />

HERS-Studie, <strong>in</strong> der bei je 1380 Frauen mit KHK im Alter von 55-80 Jahren der Effekt von Placebo mit<br />

dem e<strong>in</strong>er Festkomb<strong>in</strong>ation aus konjugierten Östrogenen plus 2,5 mg Gestagen (MPA) über 4,1 Jahre<br />

verglichen wurde, habe <strong>in</strong> der Verum-Gruppe signifikant mehr Thromboembolien ergeben, aber ke<strong>in</strong>e<br />

Reduktion von Herz<strong>in</strong>farkten oder Schlaganfällen. Tod durch KHK trat 71mal <strong>in</strong> der Verum-Gruppe und<br />

58mal <strong>in</strong> der Placebo-Gruppe e<strong>in</strong>, berichtet der Arzneimittelbrief.<br />

Mit der Bee<strong>in</strong>flussung des Schlaganfallrisikos durch Hormonsubstitution beschäftigte sich das arzneitelegramm<br />

8/01: ,,In der Nurses-Health-Studie nimmt das Schlaganfallrisiko bei höherer Östrogendosis<br />

(ab 0,625 mg konjugierte Östrogene pro Tag) um 30-60 Prozent zu. In der HERS-Studie br<strong>in</strong>gt die Hormone<strong>in</strong>nahme<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Häufigkeit von Schlaganfällen oder von transitorischen ischämischen<br />

Attacken <strong>in</strong>sgesamt ke<strong>in</strong>en Nutzen. Wie e<strong>in</strong>e kürzlich publizierte Nachauswertung zeigt, deutet sich bei<br />

tödlichen Insulten jedoch e<strong>in</strong> höheres Risiko an.“ Zudem komme es <strong>in</strong> der noch laufen<strong>den</strong> WHI-Studie<br />

ähnlich wie <strong>in</strong> der ersten größeren Interventionsstudie HERS zu e<strong>in</strong>em unerwarteten Anstieg kardiovaskulärer<br />

Ereignisse <strong>in</strong> <strong>den</strong> ersten zwei Jahren der Hormone<strong>in</strong>nahme.<br />

Ob e<strong>in</strong>e Langzeitverordnung von Östrogenen zur Prävention der Osteoporose <strong>in</strong>diziert ist, diskutiert der<br />

Arzneimittelbrief 3/01: ,,Östrogene alle<strong>in</strong> oder komb<strong>in</strong>iert mit Gestagenen, die ab der frühen Postmenopause<br />

5-10 Jahre lang e<strong>in</strong>genommen wer<strong>den</strong>, können <strong>den</strong> Verlust an Knochenmasse ganz oder teilweise<br />

verh<strong>in</strong>dern.“ Nach Absetzen der Hormontherapie werde der Verlust an Knochenmasse, <strong>den</strong> viele<br />

unbehandelte Frauen <strong>in</strong> der frühen Postmenopause erlei<strong>den</strong>, allerd<strong>in</strong>gs nachgeholt. Im Alter von 75<br />

oder mehr Jahren, wenn die Schenkelhalsfrakturen deutlich zunehmen, sei <strong>in</strong>dessen die Knochenmasse<br />

von Frauen, die nie oder 5-10 Jahre lang Östrogene e<strong>in</strong>genommen haben, kaum noch verschie-<br />

11


<strong>den</strong>. Aussagekräftige Studien über die osteoprotektive Wirkung durch E<strong>in</strong>nahme von Östrogenen bis <strong>in</strong>s<br />

hohe Alter gebe es nicht.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus g<strong>in</strong>g der Arzneimittelbrief auf die Frage e<strong>in</strong>, ob Östrogene e<strong>in</strong>e senile Demenz verh<strong>in</strong>dern<br />

oder verbessern: ,,E<strong>in</strong>e kürzlich publizierte prospektive placebokontrollierte Studie an 120 Frauen<br />

mit bereits diagnostiziertem leichtem bis mittelschwerem M. Alzheimer ergab, dass das Fortschreiten<br />

der Erkrankung durch E<strong>in</strong>nahme von Placebo oder von 0,62 mg/d bzw. 1,25 mg/d konjugierter Östrogene<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Jahres nicht unterschiedlich war.“ Erst umfangreiche prospektive Studien könnten<br />

zuverlässige Information darüber geben, ob Östrogene zur Prävention altersbed<strong>in</strong>gter Funktionsstörungen<br />

des Gehirns geeignet s<strong>in</strong>d.<br />

Die Kassenärztliche Vere<strong>in</strong>igung Nordrhe<strong>in</strong> KVNO: Jede Frau, die längere Zeit Östrogene/Gestagene<br />

e<strong>in</strong>nehmen soll, muss über diese Risiken genau aufgeklärt wer<strong>den</strong>, damit sie<br />

selbst e<strong>in</strong>e Entscheidung treffen kann. Uber <strong>den</strong> E<strong>in</strong>fluss von Östrogenen/Gestagenen auf die Bluttettwerte<br />

existieren widersprüchliche Berichte.<br />

Konjugierte Östrogene, die gegenüber physiologischem Östradiol ke<strong>in</strong>e Vorteile bieten, lassen sich<br />

überdies heute ohne Tierquälerei teilsynthetisch aus pflanzlichen Rohstoffen wie Sojabohnensterolen<br />

gew<strong>in</strong>nen (Arzneimittelkursbuch 99/00).<br />

Verständliche Zusammenfassung dieser Information der Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igung<br />

Nordrhe<strong>in</strong>, die e<strong>in</strong>e kalte Dusche für die bisherige Verordnungspraxis von Östrogenen<br />

darstellt:<br />

Die bislang übliche Dauerverordnung von Östrogenen nach <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> ist out.<br />

E<strong>in</strong>e Verordnung von mehr als 5 Jahren zum Zweck des Schutzes vor Herz-<br />

Kreislaufkrankheiten, vor Osteoporose oder Nervendegeneration (beispielsweise morbus<br />

Alzheimer) ist mediz<strong>in</strong>isch nicht mehr vertretbar.<br />

Selbst bei e<strong>in</strong>er Östrogen-E<strong>in</strong>nahme von nur wenigen Jahren verdreifacht sich das Risiko<br />

für Thromboembolien (Gefäßverschlüsse).<br />

Noch schwerer wiegt das bei länger als fünfjähriger Östrogene<strong>in</strong>nahme deutlich erhöhte<br />

Risiko für Brustkrebs.<br />

Statt e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung von Herz<strong>in</strong>farkten oder Schlaganfällen fand man e<strong>in</strong>e deutlich<br />

erhöhte Zahl von Thromboembolien (Gefäßverschlüssen).<br />

Bei höherer Östrogendosis nimmt das Schlaganfallrisiko um 30 bis 60 Prozent zu.<br />

Östrogene reduzieren nicht die Häufigkeit von Schlaganfällen oder von anfallsweisen<br />

Durchblutungsstörungen des Gehirns. Statt dessen gibt es e<strong>in</strong> höheres Risiko, e<strong>in</strong>en<br />

tödlichen Anfall zu erlei<strong>den</strong>.<br />

Ausserdem zeigt sich e<strong>in</strong> unerwarteter Anstieg der Schä<strong>den</strong> an Herz bzw. Gefäßen <strong>in</strong>nerhalb<br />

der ersten zwei Jahre der Östrogene<strong>in</strong>nahme.<br />

Nach Absetzen der Hormontherapie wird der Verlust der Knochenmasse nachgeholt:<br />

Die Knochenmasse von Frauen, die fünf bis zehn Jahre Östrogene erhielten, unterschied<br />

sich im Alter von 75 Jahren praktisch nicht von derjenigen von Frauen, die nie<br />

Östrogene erhielten.<br />

Ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Studie konnte bisher e<strong>in</strong>e positive Wirkung der Östrogensubstitution im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Verh<strong>in</strong>derung von Osteoporose belegen.<br />

Ebenso wenig bietet die Östrogentherapie Schutz vor e<strong>in</strong>er Alzheimer-Erkrankung.<br />

12


4 Die Halbwertszeit und Widersprüchlichkeit wissenschaftlicher<br />

Forschungsergebnisse zur <strong>Hormonersatz</strong>therapie<br />

Da lesen wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie des Jahres 2005:<br />

19.12.2005 - Mediz<strong>in</strong><br />

4.1 Zweifel an Hormontherapiestudie<br />

Forscher f<strong>in</strong><strong>den</strong> gravierende Mängel an der Studie von 2002, die die Behandlung<br />

mit hohen Risiken <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung brachte<br />

Im Jahr 2002 alarmierte e<strong>in</strong>e große Studie zur <strong>Hormonersatz</strong>therapie <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> Ärzte<br />

und Patient<strong>in</strong>nen, weil dort e<strong>in</strong> erhöhtes Herz<strong>in</strong>farkt- und Schlaganfallrisiko nachgewiesen wurde.<br />

Die darauffolgen<strong>den</strong> Warnungen vor e<strong>in</strong>er Hormonbehandlung waren jedoch möglicherweise<br />

verfrüht, glauben amerikanische Forscher um Edward Klaiber: Ihrer Ansicht nach hatte die Studie<br />

gravierende Mängel, die <strong>den</strong> Ausgang verzerrten. So seien die Hormone beispielsweise <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er völlig ungebräuchlichen Dosierung verabreicht wor<strong>den</strong>. Außerdem hatten die Proband<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong> recht hohes Durchschnittsalter, was per se schon das Risiko für Herzkrankheiten erhöhe.<br />

Mehr als 16.000 Frauen hatten an der eigentlich auf acht Jahre angelegten "Women's Health Initiative<br />

(WHI)"-Studie teilgenommen. Die Proband<strong>in</strong>nen bekamen entweder e<strong>in</strong> Placebo oder e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation<br />

aus Östrogenen und Gestagenen, die standardmäßig für die Behandlung von Wechseljahresbeschwer<strong>den</strong><br />

e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong>. Ziel der Studie war es, e<strong>in</strong>en potenziellen Schutzeffekt vor Herz-<br />

Kreislauf-Krankheiten durch die Hormonbehandlung nachzuweisen.<br />

Nach etwas mehr als fünf Jahren brachen die Studienleiter die Untersuchung jedoch ab: Die Risiken,<br />

die durch die Hormongabe entstan<strong>den</strong>, überwogen ihrer Ansicht nach die Vorteile. Insbesondere traten<br />

bei <strong>den</strong> Proband<strong>in</strong>nen im Vergleich zur Kontrollgruppe e<strong>in</strong> erhöhtes Brustkrebsrisiko und nicht weniger,<br />

sondern mehr gravierende Herz-Kreislauf-Probleme wie Herz<strong>in</strong>farkte auf. Seitdem raten viele<br />

Ärzte ihren Patient<strong>in</strong>nen von e<strong>in</strong>er <strong>Hormonersatz</strong>therapie ab.<br />

Diese Vorsicht ist möglicherweise nicht <strong>in</strong> allen Fällen gerechtfertigt, me<strong>in</strong>en nun Klaiber und se<strong>in</strong>e<br />

Kollegen. Ihre Kritik: In der WHI-Studie sei <strong>den</strong> Frauen täglich e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ationspille verabreicht<br />

wor<strong>den</strong>, die sowohl Östrogen als auch Gestagen enthielt. Normalerweise werde jedoch nur das Östrogen<br />

täglich und das Gestagen zyklisch, an maximal 10 bis 12 Tagen im Monat, e<strong>in</strong>genommen, so die<br />

Forscher. Diese ständige Gestagengabe hat ihrer Ansicht nach das Ergebnis verfälscht und mögliche<br />

positive Effekte überdeckt.<br />

Auch die Studiengruppe sei für e<strong>in</strong>e solche Untersuchung ungeeignet gewesen: Die Frauen hatten e<strong>in</strong><br />

Durchschnittsalter von knapp 63 Jahren, während e<strong>in</strong>e Hormontherapie <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten Fällen im Alter<br />

von 50 bis 55 Jahren begonnen werde. Aufgrund des höheren Altersdurchschnitts war die Häufigkeit<br />

von Herzkrankheiten bei <strong>den</strong> Proband<strong>in</strong>nen daher ungewöhnlich hoch. Die Forscher vermuten, dass<br />

die Ergebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Proban<strong>den</strong>gruppe und mit e<strong>in</strong>er zyklischen Gestagengabe besser ausgesehen<br />

hätten. Das müssten nun jedoch weitere Studien zeigen.<br />

Edward Klaiber (Universität von Massachusetts, Worcester) et al.: Fertility and Sterility, Bd. 84, S.<br />

1589 // ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel<br />

13


Nur e<strong>in</strong> Jahr später gilt offensichtlich das Gegenteil. Bei e<strong>in</strong>em Verfalldatum von 12 Monaten für<br />

Schlussfolgerungen, die auf wissenschaftlicher Forschung und ihren Ergebnissen beruhen, nicht vertrauenerweckend.<br />

15.12.2006 - Gesundheit<br />

4.2 Weniger Brustkrebs nach Rückgang der <strong>Hormonersatz</strong>therapien<br />

Forscher f<strong>in</strong><strong>den</strong> starkes Abs<strong>in</strong>ken der neuen Fälle seit der Veröffentlichung der<br />

Therapierisiken<br />

Die Zahl der Brustkrebsfälle bei älteren Frauen ist <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA im Jahr 2003 <strong>in</strong>nerhalb weniger<br />

Monate ungewöhnlich stark gefallen – e<strong>in</strong> Effekt, der wahrsche<strong>in</strong>lich auf e<strong>in</strong>en drastischen<br />

Rückgang von <strong>Hormonersatz</strong>therapien <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> zurückzuführen ist. Viele Frauen<br />

über 50 hatten diese Behandlungen abgebrochen, nachdem im Sommer 2002 e<strong>in</strong>e große Studie<br />

wegen e<strong>in</strong>es erhöhten Brustkrebs- und Herz<strong>in</strong>farktrisikos durch die Hormongaben abgebrochen<br />

wor<strong>den</strong> war. In genau dieser Altergruppe betrug der Rückgang der Brustkrebsfälle zwischen <strong>den</strong><br />

Jahren 2002 und 2003 bis zu zwölf Prozent, berichteten Peter Ravd<strong>in</strong> von der Universität von<br />

Texas <strong>in</strong> Houston und se<strong>in</strong>e Kollegen auf e<strong>in</strong>em Brustkrebssymposium <strong>in</strong> San Antonio.<br />

In ihrer Studie werteten Ravd<strong>in</strong> und se<strong>in</strong> Team Daten zu Brustkrebserkrankungen <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA von<br />

1990 bis Ende 2003 aus. Zwischen 1990 und 1998 gab es e<strong>in</strong>en regelmäßigen Anstieg der Fälle von<br />

1,7 Prozent pro Jahr, und ab 1998 begann die Zahl der Erkrankungen um etwa e<strong>in</strong> Prozent jedes Jahr<br />

abzunehmen. Anfang 2003 gab es dann jedoch e<strong>in</strong>en ungewöhnlich scharfen Knick <strong>in</strong> der Kurve: Innerhalb<br />

weniger Monate fiel die Menge der Brustkrebsfälle im Durchschnitt um sieben Prozent ab.<br />

E<strong>in</strong>e genauere Analyse zeigte, dass das besonders auf die Abnahme der Erkrankungen bei Frauen zwischen<br />

50 und 69 Jahren zurückzuführen war und hauptsächlich die Brustkrebsarten betraf, deren<br />

Wachstum durch Hormone wie Östrogene und Gestagene beschleunigt wird. In dieser Gruppe betrug<br />

die Abnahme sogar 12 Prozent, so die Forscher.<br />

Da die Studie e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> statistische Analyse war, könne ke<strong>in</strong>e sichere Aussage über die Ursache dieser<br />

ungewöhnlichen Entwicklung daraus abgeleitet wer<strong>den</strong>, erklärte Ravd<strong>in</strong>. Trotzdem halten die Wissenschaftler<br />

es für so gut wie sicher, dass der Effekt auf die Veränderung bei <strong>den</strong> <strong>Hormonersatz</strong>therapien<br />

zurückgeht: Während im Jahr 2000 Ravd<strong>in</strong>s Angaben nach noch dreißig Prozent der Frauen über 50<br />

Hormone gegen Wechseljahresbeschwer<strong>den</strong> e<strong>in</strong>nahmen, stoppte etwa die Hälfte von ihnen die Behandlung<br />

nach der Veröffentlichung der Risiken im Sommer 2002. Da die hormonsensitiven Tumorarten<br />

bei Hormonentzug aufhören zu wachsen, sei es demnach durchaus möglich, dass sich diese Umstellung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em deutlichen Abfall der diagnostizieren Fälle zeige, so der Wissenschaftler.<br />

An der "Women's Health Initiative (WHI)"-Studie hatten mehr als 16.000 Frauen mit e<strong>in</strong>em Durchschnittsalter<br />

von 63 Jahren teilgenommen. Nach fünf Jahren wurde die Studie vorzeitig beendet, da<br />

sowohl das Brustkrebs- als auch das Herz<strong>in</strong>farkt- und Schlaganfallrisiko <strong>in</strong> der Hormongruppe erheblich<br />

erhöht war. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt daher allen<br />

Frauen, Nutzen und Risiken e<strong>in</strong>er <strong>Hormonersatz</strong>therapie <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> sorgfältig abzuwägen<br />

und nur <strong>in</strong> dr<strong>in</strong>gen<strong>den</strong> Fällen Hormone e<strong>in</strong>zunehmen.<br />

Peter Ravd<strong>in</strong> (Universität von Texas, Houston) et al.: Beitrag auf dem San Antonio Breast Cancer<br />

Symposium // ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel<br />

14


5 DER SPIEGEL: Die große Hormon-Blamage<br />

23. Juli 2001<br />

M E D I Z I N<br />

Fünf Millionen Frauen <strong>in</strong> Deutschland schlucken Hormone als Schutz vor Alterslei<strong>den</strong><br />

jeder Art. Jetzt offenbaren neue Studien: Die von Gynäkologen hoch gelobten<br />

Östrogene nutzen als Jungbrunnen wenig, die Nebenwirkungen der Dauertherapie<br />

wur<strong>den</strong> h<strong>in</strong>gegen unterschätzt.<br />

Lange ist es her, da schrieb e<strong>in</strong>e dynamische Fünfziger<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>geschichte.<br />

So straff und rosig betrat die Patient<strong>in</strong> vor 38<br />

Jahren die Praxis des New Yorker Gynäkologen Robert Wilson,<br />

dass dieser nur staunte. Ob sie <strong>den</strong>n gar ke<strong>in</strong>e Probleme mit<br />

<strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> habe? Die Dame lachte: Ne<strong>in</strong>, so etwas<br />

kenne sie nicht.<br />

Seit Jahren nahm die Frau die Antibabypille - der Doktor sah<br />

sich deshalb bestätigt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Mutmaßung, dass Sexualhormone<br />

der Quell von Jugendlichkeit und Gesundheit seien.<br />

Fortan propagierte Wilson die "<strong>Hormonersatz</strong>therapie" für<br />

Frauen jenseits der fruchtbaren Jahre. Und bald hatte er e<strong>in</strong>e<br />

große Schar von Jüngern gefun<strong>den</strong>: Sie verschrieben ihren<br />

Patient<strong>in</strong>nen Östrogen, per Dauerrezept.<br />

Die tägliche Dosis, das schien logisch, sollte die <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong><br />

s<strong>in</strong>kende eigene Hormonproduktion ausgleichen. Als<br />

Beweis für die wundersame Wirkung musste immer wieder das New Yorker Superweib<br />

herhalten. Rasch schwoll die Flut von Studien an - mit dem stets gleichen Ergebnis: Pillen<br />

schlucken hält gesund.<br />

Die "Hormonsubstitution" war zum Wundermittel avanciert,<br />

das vor fast allen Alterslei<strong>den</strong> zu schützen versprach. Ob<br />

Alzheimer-Krankheit, Osteoporose oder Herz<strong>in</strong>farkt - kaum<br />

e<strong>in</strong> Gynäkologe, der se<strong>in</strong>er Midlife-Patient<strong>in</strong> nicht empfahl,<br />

sich mit Östrogen "etwas Gutes zu tun".<br />

In <strong>den</strong> USA stiegen Wechseljahrshormone zur meistverordneten<br />

Medikamentengruppe auf. Und auch <strong>in</strong> Deutschland<br />

wuchs der Konsum stetig; mittlerweile wer<strong>den</strong> fast fünf Millionen<br />

Frauen hormonell "substituiert", jährlich etwa e<strong>in</strong>e<br />

Milliarde Mark zahlen die Krankenkassen dafür.<br />

DER SPIEGEL<br />

Schon hat der deutsche Berufsverband der Frauenärzte die<br />

"Langzeitverabreichung" zu "e<strong>in</strong>em der größten Fortschritte<br />

der vorbeugen<strong>den</strong> Mediz<strong>in</strong> der letzten Jahrzehnte" erklärt - da folgt der Euphorie die wissenschaftliche<br />

Ernüchterung: Gleich mehrere Studien aus <strong>den</strong> USA und Großbritannien<br />

erschüttern <strong>den</strong> Glauben an die Pille als Jungbrunnen. Epidemiologen und Statistiker,<br />

aber auch Hormonspezialisten decken die Mängel zahlreicher älterer Untersuchungen auf<br />

und können, nach strenger Prüfung, wenig oder auch gar ke<strong>in</strong>en Nutzen der Hormonkur<br />

mehr f<strong>in</strong><strong>den</strong>. Das viel diskutierte, oft verleugnete Brustkrebs-Risiko, aber auch Nebenwirkungen<br />

auf Herz und Kreislauf treten h<strong>in</strong>gegen umso deutlicher zu Tage.<br />

"Je mehr solcher Arbeiten auf <strong>den</strong> Tisch kommen, desto größer s<strong>in</strong>d die Enttäuschungen",<br />

sagt Ingrid Mühlhauser, Professor<strong>in</strong> für Gesundheit an der Universität Hamburg.<br />

15<br />

DER SPIEGEL


Die Endokr<strong>in</strong>olog<strong>in</strong> sieht "e<strong>in</strong>e der größten Blamagen <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong>" voraus: "Massive<br />

Trugschlüsse" seien aus untauglichen Daten gezogen wor<strong>den</strong>, vom angeblichen Segen<br />

der Östrogene werde "kaum etwas übrig bleiben".<br />

"Weshalb Hormone nehmen?", fragte auch der Biostatistiker Steven Cumm<strong>in</strong>gs Mitte Juni<br />

im "Journal of the American Medical Association" ("Jama"). In dem Fachblatt hatten britische<br />

Experten 22 Veröffentlichungen zum Thema e<strong>in</strong>er kritischen Analyse unterzogen.<br />

"Dass die Hormone gegen Hitzewallungen helfen, ist klar", resümiert Cumm<strong>in</strong>gs. "Ob sie<br />

irgendetwas anderes verhüten, ist noch nicht klar."<br />

Die neuen Arbeiten über <strong>den</strong> Wert der Langzeittherapie zur<br />

Osteoporose-Vorbeugung "werfen e<strong>in</strong> Schlaglicht darauf, wie<br />

dürftig die Beweise s<strong>in</strong>d", erklärt Cumm<strong>in</strong>gs. Bei Frauen über<br />

60 Jahre, so zeigte sich, hatte Östrogen "ke<strong>in</strong>e signifikante<br />

Wirkung", was die Verhütung von Brüchen anbetraf. Östrogen<br />

könne zwar e<strong>in</strong>e Zunahme der Knochendichte bewirken. Damit<br />

sei aber noch ke<strong>in</strong>eswegs bewiesen, dass es auch weniger<br />

Frakturen gebe. Sicherer und wirksamer, so me<strong>in</strong>t Cumm<strong>in</strong>gs,<br />

seien für die Prophylaxe der Knochenbrüchigkeit andere Medikamente,<br />

etwa aus der Gruppe der Biphosphonate.<br />

Gegen die Hormonprophylaxe spricht sich auch Jacques Rossouw<br />

aus, Direktor der "Women's Health Initiative" (WHI). 27<br />

000 amerikanische Frauen zwischen 50 und 79 Jahren s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

diese gigantische Präventionsstudie e<strong>in</strong>bezogen. Rossouw:<br />

"Wenn e<strong>in</strong>e Frau aus me<strong>in</strong>em Freundeskreis mich fragt, was<br />

sie gegen Osteoporose tun soll, rate ich nicht zu Östrogen."<br />

Noch verheerender sche<strong>in</strong>t die Bilanz beim Herz<strong>in</strong>farkt auszusehen. So erhielten die Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />

des WHI-Programms, das 2005 nach elfjähriger Laufzeit abgeschlossen se<strong>in</strong><br />

wird, im April letzten Jahres e<strong>in</strong>en Warnbrief. E<strong>in</strong>e unabhängige Expertengruppe, die alle<br />

sechs Monate sämtliche e<strong>in</strong>gegangenen Daten auswertet, war auf e<strong>in</strong>en unerwarteten<br />

Befund gestoßen: Zwei Jahre nach Beg<strong>in</strong>n der Studie war das Risiko von Herz<strong>in</strong>farkten<br />

und Schlaganfällen nicht nur nicht gesunken; es war sogar, wenn auch nur ger<strong>in</strong>gfügig,<br />

gestiegen - e<strong>in</strong>e Ten<strong>den</strong>z, die sich auch im dritten Studienjahr bestätigt.<br />

Scha<strong>den</strong> statt Schutz für Herz und Kreislauf hatten Forscher schon <strong>in</strong> der Aufsehen erregen<strong>den</strong><br />

HERS-Studie ermittelt: Im ersten Jahr gab es bei 2763 e<strong>in</strong>bezogenen Risikopatient<strong>in</strong>nen,<br />

<strong>den</strong>en das Östrogen zur Prophylaxe bislang wärmstens empfohlen wurde, e<strong>in</strong>en<br />

Anstieg an Infarkten - e<strong>in</strong> Ergebnis, das Rossouw mit der verstärkten Thrombenbildung<br />

durch Östrogen erklärt. Nach vier Jahren Östrogenanwendung fand sich dann ke<strong>in</strong> Nachteil<br />

mehr - allerd<strong>in</strong>gs auch ke<strong>in</strong> Nutzen.<br />

Die e<strong>in</strong>st populäre Theorie vom hormonellen Herzschutz verwerfen jetzt im "New England<br />

Journal of Medic<strong>in</strong>e" auch die Ärzt<strong>in</strong>nen JoAnn Manson und Kathryn Mart<strong>in</strong>. Die bei<strong>den</strong><br />

Forscher<strong>in</strong>nen sehen <strong>den</strong> Wert der Pillen allenfalls als Hilfe während der Zeit der hormonellen<br />

Umstellung, wenn sich vorübergehend Schweißausbrüche und Hitzeschübe e<strong>in</strong>stellen<br />

können. Doch spätestens nach fünf Jahren sollten die Frauen ihre Entscheidung über<strong>den</strong>ken,<br />

empfiehlt Manson: "Danach steigt das Brustkrebs-Risiko erheblich an."<br />

Auch die meisten Studien, die Östrogene als geistige Fitmacher auswiesen, hatten e<strong>in</strong>er<br />

amerikanischen Forschergruppe zufolge "schwerwiegende methodische E<strong>in</strong>schränkungen".<br />

E<strong>in</strong>e Revision der Datenberge von 1966 bis Mitte 2000, wiederum <strong>in</strong> "Jama" veröffentlicht,<br />

ergab zwar, dass die Hormone "bestimmte Effekte auf die Denkleistung haben<br />

könnten". Ob die Ersatztherapie allerd<strong>in</strong>gs Alzheimer verhüten könne, müsse sich erst<br />

erweisen.<br />

Herbeigeredet s<strong>in</strong>d nach Ansicht der Kritiker die allermeisten Wohltaten, die <strong>den</strong> Östrogenen<br />

zugeschrieben wur<strong>den</strong>. "Die Ärzte fielen auf Studien re<strong>in</strong>, die, weil sie nur ausge-<br />

16<br />

DER SPIEGEL


lesene Frauengruppen berücksichtigten, das Bild verzerrten", sagt Mühlhauser. Die positiven<br />

Ergebnisse bei <strong>den</strong> Anwender<strong>in</strong>nen g<strong>in</strong>gen offenbar auf deren Lebensstil zurück:<br />

Wer die Therapie machte, war zumeist gesundheitsbewusster, gebildeter und sportlicher.<br />

"Pe<strong>in</strong>liche Wissenslücken" <strong>in</strong> der Gynäkologie, so empört sich Mühlhauser, wür<strong>den</strong> erst<br />

jetzt geschlossen. Die jahrzehntelange Verordnung komme e<strong>in</strong>em "unkontrollierten Experiment"<br />

gleich. Ähnlich harsche Kritik übt auch der US-Osteoporoseforscher Robert Rekker:<br />

"Östrogen wurde schon massenhaft e<strong>in</strong>gesetzt, bevor es überhaupt kl<strong>in</strong>isch erforscht<br />

war."<br />

Das zeigt besonders die Erprobung von Premar<strong>in</strong>: Das weltweit meistverkaufte Wechseljahrsmedikament,<br />

<strong>in</strong> Deutschland als Presomen Spitzenreiter unter <strong>den</strong> Hormonpräparaten,<br />

wurde <strong>in</strong> hohen Dosen zunächst jungen Frauen verabreicht, die nach der Entfernung<br />

der Eierstöcke unter dem plötzlichen Östrogenmangel litten.<br />

Erst als 1975 die Ersatztherapie <strong>in</strong> Zusammenhang mit Krebserkrankungen des Endometriums,<br />

der Gebärmutterauskleidung, gebracht wurde, erhielten Patient<strong>in</strong>nen die halbierte<br />

Dosis. Etwa fünf Jahre später begannen die Gynäkologen Östrogen zu verschreiben, das<br />

zum Schutz des Endometriums mit dem Hormon Gestagen komb<strong>in</strong>iert war.<br />

Ende der neunziger Jahre schließlich begann Premar<strong>in</strong>-Hersteller Wyeth-Ayerst noch<br />

niedrigere Dosierungen der bei<strong>den</strong> Hormone zu testen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie namens "HOPE".<br />

Die Resultate, soeben <strong>in</strong> der Fachzeitschrift "Fertility und Sterility" veröffentlicht, zeigen<br />

nun, dass auch die e<strong>in</strong> zweites Mal halbierte Dosis ausreicht, um Hitzewallungen zu behandeln.<br />

DER SPIEGEL<br />

Verordnete Östrogen-<br />

Präparate <strong>in</strong> Deutschland<br />

Als "natürliche <strong>Hormonersatz</strong>therapie" gegen das "leidvolle<br />

Kapitel" jenseits der Lebensmitte preist seit Juli dieses Jahres<br />

die deutsche Vertreiberfirma Solvay ihr Presomen an: Das<br />

Mittel beuge auch unterschiedlichen Karz<strong>in</strong>omen vor, darunter<br />

Dickdarmkrebs. Mühlhauser zufolge ist solche Prophylaxe<br />

nichts als "pures Wunsch<strong>den</strong>ken"; und leidvoll ist vor allem die<br />

Gew<strong>in</strong>nung des für Presomen verwendeten Östrogens: Der<br />

Wirkstoff stammt aus dem Ur<strong>in</strong> von Stuten, die <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA<br />

e<strong>in</strong>zig zu diesem Zweck stets aufs Neue geschwängert wer<strong>den</strong>.<br />

Als Wirkstofflieferant<strong>in</strong>nen verbr<strong>in</strong>gen sie ihr Leben <strong>in</strong><br />

engen Boxen bei knapper Wasserzufuhr, weil der Ur<strong>in</strong> dann<br />

ertragreicher ist. Die als Nebenprodukt entstan<strong>den</strong>en Fohlen<br />

wer<strong>den</strong> an <strong>den</strong> Schlachthof weitergereicht.<br />

Ohneh<strong>in</strong> beurteilen viele Pharmakologen das Stutenöstrogen<br />

für Menschen als nicht mehr zeitgemäß: Alfred Mueck und<br />

Theodor Lippert von der Universität Tüb<strong>in</strong>gen kritisieren, dass<br />

es sich um "e<strong>in</strong> Gemisch von zehn Metaboliten handelt, von <strong>den</strong>en e<strong>in</strong> Großteil nur bei<br />

Pfer<strong>den</strong> vorkommt". Das Wirkspektrum dieses "Fremdstoffes für <strong>den</strong> menschlichen Körper"<br />

sei, "auch h<strong>in</strong>sichtlich krebserzeugender Eigenschaften, noch nicht voll aufgeklärt".<br />

Die bei<strong>den</strong> Pharmaforscher, trotz ihrer Kritik an Presomen Anhänger der Dauerbehandlung,<br />

plädieren deshalb für Östradiol, e<strong>in</strong> körpereigenes Hormon, das "zur Substitution<br />

besser geeignet" sei.<br />

Östradiol vermarkten, als ob es nie Zweifel am S<strong>in</strong>n gegeben hätte, <strong>in</strong> nagelneuen Präparaten<br />

beispielsweise Scher<strong>in</strong>g und Grünenthal - mit Hilfe professoraler Gynäkologen: So<br />

präsentierten der Hamburger Klaus Rudolf und se<strong>in</strong> Kölner Kollege Thomas Römer auf<br />

e<strong>in</strong>er Pressekonferenz die Grünenthal-Pille Indiv<strong>in</strong>a als "optimal" zur langfristigen Vorbeugung<br />

der Osteoporose, darüber h<strong>in</strong>aus "langfristig auch zur Prävention von kardiovaskulären<br />

Erkrankungen, Morbus Alzheimer etc."<br />

Scher<strong>in</strong>g möchte die weibliche Klientel das Gruseln lehren - mit Infos über <strong>den</strong> "geistigen<br />

Abbau", über "Lebensfrust" und die "dramatische E<strong>in</strong>schränkung ihrer Leistungsfähigkeit<br />

17


und Lebensqualität". Schützenhilfe bekommt die Industrie dabei von Ärzten, die am liebsten<br />

alle älteren Frauen zu chronisch Kranken erklären wür<strong>den</strong>: "Aus endokr<strong>in</strong>ologischer<br />

Sicht", so dozierte jüngst im "Deutschen Ärzteblatt" Gynäkologe Wolfgang Nocke, sei das<br />

"postmenopausale Hormondefizit ebenso substitutionsbedürftig wie e<strong>in</strong> Diabetes".<br />

"Wir haben alle Phasen im Leben, wo wir nicht gut drauf s<strong>in</strong>d. Woran das jeweils liegt, ist<br />

äußerst schwer zu ermitteln", sagt Mart<strong>in</strong>a Dören vom Berl<strong>in</strong>er Universitätskl<strong>in</strong>ikum Benjam<strong>in</strong><br />

Frankl<strong>in</strong>. Die Professor<strong>in</strong> für Frauengesundheit, Mitglied der Deutschen Menopause<br />

Gesellschaft, mokiert sich über "die Market<strong>in</strong>gversprechen" ebenso wie über die hormonbegeisterten<br />

Kollegen <strong>in</strong> <strong>den</strong> Gynäkologenpraxen: "Da tummelt sich e<strong>in</strong>e Kaste von Männern,<br />

die me<strong>in</strong>en, die Frauen beglücken zu müssen."<br />

Nach ihrer Rückkehr aus England, wo wie <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA seit Jahren <strong>in</strong>tensive Hormonforschung<br />

betrieben wird, hat Dören die Stellungnahme der Gesellschaft "zur Hormonsubstitution<br />

<strong>in</strong> Klimakterium und Postmenopause" überarbeitet: Aus der ehemals massiven<br />

Fürsprache ist e<strong>in</strong>e nüchterne Bilanz gewor<strong>den</strong>, die feststellt, dass "h<strong>in</strong>reichende Daten"<br />

fehlen - zum Nachweis der Schutzwirkung vor Herz<strong>in</strong>farkt ebenso wie vor der Alzheimer-<br />

Krankheit.<br />

Weitere Negativmeldungen könnten der Hormon-Lobby <strong>in</strong>des noch <strong>in</strong>s Haus stehen. Biostatistiker<br />

Cumm<strong>in</strong>gs will noch nichts Genaues preisgeben. "Aber", so orakelt der Wissenschaftler,<br />

"wir wer<strong>den</strong> noch mehr von der Women's Health Initiative zu hören bekommen<br />

- und zwar nichts Gutes."<br />

RENATE NIMTZ-KÖSTER<br />

Mittwoch, 14. Januar 2009<br />

Riskante Hormonbehandlung<br />

6 Gehirnschrumpfung droht<br />

Hormontherapien, wie sie oft von Frauen <strong>in</strong> der Menopause <strong>in</strong> Anspruch genommen wer<strong>den</strong>, können<br />

zur Gehirnschrumpfung führen. Dies ist das Ergebnis e<strong>in</strong>er Studie des Wake Forest University Baptist<br />

Medical Center.<br />

Denken und Er<strong>in</strong>nerungsvermögen<br />

können bee<strong>in</strong>trächtigt wer<strong>den</strong>.<br />

Dabei wurde bei Frauen, die regelmäßig Hormone genommen<br />

hatten, e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Hirngröße gemessen als bei der Ursprungsmessung<br />

acht Jahre zuvor. Das Gehirnvolumen war im<br />

Schnitt um rund 2,5 Kubikzentimeter kle<strong>in</strong>er als bei Frauen,<br />

die ke<strong>in</strong>e derartige Therapie h<strong>in</strong>ter sich hatten.<br />

An der acht Jahre dauern<strong>den</strong> Studie nahmen 1400 Frauen teil,<br />

ihre Gehirne wur<strong>den</strong> zu Beg<strong>in</strong>n und am Ende per MRT genau<br />

ausgemessen. Die Gehirnschrumpfung bei <strong>den</strong> mit Hormonen<br />

behandelten Frauen habe sich vor allem <strong>in</strong> Gegen<strong>den</strong> gezeigt,<br />

die wichtig s<strong>in</strong>d für das Denken und für das Er<strong>in</strong>nerungsver-<br />

mögen, erklärte Susan Resnick vom Nationalen Alters<strong>in</strong>stitut. Bei e<strong>in</strong>er Kontrollgruppe von Frauen,<br />

die mit Placebos behandelt wur<strong>den</strong>, habe es ke<strong>in</strong>e Abnahme gegeben.<br />

18


7 DER SPIEGEL: Wohltat oder Risiko ?<br />

20. September 1999<br />

Jungbrunnen oder fragwürdiges Experiment? Wissenschaftler streiten über die<br />

Hormontherapie <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong>.<br />

Wir wollen etwas Besseres als Mutter Natur", sagt John Studd, Londoner Gynäkologe,<br />

wenn die Rede von der Hormonbehandlung <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> ist: "Natürlich ist die<br />

<strong>Hormonersatz</strong>therapie unnatürlich."<br />

Wie Studd, Begründer der ersten speziellen "Menopause-Kl<strong>in</strong>ik" <strong>in</strong> Großbritannien, propagieren<br />

auch deutsche Frauenärzt<strong>in</strong>nen und -ärzte die E<strong>in</strong>nahme von Östrogenen und<br />

Gestagenen gegen lästige Ersche<strong>in</strong>ungen der vorgerückten Jahre: Die "Substitution" mit<br />

Sexualhormonen, als Pille, Spritze oder Pflaster auf der Haut, soll vor allem gegen Hitzewallungen<br />

und Schweißausbrüche helfen, die viele Frauen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> heimsuchen.<br />

Aber auch "die Erhaltung des allgeme<strong>in</strong>en körperlichen und seelischen Wohlbef<strong>in</strong><strong>den</strong>s",<br />

so me<strong>in</strong>t Hermann Schneider von der Uni-Frauenkl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Münster, "begründet die Logik<br />

e<strong>in</strong>er Langzeittherapie". Fast 40 Prozent der Frauen seien, um die 50 herum, "beruflich<br />

voll aktiv oder gar auf dem Höhepunkt ihrer Karriere", betont Cornelia Höß, gynäkologische<br />

Chefärzt<strong>in</strong> an der Kreiskl<strong>in</strong>ik Ebersberg: "Die Frauen können <strong>in</strong> ihrem Sei<strong>den</strong>kostüm<br />

nicht klatschnass dastehen: Es gibt nur ganz wenige Patient<strong>in</strong>nen, <strong>den</strong>en ich die Substitution<br />

nicht anbiete."<br />

Als e<strong>in</strong>e Art chemischer Jungbrunnen soll die "<strong>Hormonersatz</strong>therapie"<br />

(HET) Knochenschwund (Osteoporose), Herz<strong>in</strong>farkt,<br />

Blasenstörungen und die Alzheimersche Krankheit verhüten.<br />

Sogar e<strong>in</strong>e Schutzwirkung gegen Darmkrebs wurde der Therapie<br />

schon nachgesagt: Die Zahl der Übel und Altersersche<strong>in</strong>ungen,<br />

gegen die Ärzte und Pharmafirmen Wirkung versprechen,<br />

ist im letzten Jahrzehnt stetig angestiegen - und damit<br />

die Zahl der Frauen, die jenseits der fruchtbaren Jahre Gesundheit<br />

und Attraktivität mit Hilfe von Hormonen erhalten<br />

möchten. Rund 30 Millionen Frauen <strong>in</strong> der Lebensmitte lassen<br />

sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> Industrieländern mit Hormonen behandeln: Mit<br />

e<strong>in</strong>er durchschnittlichen Lebenserwartung von fast 82 Jahren,<br />

so Gynäkolog<strong>in</strong> Höß, haben sie schließlich nach der Menopause<br />

noch mehr als e<strong>in</strong> Drittel des Lebens vor sich. E<strong>in</strong>e gesunde<br />

Fünfziger<strong>in</strong> kann heute sogar damit rechnen, 90 Jahre alt zu<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

Um <strong>den</strong> altersbed<strong>in</strong>gten Hormonschwund wieder auszugleichen,<br />

lässt sich <strong>in</strong> deutschen Praxen schon fast jede dritte 50-<br />

bis 59-Jährige Pillen, Spritzen oder Pflaster verschreiben. In<br />

<strong>den</strong> USA ist die hormonelle Dauermedikation noch weiter verbreitet,<br />

Östrogenpräparate s<strong>in</strong>d dort die meistverordneten<br />

Medikamente.<br />

Die "Langzeitverabreichung von Östrogenen und Gestagenen", so propagiert der deutsche<br />

Berufsverband der Frauenärzte, sei "e<strong>in</strong>er der größten Fortschritte der vorbeugen<strong>den</strong><br />

Mediz<strong>in</strong> der letzten Jahrzehnte". Immer noch gebe es jedoch Skeptiker<strong>in</strong>nen, bedauern<br />

die Frauenärzte, die aus Angst vor Nebenwirkungen "diese nützliche Behandlung<br />

nicht <strong>in</strong> Anspruch nehmen".<br />

Anlass für Verunsicherung s<strong>in</strong>d Untersuchungen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen<br />

der Hormonsubstitution und Krebserkrankungen nicht auszuschließen war. Zunehmend<br />

19<br />

DER SPIEGEL<br />

Langzeitwirkungen des Sexualhormons


wehren sich aber auch Frauen grundsätzlich dagegen, die Wechseljahre als "Mangelkrankheit<br />

mit beängstigen<strong>den</strong> Folgen" anzusehen, wie die Bremer Psycholog<strong>in</strong> Ulrike<br />

Hauffe sagt.<br />

Von <strong>den</strong> rund fünf Millionen Frauen <strong>in</strong> Deutschland, die gerade ihren "Wechsel" erleben,<br />

verspüre etwa die Hälfte, so Adolf Sch<strong>in</strong>dler, Direktor der Unifrauenkl<strong>in</strong>ik Essen, ke<strong>in</strong>e<br />

Beschwer<strong>den</strong>. Viele Frauen jedoch lei<strong>den</strong> mehr oder m<strong>in</strong>der unter <strong>den</strong> charakteristischen<br />

Ersche<strong>in</strong>ungen.<br />

Was das Pillenschlucken, Spritzen und Pflasterkleben wirklich nützen kann, sollte nun<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale Konferenz klären, zu der sich im letzten Juni Mediz<strong>in</strong>er und Epidemiologen<br />

aus zwölf Ländern <strong>in</strong> Mailand versammelt hatten.<br />

Die "Ängste, Sorgen und Hoffnungen" der Frauen, die <strong>in</strong> die Praxen kommen, seien ernst<br />

genommen wor<strong>den</strong>, sagte Umberto Veronesi, Chef des <strong>in</strong> Mailand ansässigen Europäischen<br />

Instituts für Onkologie, das die Tagung geme<strong>in</strong>sam mit der Harvard School of Public<br />

Health <strong>in</strong> Boston und der britischen Ärztezeitschrift "Lancet" organisiert hatte. Nachdem<br />

sie hunderte von kl<strong>in</strong>ischen und epidemiologischen Studien über die Wirkungen und<br />

Nebenwirkungen der Hormonpräparate gesichtet hatten, diskutierten die Experten <strong>den</strong><br />

jüngsten Stand der Forschung.<br />

Die Daten der zahlreichen Beobachtungs- und Vergleichsstudien müssten "mit Vorsicht"<br />

ausgelegt wer<strong>den</strong>, heißt es <strong>in</strong> dem Kongressbericht, der im Juli <strong>in</strong> der Zeitschrift "Lancet"<br />

veröffentlicht wurde. Denn Frauen, die e<strong>in</strong>e <strong>Hormonersatz</strong>therapie machen, unterschei<strong>den</strong><br />

sich oftmals noch <strong>in</strong> anderer H<strong>in</strong>sicht von Altersgenoss<strong>in</strong>nen, die sich nicht behandeln<br />

lassen: Die Hormonanwender<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d, im statistischen Durchschnitt, gesünder,<br />

gebildeter, körperlich aktiver und schlanker. Schon dadurch können im Vergleich zu unbehandelten<br />

Frauen die Ergebnisse verzerrt wer<strong>den</strong> und günstiger ausfallen, als sie es <strong>in</strong><br />

Wahrheit s<strong>in</strong>d. Durch häufigere Mammografie-Untersuchungen wird andererseits bei ihnen<br />

Brustkrebs öfter und schneller entdeckt.<br />

Als unbestritten "hochwirksam" wurde von <strong>den</strong> Kongressteilnehmern die Hormontherapie<br />

bei Hitzewallungen e<strong>in</strong>gestuft.<br />

Effektiv seien die Hormone auch im E<strong>in</strong>satz gegen <strong>den</strong> altersbed<strong>in</strong>gten Knochenabbau,<br />

hieß es: Die Präparate verdichten die Knochensubstanz und verm<strong>in</strong>dern so, bei gefährdeten<br />

Frauen, das Risiko von Frakturen. Diese Wirkung schw<strong>in</strong>det allerd<strong>in</strong>gs schnell, wenn<br />

die Frauen - im Durchschnitt nach zwei, drei Jahren - das Medikament wieder absetzen.<br />

Risikopatient<strong>in</strong>nen sollten deshalb vom 60. Lebensjahr an mit e<strong>in</strong>er Langzeite<strong>in</strong>nahme<br />

vorbeugen, lautete die Empfehlung.<br />

Skeptisch beurteilten die <strong>in</strong> Mailand versammelten Experten h<strong>in</strong>gegen die Wohltaten, die<br />

<strong>den</strong> meist komb<strong>in</strong>ierten Östrogen-Gestagen-Präparaten bei der Vorbeugung gegen Herz-<br />

Kreislauf-Krankheiten zugeschrieben wer<strong>den</strong>: Östrogen vermag je<strong>den</strong>falls im Tierversuch<br />

<strong>den</strong> Pegel des als "HDL" bekannten "guten" Cholester<strong>in</strong>s im Blut zu erhöhen und <strong>den</strong> Anteil<br />

an LDL, dem schädlichen Blutfett, zu m<strong>in</strong>dern. Doch die 1998 als HERS-Studie (Heart<br />

and Estrogen Replacement Study) bekannt gewor<strong>den</strong>e e<strong>in</strong>zige große und wissenschaftlich<br />

untadelige Untersuchung zu dieser Frage dämpfte die Erwartungen erheblich. Bei besonders<br />

<strong>in</strong>farktgefährdeten Frauen stellten die HERS-Forscher statt e<strong>in</strong>es schützen<strong>den</strong> Effektes<br />

sogar e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gfügig erhöhtes Risiko durch die Hormone<strong>in</strong>nahme fest.<br />

H<strong>in</strong>gegen erwies sich <strong>in</strong> unterschiedlichen Untersuchungen, dass das Thrombose-Risiko<br />

bei e<strong>in</strong>er Hormonbehandlung <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> auf das Zwei- bis Dreifache ansteigt.<br />

Für Frauen ohne Vorbelastung, so hieß es, wirke sich dieser Anstieg aber nur ger<strong>in</strong>gfügig<br />

aus.<br />

Dass die Hormonsubstitution vor Altersgebresten wie dem Alzheimerschen Gedächtnisabbau<br />

und anderen Formen von Demenz schützen könne, hatten Experimentatoren aus<br />

Laborversuchen mit Tieren und Zellmaterial geschlossen. Doch diese Arbeiten seien noch<br />

völlig unzureichend, resümierte Psychiater Ingmar Skoog von der Universität Göteborg<br />

20


nach der Prüfung sämtlicher Publikationen. Die Hoffnung auf hormonelle Hilfe gegen geistigen<br />

Abbau sei vage und rechtfertige alle<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>eswegs die Behandlung, lautete das<br />

Mailänder Fazit.<br />

Erstmals mit e<strong>in</strong>deutigen Belegen untermauerte die britische Epidemiolog<strong>in</strong> Valerie Beral<br />

die vieldiskutierte Annahme, e<strong>in</strong>e langfristige E<strong>in</strong>nahme der Wechseljahrshormone erhöhe<br />

die Brustkrebsgefahr. Statistisch gesehen, so Beral, mache der "leichte Anstieg sechs<br />

zusätzliche Fälle unter 1000 Frauen aus, die vom 50. Lebensjahr an durchgehend zehn<br />

Jahre lang mit Hormonen substituiert wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d": Statt 45 pro 1000 Frauen erkranken<br />

laut Beral 51 an Brustkrebs.<br />

Fünf Jahre nach Beendigung der Hormonbehandlung, so ermittelte die Oxford-<br />

Professor<strong>in</strong>, schwand jedoch das Brustkrebsrisiko wieder erheblich. Überdies seien die<br />

hormonell bed<strong>in</strong>gten Brustkrebs- und Endometrium-Tumoren "weniger aggressiv" als<br />

diejenigen bei Frauen, die niemals Östrogene und Gestagene gegen Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong><br />

genommen hatten. Das sei "e<strong>in</strong> schwacher Trost", kommentierte auf der Konferenz<br />

die australische Wissenschaftler<strong>in</strong> Debra Anderson von der Queensland University<br />

of Technology: Brustkrebs sei schließlich das wahre Schreckgespenst für Frauen <strong>in</strong> diesem<br />

Alter.<br />

"E<strong>in</strong>ige Jahre lang angewandt", werde die Hormontherapie "Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong><br />

mildern", aber "nicht zu e<strong>in</strong>er wesentlichen Zu- oder Abnahme von Krebs, Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen oder Osteoporose führen", lautet das Resümee der dreitägigen Diskussionen:<br />

"Für manche Frauen wer<strong>den</strong> bei e<strong>in</strong>er Langzeittherapie die Risiken überwiegen, für<br />

andere die Wohltaten." Weitere kontrollierte Studien seien dr<strong>in</strong>gend erforderlich, um<br />

mehr Klarheit zu schaffen.<br />

Mehr Aufklärung und bessere Kenntnisse, so macht das abschließende Statement deutlich,<br />

wünschten sich die Fachleute bei <strong>den</strong> praktizieren<strong>den</strong> Gynäkologen. Die Entscheidung<br />

für e<strong>in</strong>e <strong>Hormonersatz</strong>therapie müsse, nach "fundierter Information", geme<strong>in</strong>sam<br />

mit der Patient<strong>in</strong> getroffen wer<strong>den</strong>.<br />

In jedem e<strong>in</strong>zelnen Fall müsse die Behandlung "maßgeschneidert" se<strong>in</strong> - e<strong>in</strong> Aufwand,<br />

<strong>den</strong> längst nicht alle Ärzte treiben. "Dafür muss man viel und ganz konkret fragen", weiß<br />

Gynäkolog<strong>in</strong> Höß und fasst ihre Ärzte-Kollegen am Portepee: "Wir sollten Hormone nicht<br />

nach dem Gießkannenpr<strong>in</strong>zip austeilen."<br />

RENATE NIMTZ-KÖSTER<br />

DESIGNER-HORMONE<br />

Die seit Jahrzehnten gängigsten Präparate zur Behandlung der Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong><br />

s<strong>in</strong>d tierischer Herkunft: Aus dem Ur<strong>in</strong> schwangerer Stuten wird der Grundstoff<br />

für das <strong>in</strong> Europa und <strong>den</strong> USA meistverschriebene Medikament Presomen (<strong>in</strong> USA:<br />

Premar<strong>in</strong>) gewonnen, zum Missfallen von Tierschützern, die dem US-Hersteller Wyeth<br />

quälerische Haltung <strong>in</strong> engen Biofabriken vorwerfen. Auch Pharmakologen meldeten mittlerweile<br />

Zweifel an: "Die tierischen Harnextrakte enthalten <strong>in</strong> hohen Mengen für <strong>den</strong><br />

Menschen körperfremde Östrogene <strong>in</strong> wechselnder Zusammensetzung", kritisiert der Tüb<strong>in</strong>ger<br />

Pharmakologe Alfred Mueck.<br />

Synthetisch hergestellte Östrogene erobern deshalb mehr und mehr <strong>den</strong> Markt, auch<br />

pflanzliche Hormone wer<strong>den</strong> erfolgreich e<strong>in</strong>gesetzt. E<strong>in</strong>e andere, zukunftsträchtige Alternative<br />

zur herkömmlichen Substitutionstherapie s<strong>in</strong>d Designer-Östrogene, bekannt unter<br />

dem Kürzel SERM ("Selective Estrogen Receptor Modulator").<br />

Die neue Klasse von Steuersubstanzen soll nur dort wirken, wo es für <strong>den</strong> Organismus<br />

s<strong>in</strong>nvoll ist, und lässt, wie es <strong>in</strong> der Fachzeitschrift "Gyne topics" heißt, "Brust und Gebärmutter<br />

l<strong>in</strong>ks liegen". Zu <strong>den</strong> SERMs zählt das 1998 <strong>in</strong> Deutschland zugelassene Raloxifen,<br />

mit dem es offenbar gel<strong>in</strong>gt, bei gefährdeten Frauen nach der Menopause gezielt<br />

<strong>den</strong> Knochenabbau zu bremsen. Auch Raloxifen ist allerd<strong>in</strong>gs nicht gänzlich frei von Ne-<br />

21


enwirkungen: Die Substanz erhöht, wie Östrogen, das Risiko e<strong>in</strong>er Thrombose. Wucherungen<br />

an der Gebärmutterschleimhaut h<strong>in</strong>gegen wur<strong>den</strong> bisher nicht beobachtet, das<br />

Brustkrebsrisiko sche<strong>in</strong>t durch e<strong>in</strong>e Raloxifen-Behandlung sogar abzunehmen.<br />

Deutsches Ärzteblatt, Jg. 98, Heft 44, 2. Nov. 2001:<br />

Akut<br />

Sekundärprävention<br />

8 Östrogene schützen nicht vor Schlaganfall<br />

E<br />

<strong>in</strong>e Therapie mit Östrogenen schützt Frauen, die bereits e<strong>in</strong>en Schlaganfall überlebt haben, nicht<br />

vor e<strong>in</strong>em erneuten Hirn<strong>in</strong>farkt. Diese Schlussfolgerung zieht e<strong>in</strong>e Gruppe um Dr. Catherme Viscoli<br />

und Dr. Ralph Horwitz von der Yale-Universität <strong>in</strong> New Haven aus dem Schicksal von 664 Frauen,<br />

die drei Monate nach e<strong>in</strong>em Schlaganfall oder e<strong>in</strong>er transienten ischämischen Attacke <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e randomisierte<br />

Studie e<strong>in</strong>willigten: 337 der durchschnittlich 72 Jahre alten Amerikaner<strong>in</strong>nen nahmen täglich<br />

e<strong>in</strong> Milligramm des Hormons 17ß-Östradiol, weitere 327 e<strong>in</strong> Placebo e<strong>in</strong> (NEJM 2001; 345:<br />

1243). Nach durchschnittlich drei Jahren Behandlung war jedoch ke<strong>in</strong>e positive Wirkung des Hormons<br />

feststellbar: 99 der mit Ersatztherapie behandelten Frauen waren gestorben oder hatten e<strong>in</strong>en<br />

weiteren Schlaganfall erlitten, unter Placebo waren es 93. Möglich ist sogar, dass sich die <strong>Hormonersatz</strong>therapie<br />

nachteilig auf das Schlaganfallrisiko auswirkt. Unter der 17ß-Östradiol-Therapie starben<br />

zwölf Frauen an Schlaganfall, unter Placebo waren es nur vier. Der Unterschied war zwar nicht signifikant,<br />

<strong>den</strong>noch empfehlen die Forscher: ,,Diese Therapie sollte nicht zur Vorbeugung e<strong>in</strong>es zweiten<br />

Hirn<strong>in</strong>farktes verschrieben wer<strong>den</strong>.“<br />

E<br />

<strong>in</strong>e ähnliche Empfehlung hatte die Amerikanische Herzgesellschaft zur Vorbeugung von Myokard<strong>in</strong>farkten<br />

bei herzkranken Frauen gegeben. Auch Prof. Mart<strong>in</strong>a Dören (Kl<strong>in</strong>isches Forschungszentrum<br />

Frauengesundheit FU Berl<strong>in</strong>) stimmt zu: ,,Es gibt jetzt mehrere randomisierte, prospektive<br />

Studien, die ke<strong>in</strong>e positiven Effekte <strong>in</strong> der Sekundärprophylaze sowohl von Herzerkrankungen<br />

als auch von Schlaganfällen durch Östrogene gezeigt haben.“ Die neue Studie beantwortet<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht die Frage, ob Östrogene <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, bei jüngeren und noch gesun<strong>den</strong> Frauen<br />

e<strong>in</strong>em Schlaganfall vorzubeugen. Bisherige Analysen waren <strong>in</strong> diesem Punkt widersprüchlich. Heute<br />

würde die 1992 begonnene Studie wohl nicht mehr von e<strong>in</strong>er Ethikkommission genehmigt: Die Ärzte<br />

haben auch Frauen mit Östrogenen behandelt, die nicht hysterektomiert waren.<br />

D<br />

ie Folge: In der Östrogen-Gruppe klagten 115 von 189 Frauen mit Gebärmutter über Blutungen<br />

(33 von 180 unter Placebo); auch Endometriumhyperplasien waren häufiger. Zwei Frauen aus der<br />

Östrogengruppe erkrankten an e<strong>in</strong>em Endometriumkarz<strong>in</strong>om, das ebenfalls zu <strong>den</strong> bekannten Risiken<br />

der <strong>Hormonersatz</strong>therapie gehört, wenn die Frauen nicht zusätzlich Gestagene nehmen. ,,Ich habe<br />

große Schwierigkeiten zu verstehen, dass diese Risiken akzeptiert wur<strong>den</strong>“, sagt Dören. H<strong>in</strong>tergrund<br />

war der Glaube, dass Gestagene <strong>den</strong> angenommenen Nutzen des Östrogens schwächen könnten.<br />

Klaus Koch<br />

MEDICAL TRIBUNE<br />

Hormone <strong>in</strong> der Menopause<br />

9 Herzschutz nur Täuschung?<br />

GÖTEBURG - Die Beobachtung, dass die <strong>Hormonersatz</strong>therapie das Risiko kardiovaskulärer<br />

Erkrankungen um die Hälfte reduziert, könnte sich als falsch erweisen. Jetzt<br />

legt e<strong>in</strong>e prospektiven Studie aus Schwe<strong>den</strong> nahe, dass Frauen, die Hormone e<strong>in</strong>nehmen<br />

schon zu Beg<strong>in</strong>n der Substitution e<strong>in</strong> gesünderes Kollektiv darstellen.<br />

22


So stammen die Ergebnisse, die bisher für <strong>den</strong> Herzschutz der Hormontherapie sprechen, ausschließlich<br />

aus retrospektiven Studien. Nach <strong>den</strong> Resultaten der jetzt im "British Medical<br />

Journal" erschienenen Untersuchung haben Frauen, die sich für e<strong>in</strong>e <strong>Hormonersatz</strong>therapie<br />

entschei<strong>den</strong>, schon vor Beg<strong>in</strong>n der Behandlung e<strong>in</strong> erheblich günstigeres kardiovaskuläres<br />

Risikoprofil als Frauen, die auf e<strong>in</strong>e Hormonsubstitution <strong>in</strong> der Menopause verzichten. In der<br />

schwedischen Untersuchung mit über 1200 Teilnehmer<strong>in</strong>nen hatten die Patient<strong>in</strong>nen, die während<br />

der 24jährigen Beobachtungszeit e<strong>in</strong>e <strong>Hormonersatz</strong>therapie bekamen, schon vor Beg<strong>in</strong>n<br />

der Behandlung e<strong>in</strong>en signifikant niedrigeren Blutdruck, e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>geren Body-Mass-Index<br />

und gehörten e<strong>in</strong>er höheren sozialen Schicht an. Auch verfügten sie über e<strong>in</strong>e bessere Bildung<br />

und waren körperlich aktiver, allerd<strong>in</strong>gs erreichten die bei<strong>den</strong> letztgenannten Variablen ke<strong>in</strong>e<br />

statistische Signifikanz. Aufgrund dieser Daten und fehlender kontrollierter Studien sollte die<br />

<strong>Hormonersatz</strong>therapie (noch) nicht zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen empfohlen<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

GH<br />

Quelle: Kerst<strong>in</strong> Rödström, Department of Primary Health Care, Vasa Hospital, Göteborg, et al.; British Medical<br />

Journal, Vol. 319, No. 7214 (1999), S. 890 – 893.<br />

MTD 1 / 2000 S. 20<br />

MEDICAL TRIBUNE<br />

<strong>Hormonersatz</strong> für Herz und Knochen<br />

10 Verschleiert er die Mammographie?<br />

MELBOURNE - Sensitivität und Spezifität der Screen<strong>in</strong>g-Mammographie nehmen ab,<br />

wenn Frauen Hormone schlucken. Das sollte man vor der Entscheidung über e<strong>in</strong>e Hormonsubstitution<br />

wissen.<br />

Mammographie-Screen<strong>in</strong>gs können die Mortalität von Brustkrebs nur senken, wenn sie e<strong>in</strong>e<br />

hohe Sensitivität erreichen und kle<strong>in</strong>e Karz<strong>in</strong>ome entdecken. Genau das wird aber durch die<br />

Hormonsubstitution erschwert, wie e<strong>in</strong>e aktuelle australische Studie zeigt. Im Programm<br />

"Breast Screen Victoria" können sich alle Frauen ab 40 alle zwei Jahre mamographieren lassen.<br />

Die Daten von über 103 000 Frauen, die sich 1994 zum ersten Mal e<strong>in</strong>er Screen<strong>in</strong>g-<br />

Mammographie unterzogen, wur<strong>den</strong> für die Untersuchung ausgewertet, schreiben australische<br />

Kollegen im "Lancet". Insgesamt schluckten 27 % der Frauen Hormone; <strong>in</strong> der Altersgruppe<br />

der 50- bis 59-jährigen waren es sogar fast 40 %. Wichtigstes Ergebnis der Studie: bei Hormon-Anwender<strong>in</strong>nen<br />

beträgt die Sensitivität der Screen<strong>in</strong>g-Mammographie nur 64,8 %, bei<br />

<strong>den</strong> übrigen Frauen, liegt die Sensitivität der Untersuchung dagegen bei 74,7 %. Anders ausgedrückt:<br />

hätte man 20 % mehr Mammakarz<strong>in</strong>ome mit der Screen<strong>in</strong>g-Mammographie bei<br />

Hormon-Anwender<strong>in</strong>nen entdecken können, wenn die Sensitivität hierbei genauso gut wäre<br />

wie bei hormonabst<strong>in</strong>enten Frauen.<br />

Vorm Röntgen absetzen?<br />

Das Hauptaugenmerk richteten die Wissenschaftler auf die 50- bis 69-jährigen Frauen,<br />

die sich am häufigsten e<strong>in</strong>er Hormonsubstitution unterziehen und e<strong>in</strong> dichteres Brustgewebe<br />

aufweisen als ihre Altersgenoss<strong>in</strong>en. Die Autoren vermuten, dass diese Tatsache<br />

die Sensitivität der Screen<strong>in</strong>g-Mammographie bee<strong>in</strong>flusst. Bei jüngeren (40 bis 49 Jahre)<br />

und älteren (ab 70 Jahren) Patient<strong>in</strong>nen beobachteten die Kollegen ke<strong>in</strong>e schlechtere<br />

Sensitivität unter Hormonsubstitution. Außerdem sollte man untersuchen, ob es günstig<br />

ist, die Hormone kurz vor e<strong>in</strong>er Mammographie abzusetzen: In der Literatur gibt es H<strong>in</strong>weise<br />

dafür, dass sich auffällige Mammographie-Befunde schon <strong>in</strong>nerhalb von zwei Wochen<br />

nach Absetzen der Hormonsubstitution zurückbil<strong>den</strong> können.<br />

23


AW<br />

Quelle: Dr. Anne Kavanagh, Australian Research Centre for Sex, Health and Society, Melbourne, et al.; The<br />

Lancet, Vol. 355, No. 9200 (2000), S. 270 -274<br />

MTD 22 / 2000 S. 6<br />

MEDICAL TRIBUNE<br />

<strong>Hormonersatz</strong> nach der Menopause<br />

11 Mehr Brustkrebs durch Kombitherapie?<br />

ROCKVILLE - Zur Hormonsubstitution <strong>in</strong> der Postmenopause komb<strong>in</strong>iert man Östrogen<br />

mit Progesteron, um das ger<strong>in</strong>gere Endometriumkrebs-Risiko auszunutzen. Wie<br />

US-Forscher jetzt herausfan<strong>den</strong>, steigt jedoch das Brustkrebsrisiko unter der Komb<strong>in</strong>ation<br />

an.<br />

Die Wissenschaftler nutzten für ihre Kohortenstudie die Daten e<strong>in</strong>es amerikanischen Brustkrebs-Screen<strong>in</strong>g-Projektes,<br />

an dem 29 Zentren und über 46 000 Frauen <strong>in</strong> der Postmenopause<br />

teilgenommen hatten.<br />

Innerhalb e<strong>in</strong>er im Schnitt zehnjährigen Nachbeobachtung fan<strong>den</strong> sich <strong>in</strong>sgesamt 2082 Brustkrebs-Fälle.<br />

Unter <strong>den</strong> Frauen, die <strong>in</strong>nerhalb der letzten vier Jahre Hormone e<strong>in</strong>genommen<br />

hatten, nahm das Risiko e<strong>in</strong>er Brustkrebserkrankung mit jedem Jahr e<strong>in</strong>er Östrogentherapie<br />

um 1 %, bei e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ationstherapie sogar um 8 % zu. Für schlanke Frauen mit e<strong>in</strong>em<br />

Body Mass Index bis 24,4 kg/m2 lagen die entsprechen<strong>den</strong> Zahlen sogar bei 3 bzw. 12 %.<br />

Das Mammakarz<strong>in</strong>om-Risiko schwererer Frauen erhöhte sich durch die <strong>Hormonersatz</strong>therapie<br />

dagegen nicht. Das liegt vermutlich daran, dass Frauen mit hohem Körpergewicht durch ihre<br />

höheren Östrogen-Level sowieso schon e<strong>in</strong> höheres Brustkrebs-Risiko haben und der Effekt<br />

durch die Kombitherapie mit Progesteron daher kaum <strong>in</strong>s Gewicht fällt, schreiben die Studienautoren<br />

<strong>in</strong> der Zeitschrift "JAMA". 1)<br />

Ohne Uterus auf Kombi verzichten<br />

Welche Konsequenzen sollte man nun aus diesen Zahlen ziehen? Da das Krebsrisiko<br />

durch die Dauer der Substitution bestimmt wird, schreiben Kollegen aus Harvard <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Editorial, solle man zunächst e<strong>in</strong>mal Frauen, die kurzfristig (z.B. über zwei bis drei<br />

Jahre) zur L<strong>in</strong>derung ihrer Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong> Hormone substituieren, die Angst<br />

vor Brustkrebs nehmen. Des Weiteren empfehle es sich, bei Frauen ohne Uterus ganz auf<br />

e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ationstherapie zu verzichten. Bei allen anderen postmenopausalen Frauen<br />

gelte es, Risiko und Nutzen von Hormonbehandlungen sorgfältig gegene<strong>in</strong>ander abzuwägen.<br />

Zum e<strong>in</strong>en solle man sich Gedanken machen, ob Hormone zur Osteoporose-<br />

Prophylaxe und Senkung des Herz-Kreislauf-Risikos überhaupt erforderlich s<strong>in</strong>d. Schließlich<br />

könne man auch mit gesunder Lebensführung (ke<strong>in</strong> Nikot<strong>in</strong>, Sport, gesunde Ernährung)<br />

viel erreichen. Zum anderen böten sich mit Stat<strong>in</strong>en, Bisphosphonaten und evtl.<br />

<strong>den</strong> selektiven Rezeptormodulatoren (SERMs) pharmakologische Alternativen an. 2)<br />

bur/VS<br />

Quelle: 1) Cather<strong>in</strong>e Schairer, National Cancer Institute, Division of Cancer Epidemiology and Genetics, Rockville,<br />

et al.; 2) Dr. Walter C. Willett, Department of Nutrition, Harvard School of Public Health, Boston, et al.;<br />

JAMA, Vol. 283, No. 4 (2000), S. 485 - 491 und S. 534 - 535<br />

MTD 16 / 2000 S. 19<br />

24


Gesundheit<br />

News Ticker, der INTERNET-­‐Dienst von Bild der Wissenschaft am 27.11.1999<br />

12 Schwangerschaftsverhütung: Pille erhöht das Risiko für Zahnfleischentzündungen<br />

(Meldung vom 26.11.1999)<br />

Frauen, die die Pille nehmen, riskieren eher e<strong>in</strong>e Zahnfleischenzündung als Frauen, die anders oder gar<br />

nicht verhüten. Das haben Wissenschaftler der Guy's, K<strong>in</strong>g's und St. Thomas's Dental Insitute <strong>in</strong> London<br />

<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Kollegen aus Sri Lanka herausgefun<strong>den</strong>.<br />

Die Wissnschaftler untersuchten 49 Frauen, die seit Jahren die Pillen e<strong>in</strong>nahmen. Dreimal so oft wie<br />

bei <strong>den</strong> 39 Frauen e<strong>in</strong>er Kontrollgruppe lautete die Diagnose: Zahnfleischentzündung. Die Vermutung<br />

der Forscher: Durch die Hormone verändern sich die Blutgefäße und damit die Struktur des Zahnfleisches.<br />

Das Zahnfleisch wird empfänglicher für Bakterien. Es entzündet sich leichter, besonders wenn<br />

Zähne und Zahnfleisch nicht ausreichend gepflegt wer<strong>den</strong>. Die Auswirkungen der Hormone zeigen<br />

sich nach Angaben der Wissenschaftler allerd<strong>in</strong>gs erst mehrere Jahre nach der ersten E<strong>in</strong>nahme.<br />

[Quelle: Andrea Hoferichter und Reuters]<br />

Gesellschaft:<br />

News Ticker, der INTERNET-­‐Dienst von Bild der Wissenschaft am 16.12.1999<br />

13 Spermienkonzentration bei Männern um bis zu 70% gesunken<br />

(Meldung vom 16.12.1999)<br />

Aus e<strong>in</strong>er am Dienstag veröffentlichten Studie des Ol<strong>den</strong>burger Instituts für Angewandte Toxikologie<br />

und Umwelthygiene im Auftrag des WWF-Deutschland geht hervor, dass die Spermienqualität bei<br />

deutschen Männern <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Jahren deutlich gesunken ist: die Konzentration der Spermien ist <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> letzten 40 Jahren um bis zu 70% gesunken. Als mögliche Ursachen gelten bestimmte Umweltchemikalien,<br />

aber auch das Tragen von zu engen Hosen, Stress und Fehlernährung.<br />

Die Wissenschaftler werteten Studien der Universitätskl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong> Hamburg, Berl<strong>in</strong>, Leipzig und Magdeburg<br />

aus. Bei <strong>den</strong> gesammelten Daten handelt es sich vorwiegend um Untersuchungen an Männer,<br />

die wegen e<strong>in</strong>es unerfüllten K<strong>in</strong>derwunsches Hilfe <strong>in</strong> <strong>den</strong> Unikl<strong>in</strong>iken suchten. In Hamburg wurde<br />

zwischen 1956 und 1996 bei 30.000 Männern e<strong>in</strong> Rüchgang von bis zu 70% <strong>in</strong> der Spermienkonzentration<br />

beobachtet. In Magdeburg nahm die Konzentration bei 5000 untersuchten Männern <strong>in</strong> 20 Jahren<br />

um 47% ab. In Leipzig und Berl<strong>in</strong> wur<strong>den</strong> je knapp 1300 Männer, bei <strong>den</strong>en ke<strong>in</strong>e Erkrankung der<br />

Geschlechtsorgane vorlag, <strong>in</strong> die Studien e<strong>in</strong>bezogen: <strong>in</strong> Leipzig nahm die Konzentration um 34% ab,<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> dagegen wurde nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Abnahme beobachtet. Allerd<strong>in</strong>gs erhöhte sich hier der Anteil<br />

der missgebildeten Spermien.<br />

Deutschland steht mit diesem Problem jedoch nicht alle<strong>in</strong>e da: auch <strong>in</strong> Skand<strong>in</strong>avien, Frankreich, Belgien<br />

und Schottland wurde die Abnahme der Spermienkonzentration beobachtet. Zusätzlich habe sich<br />

die Anzahl von Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane - wie Ho<strong>den</strong>krebs und Ho<strong>den</strong>hochstand<br />

- <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten 30 bis 50 Jahren mehr als verdoppelt.<br />

Aufgrund dieser alarmieren<strong>den</strong> Studie forderte der WWF neben Verboten und Beschränkungen für<br />

alle hormonell und fruchtbarkeitsschädigend wirken<strong>den</strong> Umweltgifte auch <strong>den</strong> freiwilligen Verzicht<br />

der Industrie auf diese Chemikalien. Die Chemieexpert<strong>in</strong> des WWF, Patricia Cameron, me<strong>in</strong>t dazu:<br />

„Es ist zu befürchten, dass auch bei Menschen neben Risikofaktoren wie Ernährungsgewohnheiten<br />

oder Stress, Umweltgifte mitverantwortlich für die abnehmende Fruchtbarkeit und die Zunahme von<br />

Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane se<strong>in</strong> können."<br />

[Quelle: Katja Bammel, Der Spiegel und Die Welt]<br />

25


14 Hormone <strong>in</strong> der Menopause: Was gilt?<br />

14.1 E<strong>in</strong>e Therapie wird h<strong>in</strong>terfragt<br />

Seit <strong>den</strong> sechziger Jahren wer<strong>den</strong> die akuten Beschwer<strong>den</strong> der Wechseljahre sowie die Auswirkungen<br />

des chronischen «Hormonmangels» mit weiblichen Geschlechtshormonen behandelt. In<br />

jüngster Zeit wird allerd<strong>in</strong>gs diskutiert, ob die heute übliche Komb<strong>in</strong>ation von Östrogenen mit<br />

Progesteron das Brustkrebsrisiko erhöht. Gleichzeitig sche<strong>in</strong>en die Resultate neuer Studien die<br />

günstige Wirkung der Hormone auf Herz und Gefässe <strong>in</strong> Frage zu stellen.<br />

bwe. «Die <strong>Hormonersatz</strong>therapie <strong>in</strong> der Menopause sche<strong>in</strong>t nur für e<strong>in</strong>e begrenzte Anzahl Frauen<br />

s<strong>in</strong>nvoll.» Diesen Schluss zog JoAnn Manson am Symposium «Women's health <strong>in</strong> the new millennium»,<br />

das Anfang April <strong>in</strong> Paris stattgefun<strong>den</strong> hat. Die Ansicht der Leiter<strong>in</strong> der Abteilung für Präventivmediz<strong>in</strong><br />

des Brigham and Women's Hospital <strong>in</strong> Boston erstaunt, wenn man be<strong>den</strong>kt, dass <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

vergangenen drei Jahrzehnten vor allem die positiven Aspekte dieser Behandlung hervorgehoben wor<strong>den</strong><br />

s<strong>in</strong>d. Schon <strong>in</strong> <strong>den</strong> frühen siebziger Jahren allerd<strong>in</strong>gs stellten sich Fem<strong>in</strong>ist<strong>in</strong>nen gegen e<strong>in</strong>e «Mediz<strong>in</strong>alisierung»<br />

der Menopause und argumentierten, das «Konzept der Menopause» sei das Konstrukt<br />

e<strong>in</strong>er patriarchalen Gesellschaft und Mediz<strong>in</strong>. Und bis heute wehren sich viele Frauen dagegen, als<br />

ignorant und unverantwortlich abgestempelt zu wer<strong>den</strong>, wenn sie e<strong>in</strong>e langfristige Hormone<strong>in</strong>nahme<br />

ablehnen. Tatsächlich wurde bald nach der E<strong>in</strong>führung der Hormontherapie klar, dass Östrogene für<br />

Frauen <strong>in</strong> der Menopause nicht nur Gutes br<strong>in</strong>gen: so belegte bereits 1975 e<strong>in</strong>e Studie <strong>den</strong> e<strong>in</strong>deutigen<br />

Zusammenhang zwischen der E<strong>in</strong>nahme von Östrogenen und Gebärmutterkrebs. Durch die Zugabe<br />

von Progesteron, dem zweiten weiblichen Geschlechtshormon, glaubte man, dieses Problem gelöst zu<br />

haben.<br />

Die anfänglich von fem<strong>in</strong>istischer Seite angeregte Diskussion hat nun <strong>in</strong> letzter Zeit neue Nahrung<br />

erhalten - e<strong>in</strong>erseits durch sich mehrende H<strong>in</strong>weise, dass der als gesichert geltende Nutzen für das<br />

Herz-Kreislauf-System möglicherweise sogar e<strong>in</strong> zusätzliches Risiko darstellen könnte. Andererseits<br />

sche<strong>in</strong>t die Komb<strong>in</strong>ation mit Progesteron das Brustkrebsrisiko zu erhöhen. Was spricht zurzeit für,<br />

was gegen e<strong>in</strong>e <strong>Hormonersatz</strong>therapie <strong>in</strong> der Menopause? Welche möglichen Alternativen zeichnen<br />

sich ab?<br />

14.2 Vorteile . . .<br />

Die Menopause kann unter zwei verschie<strong>den</strong>en Gesichtspunkten betrachtet wer<strong>den</strong>. Wird dieser Lebensabschnitt<br />

als Teil des normalen Alterungsprozesses angesehen, soll e<strong>in</strong>e mögliche Therapie m<strong>in</strong>imal<br />

se<strong>in</strong> und ke<strong>in</strong>e Nebenwirkungen verursachen. Verschie<strong>den</strong>e Mediz<strong>in</strong>er jedoch sehen die Veränderungen<br />

der Menopause als «pathologischen Prozess», als Ausdruck e<strong>in</strong>es Hormonmangels nach dem<br />

Erlöschen der Funktion der Eierstöcke. Diese Auffassung ruft nach e<strong>in</strong>er Therapie mit maximalem<br />

Effekt und längerfristigen, günstigen Auswirkungen für die Frau - und auf die öffentlichen Gesundheitskosten.<br />

Unter dieser Perspektive wurde <strong>in</strong> <strong>den</strong> sechziger Jahren die <strong>Hormonersatz</strong>therapie lanciert<br />

- im englischen Sprachgebrauch HRT (hormone replacement therapy) genannt - und ist seither <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

westlichen Ländern die übliche Art, die Beschwer<strong>den</strong> der Menopause anzugehen. Gegenwärtig wer<strong>den</strong><br />

aus diesem Grund mehr als 20 Millionen Frauen mit Geschlechtshormonen behandelt. Allerd<strong>in</strong>gs brechen<br />

20 bis 50 Prozent der Frauen die Behandlung bereits nach 9 bis 12 Monaten ab. Sie geben als<br />

Grund für diese «Non-Compliance» störende Nebenwirkungen wie Blutungen, Gewichtszunahme und<br />

depressive Verstimmungen an. Gross ist auch die Angst vor längerfristigen Folgen.<br />

Gegen die ersten Symptome der Wechseljahre wie Wallungen, nächtliche Schweissausbrüche sowie<br />

Trockenheit der Scheide wirkt die Behandlung rasch und nahezu immer. Langfristig wer<strong>den</strong> die Hormone<br />

mit der Absicht verabreicht, <strong>den</strong> Auswirkungen e<strong>in</strong>es chronischen Hormonmangels vorzubeugen.<br />

So wird der Knochenabbau unter der Wirkung der Östrogene gebremst: das Risiko für Knochenbrüche<br />

<strong>in</strong>sbesondere des Oberschenkels und der Wirbelkörper reduziert sich um 30 bis 50 Prozent.<br />

M<strong>in</strong>destens fünf Jahre, besser aber lebenslänglich, so die Empfehlung, sollten die Hormone e<strong>in</strong>ge-<br />

26


nommen wer<strong>den</strong>. Denn 10 Jahre nach Absetzen der Behandlung entspricht die Knochendichte wieder<br />

derjenigen von Frauen, die nie Östrogene e<strong>in</strong>nahmen.<br />

Weitere Vorteile e<strong>in</strong>er längerfristigen HRT liegen <strong>in</strong> der Verm<strong>in</strong>derung des Risikos, e<strong>in</strong>en bösartigen<br />

Tumor des Dickdarmes zu entwickeln. Der verantwortliche Wirkungsmechanismus ist unklar. Möglicherweise<br />

handelt es sich aber auch hier, wie bei der ebenfalls beobachteten Verm<strong>in</strong>derung der Gesamtsterblichkeit<br />

und des kardiovaskulären Risikos von mit Hormonen behandelten Frauen, zum<strong>in</strong>dest<br />

teilweise um <strong>den</strong> «healthy user effect». E<strong>in</strong>ige Studien haben nämlich gezeigt, dass Frauen, die langfristig<br />

Hormone e<strong>in</strong>nehmen, sich besser <strong>in</strong>formieren, sich gesundheitsbewusster verhalten, weniger<br />

Risikofaktoren aufweisen und damit generell gesünder s<strong>in</strong>d. - Auch vor der Alzheimer-Krankheit sollen<br />

die Östrogene Schutz bieten. E<strong>in</strong>e bereits bestehende Demenz allerd<strong>in</strong>gs - so die Resultate zweier<br />

kürzlich erschienenen Untersuchungen - wird durch die Gabe weiblicher Geschlechtshormone weder<br />

gebessert noch kann deren Fortschreiten aufgehalten wer<strong>den</strong>.<br />

14.3 . . . Gefahren und Unsicherheiten<br />

Den teilweise unbestreitbaren Vorteilen stehen potentiell schwerwiegende Risiken und Unsicherheiten<br />

gegenüber. So haben Frauen unter der <strong>Hormonersatz</strong>therapie e<strong>in</strong> doppelt so hohes Risiko, e<strong>in</strong>e Lungenembolie<br />

oder Venenthrombose zu erlei<strong>den</strong> wie nicht behandelte Kontrollpersonen. Auch Gallenste<strong>in</strong>e<br />

wer<strong>den</strong> doppelt so häufig beobachtet. Rund 100 epidemiologische Studien beleuchten die Auswirkungen<br />

der HRT auf das Krebsrisiko. Schon kurze Zeit nach E<strong>in</strong>führung der Hormontherapie wurde<br />

klar, dass die anfänglich nur mit Östrogenen behandelten Frauen - abhängig von Dosis und Dauer<br />

der Therapie - e<strong>in</strong> deutlich erhöhtes Risiko hatten, an Krebs der Gebärmutter zu erkranken. Da Progesteron<br />

die Zellteilungs-Aktivität der Gebärmutterschleimhaut hemmt, ist es seither üblich, Frauen mit<br />

<strong>in</strong>takter Gebärmutter e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von Östrogenen und Progesteron zu verabreichen.<br />

Die zahlreichen Untersuchungen, die durchgeführt wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d, um e<strong>in</strong> allfällig erhöhtes Brustkrebsrisiko<br />

nachzuweisen, kommen alle zu e<strong>in</strong>em ähnlichen Schluss: e<strong>in</strong>e kurzfristige Hormontherapie<br />

sche<strong>in</strong>t ke<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluss auf die Tumorhäufigkeit zu haben. Pro fünf Behandlungsjahre<br />

erhöht sich das Risiko um rund 10 Prozent; bereits fünf Jahre nach e<strong>in</strong>em Therapie-Stopp hat es sich<br />

wieder normalisiert.<br />

Bisher fehlten Langzeitbeobachtungen, die <strong>den</strong> speziellen E<strong>in</strong>fluss der Komb<strong>in</strong>ationsgabe auf die<br />

Brustkrebshäufigkeit analysierten. Man erhoffte sich von Progesteron jedoch e<strong>in</strong>en ähnlich günstigen<br />

Effekt auf das ebenfalls hormonempf<strong>in</strong>dliche Gewebe der Brustdrüse wie auf die Gebärmutterschleimhaut.<br />

Dies sche<strong>in</strong>t allerd<strong>in</strong>gs, wie sich jetzt gezeigt hat, nicht zuzutreffen. So haben zwei neue<br />

Studien sowohl Frauen als auch Ärzte verunsichert 1 2 . Beide Untersuchungen lassen <strong>den</strong> Schluss zu,<br />

dass die zusätzliche Progesteron-Gabe ke<strong>in</strong>en schützen<strong>den</strong>, sondern möglicherweise e<strong>in</strong>en krebsfördern<strong>den</strong><br />

Effekt auf die Brustdrüse ausübt, wobei das Tumorrisiko mit zunehmender Therapiedauer<br />

ansteigt. Diese Beobachtung sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong>sofern plausibel, als sich die Brustdrüsenzellen - im Verlauf<br />

e<strong>in</strong>es Menstruationszyklus - zum Zeitpunkt der höchsten körpereigenen Progesteronspiegel am lebhaftesten<br />

teilen.<br />

Auch für das Herz-Kreislauf-System galt der Nutzen der HRT bisher als gesichert. Denn weshalb s<strong>in</strong>d<br />

Frauen vor der Menopause weitgehend vor e<strong>in</strong>em Herz<strong>in</strong>farkt geschützt, wenn nicht durch die Wirkung<br />

der weiblichen Geschlechtshormone? Der Effekt sche<strong>in</strong>t zum Teil durch die günstige Bee<strong>in</strong>flussung<br />

der Blutfettwerte zustande zu kommen. Zudem haben Östrogene e<strong>in</strong>e antioxidative Wirkung und<br />

bee<strong>in</strong>flussen <strong>den</strong> Tonus der Blutgefässe und die Funktion des Endothels - derjenigen Zellschicht, die<br />

jedes Blutgefäss auskleidet. Insbesondere die Ergebnisse der sogenannten Nurses' health study untermauern<br />

die günstige Wirkung der HRT auf Herz und Gefässe. Im Rahmen dieser Untersuchung wird<br />

seit Jahren e<strong>in</strong>e grosse Zahl von Krankenschwestern beobachtet. Auch andere epidemiologische Studien<br />

stützen die vielversprechen<strong>den</strong> Ergebnisse, wonach e<strong>in</strong>e längerfristige <strong>Hormonersatz</strong>therapie das<br />

kardiovaskuläre Risiko nahezu halbiert.<br />

27


Doch auch die Auswirkungen der therapeutisch e<strong>in</strong>gesetzten weiblichen Geschlechtshormone aufs<br />

Herz-Kreislauf-System s<strong>in</strong>d seit e<strong>in</strong>iger Zeit Inhalt erregter Diskussionen. Bereits 1998 stellten die<br />

Ergebnisse des sogenannten HERS-Trial (Heart Estrogen/Progest<strong>in</strong> Replacement Study) die positiven<br />

Effekte <strong>in</strong> Frage. 3 Der Verdacht, dass <strong>in</strong>sbesondere Frauen mit bekannter koronarer Herzkrankheit<br />

nicht von e<strong>in</strong>er HRT im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er sekundären Prophylaxe profitieren, wird durch zwei kle<strong>in</strong>ere Studien<br />

gestützt, die kürzlich auf Kongressen vorgestellt wur<strong>den</strong>. Diese Unsicherheit sowie die Frage, ob<br />

Östrogene bei Frauen mit gesundem Herzen tatsächlich e<strong>in</strong>e vorbeugende Wirkung haben, soll die<br />

laufende «Women's Health Initiative» klären. Im Rahmen dieser amerikanischen Langzeitstudie wer<strong>den</strong><br />

27 000 Frauen während durchschnittlich neun Jahren beobachtet. Bisher zeichnet sich e<strong>in</strong>e - nicht<br />

signifikante - Häufung von Herz<strong>in</strong>farkten, Hirnschlägen und Thrombosen <strong>in</strong> der mit Hormonen behandelten<br />

Gruppe ab; def<strong>in</strong>itive Resultate wer<strong>den</strong> <strong>in</strong> fünf bis sieben Jahren erwartet.<br />

14.4 Abschätzen des «<strong>in</strong>dividuellen Risikos»<br />

Gegen e<strong>in</strong>e kurzfristige, maximal fünfjährige Behandlung der akuten, ersten Symptome der Wechseljahre<br />

spricht bisher nichts, darüber s<strong>in</strong>d sich die meisten Fachleute e<strong>in</strong>ig. Geht es um e<strong>in</strong>e Langzeittherapie,<br />

wird e<strong>in</strong>hellig e<strong>in</strong> «<strong>in</strong>dividuelles Abwägen von Nutzen und Risiken» gefordert. Allerd<strong>in</strong>gs gestaltet<br />

sich dies im E<strong>in</strong>zelfall oft nicht ganz e<strong>in</strong>fach, ist es doch äusserst schwierig, von statistischen<br />

Daten auf Grund beobachtender Studien auf <strong>den</strong> E<strong>in</strong>zelfall zu extrapolieren.<br />

Die HRT gilt als sehr kosten-effektiv. Denn dieser Behandlung liegt die Idee zu Grunde, dass durch<br />

die wirksame Verhütung so weit verbreiteter Lei<strong>den</strong> wie Osteoporose und koronarer Herzkrankheiten<br />

die Gesundheitsausgaben massiv gesenkt wer<strong>den</strong> können. Schenkt man der Berechnung von Gesundheitsökonomen<br />

und Verfechtern e<strong>in</strong>er langfristigen Hormonbehandlung <strong>in</strong> der Menopause Glauben,<br />

wer<strong>den</strong> angeblich auf je<strong>den</strong> Brustkrebsfall, der unter der HRT auftritt, sechs durch Herz-Kreislauf-<br />

Krankheiten verursachte Todesfälle verhütet. Sollte sich allerd<strong>in</strong>gs bestätigen, dass der günstige Effekt<br />

auf das kardiovaskuläre System nur ger<strong>in</strong>g oder gar <strong>in</strong>existent ist und gleichzeitig das Brustkrebs-<br />

Risiko mässig bis deutlich erhöht wird, ist es nicht s<strong>in</strong>nvoll, beschwerdefreie Frauen mit niedrigem<br />

Osteoporose-Risiko zu therapieren. Denn auch die langfristige HRT verursacht - neben <strong>den</strong> eigentlichen<br />

Ausgaben für die Medikamente - beträchtliche Folgekosten durch regelmässige Untersuchungen,<br />

Knochendichtemessungen und Mammographien.<br />

Quellen: 1 J. Natl. Cancer Inst. 92, 328-332 (2000); 2 JAMA 283, 485-91;534-535 (2000); 3 JAMA<br />

280, 605-613 (1998).<br />

Neue Zürcher Zeitung, 10. Mai 2000<br />

Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 9. <strong>Aug</strong>ust 2000, Vermischtes<br />

28


Der große BIO-Report<br />

15 Hormon-Therapie<br />

Notwendig? Hilfreich? Gefährlich?<br />

Östrogene, Testosteron & Co und die natürlichen Alternativen<br />

Die Verunsicherung ist allenthalben groß - vor allem bei Frauen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong>.<br />

Soll man oder soll man nicht? Wer<strong>den</strong> nicht oft wahre Wunderd<strong>in</strong>ge von diesen Hormonpillen<br />

berichtet? Werfen Sie mit BIO-Autor Norbert Mess<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>en Blick h<strong>in</strong>ter die<br />

Kulissen des ebenso lukrativen wie oft leichtfertigen mediz<strong>in</strong>ischen Roulettes mit der<br />

so genannten HET, der Hormon-Ersatz-Therapie. Und lesen Sie, was die natürlichen<br />

Alternativen zu bieten haben<br />

Pro<br />

„Die Langzeitverabreichung von Östrogenen<br />

und Gestagenen ist e<strong>in</strong>er der größten Fortschritte<br />

der vorbeugen<strong>den</strong> Mediz<strong>in</strong> der letzten<br />

Jahrzehnte“<br />

Deutscher Berufsverband der Frauenärzte<br />

E<strong>in</strong>fach fantastisch:<br />

Kontra<br />

„Nach me<strong>in</strong>er Ansicht wer<strong>den</strong> die künftigen Generationen<br />

auf HET (= Hormon-Ersatz-Therapie) und andere<br />

verschriebene Hormone wie die Antibabypille als e<strong>in</strong>e<br />

der größten mediz<strong>in</strong>ische Schnitzer des Jahrhunderts<br />

zurückblicken“<br />

Lynne McTaggart, englische Journalist<strong>in</strong> und Buchautor<strong>in</strong><br />

Ke<strong>in</strong>e Hitzewallungen mehr, ke<strong>in</strong>e Ängste, ke<strong>in</strong>e Depressionen, glattere, schönere Haut, wieder mehr<br />

Spaß am Sex... und viele andere positive Effekte zur Steigerung der Lebensqualität versprechen die<br />

„Hormonexperten“.<br />

Doch e<strong>in</strong>es steht fest <strong>in</strong> dem ganzen Wirrwarr von Me<strong>in</strong>ungen: Den Jungbrunnen schlechth<strong>in</strong> gibt es<br />

(noch) nicht, trotz aller vollmundigen Versprechungen. Was also ist zu tun?<br />

Nicht nur unsere Launen und Stimmungen s<strong>in</strong>d bisweilen recht wechselhaft. Im Körper geht es - <strong>in</strong>nerhalb<br />

bestimmter natürlicher Grenzen - ständig auf und ab: mit Blutdruck und Herzschlag, mit Blutwerten,<br />

Muskelspannung, Gehirnaktivität - und natürlich auch mit <strong>den</strong> Hormonen. Die „Wechseljahre“<br />

s<strong>in</strong>d deshalb ke<strong>in</strong> dramatisches Ereignis, sieht man e<strong>in</strong>mal von <strong>den</strong> Beschwer<strong>den</strong> ab, die e<strong>in</strong>en Teil<br />

der Frauen empf<strong>in</strong>dlich bedrängen können.<br />

Gerade solche Symptome jedoch lassen sich mit anderen Mitteln als künstlichen Hormongaben besser<br />

und weniger riskant bekämpfen. Denn: Die Menopause ist e<strong>in</strong> Abschnitt der Biographie e<strong>in</strong>er je<strong>den</strong><br />

Frau - ke<strong>in</strong>e Krankheit. Auch der Mann macht vergleichbare Wandlungen durch. Die besten und<br />

verlässlichsten Weggefährten des Umbruchs s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> durchdachter Lebensstil, pflanzliche Hormone<br />

sowie zahlreiche alternative Heilmittel, wie unser großer Hormon-Report zeigt.<br />

Um das Jahr 1900, Britische Inseln:<br />

Früher Rummel um Hormone<br />

Der erste Versuch damit ist, trotz der üblichen anfänglichen Erfolgsmeldungen, nicht sehr überzeugend:<br />

Im Glauben, dass die Ho<strong>den</strong> die vitale „männliche Wesensart bed<strong>in</strong>gen“, spritzt sich der se<strong>in</strong>erzeit<br />

hochangesehene Mediz<strong>in</strong>er Brown-Séquard im fortgeschrittenen Alter e<strong>in</strong>en entsprechen<strong>den</strong> Extrakt<br />

aus Tiergewebe e<strong>in</strong>. Wenige Monate später segnet er das Zeitliche.<br />

Dies kann nicht verh<strong>in</strong>dern, dass dem Pionier und se<strong>in</strong>er Kur noch manch anderer folgt, nicht immer<br />

mit so drastischen Folgen, aber doch stets mit relativ wenig (anhaltendem) Gew<strong>in</strong>n an Jugendlichkeit<br />

29


und Fitness. Auch Prof. Voronoff, der es mit dem E<strong>in</strong>pflanzen von Affendrüsen versucht, ist mit se<strong>in</strong>er<br />

Methode nicht auf Dauer erfolgreich.<br />

Um das Jahr 2000, Palm Spr<strong>in</strong>gs (USA): Run auf Hormon-Cocktails<br />

Die kle<strong>in</strong>e aber fe<strong>in</strong>e Ortschaft östlich von Los Angeles wird zum „Wallfahrtsort“ für all jene, die sich<br />

(so beharrlich wie wiederum vergeblich) weigern, alt zu wer<strong>den</strong> oder so auszusehen. Nicht das Skalpell<br />

soll es richten, sondern Dr. Changs Hormon-Cocktail, e<strong>in</strong> 1000-Dollar-Trunk - monatlich, m<strong>in</strong>destens.<br />

Alles läuft jetzt streng wissenschaftlich ab: exakt auf <strong>den</strong> gemessenen Hormon-Status des willigen<br />

Zahlers und Verjüngungskandidaten (meist Männer) zugeschnitten.<br />

Jugendlich-frisch ersche<strong>in</strong>t allerd<strong>in</strong>gs vornehmlich das Personal, sorgsam nach Geburtsdatum ausgewählt<br />

- die Patienten oder Klienten strahlen diesen Charme der späten Geburt selbst nach wochenlangem<br />

Aufenthalt nicht unbed<strong>in</strong>gt aus.<br />

Hormontherapie - das geht bislang nicht nur aber vor allem Frauen an. In e<strong>in</strong>em beispiellosen Großversuch<br />

wird <strong>in</strong> <strong>den</strong> westlichen Gesellschaften der Hormon-Mangel während und jenseits der Wechseljahre<br />

mit Hilfe der Hormon-Ersatz-Therapie bekämpft. Im Visier s<strong>in</strong>d dabei neben <strong>den</strong> meist erträglichen<br />

„Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong>“ auch Umsatzzahlen, vielleicht sogar vor allem letztere.<br />

Gut geschürter Trend: Östrogenpräparate s<strong>in</strong>d beispielsweise <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA die meistverordneten Medikamente<br />

überhaupt, mith<strong>in</strong> also das größte Geschäft der Pharma<strong>in</strong>dustrie. Unter e<strong>in</strong>er solchen Dauermedikation<br />

stehen - die Anti-Baby-Pille nicht e<strong>in</strong>gerechnet - <strong>in</strong> <strong>den</strong> Industriestaaten gut 30 Millionen<br />

Frauen. Auch <strong>in</strong> Deutschland bekommen schon mehr als 30 Prozent der Frauen zwischen 50 und 60<br />

künstliche Ersatz-Hormone verschrieben<br />

Das Klimakterium selbst ist seltsam schwer zu fassen. Die letzte Regelblutung kann - <strong>in</strong> Extremfällen -<br />

im 42. oder 58. Lebensjahr auftreten (durchschnittlich um das 52.), die damit verbun<strong>den</strong>en endokr<strong>in</strong>ologischen<br />

Veränderungen setzen jedoch lange vorher e<strong>in</strong>. Wie immer, wenn sich die Grundregulationen<br />

im Organismus verändern, kann es beim E<strong>in</strong>spielen auf e<strong>in</strong> neues Niveau und Gleichgewicht zu<br />

vorübergehen<strong>den</strong> Irritationen kommen. Typisch dafür s<strong>in</strong>d: Vermehrtes Schwitzen, Ruhelosigkeit,<br />

(Schleim-) Hautprobleme, Haarausfall, Hitzewallungen, Schlafstörungen, Angstattacken, Depressionen<br />

sowie, langfristig betrachtet, erhöhtes Osteoporose- oder Infarkt-Risiko.<br />

Was bei der ärztlichen HET zum E<strong>in</strong>satz kommt: Es handelt sich gleich um e<strong>in</strong> ganzes Sortiment an<br />

ganz unterschiedlichen Hormon-Cocktails. Ingredienzen s<strong>in</strong>d Östrogene, von <strong>den</strong>en es drei gibt<br />

(Estradiol, Estron, Estriol), ergänzt üblicherweise durch Gestagene sowie gegebenenfalls Besonderheiten<br />

wie angeblich hochwirksame und verträgliche Hormone aus Stutenur<strong>in</strong>. Verwirrender Weise<br />

gesellen sich, aus <strong>den</strong> USA kommend, noch hoch konzentrierte Hormone „pflanzlichen Ursprungs“<br />

zum bunten Strauß an Versprechungen auf Beschwerdefreiheit und anhaltende Jugend h<strong>in</strong>zu.<br />

Jedoch: Die beklagten Symptome hängen zumeist gar nicht mit <strong>den</strong> zurückgehen<strong>den</strong> Hormon-<br />

Pegelstän<strong>den</strong> zusammen, sondern s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> persönlichen Umstän<strong>den</strong>, Lebenssituationen und Bef<strong>in</strong>dlichkeiten<br />

begründet. Dies haben neuerd<strong>in</strong>gs Untersuchungen der Psycholog<strong>in</strong> Beate Schultz-Zeh<strong>den</strong><br />

(FU Berl<strong>in</strong>, Insitut für Mediz<strong>in</strong>ische Psychologie) zeigen können. Aktive Frauen, so ihr Resümmee, die<br />

gesundheitsbewusst leben (Ernährung, Sport), haben kaum unter Beschwer<strong>den</strong> zu lei<strong>den</strong>.<br />

Außerdem: Auch das Top-Argument der Mediz<strong>in</strong>er - die Osteoporose-Vorbeugung - hat böse Kratzer<br />

abbekommen. E<strong>in</strong>e neue Studie, veröffentlicht im angesehenen Fachblatt JAMA, ergab allenfalls e<strong>in</strong>e<br />

Wirkung „von erstaunlich kurzer Dauer“ (Peter Spork).<br />

Menopause -<br />

e<strong>in</strong>e Hormonmangel-Krankheit?<br />

Beim Klimakterium handelt es sich um e<strong>in</strong>en ganz natürlichen Vorgang, nicht etwa um e<strong>in</strong>e Krankheit.<br />

In der Vorstellungswelt der TCM (= Traditionelle Ch<strong>in</strong>esische Mediz<strong>in</strong>) beispielsweise bezeichnet man<br />

diese Phase e<strong>in</strong>fach als <strong>den</strong> Beg<strong>in</strong>n des siebenten 7-Jahreszyklus im Lebenslauf.<br />

Behandlungsbedürftig s<strong>in</strong>d nicht die hormonellen Veränderungen, die gar nicht aufgehalten wer<strong>den</strong><br />

können, sondern alle<strong>in</strong> spezielle Symptome, die im Zusammenhang damit häufig auftreten, dies aber<br />

nicht von vornhere<strong>in</strong> müssen. Alle diese Auffälligkeiten können ausnahmslos (besser) durch andere<br />

Mittel als die simple Ersetzung versiegender Hormone behandelt und beseitigt wer<strong>den</strong>.<br />

Urplötzlich, glaubt man der herrschen<strong>den</strong> Lehre, geht es beim Wechsel mit <strong>den</strong> Östrogenwerten bei<br />

der Frau bergab. Der Absturz wiederum, so die gängige Me<strong>in</strong>ung, führt zu Schw<strong>in</strong>del, Hitzeattacken,<br />

Unruhezustän<strong>den</strong>. Die Frau: e<strong>in</strong> Opfer der Achterbahnfahrt der Hormone? Tatsächlich spielen sich<br />

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sehr viel komplexere Vorgänge im weiblichen Körper ab. Es gibt sogar Konstellationen, bei <strong>den</strong>en<br />

während der Wechseljahre e<strong>in</strong> relativer Östrogen-Überschuss vorhan<strong>den</strong> ist. E<strong>in</strong> richtiggehender ursächlicher<br />

Zusammenhang zwischen <strong>den</strong> Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong> und Östrogenmangel wurde nie<br />

bewiesen.<br />

Östrogene wer<strong>den</strong> von Mann und Frau gebraucht. Frau holt es sich nach <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> u.a. über<br />

<strong>den</strong> Umweg Nebennieren: Dort gebildetes Testosteron wird im Unterhautfettgewebe zu Östrogenen<br />

umgebaut. Dies ist die körpereigene, natürliche und nebenwirkungsfreie Hormon-Ersatz-Therapie.<br />

Große Erwartungen - und was dah<strong>in</strong>tersteckt E<strong>in</strong>e bloße Forschungs-Hypothese gebärdet<br />

sich momentan als Gewissheit. Die Auffassung nämlich, dass künstliche Östrogene der Alzheimer-<br />

Krankheit vorbeugen oder „Aussetzer“ des Gedächtnisses zu bekämpfen vermögen, wie ständig <strong>in</strong> der<br />

Regenbogenpresse und Life-Style-Magaz<strong>in</strong>en zu lesen ist. Re<strong>in</strong>e Spekulationen gehen dabei unversehens<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Medien als sicher begründete Tatsachen durch, zumal wenn Spezialisten im Fernsehen<br />

verkün<strong>den</strong>, dass man künstliche Sexualhormone schon „erfolgreich bei der Behandlung von Alzheimer<br />

e<strong>in</strong>setzt“ (so Prof. Ingo Füsgen im Bayerischen Rundfunk).<br />

Die therapeutisch genutzten Hormone<br />

Hormonbehandlungen im Großversuch gibt es bei uns schon lange. Der populärste f<strong>in</strong>det tagtäglich<br />

allüberall auf der Welt statt: mit dem Griff zur (Anti-Baby-) Pille. Vor 50 Jahren gelang der entschei<strong>den</strong>de<br />

Schritt im Labor. Zehn Jahre später, 1961, war das Wunderd<strong>in</strong>g auch <strong>in</strong> <strong>den</strong> deutschen Apotheken.<br />

E<strong>in</strong>er „Hormontherapie“ unterzieht sich jedoch auch mancher anderer Pillen-Schlucker, ohne<br />

sich dessen bewusst zu se<strong>in</strong>: Das Vitam<strong>in</strong> D3 - große Ausnahme unter <strong>den</strong> Vitam<strong>in</strong>en - ist nichts anderes<br />

als e<strong>in</strong> solches Hormon.<br />

E<strong>in</strong> grundsätzliches Problem bei jeder Hormonbehandlung: Die Antwort, woran es mangelt, weiß oft<br />

ganz alle<strong>in</strong> der W<strong>in</strong>d. Blutuntersuchungen zur Bestimmung des Hormonspiegels gelten nämlich als<br />

„notorisch unzuverlässig“. Großes Manko überdies: Es gibt nicht <strong>den</strong> optimalen, idealen Hormon-Wert<br />

schlechth<strong>in</strong>. Unser hormonell unterfütterter Wohlfühlpegel schwankt von Lebensphase zu Lebensphase<br />

und Mensch zu Mensch ganz gewaltig.<br />

Und schließlich ist da noch e<strong>in</strong> schwer zu entkräftendes Gegenargument gegen künstliche Hormone:<br />

Es besagt schlicht und e<strong>in</strong>fach, dass durch die Substitution am Ende auch die allerletzten Funktionsreserven<br />

zur Eigenproduktion der wichtigen Steuerungssubstanzen erlahmen. Die Drüsen wer<strong>den</strong><br />

„noch träger und fauler“ als schon zuvor.<br />

DHEA<br />

E<strong>in</strong> „Renner“ des vergangenen Jahrzehnts. Vor allem <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA, wo es das Mittel als „Nahrungsergänzung“<br />

praktisch überall rezeptfrei zu kaufen gibt. Glaubt man der Werbung, so hilft der Stoff sowohl<br />

gegen Stress wie gegen Übergewicht und Viren.<br />

Melaton<strong>in</strong><br />

Ebenfalls e<strong>in</strong>e Modearznei der letzten Jahre. Der Stoff fungiert im Körper u.a. als Radikalfänger und<br />

verh<strong>in</strong>dert so Zellschä<strong>den</strong> und vorzeitiges Altern. Wichtig ist das Hormon für e<strong>in</strong>en normalen Schlafzyklus.<br />

Außerdem soll es <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, das Immunsystem auf Vordermann zu br<strong>in</strong>gen. Diese speziellen<br />

Hormontherapien sollen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er der nächsten BIO-Ausgaben noch ausführlicher behandelt wer<strong>den</strong>.<br />

Östrogene<br />

Typisch weiblich, so me<strong>in</strong>t man, reguliert dieser Hormontyp <strong>den</strong> Menstruationszyklus. Östrogene können<br />

und leisten aber noch mehr, und das nicht nur bei der Frau. Sie stabilisieren die Knochengewebe<br />

und s<strong>in</strong>d auch für die männliche Fruchtbarkeit wichtig.<br />

Pregnenolon<br />

E<strong>in</strong>e Steuerungssubstanz, die ebenfalls aus der „Muttersubstanz“ der Hormone, dem Cholester<strong>in</strong>,<br />

gebildet wird. Sie entsteht als Zwischenstufe beispielsweise bei der Erzeugung von Aldosteron (steuert<br />

<strong>den</strong> Blutdruck) und Kortison.<br />

Progesteron (= Gelbkörperhormon)<br />

Das Hormon entsteht fast ausschließlich im Gelbkörper (Corups luteum) nach dem Eisprung, wenn die<br />

Hülle, welche die Eizellen umschließt (Follikel) geplatzt ist. Es wird folglich nach <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong><br />

31


natürlicherweise im Körper der Frau nicht mehr hergestellt. Trotzdem ist es - vor allem <strong>in</strong> Form der<br />

„Gestagene“ - e<strong>in</strong> Bestandteil der HET und dar<strong>in</strong> verantwortlich für e<strong>in</strong>e Reihe von Nebenwirkungen.<br />

Gestagene s<strong>in</strong>d künstlich hergestelltes, „nachgebautes“ Progesteron.<br />

Testosteron<br />

Das wichtigste Sexualhormon für <strong>den</strong> Mann, ohne das vom Bartwuchs bis zur Potenz nichts läuft.<br />

Außerdem zeitigt se<strong>in</strong> Vorhan<strong>den</strong>se<strong>in</strong> leistungssteigernde Effekte. E<strong>in</strong> Missbrauch von Testosteron<br />

(„Anabolika“) ist so alt wie jener des Östrogens und begann bereits Mitte der 30er Jahre.<br />

Wachstumshormon<br />

(Menschliches Wachstumshormon). Dieser Faktor sorgt z.B. für e<strong>in</strong>en mehr oder weniger reichlichen<br />

Muskelaufbau und dafür, dass wir nicht zuviel Fett ansetzen. Die Haut behält unter se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>wirkung<br />

ihre Glätte (oder gew<strong>in</strong>nt sie zurück), die Knochen bleiben stabil, der Blutdruck im Lot.<br />

Pharmabranche im Wechselfieber:<br />

Das Klimakterium virile<br />

Die Vorstellung, dass auch der Mann se<strong>in</strong>e Wechseljahre (Klimakterium virile) durchmacht, stammt<br />

schon aus dem Jahr 1939. Bestritten wird sie vornehmlich mit dem H<strong>in</strong>weis auf die - im Gegensatz zur<br />

Frau - bis <strong>in</strong>s höhere Alter anhaltende Fruchtbarkeit (Zeugungsfähigkeit). Endokr<strong>in</strong>ologen wie Eberhard<br />

Nieschlag (Universität Münster) bemerken <strong>den</strong>n auch zu <strong>den</strong> „männlichen <strong>Wechseljahren</strong>“ klipp<br />

und klar: Es gibt sie nicht.<br />

Trotzdem: Die so genannte „Midlife-crisis“ mit ihrer Mischung aus psychischen und körperlichen Faktoren<br />

und Symptomen ähnelt <strong>in</strong> vieler H<strong>in</strong>sicht <strong>den</strong> Begleitersche<strong>in</strong>ungen der Menopause.<br />

Was die körperliche Seite angeht, so fällt vor allem der unausweichlich s<strong>in</strong>kende Testosteron-Spiegel<br />

(etwa 1,2 Prozent pro Jahr) auf, verbun<strong>den</strong> mit nachlassender Potenz und Libido. Es kommt aber<br />

auch zu „e<strong>in</strong>schlägigen“ Symptomen wie starkem Schwitzen, Unruhe, Konzentrationsschwäche,<br />

Schlafstörungen und Neigung zu Depressionen.<br />

Anders als bei der Frau, gaukelt e<strong>in</strong>e besonders <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA kräftig aufgeblühte mediz<strong>in</strong>ische Richtung<br />

<strong>den</strong> „Herren der Schöpfung“ vor, solchen Veränderungen ließe sich mittels Hormon-Substitution<br />

auf Dauer e<strong>in</strong> Schnippchen schlagen. Nicht nur <strong>den</strong> Beschwer<strong>den</strong> soll sie wehren können, sondern<br />

das Altern an sich aufhalten. Dies ist genauso illusorisch als wollte man bei Frauen mit Hormongaben<br />

lebenslang die Fruchtbarkeit erhalten.<br />

Wer <strong>den</strong> Hitzewallungen beim Mann beikommen darf, ist übrigens noch heiß umkämpft. Urologen und<br />

GynäkologInnen streiten um die Pfründe. Erstere verordnen bei entsprechen<strong>den</strong> Beschwer<strong>den</strong> und<br />

Impotenz meist Testosteron. Letztere (es soll schon 50 solcher Praxen <strong>in</strong> Deutschland geben) greifen<br />

lieber zu Östradiol, e<strong>in</strong>er der drei Formen des Östrogens. Schon diese Diskrepanz bei der Wahl des<br />

Therapiemittels zeigt, auf welch wackeligen Be<strong>in</strong>en das ganze Konzept bislang tatsächlich noch steht.<br />

Das alternative BIO-Haus-Hormonrezept für Männer: Licht tanken, wenn immer sich die Sonne blicken<br />

lässt, und zwar besonders im W<strong>in</strong>ter. In der dunklen Jahreszeit nämlich reduzieren sich die Testosteronwerte<br />

um mehr als e<strong>in</strong> Fünftel (22%) - und damit auch Potenz und Libido.<br />

Dichtung und Wahrheit<br />

Schlagen Sie irgende<strong>in</strong>e Zeitung oder Zeitschrift auf, seien es nun mediz<strong>in</strong>ische Fachblätter, Tagespresse<br />

oder Nachrichtenmagaz<strong>in</strong>e: Stets wer<strong>den</strong> Sie lesen, dass die „Empfehlungen zur Langzeitbehandlung<br />

mit Östrogenen und Gestagenen wissenschaftlich fundiert“ und „positive Auswirkungen im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die Prävention von Krebs, Osteoporose und Herz-Kreislauf-Krankheiten nachgewiesen“<br />

s<strong>in</strong>d. Schlaganfall und Herz<strong>in</strong>farkt können, so z.B. Prof. Ernst-Gerhard Loch, durch regelmäßige Hormone<strong>in</strong>nahme<br />

um mehr als 50 Prozent reduziert wer<strong>den</strong>.<br />

Wenn die Fachleute zusammenkommen und ganz unter sich ganz reale Studien auswerten, gewichten,<br />

vergleichen und auf dieser Basis Abwägungen vornehmen, dann liest sich alles gründlich anders.<br />

So geschehen im vergangenen Jahr bei e<strong>in</strong>em Treffen der Spezialisten (Epidemiologen, Mediz<strong>in</strong>er,<br />

Forscher) <strong>in</strong> Mailand.<br />

32


Die <strong>in</strong>ternationale Konferenz produzierte wie immer viele Re<strong>den</strong> und e<strong>in</strong>en Wust an Daten - aber nur<br />

e<strong>in</strong> dürres Fazit, das die Lobeshymnen der westlichen Gynäkologie und Pharmazie auf die Hormonsubstitution<br />

<strong>in</strong> gar ke<strong>in</strong>er Weise faktisch zu fundieren vermochte. In nüchternen Worten und ohne<br />

Werbelyrik hieß es, dass Hormongaben zwar Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong> <strong>in</strong> besonders gelagerten<br />

Fällen l<strong>in</strong>dern können, aber „nicht zu e<strong>in</strong>er wesentlichen Zu- oder Abnahme von Krebs, Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen oder Osteoporose führen” (Spiegel, 38/1999).<br />

Obwohl die zahlreichen Risiken der HET durchaus bekannt s<strong>in</strong>d, kommen sie selten ungeschm<strong>in</strong>kt zur<br />

Sprache. Auch <strong>in</strong> großen „Aufklärungssendungen“ des Fernsehens spricht man allenfalls von Kopfschmerzen<br />

oder „leichter“ Gewichtszunahme (und dafür schweren Be<strong>in</strong>en), wenn es um die Nebenwirkungen<br />

geht. Was Frauen elementar umtreibt und brennend <strong>in</strong>teressiert, wären Ausführungen zum<br />

erhöhten Krebsrisiko. Diskutiert wird darüber nicht, um „Frauen nicht zu verunsichern“. Gerade hier<br />

gibt es jedoch mehr als nur e<strong>in</strong>e offene Frage, die Frauen durchaus angehen.<br />

Krebs - das große Fragezeichen<br />

Die Sache ist e<strong>in</strong>fach nicht wegzudiskutieren: Es gibt bestimmte Krebszellen, deren Wachstum durch<br />

die zugeführten hochdosierten künstlichen Hormone stark beschleunigt wird. Krebs benötigt oft mehr<br />

als e<strong>in</strong> Jahrzehnt, bevor die Geschwulst diagnostisch überhaupt nachzuweisen ist. Wer könnte also<br />

sicher se<strong>in</strong>, solche Zellen nicht im Körper zu haben, die durch e<strong>in</strong>en Hormonschub quasi entfesselt<br />

wer<strong>den</strong> - selbst wenn bislang ke<strong>in</strong> Befund vorliegt?<br />

Die bisherige Forschungssituation ist nach Ansicht von Experten unübersichtlich, das Datenmaterial<br />

extrem une<strong>in</strong>heitlich. Erst im vergangenen Jahr erbrachte e<strong>in</strong>e Untersuchung erneut deutliche H<strong>in</strong>weise<br />

darauf, dass permanente Hormongaben (hier war es die „Pille“) Krebserkrankungen auszulösen<br />

vermögen (K. McPherson). Prof. El<strong>in</strong>a Hemm<strong>in</strong>ki (F<strong>in</strong>nland) urteilt deshalb mit Blick auf die HET: „Ich<br />

glaube, dass bei dieser Therapie das tatsächliche Risiko von Brustkrebs <strong>in</strong> Wahrheit viel höher liegt,<br />

als es sich aus <strong>den</strong> Ergebnissen ergibt.“<br />

Folge der widersprüchlichen Faktenlage: E<strong>in</strong> Auf und Ab wie bei <strong>den</strong> Börsenkursen.<br />

? Ganz oben stand die HET <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA während der 60er Jahre, gewissermaßen unter dem Motto<br />

„So lebt sich’s lustiger und flotter“.<br />

? Dann folgte nach weniger spaßigen Meldungen über gehäufte Krebserkrankungen (Unterleib, Brust)<br />

und e<strong>in</strong>e erhöhte Thrombosegefahr e<strong>in</strong> steiler Absturz, bed<strong>in</strong>gt nicht durch zurückhaltend verordnende<br />

Therapeuten, sondern beunruhigte, widerspenstige Patient<strong>in</strong>nen.<br />

? Ebenso steil wieder aufwärts g<strong>in</strong>g es schließlich mit dem Kampfruf „Schach der Osteoporose“, <strong>den</strong><br />

die Mediz<strong>in</strong>er <strong>in</strong> <strong>den</strong> 80er Jahren anstimmten, beschleunigt noch mit - tatsächlich eher fragwürdigen -<br />

Versprechungen im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>en besseren Herzschutz.<br />

Alternativen:<br />

die pflanzlichen Hormone<br />

Sie wirken als sanfte Stimulanzien auf das endokr<strong>in</strong>ologische System<br />

Phytoöstrogene s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e eigene Gruppe von bioaktiven Substanzen und zählen zu <strong>den</strong> so genannten<br />

Sekundären Pflanzenstoffen. Das Bemerkenswerte daran: Sie zeigen sowohl <strong>in</strong> ihrem chemischen<br />

Aufbau wie bei der Wirkung e<strong>in</strong>e enge Verwandtschaft zu <strong>den</strong> „menschlichen“ Hormonen.<br />

Die Effekte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt gesehen milder, aber doch deutlich spürbar und auch messbar. Pflanzenöstrogene<br />

wirken unter anderem vorbeugend gegen hormonabhängige Krebsarten (Brust- und Prostatakrebs)<br />

und können Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong> mildern. In Japan beispielsweise, wo Tofu und andere<br />

phytohormonreiche Kost je<strong>den</strong> Tag auf dem Tisch steht, ist die Brustkrebsrate viermal niedriger als<br />

etwa <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA und anderen Wohlstandsländern.<br />

E<strong>in</strong> hochkarätiges Ensemble:<br />

Soja und Le<strong>in</strong>samen, die Stars unter <strong>den</strong> Phyto-Östrogenen<br />

Im Soja s<strong>in</strong>d es vor allem so genannte Isoflavone, die bei <strong>den</strong> Analysen auffallen. Besondere Bedeutung<br />

kommt dem Geniste<strong>in</strong> zu. Es hat sich als wirksamer Krebshemmer erwiesen und verh<strong>in</strong>dert die<br />

Ausbreitung von Metastasen, <strong>in</strong>dem es sie quasi „verhungern“ lässt und verh<strong>in</strong>dert, dass Blutgefäße<br />

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zur Versorgung ausgebildet wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>em weiteren Phytoöstrogen <strong>in</strong> Soja, dem Daidze<strong>in</strong>, kommen<br />

ebenfalls krebshemmende und antioxidative Wirkungen zu.<br />

Die Sojabohne ist an Vielseitigkeit schwer zu überbieten, was ihre Verwendungsmöglichkeiten angeht.<br />

Dies gilt besonders für daraus gefertigte Zubereitungen wie Tempeh (e<strong>in</strong>e Art Käse), Miso (Würzpaste),<br />

Shoyu und Tamari (Sojasoßen), Sojamilch, geröstete Sojabohnen, Soja-Öl, Sojamehl - und natürlich<br />

Tofu, <strong>den</strong> Soja-Quark. Man sieht: Die Liste ist lang (und im Übrigen noch lange nicht vollständig).<br />

Mit Soja lassen sich sowohl Fleisch wie auch Milchprodukte ersetzen.<br />

BIO-Lesetipp: W. Waldmann: „Das Beste aus der asiatischen Küche“, Trias Verlag, Stuttgart 1999,<br />

128 S., DM 24,90. ISBN 3-89373-532-1. Wem der S<strong>in</strong>n weniger nach Rezepten als nach wissenschaftlich<br />

fundierten Erkenntnissen zu <strong>den</strong> Phytohormonen steht, wird fündig im Standardwerk von B.<br />

Watzl/C. Leitzmann: „Bioaktive Substanzen <strong>in</strong> Lebensmitteln“, Hippokrates Verlag, Stuttgart 1999, 254<br />

S., DM 59,-. ISBN 3-7773-1301-7.<br />

Le<strong>in</strong>samen kommt gegenwärtig <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> zu allerhöchsten Ehren. Der Samen ist nicht nur extrem<br />

quellfähig und fördert damit die Verdauung. Er weist nicht alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> ganz unvergleichliches Fettsäuren-Spektrum<br />

auf (mit e<strong>in</strong>em hohen Gehalt an Alpha-L<strong>in</strong>olensäure), sondern beherbergt auch enorme<br />

Mengen an Pflanzenhormonen. Mit diesem besonderen Talent überflügelt er sogar die Sojabohne um<br />

Längen: Bis zu 4 Gramm (!) pflanzliche Östrogene f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich pro Kilo <strong>in</strong> <strong>den</strong> unsche<strong>in</strong>baren gelben<br />

bis braunen Samen - viermal mehr als <strong>in</strong> der Bohne.<br />

BIO-Praxistipp: Um die Le<strong>in</strong>saat im Körper aufgehen zu lassen, muss der Samen aufgebrochen wer<strong>den</strong>.<br />

Zerreiben Sie dazu am besten mehrmals während des Tages kle<strong>in</strong>ere Portionen und mischen<br />

Sie <strong>den</strong> Le<strong>in</strong>samen unter die Speisen (besonders empfehlenswert zum Müsli, zu Obstsalaten, Joghurt-<br />

oder Quarkspeisen). Erfreulicher Nebeneffekt: Schon kle<strong>in</strong>e Mengen davon machen schneller<br />

satt!<br />

E<strong>in</strong>e starke Exot<strong>in</strong> ist die Yamswurzel. Botanisch heißt das Gewächs Discorea vilosa, beheimatet ist<br />

es <strong>in</strong> Mexiko (<strong>in</strong> der Literatur ist manchmal auch von der „wil<strong>den</strong> ch<strong>in</strong>esischen Jamspflanze“ zu lesen).<br />

Se<strong>in</strong>e Wurzel enthält mit dem Diogen<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Vorläufersubstanz des Progesterons, und zwar <strong>in</strong> nicht<br />

gerade ger<strong>in</strong>gen Mengen. Diesen Umstand hat der amerikanische Arzt Dr. John Lee zur Grundlage<br />

se<strong>in</strong>er so genannten „natürlichen“ Hormon-Ersatz-Therapie gemacht.<br />

Sie unterscheidet sich deutlich von dem, was wir hier empfehlen. Denn die Hormone verordnet man <strong>in</strong><br />

diesem Fall hochdosiert, isoliert und angereichert, nicht als niedrig bemessenen, ganzheitlichen Pflanzenextrakt.<br />

Das pflanzliche Diogen<strong>in</strong> wird im Labor zu Progester<strong>in</strong> „umgebaut“ - es handelt sich deshalb<br />

bei <strong>den</strong> Präparaten eigentlich um e<strong>in</strong> halbsynthetisches Erzeugnis.<br />

Ke<strong>in</strong>e Angst vor Überdosierungen<br />

Die Besonderheit von pflanzlichen Hormonen - je<strong>den</strong>falls jenen, die dem Stoffwechsel als Lebensmittel,<br />

nicht als Isolat präsentiert wer<strong>den</strong> - besteht dar<strong>in</strong>,<br />

• dass sie ke<strong>in</strong>e lange Verweildauer im Körper haben, sondern sehr schnell „verstoffwechselt“,<br />

vom Körper wieder ausgeschie<strong>den</strong> und<br />

• von der Umwelt leicht wieder abgebaut wer<strong>den</strong> (anders als die künstlichen Östrogene).<br />

• Schutzwirkungen haben sie auch deshalb, weil sie schädliche künstliche östrogenhaltige Substanzen<br />

(„Xenoöstrogene“ z.B. aus Waschpulvern) außen vor halten, <strong>in</strong>dem sie Rezeptoren<br />

an <strong>den</strong> Körperzellen besetzen, an die sich die „Xenos“ ansonsten anlagern wür<strong>den</strong>.<br />

Pflanzenöstrogene s<strong>in</strong>d deshalb auch so etwas wie e<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerkörperlicher Umweltschutz. Wir gehen<br />

mit ihrer „E<strong>in</strong>nahme“ ke<strong>in</strong>e Risiken e<strong>in</strong> und verändern unsere Lebensumwelt durch e<strong>in</strong>e Verwendung<br />

nicht.<br />

Pflanzliche Hormone aus Heilpflanzen<br />

Besondere Aufmerksamkeit <strong>in</strong> diesem Zusammenhang fan<strong>den</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> vergangenen Jahren:<br />

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Traubensilberkerze (= Cimicifuga racemosa, auch „Wanzenkraut“ genannt). Extrakte aus dem<br />

Wurzelstock der Pflanze enthalten besondere Glykoside und Isoflavonoide (wobei vor allem<br />

dem Formononet<strong>in</strong> große Bedeutung zugeschrieben wird) und können es mit der Wirkung von<br />

Östrogenpräparaten aufnehmen. Das konnten neuerd<strong>in</strong>gs auch zwei Studien, jeweils über<br />

drei Monate mit 60 bzw. 75 Frauen, belegen.<br />

G<strong>in</strong>seng: Die fernöstliche Wurzel gilt ebenfalls als ergiebiger Spender von Pflanzenöstrogenen.<br />

Problem: In Bezug auf die Menge der Wirksubstanzen gibt es zwischen <strong>den</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Angeboten Riesenunterschiede. Auf der Packung muss der (möglichst hohe) Gehalt an G<strong>in</strong>sengoi<strong>den</strong><br />

ausgewiesen se<strong>in</strong>. Deshalb sollten standardisierte Extrakte gewählt wer<strong>den</strong>, wobei<br />

alkoholische Auszüge nach Me<strong>in</strong>ung der Experten am <strong>in</strong>tensivsten wirken. Lassen Sie sich also<br />

vor dem Kauf unbed<strong>in</strong>gt gut beraten (Apotheke, Reformhaus).<br />

Mönchspfeffer (Vitex agnus castus). Auszüge aus <strong>den</strong> kle<strong>in</strong>en Früchten unterstützen die körpereigenen<br />

Progesterone und gleichen damit Übergewichte an Östrogenen aus. In diesem<br />

Falle s<strong>in</strong>d es diphenolische Flavonoide, die harmonisierend und aktivierend <strong>in</strong> <strong>den</strong> hormonellen<br />

Kreislauf e<strong>in</strong>greifen. Wegen dieser spezifischen Wirkung wer<strong>den</strong> entsprechende Präparate<br />

heute hauptsächlich zur Behandlung des Prämenstrualen Syndroms (PMS) e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Johanniskraut (Hypericum perforatum) bessert Verstimmungszustände, wie sie <strong>den</strong> Wechsel<br />

oft begleiten. Studien brachten es nebenbei an <strong>den</strong> Tag: Mit <strong>den</strong> eigentlich untersuchten Depressionen<br />

verschwan<strong>den</strong> auch andere belastende Begleitersche<strong>in</strong>ungen (Dr. Barbara Grube).<br />

Weitere Heilpflanzen, die e<strong>in</strong>e deutliche „gynäkologische Indikation“ aufweisen, s<strong>in</strong>d: Wolfstrappkraut<br />

(Lycopi herba), Rhabarber-Wurzel, Hopfen-Zapfen (Lupuli strobulus), Gänsef<strong>in</strong>gerkraut<br />

(Potentillae anser<strong>in</strong>ae herba), Hirtentäschelkraut (Bursae pastoris herba), Schafgarbe<br />

(Achilleae millefolii herba). Empfohlen wer<strong>den</strong> überdies Ste<strong>in</strong>klee, Beifuß, Herzgespann,<br />

Schlangenkraut und Schwarze Johannisbeere.<br />

Tee-Time für e<strong>in</strong>e verträgliche Hormon-Balance (nach Dr. Thomas Walser): Dazu besorgt<br />

man sich verschie<strong>den</strong>e Heilkräuter lose aus der Apotheke, mischt sie im angegebenen Verhältnis<br />

und nimmt davon e<strong>in</strong>en Teelöffel pro Tasse Tee: 20 Teile Frauenmantel, 10 Teile Zitronenmelisse<br />

und jeweils 15 Teile Johanniskraut, Schafgarbe, Rosmar<strong>in</strong> und Salbei.<br />

So bleiben Sie hormonell jung<br />

Grünes Blatt statt braune Bohne. Den üblicherweise zu reichlich genossenen Kaffee sollte<br />

man Zug um Zug durch mehr Grüntee ersetzen. Die krebshemmen<strong>den</strong> Eigenschaften des<br />

letzteren führt man <strong>in</strong>zwischen zum<strong>in</strong>dest teilweise auf „Interaktionen zwischen Östrogenen<br />

und Östrogenrezeptoren“ zurück (Susan Love), weniger auf die früher vermuteten antioxidativen<br />

Eigenschaften. Hier eröffnet sich für die Vorbeugung e<strong>in</strong> neuer Horizont bei e<strong>in</strong>em Problem,<br />

das viele Frauen verunsichert: dem Brustkrebs-Risiko.<br />

BIO-Lesetipp: Peter Oppl<strong>in</strong>ger: „Das neue Buch vom grünen Tee“, Mi<strong>den</strong>a Verlag, CH-<br />

Küttigen/Aarau 1998, 125 S., DM ???. ISBN 3-310-00294-2.<br />

Richtige Ernährung ist die beste Mediz<strong>in</strong>. Viele Ärzte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen davon überzeugt, dass<br />

die Beschwer<strong>den</strong> während der Wechseljahre <strong>in</strong> der Tat e<strong>in</strong> Mangelproblem s<strong>in</strong>d - aber e<strong>in</strong>es<br />

an Nähr- und Wirkstoffen. Das Fehlen von bioaktiven Substanzen macht es dem Körper zunehmend<br />

schwerer, e<strong>in</strong>e ausgeglichene Balance zu halten. Englische Spezialisten wie Dr. Patrick<br />

K<strong>in</strong>gsley halten e<strong>in</strong>e „Vollwerternährung“, ergänzt durch besondere Vitalstoffspender, für<br />

das Mittel der Wahl zur Behebung von Unpässlichkeiten. So sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong>sbesondere dem Mangel<br />

an Magnesium und Z<strong>in</strong>k e<strong>in</strong>e besondere Bedeutung zuzukommen.<br />

Auch spezielle Pflanzenöle versprechen Hilfe, und zwar solche aus Nachtkerzen-, Borretsch-<br />

und Hanfsamen sowie Johannisbeerkernen. Sie wer<strong>den</strong> von vielen Frauen während der<br />

Wechseljahre wegen der enthaltenen Gamma-L<strong>in</strong>olensäure als wohltuend empfun<strong>den</strong>, da der<br />

Körper aus <strong>den</strong> enthaltenen Fettsäuren hormonähnliche Steuerungssubstanzen (Prostagland<strong>in</strong>e)<br />

bil<strong>den</strong> kann. Besonders gut wirken sollen die Öle <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Vitam<strong>in</strong> C.<br />

Überhaupt gilt: Vitam<strong>in</strong>e - so viel wie möglich! In der Prioritätenliste ganz oben auf dem Treppchen:<br />

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1. Vitam<strong>in</strong> E. Es steht <strong>in</strong> vitaler Beziehung zu <strong>den</strong> Sexualfunktionen. Nicht umsonst g<strong>in</strong>g es als<br />

„Fruchtbarkeits-Vitam<strong>in</strong>“ <strong>in</strong> die Forschungsgeschichte e<strong>in</strong>. Wichtig ist es vor allem für die körpereigene<br />

Hormonbalance. Beispielsweise dadurch, dass e<strong>in</strong> sich beschleunigender Abbau von Progesteron<br />

wieder abgebremst wird. Vitam<strong>in</strong> E wirkt mitunter geradezu wie e<strong>in</strong>e (gänzlich unschädliche)<br />

Hormon-Therapie. Starke Empfehlung <strong>in</strong> diesem Zusammenhang: Weizenkeime (frisch) und<br />

Weizenkeimöl.<br />

2. B-Vitam<strong>in</strong>e (vor allem B2 und B5). Unverzichtbar für die Arbeit der Nebennieren. Diese spr<strong>in</strong>gen<br />

<strong>in</strong> die Bresche, wenn die Eierstöcke ke<strong>in</strong>e (oder zu wenige) Hormone produzieren. Beste Quellen:<br />

Bierhefe, Nüsse.<br />

3. Vitam<strong>in</strong> D. Für e<strong>in</strong>en gesun<strong>den</strong> Knochenaufbau ist es unerlässlich. Dazu muss man aber nicht<br />

etwa bei Tisch kräftig Fisch und Eiern zusprechen, wie die Ernährungsexperten immer empfehlen.<br />

Vitam<strong>in</strong> D wird, wie wir bereits gesehen haben, bei jedem Sonnenbad vom Körper selbst erzeugt.<br />

4. Vitam<strong>in</strong> C. Auf <strong>den</strong> Beipackzetteln von Hormonpräparaten bei <strong>den</strong> möglichen Wechselwirkungen<br />

mit anderen Medikamenten/Stoffen steht: Die Östrogenwirkung der Mittel wird durch Ascorb<strong>in</strong>säure<br />

verstärkt. Unser Rat: Nutzen Sie das Vitam<strong>in</strong> C. Es hilft dabei, <strong>den</strong> Hormonhaushalt und die<br />

Drüsen aktiv zu halten und auf ganz natürlichem Wege auszubalancieren. E<strong>in</strong>e sichere Bank s<strong>in</strong>d<br />

hierfür Kiwis, Paprika und Kohlgemüse.<br />

Reduzieren sollte jedermann/frau: Tierisches Eiweiß, <strong>in</strong>sbesondere Kuhmilch. Schafft dies<br />

aber nicht neue Probleme, etwa im H<strong>in</strong>blick auf Osteoporose? Nicht unbed<strong>in</strong>gt. Zu <strong>den</strong> kalziumreichsten<br />

Lebensmitteln überhaupt zählen Mohnsamen und Sesamsaat.<br />

Praxis-Tipp: Probieren Sie doch e<strong>in</strong>mal Tah<strong>in</strong>, Sesammus aus <strong>den</strong> gerösteten Samen - e<strong>in</strong>e<br />

Köstlichkeit der Naturküche, die bei uns leider kaum bekannt ist.<br />

BIO-Info: Beim Fem<strong>in</strong>istischen Frauen Gesundheits Zentrum (FFGZ) Berl<strong>in</strong> hat man e<strong>in</strong>e umfassende<br />

“Informationsmappe Osteoporose” mit vielen Selbsthilfetipps, Literaturh<strong>in</strong>weisen und<br />

Kontaktadressen zusammengestellt. Sie kostet 7 Mark plus Porto (Bestellanschrift: siehe „Anlaufstellen“<br />

am Schluss des Artikels).<br />

Manche Experten schätzen e<strong>in</strong> anderes M<strong>in</strong>eral für die Erhaltung der Knochengesundheit<br />

noch höher e<strong>in</strong>: Magnesium. Interessant ist, dass auch <strong>in</strong> der momentan von der Naturheilkunde<br />

und <strong>den</strong> Patienten so hoch geschätzten ch<strong>in</strong>esischen Mediz<strong>in</strong> bei Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong><br />

<strong>in</strong>sbesondere Kalzium und Magnesium - stets zusammen - verordnet wer<strong>den</strong>. Viel<br />

Magnesium enthalten Le<strong>in</strong>samen und (Erd-) Nüsse.<br />

E<strong>in</strong>schränken sollte man sich nicht zuletzt bei Kochsalz und anderen zweifelhaften Genüssen<br />

(Industriezucker, Alkoholika). Auch für sie gibt es gesunde Alternativen, die ke<strong>in</strong>e Wünsche offen<br />

lassen. Lesetipps dazu: Hefte 4/99 + 6/99 (Zucker- und Salz-Report), erhältlich beim BIO-<br />

Leserservice.<br />

Sich regen br<strong>in</strong>gt hormonellen Segen<br />

Statistik und Zahlen s<strong>in</strong>d manchmal gar nicht abstrakt. Aus Untersuchungen kann hochgerechnet<br />

wer<strong>den</strong>, dass das Brustkrebsrisiko um 70 Prozent s<strong>in</strong>kt, wenn frau sich ausreichend sportlich betätigt.<br />

Ausreichend heißt <strong>in</strong> diesem Fall etwa dreie<strong>in</strong>halb Stun<strong>den</strong> pro Woche. E<strong>in</strong>e halbe Stunde „Workout“<br />

und ab und zu auch während des Tages außer Atem zu kommen, vermag e<strong>in</strong>e der größten Sorgen für<br />

Frauen <strong>in</strong> <strong>den</strong> westlichen Kulturen zu vertreiben- E<strong>in</strong>e Aussicht, die zusätzlich zu dem Spaß, <strong>den</strong> man<br />

dabei gew<strong>in</strong>nen kann, Be<strong>in</strong>e machen sollte. Außerdem: Wer sich viel bewegt, bekommt seltener Osteoporose,<br />

e<strong>in</strong>en Herz<strong>in</strong>farkt, Schlaganfall oder Altersdiabetes...<br />

Und nicht zu vergessen: Vorbeugung und Hilfe gegen Hitzewallungen und anderes verspricht e<strong>in</strong> bewusstes<br />

Flexibilitäts-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für <strong>den</strong> Körper. Wer regelmäßig <strong>in</strong> der Sauna schwitzt, hält das Temperaturregulations-Zentrum<br />

im Gehirn funktionstüchtig und die Schleimhäute austauschaktiv. Ähnlich<br />

effektiv s<strong>in</strong>d aber schon e<strong>in</strong>fachste Maßnahmen wie:<br />

36


? Wechselfußbäder. Dazu braucht man nur zwei kle<strong>in</strong>ere Wannen. E<strong>in</strong>e davon gefüllt mit gut warmem<br />

Wasser (ca. 38° C), die andere mit kaltem (10° C). Ins Heiß-Fußbad gibt man Kräuterauszüge wie<br />

zum Beispiel Hopfen oder Salbei bzw. e<strong>in</strong>e Handvoll des entsprechen<strong>den</strong> Krauts. Dar<strong>in</strong> nun wer<strong>den</strong><br />

die Füße zuerst e<strong>in</strong>ige M<strong>in</strong>uten lang gebadet. Dann wechselt man zügig <strong>in</strong>s Kalte, aber nur für ungefähr<br />

10 Sekun<strong>den</strong>, nicht länger. Dieses Wechselspiel wird drei- bis fünfmal wiederholt, wobei die<br />

Warmphase allmählich auf e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>ute reduziert wer<strong>den</strong> kann.<br />

Fe<strong>in</strong>e harmonisierende Impulse vermittelt auch die ? Aromatherapie. Ausgleichend und harmonisierend<br />

wirken Rose, Lavendel, Ylang-Ylang, Melisse und Orange, um nur e<strong>in</strong>ige wichtige Duftnoten zu<br />

nennen. Am besten verwendet man die Essenzen für Duftste<strong>in</strong>e oder <strong>in</strong> Duftlampen. Als Geheimtipp<br />

bei <strong>den</strong> so pe<strong>in</strong>lichen wie pe<strong>in</strong>igen<strong>den</strong> Hitzewallungen („fliegende Hitze“) gilt ätherisches Zypressen-<br />

Öl. Dieses kann man zum Beispiel für Vollbäder (8 Tropfen Essenz) oder Massageöle (4 Tropfen auf 2<br />

Esslöffel Sesamöl) verwen<strong>den</strong>.<br />

BIO-Lesetipps<br />

Hier wer<strong>den</strong> Sie engagiert und unabhängig <strong>in</strong>formiert<br />

Wer hat Angst vor Lynne McTaggart? Möglicherweise der mediz<strong>in</strong>isch-pharmazeutische Komplex, der<br />

sich weit vom Ehrengebot „nur zu helfen und vor allem nicht zu scha<strong>den</strong>“ entfernt hat und von <strong>den</strong><br />

Ängsten und Besorgnissen der Frauen lebt. Lynne McTaggart ist nicht nur e<strong>in</strong>e eloquente Kritiker<strong>in</strong>,<br />

sondern auch belesen. Sie argumentiert ohne Unterstellungen und Polemik, vielmehr mit der Überzeugungskraft<br />

guter Argumente und Fakten aus dem Herzen der Wissenschaft.<br />

Lynne McTaggart: „Was Sie schon immer über die Wechseljahre wissen wollten!“, Sensei Verlag,<br />

Kernen 1998, 82 S., DM 19,90. ISBN 3-932576-62-4.<br />

Höchst lesenswert und sehr praxisorientiert angelegt („Was soll frau bei Hitzewallungen tun?“) ist die<br />

kürzlich erschienene Neuausgabe e<strong>in</strong>es viel zu wenig bekannten alternativmediz<strong>in</strong>ischen Klassikers: ?<br />

R<strong>in</strong>a Nissim: „Wechseljahre - Wechselzeit. E<strong>in</strong> naturheilkundliches Handbuch“, Orlanda Frauenverlag,<br />

Berl<strong>in</strong> 1999, 196 S., DM 29,80. ISBN 3-929823-63-2.<br />

E<strong>in</strong> Handbuch, das wirklich umfassend darüber <strong>in</strong>formiert, „was Frauen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> wissen<br />

sollten“, liegt vor <strong>in</strong>: ? Susan Love: „Das Hormonbuch“, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M.<br />

1999, 517 S., DM 19,90. ISBN 3-596-14625-9.<br />

Über <strong>den</strong> „Uns<strong>in</strong>n der Hormontherapie“ und andere E<strong>in</strong>sprüche aus ganzheitsärztlicher Sicht kann<br />

man nachlesen bei: ? M.O. Bruker/I. Gutjahr: „Re<strong>in</strong>e Frauensache“, EMU-Verlag, Lahnste<strong>in</strong> 1996, 241<br />

S., DM 29,80. ISBN 3-89189-042-7.<br />

Ausgesprochen lebenspraktisch, fachkundig und umfassend beraten wird frau auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Veröffentlichung<br />

mit dem Titel: ? Wechseljahre - Aufbruch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Lebensphase, herausgegeben vom<br />

Fem<strong>in</strong>istischen Frauen Gesundheits Zentrum e.V., Berl<strong>in</strong>. ISBN 3-930766-10-8, DM 10,-.<br />

Praktische Hilfestellungen von A (= Abwehrkräfte) bis Z (= Zähne) für Körper und Seele der Frau hält<br />

bereit: ? F. Peschek-Böhmer: „Der natürliche Weg durch die Wechseljahre“, Heyne Verlag, München<br />

1999, 124 S., DM 14,90. ISBN 3-453-14505-4.<br />

BIO-Adress-Service<br />

Manipulation, Bevormundung? Mit mir nicht!<br />

Versuchskan<strong>in</strong>chen Frau. Seit zur Pille geforscht wird, hat die Pharmazie sich mit Tabletten, Kapseln,<br />

Zäpfchen und neuerd<strong>in</strong>gs Pflastern auf Versuchskan<strong>in</strong>chen ganz besonderer Art e<strong>in</strong>geschossen: die<br />

Frauen. Die ersten Versuche mit der Pille wur<strong>den</strong> von ahnungslosen Forschern an noch ahnungsloseren<br />

puertoricanischen Frauen vorgenommen. Danach „erleichterte“ man US-Amerikaner<strong>in</strong>nen über<br />

Jahrzehnte die Schwangerschaft mit Hormonpräparaten, die nachweislich conterganähnliche Folgen<br />

zeigten und Krebs erzeugten.<br />

Ansprechpartner für Frauen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> gibt es genug. Doch wollen diese auch wirklich<br />

wertfrei und objektiv beraten? Die Anlaufstellen, die wir abschließend nennen, bemühen sich darum -<br />

mit viel Engagement und im ständigen Dialog mit Betroffenen und teilweise auch Geschädigten.<br />

37


Pillenknick 2000. E<strong>in</strong> neuer Trend fasst <strong>in</strong> <strong>den</strong> Wohlstandsgesellschaften Fuß: Immer mehr junge<br />

Frauen lehnen Pille und pharmazeutische Hormongaben als unnatürlich ab. Über Alternativen zur<br />

Empfängnisverhütung (Kondom, Spirale, Temperaturmethode u.ä.) und HET <strong>in</strong>formiert man/frau sich<br />

am besten bei <strong>den</strong> Frauen-Gesundheitszentren Deutschlands.<br />

Lohnenswert ist auf je<strong>den</strong> Fall der Kontakt mit dem ? Fem<strong>in</strong>istischen Frauen Gesundheits Zentrum<br />

(FFGZ), Bamberger Str. 51, 10777 Berl<strong>in</strong>, Telefon 030-2139597, Fax 2141927. Frauengesundheitszentren<br />

gibt es ungefähr 20, ob nun im Nor<strong>den</strong> (Kiel) oder Sü<strong>den</strong> (Straub<strong>in</strong>g). Adressen und Infos<br />

dazu hält bereit: ? Dachverband der Frauengesundheitszentren e.V., Goetheallee 9, 37073 Gött<strong>in</strong>gen,<br />

Telefon + Fax 0551-487025. Beraten lassen kann man sich auch bei ? Pro Familia, Zentrale, Stresemannallee<br />

3, 60596 Frankfurt/M., Telefon 069-639002, Fax 639852.<br />

Nähere Informationen erhalten Interessierte über <strong>den</strong> BIO-Leserservice, 82327 Tutz<strong>in</strong>g, Tel.<br />

08158/8021, Fax 7142.<br />

16 Positive Eigenschaften der Soja-Isoflavone<br />

Dr.Mark Mess<strong>in</strong>a im <strong>Aug</strong>ust 1999<br />

Der Großteil der wissenschaftlichen Geme<strong>in</strong>schaft erkennt jetzt bereitwillig an, dass aus Pflanzen<br />

hergestellte Nahrungsmittel e<strong>in</strong>e große Menge an biologisch aktiven, nicht nährstoffreichen Bestandteilen<br />

oder Pflanzenchemikalien enthalten, die die Gesundheit und das Krankheitsrisiko auf vielfache<br />

Art und Weise bee<strong>in</strong>flussen können. Brokkoli und Tomaten, die e<strong>in</strong>st für ihre reichen Nährstoffquellen<br />

gepriesen wur<strong>den</strong>, wer<strong>den</strong> jetzt aufgrund ihres Gehalts an Phytochemikalien ausgegliedert. Die wachsende<br />

Würdigung der Phytochemikalien hat zur Vermarktung von funktionellen Nahrungsmitteln geführt.<br />

Obwohl die Vorzüge von funktionellen Nahrungsmitteln noch von e<strong>in</strong>er Gesundheitsperspektive<br />

her ermittelt wer<strong>den</strong> müssen, wer<strong>den</strong> Soja-Nahrungsmittel von vielen als die vollendeten funktionellen<br />

Nahrungsmittel angesehen. Und unbestreitbar haben ke<strong>in</strong>e anderen Nahrungsmittel die Ehrungen<br />

erhalten, die Soja-Nahrungsmittel <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten 10 Jahren erhalten haben.<br />

Sojabohnen haben e<strong>in</strong>e lange und angesehene Geschichte als e<strong>in</strong> vielseitiges Pflanzenlebensmittel,<br />

welches e<strong>in</strong> hochwertiges Prote<strong>in</strong> jedoch nur ger<strong>in</strong>ge Mengen an gesättigten Fetten liefert. Eigenschaften,<br />

die alle<strong>in</strong>e schon <strong>den</strong> Sojabohnen e<strong>in</strong>en größeren Platz <strong>in</strong> der westlichen Ernährung e<strong>in</strong>räumen<br />

sollten. Jedoch konzentrierte sich <strong>in</strong> letzter Zeit die Aufmerksamkeit auf die Sojabohne als<br />

e<strong>in</strong>e reiche und im wesentlichen e<strong>in</strong>zigartige Ernährungsquelle für Isoflavone oder Phytoöstrogene.<br />

Sojaprote<strong>in</strong> senkt auch direkt <strong>den</strong> Serum-Cholester<strong>in</strong>spiegel.<br />

Die hypocholester<strong>in</strong>ämischen Auswirkungen des Sojaprote<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>ischen Untersuchungen <strong>in</strong><br />

mehr als 30 Jahren aufgezeigt wor<strong>den</strong>, obwohl bis vor kurzem nur wenige Gesundheitsexperten von<br />

dieser Literatur wussten. Erst im Jahr 1994 stellte das Ernährungskomitee der American Heart Association<br />

fest, dass Sojaprote<strong>in</strong> wirkungslos sei. Jedoch hat die Geme<strong>in</strong>schaft der Gesundheitsexperten<br />

seit der Veröffentlichung e<strong>in</strong>er Meta-Analyse über die Cholester<strong>in</strong>-senken<strong>den</strong> Auswirkungen von Sojaprote<strong>in</strong><br />

im Jahre 1995 langsam damit begonnen, <strong>den</strong> hypocholester<strong>in</strong>ämischen Effekt des Sojaprote<strong>in</strong>s<br />

zu würdigen. Die offizielle Anerkennung erfolgte Ende 1998 mit der Ankündigung der US Food<br />

and Drug Adm<strong>in</strong>istration (FDA) über vorläufige Pläne, Sojabohnen e<strong>in</strong>en Gesundheitsanspruch zuzusprechen.<br />

Obwohl der hypocholester<strong>in</strong>ämische Effekt der am besten nachgewiesene gesundheitliche Vorteil ist,<br />

ist es unbestreitbar der Isoflavongehalt der Soja-Nahrungsmittel, der die meiste Aufmerksamkeit auf<br />

sich gezogen hat: mehr als 50 Firmen vermarkten Isoflavon-Zusatzstoffe; Isoflavone s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>er Anzahl<br />

von Nicht-Soja- und Sojaprodukten h<strong>in</strong>zugefügt wor<strong>den</strong> und es gibt e<strong>in</strong>en Anstieg <strong>in</strong> der Zahl der Sojafirmen,<br />

die <strong>den</strong> Isoflavongehalt der Sojaprodukte auf <strong>den</strong> Produktetiketten angeben.<br />

E<strong>in</strong> erstes Interesse an <strong>den</strong> Isoflavonen konzentrierte sich auf ihre mögliche Anti-krebs-Wirkung, es ist<br />

jedoch klar, dass diese Betrachtung der Isoflavone viel zu beschränkt ist. Man nimmt jetzt an, dass<br />

Isoflavone das Risiko e<strong>in</strong>er breiten Palette von Krankheiten reduzieren, hierzu gehören die Osteoporose<br />

und koronare Herzkrankheiten (KHK). Sie können helfen, die Symptome <strong>in</strong> der Menopause zu<br />

verm<strong>in</strong>dern. Durchgeführte kl<strong>in</strong>ische Untersuchungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ander widersprechend, zeigen jedoch,<br />

dass Soja-Nahrungsmittel die Schwere und Häufigkeit der Hitzewallungen leicht reduzieren. Aufgrund<br />

der sche<strong>in</strong>baren Auswirkungen auf KHK, Osteoporose und Hitzewallungen, wer<strong>den</strong> Soja-<br />

38


Nahrungsmittel/Isoflavone von e<strong>in</strong>igen als mögliche Alternativen zur <strong>Hormonersatz</strong>therapie (HRT)<br />

angesehen.<br />

Def<strong>in</strong>ition der Isoflavone<br />

Die Wissenschaftler kennen Isoflavone seit mehr als 50 Jahren, aber bis vor kurzem ist nur e<strong>in</strong>e<br />

Handvoll von wissenschaftlichen Berichten über die Phytochemikalien veröffentlicht wor<strong>den</strong>. Während<br />

der letzten fünf Jahre s<strong>in</strong>d jedoch jährlich mehr als 300 Berichte über Isoflavone <strong>in</strong> wissenschaftlichen<br />

Fachzeitschriften erschienen. Dieses Forschungs<strong>in</strong>teresse wurde von e<strong>in</strong>igen Faktoren bewirkt, der<br />

wichtigste ist allerd<strong>in</strong>gs ohne Zweifel e<strong>in</strong>e Entscheidung des National Cancer Institute aus dem Jahr<br />

1990, nahezu USD 3.000.000 für Studien über die Antikrebs-Wirkung der Iso-flavone zur Verfügung<br />

zu stellen. Mit dem Anstieg des Interesses an <strong>den</strong> biologischen Eigenschaften und der potentiellen<br />

Antikrebs-Wirkungen der Isoflavone begannen die Forscher über die möglichen Vorteile der Isoflavone<br />

<strong>in</strong> anderen Bereichen zu spekulieren.<br />

Sojabohnen enthalten zwei primäre Isoflavone, die Geniste<strong>in</strong> und Daidze<strong>in</strong> genannt wer<strong>den</strong>, sowie e<strong>in</strong><br />

kle<strong>in</strong>eres Isoflavon, welches Glyzite<strong>in</strong> genannt wird. Ganze Sojabohnen und nicht fermentierte Soja-<br />

Nahrungsmmittel be<strong>in</strong>halten <strong>in</strong> der Hauptsache Isoflavone <strong>in</strong> der "Glycosid"-Form, was bedeutet, dass<br />

sie an e<strong>in</strong> Zuckermolekül gebun<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d. Fermentierte Soja-Nahrungsmittel enthalten dah<strong>in</strong>gegen<br />

meistens "Aglycone", dies s<strong>in</strong>d Isoflavone ohne <strong>den</strong> Zucker. Isoflavone haben <strong>in</strong> der Natur e<strong>in</strong>e sehr<br />

begrenzte Verteilung. Sojabohnen und Soja-Nahrungsmittel be<strong>in</strong>halten ca. 1-3 mg Isoflavon pro<br />

Gramm. Herkömmliche Soja-Nahrungsmittel liefern ca. 30 mg Isoflavon pro Portion.<br />

Obwohl es nicht klar ist, ob die verschie<strong>den</strong>en Isoflavon-Formen die biologische Aktivität bee<strong>in</strong>flussen,<br />

wenn sie von Menschen konsumiert wer<strong>den</strong>, so wird diese Unterscheidung doch bei der Etikettierung<br />

der Produkte wichtig. Das Gewicht des Zuckers ist fast so hoch, wie das Isoflavon selbst (ungefähr 40<br />

Prozent des Gesamtgewicht des Glycosids). Daher enthalten 50 Milligramm Genist<strong>in</strong> (die Glycosid-<br />

Form) oder Daidz<strong>in</strong> tatsächlich nur ungefähr jeweils 30 Milligramm Geniste<strong>in</strong> (die Aglycon-Form) oder<br />

Daidz<strong>in</strong>. Zum besseren Verständnis und zur Standardisierung wird empfohlen, dass, wenn auf <strong>den</strong><br />

Isoflavongehalt Bezug genommen wird, nur das Gewicht des Isoflavonanteils selbst berücksichtigt<br />

wer<strong>den</strong> sollte.<br />

Isoflavone wer<strong>den</strong> häufig Phytoöstrogene oder "Pflanzenöstrogene" genannt, da sie e<strong>in</strong>e ähnliche<br />

Struktur wie das weibliche Sexualhormon Östrogen haben, sich an Östrogenrezeptoren b<strong>in</strong><strong>den</strong> und <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>igen Geweben östrogene Auswirkungen verursachen. Sie s<strong>in</strong>d jedoch außeror<strong>den</strong>tlich schwach,<br />

und besitzen nur 1/1.000 bis 1/10.000 von der Wirksamkeit des Östrogens. Wichtig jedoch ist, dass<br />

bei Menschen, die Soja-Nahrungsmittel zu sich nehmen, der Isoflavonspiegel im Blut 10.000 mal höher<br />

se<strong>in</strong> kann als der des Östrogens. Deshalb kann erwartet wer<strong>den</strong>, dass Isoflavone trotz ihrer relativen<br />

Schwäche <strong>in</strong> vivo physiologische Auswirkungen haben, wie sie dies bereits gezeigt haben.<br />

Man geht davon aus, dass schwache Östrogene, wie zum Beispiel Isoflavone, <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, sowohl<br />

östrogene als auch antiöstrogene Wirkungen auszuüben. In der Theorie hängt die Wirkung von<br />

dem Hormonumfeld und dem betreffen<strong>den</strong> Gewebe ab. Aufgrund ihrer agonistischen/antagonistischen<br />

Eigenschaften wer<strong>den</strong> Isoflavone von e<strong>in</strong>igen als natürliche selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren<br />

(SERM) <strong>in</strong> der gleichen Weise wie das Brustkrebs-Medikament Tamoxifen und das neue Oestoporose-Medikament,<br />

Raloxifene, angesehen. Jedoch ist es möglich, dass e<strong>in</strong>ige der wichtigsten Vorteile<br />

der Isoflavone überhaupt nichts mit ihren schwachen östrogenen Eigenschaften zu tun haben, da<br />

Isoflavone mehr als Phytoöstrogene s<strong>in</strong>d.<br />

Hunderte von Studien zeigen, dass Geniste<strong>in</strong> das Wachstum e<strong>in</strong>es großen Umfangs von sowohl hormonabhängigen<br />

als auch hormonunabhängigen Krebszellen <strong>in</strong> vitro verh<strong>in</strong>dert. Selbstverständlich<br />

können die antiöstrogenen Auswirkungen alle<strong>in</strong> nicht für die wachstumsh<strong>in</strong>dern<strong>den</strong> Auswirkungen<br />

verantwortlich se<strong>in</strong>. Tatsächlich konzentrieren sich die meisten Forschungen über Geniste<strong>in</strong> nicht auf<br />

die hormonbezogenen Eigenschaften dieses Isoflavons sondern auf die Fähigkeit des Geniste<strong>in</strong>s, die<br />

Wirksamkeit von Enzymen und Zellfaktoren zu kontrollieren, die mit dem Zellwachstum und der Zellregulierung<br />

zusammenhängen.<br />

Krebs<br />

Das Interesse an dem Antikrebs-Effekt der Soja-Nahrungsmittel konzentrierte sich aus zwei wesentlichen<br />

Grün<strong>den</strong> zuerst auf Brustkrebs: die niedrigen Brustkrebs-Sterberaten <strong>in</strong> asiatischen Ländern, <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong>en Soja-Nahrungsmittel konsumiert wer<strong>den</strong> und die antiöstrogenen Auswirkungen von schwachen<br />

39


Östrogenen. Daten aus Tierversuchen, <strong>in</strong>sbesondere kürzlich durchgeführte Untersuchungen, lassen<br />

darauf schließen, dass Soja e<strong>in</strong> beträchtliches Versprechen hält, das Brustkrebs-Risiko zu reduzieren.<br />

In verschie<strong>den</strong>en Studien ist herausgefun<strong>den</strong> wor<strong>den</strong>, dass Sojabohnen oder andere Sojaprodukte<br />

die chemisch <strong>in</strong>duzierte Mammatumorbildung bei Nagetieren um ca. 50 Prozent reduzierten. In e<strong>in</strong>er<br />

Studie verh<strong>in</strong>derte die Komb<strong>in</strong>ation von Miso und Tamoxifen die Tumorbildung stark - mehr als e<strong>in</strong><br />

Agens alle<strong>in</strong>. Außerdem verh<strong>in</strong>derte die Komb<strong>in</strong>ation von Miso und Tamoxifen das Wachstum bestehender<br />

Mammakarz<strong>in</strong>ome um ca. 50%, woh<strong>in</strong>gegen Tamoxifen alle<strong>in</strong> wirkungslos war. E<strong>in</strong>e sehr fasz<strong>in</strong>ierende<br />

jedoch spekulative Hypothese über <strong>den</strong> E<strong>in</strong>fluß der Isoflavone auf das Brustkrebsrisiko ist,<br />

dass die frühzeitige Zufuhr dieser Phytochemikalien besonders schützend ist. Verschie<strong>den</strong>e Versuche<br />

mit Nagetieren haben gezeigt, dass die Verabreichung von Geniste<strong>in</strong> für nur e<strong>in</strong> paar Tage früh im<br />

Leben die Brustkrebsbildung später im Leben um die Hälfte reduzieren kann.<br />

Im Gegensatz zu <strong>den</strong> ermutigen<strong>den</strong> Entdeckungen, die <strong>in</strong> <strong>den</strong> Tierversuchen gemacht wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d,<br />

geben epidemiologische Studien, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en die Sojazufuhr von asiatischen Frauen mit und ohne Brustkrebs<br />

mite<strong>in</strong>ander verglichen wurde, nicht viel Unterstützung für <strong>den</strong> Gedanken, dass das Konsumieren<br />

von Soja im Erwachsenenalter das nach der Menopause auftretende Brustkrebsrisiko reduziert,<br />

obwohl es e<strong>in</strong>e gewisse Unterstützung für e<strong>in</strong>en Schutzeffekt gegen das prämenopausale Brustkrebsrisiko<br />

gibt. E<strong>in</strong>e übere<strong>in</strong>stimmende Feststellung ist jedoch, dass e<strong>in</strong>e Portion pro Tag mit e<strong>in</strong>em verm<strong>in</strong>derten<br />

Risiko <strong>in</strong> <strong>den</strong> Studien verbun<strong>den</strong> ist, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en Soja e<strong>in</strong>e Schutzwirkung hat.<br />

In <strong>den</strong> vergangenen Jahren gab es viel Begeisterung darüber, welche Rolle Soja bei der Verr<strong>in</strong>gerung<br />

von e<strong>in</strong>igen Krebsarten spielen kann, <strong>in</strong>sbesondere bei Prostatakrebs. E<strong>in</strong>ige Beweise lassen darauf<br />

schließen, dass Soja, und <strong>in</strong>sbesondere Isoflavone helfen können, das Prostatakrebsrisiko zu senken.<br />

Obwohl die epidemiologischen Daten begrenzter s<strong>in</strong>d, ist <strong>in</strong> zwei Studien herausgefun<strong>den</strong> wor<strong>den</strong>,<br />

dass der tägliche Verzehr von Sojamilch oder Tofu mit e<strong>in</strong>er merklichen Reduzierung (40-65%) des<br />

Risikos verbun<strong>den</strong> ist. In e<strong>in</strong>igen Tierversuchen ist herausgefun<strong>den</strong> wor<strong>den</strong>, dass e<strong>in</strong>e Ernährung, die<br />

Soja enthält, die Bildung von Prostatatumoren hemmt und dass die Verabreichung von Geniste<strong>in</strong> das<br />

Wachstum der Prostatakrebszellen hemmt, die Nagetieren e<strong>in</strong>gepflanzt wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong>ige Mechanismen<br />

s<strong>in</strong>d für die Auswirkungen des Sojas/der Isoflavone gegen Prostatakrebs vorgeschlagen wor<strong>den</strong>.<br />

Die Isoflavon-Krebs-Geschichte f<strong>in</strong>det besonderen Gefallen aufgrund der Anzahl der vorgeschlagenen<br />

Mechanismen, durch die diese Phytochemikalien das Krebsrisiko reduzieren können. Isoflavone s<strong>in</strong>d<br />

z. B. Antioxidans, die die normale Killerzellenaktivität <strong>in</strong> vitro stimulieren, <strong>den</strong> Stoffwechsel des Östrogens<br />

<strong>in</strong> vivo verändern und das Wachstum der Blutgefäße (Angiogenese) hemmen. Daher ist, obwohl<br />

die Anti-krebswirkungen der Soja/Isoflavone noch ziemlich spekulativ s<strong>in</strong>d, der Enthusiasmus leicht zu<br />

verstehen, <strong>den</strong> die Forschungsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>den</strong> Isoflavonen entgegenbr<strong>in</strong>gt.<br />

Herzerkrankungen<br />

In der Meta-Analyse, auf die vorstehend Bezug genommen wor<strong>den</strong> ist, wurde <strong>in</strong> 34 von 38 Versuchen<br />

darüber berichtet, dass Sojaprote<strong>in</strong> <strong>den</strong> Cholester<strong>in</strong>spiegel im Blut senkt. Dieser Effekt ist nicht auf die<br />

Unterschiede im Cholester<strong>in</strong> oder die Aufnahme von gesättigten Fetten zurückzuführen, da <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

meisten Untersuchungen solche Unterschiede nicht vorkamen. Die durchschnittliche Abnahme des<br />

LDL Cholester<strong>in</strong>s betrug ca. 13 Prozent, was beträchtlich mehr ist, als das, was typischerweise als<br />

Reaktion auf e<strong>in</strong>e cholester<strong>in</strong>senkende Ernährung festgestellt wird.<br />

Es sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Dosis-Reaktion Beziehung zwischen der Menge des konsumierten Sojaprote<strong>in</strong>s und<br />

der Senkung des Cholester<strong>in</strong>s zu bestehen. Außerdem ist die Wirkung des Sojaprote<strong>in</strong>s am deutlichsten,<br />

je höher der Ausgangs-Cholester<strong>in</strong>spiegel ist. Soja wirkt hauptsächlich bei Menschen mit e<strong>in</strong>em<br />

Cholester<strong>in</strong>spiegel über 6 umol/l (240 mg/dl).<br />

Versuchsweise müssen Produkte, um sich für e<strong>in</strong>en Gesundheitsanspruch zu qualifizieren, wenigstens<br />

6,25 g Sojaprote<strong>in</strong> pro Portion enthalten. Diese Zahl geht davon aus, dass 25 g Sojaprote<strong>in</strong> das<br />

Cholester<strong>in</strong> senken und das es s<strong>in</strong>nvoll ist, täglich vier Portionen Soja zu sich zu nehmen. Ob Konsumenten,<br />

auch die mit hohen Cholester<strong>in</strong>werten, die deshalb motivierter se<strong>in</strong> könnten, dauerhaft <strong>in</strong> der<br />

Lage s<strong>in</strong>d, vier Portionen Soja-Nahrungsmittel täglich zu sich zu nehmen, ist unklar.<br />

Es gibt viele Diskussionen über die Rolle der Isoflavone bei der Reduzierung des Cholester<strong>in</strong>s. Arbeiten<br />

der Wake Forrest University <strong>in</strong> <strong>den</strong> Vere<strong>in</strong>igten Staaten deuten darauf h<strong>in</strong>, dass, 25 g Sojaprote<strong>in</strong><br />

60 mg Isoflavon liefern sollten, um am wirkungsvollsten zu se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>ige Fachleute behaupten jedoch,<br />

dass Isoflavon für diesen Prozeß nicht von Bedeutung ist und dass Produkte mit e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen oder<br />

40


gar ke<strong>in</strong>em Isoflavongehalt hypocholester<strong>in</strong>ämisch s<strong>in</strong>d. Dies ist e<strong>in</strong>e wichtiger Diskussionspunkt, da<br />

die Verarbeitung von Sojaprodukten <strong>den</strong> Isoflavongehalt sehr stark bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Möglicherweise ist e<strong>in</strong> noch wichtigerer Punkt das Ausmaß, <strong>in</strong> dem Isoflavone das KHK Risiko unabhängig<br />

von e<strong>in</strong>er Auswirkung auf <strong>den</strong> Blutcholester<strong>in</strong>spiegel reduzieren können. Man geht davon aus,<br />

dass die Verabreichung von Östrogen das KHK Risiko wesentlich senkt, jedoch nimmt man an, dass<br />

nur 25-50% dieser Reduzierung von der Wirkung des Östrogens auf die Lipoprote<strong>in</strong>e stammt. Vorläufige<br />

Arbeiten lassen darauf schließen, dass Phytoöstrogene aus Sojabohnen e<strong>in</strong>ige der gleichen Auswirkungen<br />

<strong>in</strong> Bezug auf Herzerkrankungen wie Östrogene haben. Es zeigte sich zum Beispiel, dass<br />

80 mg Isoflavon die arterielle Dehnbarkeit - e<strong>in</strong>e Messung der arteriellen Flexibilität - verbesserte. E<strong>in</strong>e<br />

schlechte arterielle Dehnbarkeit ist e<strong>in</strong> unabhängiger Risikofaktor für KHK. Andere Arbeiten lassen<br />

darauf schließen, dass Isoflavone die LDL Oxidation hemmen und die Wucherung von glatten Muskelzellen<br />

verm<strong>in</strong>dern. Deshalb kann es se<strong>in</strong>, dass Soja-Nahrungsmittel - sogar bei Menschen ohne<br />

e<strong>in</strong>en erhöhten Cholester<strong>in</strong>spiegel - e<strong>in</strong>e sehr vorteilhafte Wirkung haben, um das KHK Risiko zu reduzieren.<br />

Osteoporose<br />

Die östrogene Wirksamkeit der Isoflavone, komb<strong>in</strong>iert mit ihrer Ähnlichkeit <strong>in</strong> der Struktur mit dem<br />

synthetischen Isoflavon, Ipriflavon, e<strong>in</strong> Oestoporose-Medikament, welches <strong>den</strong> Knochenverlust bei<br />

Frauen <strong>in</strong> und nach der Menopause verzögert, förderte die Spekulation, dass diese Sojabohnenbestandteile<br />

e<strong>in</strong>e positive Auswirkung auf die Knochengesundheit haben könnten. Die ger<strong>in</strong>gen Hüftfrakturraten<br />

<strong>in</strong> asiatischen Ländern wer<strong>den</strong> auch oft als epidemiologischer Unterstützung für die Vorteile<br />

der Isoflavone zitiert. Obwohl es unwahrsche<strong>in</strong>lich ist, dass Isoflavone zu der niedrigen Hüftfrakturrate<br />

<strong>in</strong> Asien beitragen, gibt es ermutigende Daten, aus <strong>den</strong>en hervorgeht, dass Isoflavone die Knochengesundheit<br />

fördern.<br />

Studien mit Nagetieren, <strong>den</strong>en die Eierstöcke entfernt wur<strong>den</strong>, zeigten ziemlich übere<strong>in</strong>stimmend,<br />

dass Sojaprote<strong>in</strong> oder <strong>in</strong>dividuelle Isoflavone <strong>den</strong> Knochenverlust fast so wirksam wie Östrogen verzögern.<br />

Wichtiger noch, e<strong>in</strong>ige kurzfristige Studien, die an Frauen <strong>in</strong> und nach der Menopause vorgenommen<br />

wur<strong>den</strong>, zeigen, dass die Sojaaufnahme die Knochenm<strong>in</strong>eraldichte (BMD - bone m<strong>in</strong>eral<br />

<strong>den</strong>sity), <strong>in</strong>sbesondere an der Wirbelsäule, positiv bee<strong>in</strong>flusst. Diese Untersuchungen verweisen auf<br />

die Isoflavone als aktive Komponente des Sojas, da Sojaprodukte mit wenig oder ger<strong>in</strong>geren Mengen<br />

an Isoflavonen nicht wirksam s<strong>in</strong>d. Es ist möglich, dass sogar 90 mg Isoflavon pro Tag erforderlich<br />

se<strong>in</strong> könnte, um e<strong>in</strong>en maximalen Vorteil zu erzielen. Interessanterweise gibt es Beweise dafür, dass<br />

Isoflavone sowohl <strong>den</strong> Knochenabbau hemmen und die Knochenbildung stimulieren können.<br />

Produktpotential<br />

Medienberichte, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en die Feststellungen der Forschung hervorgehoben wur<strong>den</strong>, haben die Nachfrage<br />

nach Soja-Nahrungsmitteln sehr erhöht. Obwohl die berichteten Gesundheitsvorteile <strong>in</strong> <strong>den</strong> meisten<br />

Fällen noch immer spekulativ s<strong>in</strong>d (mit der Ausnahme der Senkung des Cholester<strong>in</strong>wertes) ist es<br />

deutlich, dass die Konsumenten nicht auf def<strong>in</strong>itive Studien warten, sondern nach Wegen suchen, um<br />

Soja <strong>in</strong> ihre tägliche Ernährung e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong><strong>den</strong>. Die Industrie antwortet darauf mit e<strong>in</strong>er Palette von Sojaprote<strong>in</strong>getränken<br />

auf Isolatbais, Fleischersatz auf Sojabasis und herkömmlichen, mit Isoflavon angereicherten<br />

Nahrungsmitteln.<br />

Damit Soja-Nahrungsmittel sich wirklich durchsetzen, ist e<strong>in</strong>e Vielzahl von zweckmäßigen, benutzerfreundlichen<br />

Produkten erforderlich. Während herkömmliche Soja-Nahrungsmittel, wie zum Beispiel<br />

Tofu, Miso und Tempeh vielen derzeitigen Konsumenten von Soja-Nahrungsmittel gefallen, ist es<br />

unwahrsche<strong>in</strong>lich, dass sie große Zahlen von neuen Konsumenten von Soja-Nahrungsmitteln anziehen<br />

wer<strong>den</strong>. Um erfolgreich zu se<strong>in</strong>, sollte die nächste Generation der Soja-Nahrungsmittel ke<strong>in</strong> spezielles<br />

Wissen über <strong>den</strong> Gebrauch oder die Zubereitung erfordern. Und natürlich müssen diese neuen<br />

Soja-Nahrungsmittel leicht verfügbar se<strong>in</strong>.<br />

Die Industrie wird die Soja-Nahrungsmittel zum Konsumenten br<strong>in</strong>gen müssen und wird nicht mehr<br />

davon abhängig se<strong>in</strong> können, dass der Konsument die Sojaprodukte aussucht. Herkömmliches Brot,<br />

Snacks/Cracker und Frühstückscerealien, <strong>den</strong>en Soja beigefügt wor<strong>den</strong> ist, s<strong>in</strong>d wahrsche<strong>in</strong>lich ziemlich<br />

attraktiv (e<strong>in</strong>ige Brotsorten, die Soja enthalten, s<strong>in</strong>d bereits sehr erfolgreich). E<strong>in</strong>e Frühstückscerealie,<br />

die Hafer oder Mais mit Sojaflocken komb<strong>in</strong>iert, stellt e<strong>in</strong>en bequemen Weg für die Konsumenten<br />

dar, Soja <strong>in</strong> ihre tägliche Ernährung aufzunehmen, ohne ihren Lebensstil zu ändern. Nahezu die<br />

Hälfte des Sojaprote<strong>in</strong>s, das erforderlich ist, um das Cholester<strong>in</strong> zu senken kann leicht mit e<strong>in</strong>er Mahl-<br />

41


zeit aufgenommen wer<strong>den</strong>, wenn e<strong>in</strong>e solche Cerealie 5 oder 6 Gramm Sojaprote<strong>in</strong> liefern und <strong>in</strong><br />

Komb<strong>in</strong>ation mit Sojamilch verwendet wer<strong>den</strong> würde.<br />

Es wer<strong>den</strong> mehr Nahrungsmittel benötigt, die m<strong>in</strong>destens 10 g Sojaprote<strong>in</strong> pro Portion enthalten, so<br />

dass der Verzehr von nur zwei Portionen am Tag das Cholester<strong>in</strong> senkt. Frühstücksbars und Gesundheits-<br />

und "Power"-Bars liefern e<strong>in</strong>e bequeme Möglichkeit, große Mengen von Sojaprote<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Ernährung<br />

e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong><strong>den</strong>.<br />

Und schließlich kann e<strong>in</strong>e der e<strong>in</strong>fachsten Metho<strong>den</strong>, die Isoflavonzufuhr zu erhöhen, die se<strong>in</strong>, konzentrierte<br />

Isoflavone herkömmlichen Nahrungsmitteln h<strong>in</strong>zuzufügen. Da nur ger<strong>in</strong>ge Mengen dieses<br />

Produkts verwendet wer<strong>den</strong> müssen, kann dieser Ansatz beträchtliche Vorzüge bieten. Obwohl es<br />

ernährungstechnische Argumente für und gegen e<strong>in</strong>e solche Methode gibt, ist es durch die steigende<br />

Akzeptanz von Zusatzstoffen und Nahrungsmittel-Anreicherungen wahrsche<strong>in</strong>lich, dass diese Nahrungsmittel<br />

auf Erfolg stoßen wer<strong>den</strong>. Durch e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation dieser Ansätze wird die Industrie <strong>in</strong> der<br />

Lage se<strong>in</strong>, <strong>den</strong> Konsumenten mit e<strong>in</strong>er umfassen<strong>den</strong> Möglichkeit zu versehen, Nutzen aus <strong>den</strong> nutritiven<br />

Vorteilen des Sojaprote<strong>in</strong>s und der Sojabohnen-Isoflavone zu ziehen.<br />

17 Tödliche Therapie<br />

Pharmafirmen und Ärzte lassen Frauen über Risiken der Hormone<strong>in</strong>nahme im Unklaren /<br />

„8000 Krebsfälle jährlich vermeidbar“ / Von Klaus Koch<br />

Forscher und Krankenkassen nehmen die <strong>Hormonersatz</strong>therapie für ältere Frauen unter Beschuss. Nach e<strong>in</strong>em<br />

vertraulichen Bericht an das Bundesgesundheitsm<strong>in</strong>isterium, der der SZ vorliegt, gehen mehr als 8000 Fälle<br />

von Brust- und Gebärmutterkrebs pro Jahr auf das Konto der <strong>in</strong> Deutschland weit verbreiteten Therapie. Gefährdet<br />

seien vor allem Frauen, die die Hormone über mehrere Jahre h<strong>in</strong>weg e<strong>in</strong>nehmen, um chronischen<br />

Krankheiten vorzubeugen. Die Berechnungen wer<strong>den</strong> derzeit beim Bundesamt für Arzneimittel überprüft.<br />

Mehrjährige Hormone<strong>in</strong>nahme kritisch<br />

Den vertraulichen Bericht hat Eberhard Greiser vom „Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmediz<strong>in</strong>“<br />

mit dem „Wissenschaftlichen Institut der AOK“ <strong>in</strong> Bonn erstellt. Danach lassen deutsche Pharmafirmen und<br />

Ärzte die Frauen über Risiken der Hormontherapie nach <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> im Unklaren.<br />

Kritisch sieht der Bericht vor allem die mehrjährige E<strong>in</strong>nahme der Hormone: Bis zu 50 Prozent der Frauen zwischen<br />

40 und 75 Jahren nehmen die Präparate, die meisten aber nur e<strong>in</strong>ige Monate, um Wechseljahrsbeschwer<strong>den</strong><br />

zu l<strong>in</strong>dern. Die kurzfristige E<strong>in</strong>nahme wirkt sich kaum auf das Krebsrisiko aus. Allerd<strong>in</strong>gs empfehlen<br />

Frauenärzte die Hormone auch zur Vorbeugung von Osteoporose (Knochenschwund): Dafür ist e<strong>in</strong>e mehrjährige<br />

E<strong>in</strong>nahme nötig. H<strong>in</strong>zu kommen Hoffnungen, dass Östrogene Herzkrankheiten und der Alzheimerschen<br />

Krankheit vorbeugen könnten.<br />

Fraglicher Nutzen<br />

Obwohl der Nutzen durchaus fraglich ist, lassen sich viele ältere Frauen von <strong>den</strong> Argumenten überzeugen. Nach<br />

Umfragen nimmt e<strong>in</strong> Drittel derer, die Hormone e<strong>in</strong>nehmen, sie länger als fünf Jahre. Die Autoren berechneten,<br />

dass von <strong>den</strong> schätzungsweise 42 000 Frauen im Alter zwischen 40 und 79, die 1998 erstmals an Brustkrebs<br />

erkrankten, bei etwa 5000 der Tumor auf die E<strong>in</strong>nahme von Hormon-Präparaten zurückzuführen ist – das wäre<br />

etwa jeder achte Tumor.<br />

Und von <strong>den</strong> 8700 Fällen von Gebärmutterkrebs gehe Schätzungen zufolge sogar etwa e<strong>in</strong> Drittel auf das Konto<br />

der Hormontherapie. „Die Folgen s<strong>in</strong>d mehr als 8000 vermeidbare Krebsfälle“, sagte Greiser. Das Bundes<strong>in</strong>stitut<br />

für Arzneimittel prüft die <strong>Hormonersatz</strong>therapie bereits seit 1999, um die entsprechen<strong>den</strong> Medikamente neu zu<br />

beurteilen. Den aktuellen Bericht habe man noch nicht ausgewertet, sagte e<strong>in</strong> Sprecher.<br />

Mangelnde Informationen<br />

Tatsächlich stehen deutsche Ärzte der Hormontherapie ausgesprochen positiv gegenüber. Von 1987 bis 1998<br />

hat sich die Zahl der verordneten Tagesdosen etwa versechsfacht. Greiser bezweifelt aber, dass Frauen und<br />

Ärzte <strong>in</strong> Deutschland die Informationen haben, die sie für e<strong>in</strong>e nüchterne Abschätzung von Nutzen und Risiken<br />

bräuchten.<br />

Der Bericht schildert das am Beispiel e<strong>in</strong>es Präparates, das der Hersteller Solvay, sowohl <strong>in</strong> Deutschland als<br />

auch <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA verkauft. Während der US-Beipackzettel seit Jahren unter anderem e<strong>in</strong>deutige Warnungen vor<br />

42


Gebärmutter- und erhöhtem Brustkrebsrisiko enthält, sollen solche H<strong>in</strong>weise im deutschen Beipackzettel jetzt<br />

erst ergänzt wer<strong>den</strong>. „Offensichtlich muss man die Hersteller zw<strong>in</strong>gen, ehrlich zu se<strong>in</strong>“, sagt Greiser.<br />

Kritiker weisen seit Jahren darauf h<strong>in</strong>, dass die Fortbildung der Ärzte <strong>in</strong> Deutschland zu sehr <strong>in</strong> <strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> der<br />

Pharma<strong>in</strong>dustrie liegt. Da wundert es nicht, dass schlecht <strong>in</strong>formierte Ärzte auch die Frauen nur ungenügend<br />

aufklären können.<br />

Die AOK hatte im Frühjahr dieses Jahres je 10 000 Frauen im Alter von 40 bis 75 Jahren <strong>in</strong> Hessen und Sachsen-Anhalt<br />

e<strong>in</strong>en Fragebogen geschickt. Zwei Drittel der Patient<strong>in</strong>nen, die sich für e<strong>in</strong>e Hormontherapie entschie<strong>den</strong><br />

hatten, gaben an, nicht oder nicht ausreichend über das erhöhte Krebsrisiko aufgeklärt wor<strong>den</strong> zu<br />

se<strong>in</strong>.<br />

18 Hormonbehandlung <strong>in</strong> und nach dem Wechsel umstritten:<br />

Gestagene erhöhen Brustkrebsrisiko<br />

Presseerklärung des Frauengesundheitszentrums Graz vom 9.2.2000<br />

Hormonbehandlungen <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> wer<strong>den</strong> heute vielen Frauen angeboten.<br />

Neben e<strong>in</strong>er Beseitigung der Anzeichen des Wechsels wird damit geworben, die Hormongaben<br />

könnten Herzkreislauferkrankungen und Osteoporose vermei<strong>den</strong> helfen.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Studie, die <strong>in</strong> dem Journal of the American Medical Association vom 26.<br />

Januar 2000 veröffentlicht wurde, weist auf ernstzunehmende Folgewirkungen e<strong>in</strong>er<br />

solchen Behandlung h<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e Untersuchung an 46.000 Frauen über e<strong>in</strong>en Zeitraum<br />

von 15 Jahren ergab, dass 2080 Frauen an Brustkrebs erkrankten. Diejenigen, die Östrogene<br />

e<strong>in</strong>nahmen, erhöhten nach e<strong>in</strong>er Anwendungszeit von 4 Jahren ihr Risiko um<br />

20%. Diejenigen Frauen, die Östrogene und Gestagene nahmen, erhöhten ihr Risiko<br />

um 40 %, dies traf besonders auf schlanke Frauen zu. Diese ungünstige Wirkung bezieht<br />

sich <strong>in</strong>sbesondere auf die Dauer der E<strong>in</strong>nahme und auf die Zeit nach dem Absetzen.<br />

Das Risiko steigt mit der Dauer der Behandlung jährlich um 8% an.<br />

Umgerechnet auf e<strong>in</strong>e zehnjährige Anwendung erhöht sich das Risiko um 80% verglichen<br />

mit <strong>den</strong> Frauen, die nie e<strong>in</strong>e Hormonbehandlung hatten, nach 20 Jahren auf<br />

160%.<br />

Sylvia Groth M.A., Geschäftsführer<strong>in</strong> des Frauengesundheitszentrums Graz me<strong>in</strong>t<br />

dazu: "Nach diesen Ergebnissen stellt sich für sehr viele Frauen die Frage, ob sie überhaupt<br />

Hormone nehmen sollen. Zur Vorbeugung von Osteoporose und Herzkreislauferkrankungen<br />

gibt es unschädliche Alternativen. Brustkrebs ist e<strong>in</strong>e Erkrankung, die<br />

Frauen sehr fürchten. Ihr gesundes Älterwer<strong>den</strong> können Frauen durch ihren Lebensstil<br />

und Bewegung positiv bee<strong>in</strong>flussen. Die Betonung auf medikamentöses Management<br />

kann krankmachen und vernachlässigt die Formen der Gesundheitsförderung, die wirklich<br />

gesund erhalten."<br />

Das Frauengesundheitszentrum Graz steht für Fragen zur Verfügung, wen<strong>den</strong> Sie<br />

sich bitte an unsere Mitarbeiter<strong>in</strong> Frau Mag a Waltraud Posch.<br />

43


19 Hormonpflaster s<strong>in</strong>d nicht harmlos<br />

Stellungnahme des Frauengesundheitszentrums Graz<br />

In <strong>den</strong> Medien wer<strong>den</strong> Hormonpflaster oft e<strong>in</strong>seitig positiv dargestellt. Aber nur weil es sich um Hormone<br />

<strong>in</strong> Form von Pflastern handelt, s<strong>in</strong>d diese nicht harmlos. Möglicherweise ist die Market<strong>in</strong>gstrategie<br />

der Pharma<strong>in</strong>dustrie auf diesen K<strong>in</strong>derglauben aufgebaut. Es bleibt die Vorsicht, die frau allen<br />

Medikamenten gegenüber haben sollte: Was ist der Nutzen, was s<strong>in</strong>d Neben- und Folgewirkungen?<br />

Die "extrem niedrige" Dosierung der hormonellen Medikamente täuscht doch nur darüber h<strong>in</strong>weg,<br />

dass jene Hormone, die Frauen <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten 40 Jahren massenhaft verschrieben wur<strong>den</strong>, sehr hoch<br />

dosiert waren.<br />

Das Frauengesundheitzentrum Graz legt Wert auf folgende kritische Information:<br />

Jedes Medikament hat Folgewirkungen, gerade als gesunde Frau nehme ich bestimmte Risiken<br />

(Östrogene und Brustkrebsentstehung) nicht <strong>in</strong> Kauf.<br />

Welche unschädlichen Alternativen gibt es, wenn ich Beschwer<strong>den</strong> habe?<br />

Die Pharma<strong>in</strong>dustrie schafft es, auf der Basis ihrer Presseaussendungen redaktionelle Bewerbungen<br />

<strong>in</strong> Zeitschriften zu erhalten. Das macht gesundheitliche Information für die Konsument<strong>in</strong><br />

immer undurchsichtiger.<br />

Um e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>formierte Entscheidung treffen zu können, brauchen Frauen unabhängige, nicht anbieterorientierte<br />

Information. Frauenzeitschriften können ihnen durch kritische Berichterstattung dabei helfen.<br />

20 Pharmafirmen und ÄrztInnen lassen Frauen über Risiken der<br />

Hormone<strong>in</strong>nahme im Unklaren<br />

Presseerklärung des Frauengesundheitszentrums Graz vom 10.8.2000<br />

Das Frauengesundheitszentrum Graz weist aus aktuellem Anlaß auf Berichte <strong>in</strong> der Süddeutschen<br />

Zeitung h<strong>in</strong>. Forscher und Krankenkassen <strong>in</strong> Deutschland nehmen die <strong>Hormonersatz</strong>therapie<br />

für ältere Frauen unter Beschuss. Nach e<strong>in</strong>em vertraulichen Bericht an das deutsche Bundesgesundheitsm<strong>in</strong>isterium,<br />

der der Süddeutschen Zeitung (9.<strong>Aug</strong>ust 2000) vorliegt, gehen<br />

mehr als 8000 Fälle von Brust- und Gebärmutterkrebs pro Jahr auf das Konto der <strong>in</strong> Deutschland<br />

weit verbreiteten Therapie.<br />

(http://www.sueddeutsche.de/wissenschaft/meldungen/hormone.htm; vgl. weitere Texte zu<br />

dieser Diskussion <strong>in</strong> unserem Ressourcen-Center).<br />

Gefährdet seien vor allem Frauen, die die Hormone über mehrere Jahre h<strong>in</strong>weg e<strong>in</strong>nehmen, um<br />

chronischen Krankheiten vorzubeugen. Den vertraulichen Bericht hat Eberhard Greiser vom<br />

"Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmediz<strong>in</strong>" mit dem "Wissenschaftlichen<br />

Institut der AOK" <strong>in</strong> Bonn erstellt. Danach lassen Pharmafirmen und Ärzte die Frauen über<br />

Risiken der Hormontherapie nach <strong>den</strong> <strong>Wechseljahren</strong> im Unklaren.<br />

Obwohl der Nutzen durchaus fraglich ist, lassen sich viele ältere Frauen von <strong>den</strong> Argumenten<br />

der ÄrztInnen überzeugen. KritikerInnen weisen seit Jahren darauf h<strong>in</strong>, dass die Fortbildung der<br />

Ärzte zu sehr <strong>in</strong> <strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> der Pharma<strong>in</strong>dustrie liegt. Da wundert es nicht, dass schlecht <strong>in</strong>formierte<br />

Ärzte auch die Frauen nur ungenügend aufklären können.<br />

Die deutsche Allgeme<strong>in</strong>e Ortskrankenkasse hatte im Frühjahr dieses Jahres je 10 000 Frauen im<br />

Alter von 40 bis 75 Jahren <strong>in</strong> Hessen und Sachsen-Anhalt e<strong>in</strong>en Fragebogen geschickt. Zwei<br />

Drittel der Patient<strong>in</strong>nen, die sich für e<strong>in</strong>e Hormontherapie entschie<strong>den</strong> hatten, gaben an, nicht<br />

oder nicht ausreichend über das erhöhte Krebsrisiko aufgeklärt wor<strong>den</strong> zu se<strong>in</strong>.<br />

44


Greiser erteilte Hormonbehandlungen zur Vorbeugung von Osteoporose, Herz<strong>in</strong>farkt und Alzheimer<br />

e<strong>in</strong>e klare Absage. Nach Untersuchungen stiegen die Risiken für Thrombosen, Embolien<br />

und Gallenste<strong>in</strong>e. Zur Prävention von Knochenschwund gäbe es andere Möglichkeiten wie<br />

kalziumreiche Ernährung und körperliche Aktivität.<br />

Nach Greisers Untersuchungen verschreiben Ärzte heutzutage zehn Mal so häufig e<strong>in</strong>e Hormonbehandlung<br />

wie 1985. «E<strong>in</strong> erheblicher Teil der Indikationen ist wissenschaftlich nicht<br />

gerechtfertigt und die Risiken überwiegen.» Alle<strong>in</strong> zur Behandlung akuter Beschwer<strong>den</strong> der<br />

Frauen <strong>in</strong> der Menopause ist nach Greisers Angaben die Wirksamkeit der Hormone unbestritten.<br />

Nach e<strong>in</strong>er Kurzzeittherapie kämen die Beschwer<strong>den</strong> jedoch wieder.<br />

Das Frauengesundheitszentrum Graz <strong>in</strong>formiert seit vielen Jahren kritisch und umfassend<br />

über die Hormonbehandlung und zeigt Alternativen im Umgang mit dem Wechsel sowie bei<br />

Beschwer<strong>den</strong> auf.<br />

Wenn Sie Fragen haben, wen<strong>den</strong> Sie sich bitte an Sylvia Groth M.A.<br />

21 Scher<strong>in</strong>g läßt neue Nebenwirkungen der Anti-Baby-Pille erforschen<br />

Fachmediz<strong>in</strong>er befürchten negative Auswirkungen auf Knochenaufbau<br />

Besonders betroffen s<strong>in</strong>d junge Mädchen<br />

Der Berl<strong>in</strong>er Pharmakonzern Scher<strong>in</strong>g, e<strong>in</strong>er der großen Anbieter von Anti-Baby-Pillen weltweit,<br />

läßt seit 1996 <strong>in</strong> unterschiedlichen Studien mögliche neue Nebenwirkungen der Anti-<br />

Baby-Pille erforschen. Es dreht sich um die sogenannten Mikro-Pillen, im Fachterm<strong>in</strong>us "niedrigdosierte<br />

orale Kontrazeptiva" genannt. Dies berichtet das ARD-Politmagaz<strong>in</strong> REPORT<br />

Ma<strong>in</strong>z (SWR) unter Berufung auf die der Redaktion vorliegende vertrauliche Studie (Nr:<br />

98089) mit dem Titel "Effekte niedrig-dosierter oraler Kontrazeptiva auf Parameter von Knochenstoffwechsel<br />

und Knochendichte" des Scher<strong>in</strong>g-Konzerns. In dieser vertraulichen Studie<br />

ist der sogenannte Prüfplan für die laufen<strong>den</strong> Untersuchungen formuliert. Nach diesem Prüfplan<br />

arbeitet derzeit Professor Dieter Felsenberg vom Universitätkl<strong>in</strong>ikum Berl<strong>in</strong> (Benjam<strong>in</strong><br />

Frankl<strong>in</strong>) mit sorgfältig ausgesuchten Proband<strong>in</strong>nen. Professor Felsenberg kann sich dabei<br />

nach REPORT-Recherchen auf erste Ergebnisse e<strong>in</strong>er Studie stützen, die <strong>in</strong> München im Auftrag<br />

von Scher<strong>in</strong>g begonnen wor<strong>den</strong> war. Die von REPORT <strong>in</strong>terviewten Mediz<strong>in</strong>er gehen allesamt<br />

von der Gefahr e<strong>in</strong>es reduzierten Knochenaufbaus aus, ganz besonders dann, wenn<br />

die Mikro-Pille schon <strong>in</strong> jungen Jahren (14-18 Jahre) regelmäßig e<strong>in</strong>genommen wurde. Durch<br />

diesen reduzierten Knochenaufbau drohen <strong>den</strong> Frauen vermehrt Knochenbrüche und später<br />

e<strong>in</strong> erhöhtes Osteoporose-Risiko.<br />

Dr.med. Manfred Hartard von der TU-München sagte gegenüber REPORT Ma<strong>in</strong>z: "Die Mädels,<br />

die <strong>in</strong> diesem Alter die Pille nehmen, müssen e<strong>in</strong>fach damit rechnen, dass ihr Knochen<br />

bee<strong>in</strong>flusst wird... Der Knochen wird e<strong>in</strong>fach nicht mehr so kräftig, und er wird eventuell sogar<br />

mehrfach brechen." Hartard bezieht sich bei se<strong>in</strong>en Aussagen auf eigene Untersuchungen<br />

sowie auf Untersuchungen aus England und Italien.<br />

Der Osteoporose-Experte Professor Dieter Felsenberg sagte gegenüber REPORT Ma<strong>in</strong>z:<br />

"Hypothetisch muß man davon ausgehen, das <strong>in</strong> diesem Alter (bei jungen Mädchen) die Knocheentwicklung<br />

noch nicht abgeschlossen ist." Ich <strong>den</strong>ke, "dass es eher negativ für die jungen<br />

Mädchen ist, zu früh Gestargen-Östrogen-Komb<strong>in</strong>ationen zu nehmen." Die bei<strong>den</strong> Hormone<br />

s<strong>in</strong>d die wesentlichen Bestandteile der Anti-Baby-Pille. Felsenberg hofft se<strong>in</strong>e Studie im Auftrag<br />

von Scher<strong>in</strong>g Ende 2001 abgeschlossen zu haben.<br />

Scher<strong>in</strong>g selbst äußerte sich gegenüber REPORT Ma<strong>in</strong>z schriftlich. Danach geht das Unternehmen<br />

davon aus, dass e<strong>in</strong> "generelles Risiko e<strong>in</strong>es negativen E<strong>in</strong>flusses auf <strong>den</strong> Knochenaufbau<br />

junger Frauen (bei Pillene<strong>in</strong>ahme) nach Auffassung von Scher<strong>in</strong>g und der meisten<br />

Fachleute ausgeschlossen wer<strong>den</strong> kann." Nach dem REPORT vorliegen<strong>den</strong> Prüfplan von<br />

45


Scher<strong>in</strong>g räumt der Konzern gleichwohl e<strong>in</strong>, dass es kontroverse Me<strong>in</strong>ungen <strong>in</strong> der Wissenschaft<br />

gebe. Deshalb wurde die Studie <strong>in</strong> Auftrag gegeben.<br />

Die Anti-Baby-Pille wird <strong>in</strong> Deutschland von ca. 6 Millionen Frauen benutzt. Nach REPORT<br />

vorliegen<strong>den</strong> Marktforschungen des Emnid-Instituts von 1998 wer<strong>den</strong> die Benutzer<strong>in</strong>nen immer<br />

jünger. Derzeit liegt das Durchschnittsalter bei der Erstanwendung bei 15.5 Jahren. 1,3 %<br />

der Benutzer<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d sogar jünger als 14 Jahre. Im kommen<strong>den</strong> Jahr feiert die "Pille" ihren<br />

40. Geburtstag.<br />

Moderation: Bernhard Nellessen<br />

22 PRESOMEN<br />

Dieses Jahr wer<strong>den</strong> voraussichtlich wieder 75 000 trächtige Stuten <strong>in</strong> enge Ställe gesperrt,<br />

damit ihr östrogenreicher Ur<strong>in</strong> gesammelt und daraus Östrogen und vergleichbare Hormonpräparate<br />

hergestellt wer<strong>den</strong> können. Im Frühjahr wer<strong>den</strong> die Stuten Fohlen zur Welt br<strong>in</strong>gen,<br />

die meist im ersten Lebensjahr getötet wer<strong>den</strong>.<br />

Presomen ist das <strong>in</strong> Deutschland am häufigsten verschriebene Östrogenpräparat und wird zur Zeit von<br />

ca. 1 Million Frauen e<strong>in</strong>genommen. Presomen wird von der Firma Kali-Chemie Pharma GmbH <strong>in</strong><br />

Hannover hergestellt. Die meisten Frauen wissen nicht, dass das Präparat aus dem Ur<strong>in</strong> trächtiger Stuten<br />

gewonnen wird, und dass die Herstellung jedes Jahr für Tausende von Stuten und Fohlen Qual und<br />

Tod bedeutet. Zur Herstellung von Presomen wer<strong>den</strong> <strong>den</strong> trächtigen Stuten Gummisäcke umgeschnallt,<br />

und sie wer<strong>den</strong> zumeist <strong>in</strong> Ständernangebun<strong>den</strong>, die etwas über e<strong>in</strong>en Meter breit und zweie<strong>in</strong>halb<br />

Meter lang s<strong>in</strong>d. Für <strong>den</strong> größten Teil ihrer Schwangerschaft, während sie am meisten Östrogen<br />

produzieren, können sich die Stuten nur sehr unbequem h<strong>in</strong>legen, nicht umdrehen und höchstens<br />

e<strong>in</strong> oder zwei kle<strong>in</strong>e Schritte machen.<br />

Damit sie schnellstmöglich wieder östrogenhaltigen Ur<strong>in</strong> produzieren,<br />

wer<strong>den</strong> die Stuten kurz nach der Geburt der Fohlen<br />

wieder gedeckt. Nach wenigen Monaten wer<strong>den</strong> sie von ihren<br />

Fohlen gewaltsam getrennt und wieder <strong>in</strong> <strong>den</strong> engen Stall gepfercht.<br />

Fruchtbare Stuten durchlaufen jahraus jahre<strong>in</strong> diesen<br />

grauenvollen Zyklus, manchmal mehr als 20 Jahre lang.<br />

Im Alter von oft nur 4 Monaten wer<strong>den</strong> die Fohlen - mit wenigen<br />

Ausnahmen, die zur Zucht oder als Ersatz für ausgemergelte<br />

Stuten behalten wer<strong>den</strong> - an Schlachthäuser verkauft.<br />

Wenn die Stuten alt, unfruchtbar und verkrüppelt s<strong>in</strong>d, wer<strong>den</strong><br />

auch sie an Schlachter versteigert.<br />

1993 wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> Kanada und North Dakota etwa 75.000 Stuten zur Ur<strong>in</strong>gew<strong>in</strong>nung gehalten, und die<br />

Zahl wird sich vermutlich <strong>in</strong> <strong>den</strong> nächsten Jahren verdreifachen. Wyeth-Ayerest, Hersteller des ebenfalls<br />

aus Pferdeur<strong>in</strong> gewonnenen Hormonpräparats Premar<strong>in</strong>, plant bereits <strong>den</strong> Ausbau se<strong>in</strong>er Anlage<br />

<strong>in</strong> Manitoba. Die kanadische Regierung subventioniert das Projekt mit 20 Mio. Dollar.<br />

46


E<strong>in</strong> Fohlen auf e<strong>in</strong>er Ur<strong>in</strong>farm mit rießiger, unbehandelter offener Wunde.<br />

Presomen ist das e<strong>in</strong>zige <strong>in</strong> Deutschland vertriebene Östrogenpräparat, das noch aus dem Ur<strong>in</strong> trächtiger<br />

Stuten hergestellt wird.<br />

Es gibt e<strong>in</strong>e Reihe von synthetischen und pflanzlichen Alternativen, die sicher und wirksam s<strong>in</strong>d.<br />

Was sie tun können :<br />

Geben sie diese Informationen an ihre Freunde, an ihre Familie und ihren Arzt weiter. Wenn<br />

sie im <strong>Aug</strong>enblick Östrogenpräparate brauchen, dann bitten sie ihren Gynäkologen, ihnen synthetische<br />

Östrogene zu verschreiben.<br />

Versuchen sie, die Wechseljahresbeschwer<strong>den</strong> auf natürliche Art zu bekämpfen : Verschaffen<br />

sie sich ausreichend Bewegung, vermei<strong>den</strong> sie Koffe<strong>in</strong> und Alkohol, und nehmen sie fettarme,<br />

balaststoffreiche Nahrung zu sich, die reich an Pflanzenöstrogen ist, wie Beeren, Zitrusfrüchte<br />

und Sojaprodukte.<br />

Weitere Infos erhalten sie bei Peta Deutschland e.V., Postfach 311503, 70475 Stuttgart, Tel. 0711-<br />

8666165, Fax. 0711-8666166<br />

47


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REPORT Ma<strong>in</strong>z<br />

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11.12.2000<br />

Presse<strong>in</strong>formation REPORT Ma<strong>in</strong>z, Montag, 11.12.2000 , 21.00 Uhr im ERSTEN<br />

REPORT MAINZ:<br />

23 Scher<strong>in</strong>g läßt neue Nebenwirkungen der Anti-Baby-Pille erforschen<br />

Fachmediz<strong>in</strong>er befürchten negative Auswirkungen auf Knochenaufbau<br />

Besonders betroffen s<strong>in</strong>d junge Mädchen<br />

Ma<strong>in</strong>z. Der Berl<strong>in</strong>er Pharmakonzern Scher<strong>in</strong>g, e<strong>in</strong>er der großen Anbieter von Anti-Baby-<br />

Pillen weltweit, läßt seit 1996 <strong>in</strong> unterschiedlichen Studien mögliche neue Nebenwirkungen<br />

der Anti-Baby-Pille erforschen. Es dreht sich um die sogenannten Mikro-Pillen, im Fachterm<strong>in</strong>us<br />

"niedrigdosierte orale Kontrazeptiva" genannt. Dies berichtet das ARD-Politmagaz<strong>in</strong><br />

REPORT Ma<strong>in</strong>z (SWR) unter Berufung auf die der Redaktion vorliegende vertrauliche Studie<br />

(Nr: 98089) mit dem Titel "Effekte niedrig-dosierter oraler Kontrazeptiva auf Parameter von<br />

Knochenstoffwechsel und Knochendichte" des Scher<strong>in</strong>g-Konzerns. In dieser vertraulichen<br />

Studie ist der sogenannte Prüfplan für die laufen<strong>den</strong> Untersuchungen formuliert. Nach diesem<br />

Prüfplan arbeitet derzeit Professor Dieter Felsenberg vom Universitätkl<strong>in</strong>ikum Berl<strong>in</strong><br />

(Benjam<strong>in</strong> Frankl<strong>in</strong>) mit sorgfältig ausgesuchten Proband<strong>in</strong>nen. Professor Felsenberg kann<br />

sich dabei nach REPORT-Recherchen auf erste Ergebnisse e<strong>in</strong>er Studie stützen, die <strong>in</strong><br />

München im Auftrag von Scher<strong>in</strong>g begonnen wor<strong>den</strong> war. Die von REPORT <strong>in</strong>terviewten<br />

Mediz<strong>in</strong>er gehen allesamt von der Gefahr e<strong>in</strong>es reduzierten Knochenaufbaus aus, ganz besonders<br />

dann, wenn die Mikro-Pille schon <strong>in</strong> jungen Jahren (14-18 Jahre) regelmäßig e<strong>in</strong>genommen<br />

wurde. Durch diesen reduzierten Knochenaufbau drohen <strong>den</strong> Frauen vermehrt<br />

Knochenbrüche und später e<strong>in</strong> erhöhtes Osteoporose-Risiko.<br />

Dr.med. Manfred Hartard von der TU-München sagte gegenüber REPORT Ma<strong>in</strong>z:<br />

"Die Mädels, die <strong>in</strong> diesem Alter die Pille nehmen, müssen e<strong>in</strong>fach damit rechnen, dass ihr<br />

Knochen bee<strong>in</strong>flusst wird... Der Knochen wird e<strong>in</strong>fach nicht mehr so kräftig, und er wird<br />

eventuell sogar mehrfach brechen." Hartard bezieht sich bei se<strong>in</strong>en Aussagen auf eigene<br />

Untersuchungen sowie auf Untersuchungen aus England und Italien.<br />

Der Osteoporose-Experte Professor Dieter Felsenberg sagte gegenüber REPORT Ma<strong>in</strong>z:<br />

"Hypothetisch muß man davon ausgehen, das <strong>in</strong> diesem Alter (bei jungen Mädchen) die<br />

Knocheentwicklung noch nicht abgeschlossen ist." Ich <strong>den</strong>ke, "dass es eher negativ für die<br />

jungen Mädchen ist, zu früh Gestargen-Östrogen-Komb<strong>in</strong>ationen zu nehmen." Die bei<strong>den</strong><br />

Hormone s<strong>in</strong>d die wesentlichen Bestandteile der Anti-Baby-Pille. Felsenberg hofft se<strong>in</strong>e Studie<br />

im Auftrag von Scher<strong>in</strong>g Ende 2001 abgeschlossen zu haben.<br />

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Scher<strong>in</strong>g selbst äußerte sich gegenüber REPORT Ma<strong>in</strong>z schriftlich. Danach geht das Unternehmen<br />

davon aus, dass e<strong>in</strong> "generelles Risiko e<strong>in</strong>es negativen E<strong>in</strong>flusses auf <strong>den</strong> Knochenaufbau<br />

junger Frauen (bei Pillene<strong>in</strong>ahme) nach Auffassung von Scher<strong>in</strong>g und der meisten<br />

Fachleute ausgeschlossen wer<strong>den</strong> kann." Nach dem REPORT vorliegen<strong>den</strong> Prüfplan<br />

von Scher<strong>in</strong>g räumt der Konzern gleichwohl e<strong>in</strong>, dass es kontroverse Me<strong>in</strong>ungen <strong>in</strong> der Wissenschaft<br />

gebe. Deshalb wurde die Studie <strong>in</strong> Auftrag gegeben.<br />

Die Anti-Baby-Pille wird <strong>in</strong> Deutschland von ca. 6 Millionen Frauen benutzt. Nach REPORT<br />

vorliegen<strong>den</strong> Marktforschungen des Emnid-Instituts von 1998 wer<strong>den</strong> die Benutzer<strong>in</strong>nen<br />

immer jünger. Derzeit liegt das Durchschnittsalter bei der Erstanwendung bei 15.5 Jahren.<br />

1,3 % der Benutzer<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d sogar jünger als 14 Jahre. Im kommen<strong>den</strong> Jahr feiert die "Pille"<br />

ihren 40. Geburtstag.<br />

Bei Rückfragen rufen Sie bitte REPORT Ma<strong>in</strong>z, Tel.: 06131/929-3351.<br />

Der Text als RTF-Datei unter: http://www.swr/report<br />

März 1998<br />

24 Stoffströme wichtiger endokr<strong>in</strong> wirksamer Industriechemikalien<br />

(Bisphenol A; Dibutylphthalat/Benzylbutylphthalat; Nonylphenol<br />

/ Alkylphenolethoxylate)<br />

Forschungsbericht für das Umweltbundesamt, UFOPLAN-No. 106 01 076<br />

Autoren: Dr. André Leisewitz; Dr. W<strong>in</strong>fried Schwarz<br />

Die Studie untersucht die Stoffströme für drei Substanzen bzw. Substanzgruppen, bei <strong>den</strong>en <strong>in</strong> vitro und<br />

z.T. <strong>in</strong> vivo endokr<strong>in</strong>e (östrogene) Wirkung nachgewiesen wor<strong>den</strong> ist und die als Industriechemikalien<br />

Bedeutung haben: Bisphenol A (BPA); Dibutylphthalat (DBP) bzw. Benzylbutylphthalat (BBP) sowie Nonylphenol<br />

(NP) bzw. Alkylphenolethoxylate (APEO). Untersucht wer<strong>den</strong> unter Berücksichtigung von Import/Export<br />

Produktion und <strong>in</strong>ländischer Verbrauch (zur Weiterverarbeitung sowie <strong>in</strong> Endprodukten) dieser<br />

drei Chemikalien(gruppen) <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland 1995 sowie Freisetzungs- und Entsorgungswege.<br />

Es wer<strong>den</strong> anhand der hierzu erhobenen Daten möglicherweise umweltrelevante Emissionspfade<br />

und -mengen abgeschätzt. Produktionsmengen: BPA 210.000 Tonnen, DBP/BBP 30.600 Tonnen,<br />

NP 23.100 Tonnen. Hauptverwendungen: BPA fast ausschließlich als Vorprodukt für Polycarbonat<br />

(70%) bzw. Epoxidharze (30%). DBP/BBP: Weichmacher zu zwei Dritteln für PVC sowie für Dispersionen,<br />

Lacke/Farben, Klebstoffe (DBP) bzw. Polysulfiddichtmassen u.a. (BBP). NP: zu über 80 % Vorprodukt für<br />

APEO, sonst für Phenolharze u.a. Emissionen: Von Bedeutung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nicht die Produktionsstätten,<br />

sondern Produkte, die die genannten Substanz(grupp)en <strong>in</strong> nicht umgesetzter Form bzw. als<br />

Additive oder <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungen enthalten, aus <strong>den</strong>en sie leicht freigesetzt wer<strong>den</strong> können (NP aus APEO).<br />

Die im Rahmen der Studie "i<strong>den</strong>tifizierbaren" Emissionen/a liegen bei BPA <strong>in</strong> der Größenordnung von<br />

unter 20 Tonnen, bei DBP/BBP wer<strong>den</strong> sie auf 500 - 800 Tonnen geschätzt, bei NP auf über 200 Tonnen.<br />

Schlagwörter: Endokr<strong>in</strong> wirksame Umweltchemikalien; endocr<strong>in</strong>e disruptor; Umwelthormone; Bisphenol<br />

A; Dibutylphthalat; Benzylbutylphthalat; Nonylphenol; Alkylphenolethoxylate<br />

Februar 1996<br />

25 Angriff auf das Hormonsystem - Umweltchemikalien gefähr<strong>den</strong><br />

Fortpflanzung und Gesundheit<br />

Studie für Greenpeace e.V, HamburgAutor: André Leisewitz<br />

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Die Studie stellt für sieben Tierarten aus aquatischen bzw. mar<strong>in</strong>en Lebensräumen Europas (Nord- und<br />

Ostsee) sowie der Polarregion Indizien und Nachweise für chemikalienbed<strong>in</strong>gte Reproduktionsschä<strong>den</strong><br />

zusammen. Untersuchte Arten: Seestern und Wellhornschnecke als Vertreter der Stachelhäuter bzw.<br />

Mollusken; zwei Fischarten (Her<strong>in</strong>g, Regenbogenforelle), e<strong>in</strong>e Vogelart (Flußseeschwalbe) sowie Seehund<br />

(und andere Robben) und Eisbär als Säuger. Die Studie beruht auf e<strong>in</strong>er umfassen<strong>den</strong> Literaturauswertung<br />

und Expertenbefragung. Bei allen Arten wur<strong>den</strong> auch Befunde aus nichteuropäischen Lebensräumen<br />

berücksichtigt.<br />

Bei sechs der sieben untersuchten Arten s<strong>in</strong>d reproduktionsschädigende Effekte durch verschie<strong>den</strong>e<br />

Umweltchemikalien nachgewiesen; bei Eisbären wer<strong>den</strong> sie vermutet. In fünf dieser Fälle spielten z.T.<br />

Störungen der Hormonbalance durch Umweltchemikalien, die das hormonelle System angreifen, sowie<br />

hormonähnliche Wirkungen von Schadstoffen e<strong>in</strong>e Rolle. Bei <strong>den</strong> Schadstoffen handelt es sich, soweit<br />

untersucht, <strong>in</strong> der Hauptsache um PCBs, DDT und andere Pestizide sowie verschie<strong>den</strong>e Schwermetalle.<br />

Chlororganika spielen e<strong>in</strong>e bedeutende, jedoch nicht die e<strong>in</strong>zige Rolle. Nichtchlorierte Verb<strong>in</strong>dungen<br />

s<strong>in</strong>d neben <strong>den</strong> Schwermetallverb<strong>in</strong>dungen (wie Cadmium, TBT) z.B. Alkylphenole oder, aus experimentellen<br />

Untersuchungen bekannt, Phthalate (PVC-Weichmacher) und andere konsumnahe synthetische<br />

Stoffe. Die öffentliche Diskussion über reproduktionsschädigende Wirkungen von Umweltchemikalien<br />

und -hormonen wurde bisher <strong>in</strong> starkem Maße durch spektakuläre Schadbilder aus Feld-Beobachtungen<br />

bestimmt. Die bis zu Sterilität und lokal-regionalem Aussterben reichen<strong>den</strong> TBT-Effekte bei der Wellhornschnecke<br />

(die auch für viele andere Schneckenarten berichtet wer<strong>den</strong>) unterstreichen, dass hormonschädigende<br />

Chemikalien solche massiven Wirkungen entfalten können. Die vorliegen<strong>den</strong> Beobachtungen<br />

verweisen jedoch auf e<strong>in</strong>e viel breitere Basis schleichender und möglicherweise synergistischer<br />

Effekte von Umweltchemikalien und -hormonen, die neben anderen Faktoren (wie Habitatzerstörung,<br />

Überfischung) die Reproduktivität vieler Arten e<strong>in</strong>schränken (deutlich z.B. bei Seehun<strong>den</strong>). Sie äußern<br />

sich nicht <strong>in</strong> sofort augenfälligen Populationse<strong>in</strong>brüchen, tragen aber zur Erosion des Artenbestandes<br />

bei.<br />

Schlagwörter: Umwelthormone, endokr<strong>in</strong>e Effekte, Reproduktionsschä<strong>den</strong>, endocr<strong>in</strong>e disruptors, Umweltchemikalien,<br />

Artensterben, TBT, PCB, DDT<br />

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