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Schweidnitz in den Kriegsjahren 1942-1945 (Teil I - Sammlung Adler 1

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stimmte das Volk über die von Hitler verfügte Vere<strong>in</strong>igung der Ämter des Reichspräsi<strong>den</strong>ten und des<br />

Reichskanzlers <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Person als „Führer und Reichskanzler“ ab. Von 22 773 Wahlberechtigten gaben <strong>in</strong><br />

<strong>Schweidnitz</strong> 21 612 ihre Stimme ab. Die Wahlbeteiligung betrug also 95,1%. Mit „Ja“ stimmten 18 966<br />

(89,14%), mit „Ne<strong>in</strong>“ immerh<strong>in</strong> noch 2174 (10,21%), ungültig waren 472. Schon das Ergebnis 1936 nach der<br />

Rhe<strong>in</strong>landbesetzung aber brachte auch <strong>in</strong> <strong>Schweidnitz</strong> e<strong>in</strong> überwältigendes Vertrauensbekenntnis zum „Führer<br />

und Reichskanzler“. Hier stimmten 22 040 Wahlberechtigte für Hitler, 213 Stimmen waren gegen ihn oder<br />

ungültig. Bei der Volksabstimmung über <strong>den</strong> Anschluss Österreichs am 10.4.1938 stehen <strong>in</strong> <strong>Schweidnitz</strong> 21 739<br />

Ja-Stimmen (99,2%) gar nur 146 Ne<strong>in</strong>-Stimmen gegenüber, 48 Stimmzettel waren ungültig. Das entsprach der<br />

allgeme<strong>in</strong>en Begeisterung im „Altreich“ wie <strong>in</strong> Österreich, das von nun an „Ostmark“ hieß. Schließlich war die<br />

bereits beschlossene Vere<strong>in</strong>igung nach dem Ersten Weltkrieg nur durch e<strong>in</strong>en Machtspruch der Sieger verh<strong>in</strong>dert<br />

wor<strong>den</strong>. Dasselbe gilt für die „Heimholung der Sudetendeutschen“ im Herbst 1938. Insofern waren<br />

Wahlfälschungen gar nicht nötig.<br />

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges änderte sich die Stimmung. Je nach der Kriegslage herrschte dann auch <strong>in</strong><br />

<strong>Schweidnitz</strong> bei <strong>den</strong> meisten e<strong>in</strong>e – heute kaum noch verständliche – Gemengelage. Die große Mehrheit fühlte<br />

sich mit zunehmender Dauer des Krieges, <strong>in</strong>sbesondere nach se<strong>in</strong>er Eskalation zum Weltkrieg (1941), zum<br />

Kampf um die Existenz des deutschen Volkes verpflichtet – ohne sich deshalb dem Nationalsozialismus, der<br />

etwa von <strong>den</strong> meisten Katholiken und <strong>Teil</strong>en der evangelischen Kirchen als widergöttlich radikal abgelehnt<br />

wurde, zu verschreiben. Fast alle waren überzeugt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em aufgezwungenen Krieg zu stehen, der das<br />

endgültige Ende Deutschlands <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Über-Versailles zum Ziel hatte.<br />

Die NS-Propaganda hatte ja stets e<strong>in</strong>gehämmert, dass das Ziel der Alliierten die Vernichtung Deutschlands und<br />

des deutschen Volkes sei - die englische Zurückweisung aller Frie<strong>den</strong>s<strong>in</strong>itiativen 1940/41, der von <strong>den</strong> meisten<br />

als Präventivschlag verstan<strong>den</strong>e Angriff auf die hochgerüstet auf <strong>den</strong> günstigsten Augenblick zum Losschlagen<br />

für <strong>den</strong> Sieg der „WELTREVOLUTION“ wartende Sowjetunion 1941, die laufen<strong>den</strong> Provokationen der USA,<br />

die im Dezember 1941 zur deutschen Kriegserklärung führten, vor allem aber der seit <strong>1942</strong> zum Massenterror<br />

entartende Bombenkrieg, der 1943 mit der Aktion „Gomorrha“ gegen Hamburg e<strong>in</strong>en ersten Höhepunkt<br />

erreichte, schienen das zu beweisen. Es fehlte ja auch nicht an entsprechen<strong>den</strong> Aussagen von Seiten der<br />

Alliierten, die von der Goebbelschen Propagandamasch<strong>in</strong>erie nur noch aufbereitet wer<strong>den</strong> mussten – auch ohne<br />

dies waren ihre Aussagen klar genug. Es kann hier nicht auf E<strong>in</strong>zelheiten e<strong>in</strong>gegangen wer<strong>den</strong> - Die seit der<br />

Konferenz von Casablanca (1943) offizielle Forderung nach „bed<strong>in</strong>gungsloser Kapitulation“ <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit<br />

<strong>den</strong> Horrorvorstellungen e<strong>in</strong>es Nathan Kaufmann 3 oder Henry Morgenthau 4 über die Behandlung der Deutschen<br />

nach e<strong>in</strong>em gewonnenen Krieg zwangen geradezu zum Durchhalten – auch viele, die dem Nationalsozialismus<br />

kritisch gegenüber stan<strong>den</strong>. Der Schriftsteller Georg Britt<strong>in</strong>g (1891-1964) brachte es nach dem Krieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Brief an se<strong>in</strong>en emigrierten jüdischen Freund Alexander Wetzlar auf <strong>den</strong> Punkt: „Die meisten kämpften für<br />

Deutschland, mochten Hitler nicht, aber um Hitler loszukriegen Deutschland <strong>in</strong> <strong>den</strong> Abgrund zu werfen, das<br />

vermochten sie nicht“ 5 . Und die im Kriegsverlauf wachsende Zahl derer, die dem „Schrecken ohne Ende“ e<strong>in</strong><br />

„Ende mit Schrecken“ vorgezogen hätten, setzten ihr Leben aufs Spiel, falls sie Zweifel am „Endsieg“ äußerten.<br />

Und aus dem Osten hörte man damals offiziell nichts vom Ju<strong>den</strong>mord der E<strong>in</strong>satzgruppen <strong>in</strong> der Sowjetunion,<br />

geschweige <strong>den</strong>n von Massentötungen durch Gas <strong>in</strong> Vernichtungslagern (seit <strong>1942</strong>), sondern nur von völkerrechtswidrigen<br />

Gräueln der „bolschewistischen Soldateska“ an <strong>den</strong> als tapfere, moralisch <strong>in</strong>tegre Soldaten<br />

kämpfen<strong>den</strong> eigenen Vätern, Brüdern und Söhnen 6 . - Noch stärker wurde die Motivation zum Aushalten selbst<br />

auf verlorenem Posten durch die seit Oktober 1944 direkt erfahrene Konfrontation mit <strong>den</strong> unvorstellbaren<br />

Grausamkeiten der auf deutsches Gebiet vordr<strong>in</strong>gen<strong>den</strong> Rotarmisten 7 .<br />

Dass das terroristische System des NS-Staates zunehmend je<strong>den</strong> Zweifler am „Endsieg“ als „Defätisten“,<br />

„Wehrkraftzersetzer“ oder „Volksschädl<strong>in</strong>g“ mit dem Tode bedrohte, erzwang zusätzlichen Gehorsam bis zum<br />

schrecklichen Ende. „Wer <strong>den</strong> Tod <strong>in</strong> Ehren fürchtet, stirbt <strong>den</strong> Tod <strong>in</strong> Schande!“ war das Motto der<br />

Feldgerichte <strong>in</strong> der letzten Phase der Paroxie des Dritten Reiches im Jahre <strong>1945</strong>. Aber auch schon davor hielt fast<br />

jeder <strong>den</strong> Mund nach der Devise: „Lieber Gott, mach mich stumm, dass ich nicht nach Dachau (Auschwitz, Groß<br />

Rosen etc.) kumm!“<br />

Immer mehr Männer wer<strong>den</strong> Soldaten<br />

Wenn von <strong>Schweidnitz</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Kriegsjahren</strong> gesprochen wird, muss auch der Soldaten an <strong>den</strong> Fronten gedacht<br />

wer<strong>den</strong>, die ihrer Heimatstadt verbun<strong>den</strong> blieben, auch wenn sie sie und ihre Lieben nur gelegentlich bei e<strong>in</strong>em<br />

kurzen Urlaub oder als verwundete Rekonvaleszenten wieder sahen. Viele aber starben irgendwo <strong>in</strong> der Ferne,<br />

blieben vermisst oder kehrten oft erst aus der Gefangenschaft <strong>in</strong>s Rumpfdeutschland zurück, als ihre Familien<br />

längst aus Schlesien vertrieben waren. Die meisten folgten dem Befehl im guten Glauben, Volk und Vaterland<br />

vor dem Ansturm ruchloser Fe<strong>in</strong>de schützen zu müssen. Mancher der durch die <strong>Schweidnitz</strong>er Höheren<br />

Lehranstalten geprägten Abiturienten versuchte e<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>ngebung des (wie wir heute zu wissen me<strong>in</strong>en)<br />

S<strong>in</strong>nlosen, ähnlich wie ihre stu<strong>den</strong>tischen Vorbilder aus dem Ersten Weltkrieg bei Langemarck. Schon im<br />

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