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Ausgabe 40 • 5 / 2013<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong><br />

der <strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong> Deutschland GmbH<br />

Beilage<br />

„ Probewochen<br />

<strong>Roche</strong> Microsampler T “


Editorial<br />

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,<br />

vor 85 Jahren hat der griechische Arzt<br />

George Papanicolaou einen Test zur<br />

Erkennung von abnormalen Zellen in<br />

einem gefärbten Abstrich vom Gebärmutterh<strong>als</strong><br />

entwickelt – den nach ihm benannten<br />

Pap-Test. Der Erfolg dieser Methode<br />

ist unbestritten, die Zahl der Zervixkarzinome<br />

reduzierte sich durch nationale<br />

Früherkennungsprogramme um ca. 70 %.<br />

Damit jedoch scheint das Potenzial des<br />

Pap-Tests mit seiner geringen Sensitivität<br />

und der subjektiven Ergebnisinterpretation<br />

ausgereizt: Das Zervixkarzinom<br />

stagniert in Westeuropa auf Platz zwei<br />

der Krebserkrankungen bei Frauen bis 44<br />

Jahre.<br />

Seit einigen Jahren stehen molekulare<br />

Marker kommerziell zur Verfügung, die<br />

den herkömmlichen Pap-Test ergänzen<br />

und verbessern können. Zum einen identifizieren<br />

sie frühzeitig Frauen mit hohem<br />

Risiko für Gebärmutterh<strong>als</strong>krebs, zum<br />

anderen erhöhen sie signifikant die Ergebnissicherheit<br />

von Zellabstrichen. Bei <strong>Roche</strong><br />

<strong>Diagnostics</strong> gehört die Verbesserung des<br />

Screenings auf Gebärmutterh<strong>als</strong>krebs zu<br />

den medizinischen und investiven Schwerpunkten.<br />

So haben wir den cobasT HPV<br />

Test in der bisher größten Zulassungsstudie<br />

<strong>im</strong> Bereich Zervixkarzinom-Screening<br />

mit rund 47 000 Frauen ausführlich validiert<br />

(ATHENA-Studie). Ein zentrales<br />

Ergebnis war: Eine von zehn Frauen ab<br />

30 Jahren, für die mit dem <strong>Roche</strong>-Test ein<br />

hohes Risiko für hochgradige Zellveränderungen<br />

ermittelt wurde, zeigte bei der<br />

abschließenden <strong>Diagnostik</strong> bereits Präkanzerosen,<br />

obwohl der Pap-Test normal<br />

war. Mit der Übernahme der Firma mtm<br />

laboratories, einem führenden Unternehmen<br />

bei der Früherkennung und Diagnose<br />

von Gebärmutterh<strong>als</strong>krebs, hat <strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong><br />

sein Portfolio hinsichtlich weiterführender<br />

<strong>Diagnostik</strong> und diagnostischer<br />

Präzision und Reproduzierbarkeit ergänzt<br />

und gestärkt.<br />

Die In-vitro-<strong>Diagnostik</strong> eröffnet heute<br />

durchaus die Chance, durch sinnvolle Integration<br />

molekularer Tests in das routinemäßige<br />

Screening, das Zervixkarzinom<br />

zu einer Rarität zu entwickeln. Aber: Der<br />

Gesetzgeber hinkt hinterher, hier besteht<br />

auch nach Meinung anerkannter Experten<br />

dringend Handlungsbedarf. Lesen Sie<br />

dazu den Beitrag: Bessere Vorsorge be<strong>im</strong><br />

Zervixkarzinom „lieber heute <strong>als</strong> morgen“.<br />

Das Engagement von <strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong><br />

bei der Fragestellung Zervixkarzinom<br />

ist nur ein Beispiel unseres Führungsan-<br />

spruchs <strong>im</strong> Bereich der In-vitro-<strong>Diagnostik</strong>.<br />

Seit etlichen Jahren sind wir globaler<br />

IVD-Marktführer und an dieser Spitzenposition<br />

hat nicht zuletzt unsere starke<br />

Partnerschaft mit dem Unternehmen Hitachi<br />

maßgeblichen Anteil. 2013 feiern wir<br />

übrigens unser 35-jähriges Jubiläum! Die<br />

Rückseite dieses Heftes gibt einen Überblick,<br />

wie entscheidend unsere Kooperation<br />

die Entwicklung der Labordiagnostik,<br />

namentlich in der Klinischen Chemie und<br />

der Immunologie, geprägt hat. Und damit<br />

ist noch lange nicht Schluss: Auch künftig<br />

können Sie von uns innovative Konzepte<br />

für mehr Qualität, Sicherheit und Leistungsfähigkeit<br />

erwarten.<br />

Jürgen Redmann<br />

Jürgen Redmann<br />

Geschäftsführer der<br />

<strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong><br />

Deutschland GmbH<br />

Inhalt<br />

Medizin<br />

Schweres Schädel-Hirn-Trauma: Prognosemarker gesucht......................................................................................................... S. 3<br />

Diagnostische Herausforderung „Leichtes Schädel-Hirn-Trauma“............................................................................................. S. 6<br />

Präeklampsiemarker: Steile Karriere........................................................................................................................................... S. 9<br />

Hepatitis C-Infektionen: Diagnose-Defizit und hohe Dunkelziffer ........................................................................................... S. 14<br />

Für Sie gelesen: „Unsichtbare“ Gefahr für die Leber?.................................................................................................................. S. 16<br />

Antikoagulation richtig gemacht................................................................................................................................................. S. 17<br />

Gesundheitspolitik<br />

Bessere Vorsorge be<strong>im</strong> Zervixkarzinom „lieber heute <strong>als</strong> morgen“............................................................................................. S. 11<br />

Labororganisation<br />

Pathologien profitieren von 35 Jahren Erfahrung....................................................................................................................... S. 23<br />

Qualitätsmanagement und Akkreditierung in der Pathologie.................................................................................................... S. 25<br />

Produkte & Services<br />

Stolpersteine der Präanalytik – Teil II........................................................................................................................................ S. 20<br />

Veranstaltungen & Kongresse<br />

Ausgewählte Kongresse & Veranstaltungen Juni – August 2013................................................................................................. S. 27<br />

2<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


Medizin<br />

Schweres Schädel-Hirn-Trauma: Prognosemarker gesucht<br />

Dr. med. Andrea Wodak und Pr<strong>im</strong>. Dr. med. Helmut Tr<strong>im</strong>mel, Landesklinikum Wiener Neustadt<br />

Jährlich versterben in Österreich etwa<br />

2.700 Menschen an den Folgen eines<br />

Unfalls, knapp die Hälfte davon ist jünger<br />

<strong>als</strong> 40 Jahre. Nach einem Unfallereignis<br />

ist das schwere Schädel-Hirn-Trauma<br />

(SHT) – definitionsgemäß eingestuft mit<br />

einem Wert zwischen 3 und 9 Punkten<br />

des Glasgow Coma Scores (GCS) 1) – die<br />

häufigste Ursache von Tod bzw. schwerer<br />

Behinderung von Menschen unter<br />

45 Jahren. Internationalen Erfahrungen<br />

zufolge zeigen auch Patienten mit<br />

mittelschwerem SHT eine signifikante<br />

Mortalität (5 –10 %) bzw. Morbidität (5 –<br />

10 % mit teils schweren Behinderungen),<br />

wobei der Anteil an vollständig rehabilitierbaren<br />

Patienten mit 75 – 85 %<br />

naturgemäß höher ist 2, 3) . (Schwere)<br />

Schädel-Hirn-Verletzungen sind sowohl<br />

aus volkswirtschaftlicher, wie auch aus<br />

Sicht der Betroffenen und ihres Umfelds<br />

eine enorme Belastung. Oberstes Gebot<br />

für den Notarzt ist daher, unmittelbar<br />

Behandlungen einzuleiten, um Sekundärschäden<br />

zu vermeiden. Ein zweiter Schritt<br />

ist die Abschätzung der unfallbedingten<br />

Prognose. Prognostische „Marker“ sollen<br />

kritische Entwicklungen aufzeigen und<br />

Entscheidungshilfen zur Indikation invasiver<br />

Maßnahmen liefern. In Diskussion<br />

dafür steht unter anderem das Protein<br />

S100B, dessen Studienlage und eigene<br />

Erfahrungen <strong>im</strong> Folgenden besprochen<br />

werden.<br />

Erstes Ziel: Sekundärschaden vermeiden<br />

Eine opt<strong>im</strong>ale Versorgung Verunfallter<br />

trägt dazu bei, ein – orientiert am pr<strong>im</strong>ären<br />

Verletzungsausmaß – bestmögliches<br />

Ergebnis zu erzielen 4) . Die pr<strong>im</strong>äre Schädigung<br />

entsteht durch die unmittelbare<br />

Gewalteinwirkung. Sie kann sowohl fokal,<br />

durch lokal wirkende Kräfte (Kontusion,<br />

Hämatom) <strong>als</strong> auch diffus, durch Scherbzw.<br />

Zugkräfte (axonale Schädigung,<br />

diffuse Blutung) sein; meist liegt eine<br />

Kombination vor. Im Fokus der notfallund<br />

intensivmedizinischen Behandlung<br />

steht der „Sekundärschaden“, welcher<br />

sich vor allem <strong>als</strong> Folge respiratorischer<br />

oder hämodynamischer Einbrüche entwickelt.<br />

Auch wenn solche Instabilitäten<br />

nur kurzzeitig bestehen, aggravieren sie<br />

doch die zerebrale Schädigung. Klinisches<br />

Korrelat sind Hirnödem und ansteigender<br />

intrakranieller Druck, worauf<br />

die sich verschlechternde Perfusion die<br />

Gewebeoxygenierung weiter herabsetzt:<br />

Ein circulus vitiosus entsteht, der rasch<br />

zur vitalen Bedrohung eskalieren kann.<br />

Sekundärschäden sind durch frühzeitige<br />

und gezielte intensivmedizinische<br />

Maßnahmen gegen Hypoxie, Hypotension<br />

und Hyperkapnie (überhöhter CO 2 -<br />

Gehalt <strong>im</strong> Blut), vollständig oder zumindest<br />

teilweise vermeidbar. Idealerweise<br />

beginnt die Behandlung noch am Ort<br />

des Unfalls.<br />

Zweites Ziel: Prognose kennen<br />

Zur Quantifizierung des Pr<strong>im</strong>ärschadens,<br />

vor allem aber zur Detektion kritischer<br />

Entwicklungen – idealerweise noch bevor<br />

sich deletäre Folgen entwickeln – sind<br />

prognostisch aussagekräftige Parameter<br />

von großem Interesse. Sie sollten <strong>im</strong> Rahmen<br />

der weiteren Intensivtherapie von<br />

Patienten mit schwerem SHT folgendes<br />

leisten:<br />

O aussagekräftige (Früh-) Erkennung<br />

kritischer Entwicklungen in Zusammenschau<br />

mit einer unmittelbar verfügbaren<br />

Bildgebung und invasivem<br />

fotolia<br />

Monitoring (insbesondere des intrakraniellen<br />

Drucks)<br />

O Hilfestellung bei der Indikationsstellung<br />

zu invasiven Maßnahmen.<br />

Die frühzeitige Detektion des tatsächlichen<br />

Ausmaßes der zerebralen Schädigung<br />

ist besonders in der Frühphase der<br />

klinischen Versorgung wichtig, da hier<br />

die zerebrale Computertomographie<br />

(CCT) oft noch ein geringeres Schadensausmaß<br />

nahelegt <strong>als</strong> spätere Verlaufskontrollen<br />

enthüllen. Nicht zuletzt sind<br />

valide Aussagen zur Prognose auch für<br />

die Kommunikation mit den Angehörigen<br />

des betroffenen Patienten bedeutsam.<br />

Mittlerweile haben sich <strong>im</strong> Kontext<br />

„schweres SHT“ einige biochemische<br />

Liquor- bzw. Serum-Marker mit kurzer<br />

Ergebnisdauer <strong>im</strong> klinischen Alltag etabliert:<br />

O Neuronenspezifische Enolase (NSE)<br />

O Glial fibrillary acidic protein (GFAP)<br />

O S100B (kurz: S100)<br />

S100 in Studien<br />

Bereits seit längerer Zeit diskutieren<br />

Studienautoren den Biomarker S100 <strong>als</strong><br />

aussagekräftigen Parameter sowohl zur<br />

Quantifizierung der Hirnschädigung <strong>als</strong><br />

auch zum Monitoring des Krankheitsverlaufs.<br />

Petzold beschrieb S100 bereits<br />

2002 <strong>als</strong> frühen Marker mit hoher Prädiktionskraft<br />

für die Entwicklung eines<br />

erhöhten Hirndrucks bzw. eines negativen<br />

Outcome 5) . Bloomfield et al. sprechen<br />

2007 eine klare Empfehlung für<br />

das S100 zum Monitoring von Verletzungsschwere<br />

und zur Verlaufskontrolle<br />

be<strong>im</strong> schweren SHT aus 6) . Sie regen<br />

jedoch eine Kombination mit den Biomarkern<br />

GFAP und NSE an, um die Spezifität<br />

zu erhöhen. Eine gute Korrelation<br />

zum Hirndruckverlauf fand 2008 auch<br />

Kirchhoff 7) . In einer Metaanalyse aus<br />

18 Studien formulieren Townend und<br />

Ingebrigtsen 2006 einen Schwellenwert<br />

von 2,51 μg/l <strong>als</strong> Indikator für ein schlechtes<br />

neurologisches Ergebnis 8) .<br />

Zahlreiche Arbeiten bestätigen die enge<br />

Beziehung zwischen dem Serumspiegel<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 3


von S100 bzw. der NSE und dem Ausmaß<br />

der pr<strong>im</strong>ären Gehirnschädigung <strong>im</strong><br />

Rahmen eines schweren SHT 6, 9, 10) . Dies<br />

wird vor allem <strong>als</strong> quantitativer Ausdruck<br />

der pr<strong>im</strong>ären Gewebeschädigung interpretiert,<br />

aber auch in Zusammenhang<br />

mit der posttraumatischen Störung der<br />

Bluthirnschranke gesehen. Auch Korfias<br />

wies an 102 Patienten eine klare Beziehung<br />

von S100 zum Schweregrad des SHT<br />

und einen hohen prädiktiven Wert in<br />

Hinblick auf das Outcome nach: Patienten<br />

mit Werten > 1 μg/l hatten ein 3-fach<br />

höheres Mortalitätsrisiko innerhalb eines<br />

Monats nach dem Trauma 11) .<br />

Bellander et al. verglichen in ihrer prospektiven<br />

Untersuchung an 20 Patienten<br />

mit schwerem SHT die Spiegel von<br />

S100 und NSE in Liquor und Serum. Sie<br />

zeigten hochsignifikant positive Korrelationen<br />

innerhalb des jeweiligen Kompart<strong>im</strong>ents.<br />

Beide Marker erreichten die<br />

höchsten Werte innerhalb von 48 h nach<br />

Trauma, nur bei S100 bestand jedoch<br />

auch eine klare und positive, vom Ausmaß<br />

der Blut-Hirnschrankenstörung<br />

(Albuminquotient) unabhängige Korrelation<br />

zwischen Liquor- und Serumspiegel.<br />

Patienten mit Sekundärschäden (Auftreten<br />

von Krampfanfällen, respiratorische<br />

oder zirkulatorische Einbrüche) während<br />

der Versorgung am Notfallort bzw. <strong>im</strong><br />

weiteren Verlauf, wiesen zeitlich korrelierende<br />

Anstiege von S100 auf 10) .<br />

2010 beschrieben Murillo-Cabezas et al.<br />

S100 <strong>als</strong> frühen, sensiblen und genauen<br />

Biomarker zur Prädiktion von Morbidität<br />

und Mortalität: Zwischen der Höhe<br />

von S100 <strong>im</strong> Serum 48 bzw. 72 h nach<br />

Trauma und einem schlechten Outcome<br />

(GCS < 1 bzw. 3) bestand eine signifikante<br />

Korrelation. Ein pr<strong>im</strong>är hoher<br />

Wert alleine hatte dagegen wenig Vorhersagekraft.<br />

Empfehlenswert ist daher<br />

ein Profil des S100-Wertes, beginnend<br />

24 h nach der Verletzung. Zur Differenzierung<br />

der Schwere des Traumas und<br />

auch zur prognostischen Einschätzung<br />

soll die Dynamik des Konzentrationsverlaufs<br />

in den ersten 72 h unter Einbeziehung<br />

des initialen GCS herangezogen<br />

werden. Erst mit dem Absinken<br />

des Markers <strong>im</strong> Verlauf der ersten 2 – 3<br />

Tage unter einen Schwellenwert ist eine<br />

gute Reha bilitationsfähigkeit wahrscheinlich<br />

12) .<br />

Eigene Erfahrungen mit S100<br />

Die S100-Best<strong>im</strong>mung wird in unserer<br />

Einrichtung routinemäßig <strong>im</strong> Rahmen<br />

der ersten Blutabnahme <strong>im</strong> Schockraum<br />

und dann an jedem folgenden Behandlungstag<br />

zum selben Zeitpunkt (ca. 6:45<br />

Uhr) durchgeführt. Als Cut-off-Wert<br />

verwenden wir eine S100-Konzentration<br />

von 0,105 μg/l. Um die diagnostische<br />

Relevanz dieses Parameters in unserem<br />

klinischen Alltag zu beurteilen, haben<br />

wir aktuell alle Patienten, die <strong>im</strong> Jahr<br />

2012 mit der Diagnose „schweres Schädel-Hirn-Trauma“<br />

an unserer Abteilung<br />

(anästhesiologische Intensivstation 1<br />

mit traumatologisch-neurochirugischem<br />

Behandlungsschwerpunkt) aufgenommen<br />

wurden, retrospektiv ausgewertet. Aus der<br />

Analyse ausgeschlossen haben wir Patienten,<br />

die aus anderen Häusern zu uns verlegt<br />

wurden, da in diesen Fällen die erste<br />

Blutabnahme erst mehr <strong>als</strong> 12 h nach dem<br />

Unfallzeitpunkt erfolgen konnte.<br />

Von 57 <strong>im</strong> Beobachtungszeitraum direkt<br />

aufgenommenen Patienten wurden 43 in<br />

die Analyse einbezogen (Tab. 1), davon<br />

37 Patienten mit schwerem SHT (medianer<br />

GCS Median 7) <strong>im</strong> Alter zwischen<br />

Patientenverteilung<br />

Kollektiv n Alter Aufnahme<br />

S100 (µg/l)<br />

15 und 81 Jahren (Median 58,8). Der<br />

Notarzt hatte bereits alle Verunfallten<br />

vor Aufnahme intubiert, sie kamen beatmet<br />

in den Schockraum. Nach klinischer<br />

und radiologischer Erstdiagnostik inkl.<br />

CCT erhielten alle Patienten <strong>im</strong> OP oder<br />

auf der Intensivstation eine Parenchymsonde<br />

zur Hirndruckmessung (Fa. Raumedic,<br />

Münchberg, Deutschland). Weitere<br />

sechs Patienten mit mittelschwerem<br />

SHT (Gruppe „Observanz“) <strong>im</strong> Alter<br />

zwischen 20 und 74 Jahren (Median<br />

67,0) gelangten zur Überwachung auf<br />

die Intensivstation. Sie wiesen ebenfalls<br />

ein pathologisches CCT auf, hatten<br />

jedoch einen medianen GCS von 13.<br />

Die klinische Symptomatik war deutlich<br />

geringer ausgeprägt, eine Beatmung nicht<br />

erforderlich.<br />

Wir fanden folgende Ergebnisse (Tab. 1,<br />

Abb. 1):<br />

O In der Gruppe mit schwerem SHT<br />

lagen die initialen Serumwerte von<br />

S100 in einem Bereich von 0,072 μg/l<br />

bis 12,620 μg/l (Mittel 1,61 μg/l ±<br />

1,9). In sechs Fällen musste noch am<br />

Aufnahmetag eine neurochirurgische<br />

Intervention erfolgen. Unterschiede<br />

bei den S100-Konzentrationen ließen<br />

sich in dieser Gruppe nicht nachweisen:<br />

Operation 1,622 μg/l ± 1,48<br />

versus konservative Behandlung 1,610<br />

μg/l ± 2,03.<br />

O Patienten der Observanz-Gruppe<br />

hatten mit 0,462 μg/l ± 1,45 deutlich<br />

niedrigere Anfangswerte von S100.<br />

O Bei den <strong>im</strong> weiteren Verlauf verstorbenen<br />

Patienten (n =11) dagegen war<br />

S100 zu Beginn massiv erhöht (5,240<br />

μg/l ± 3,7). Diese Gruppe kennzeichnete<br />

ein hoher Prozentsatz an Polytraumen,<br />

wogegen die überlebenden<br />

Patienten mit schwerem SHT meist<br />

eine isolierte Hirnverletzung aufwiesen.<br />

Dies deckt sich mit den Erkenntnissen<br />

aus anderen Studien 9, 13) .<br />

Tag 1<br />

S100 (µg/l)<br />

Tag 2<br />

S100 (µg/l)<br />

schweres SHT 26 57,5 ± 20,5 1,610 ± 1,9 0,225 ± 0,5 0,202 ± 0,3 7 ± 3<br />

Verstorbene 11 60 ± 25,1 5,240 ± 3,7 1,7 ± 3,6 1,7 ± 3,5 4<br />

fotolia<br />

Observanz 6 67,0 ± 20,1 0,462 ± 1,45 0,152 ± 0,14 0,08 ± 0,01 13 ± 1<br />

Tab. 1: Patientenverteilung der in-house-Untersuchung des Landesklinikums Wiener Neustadt.<br />

Cut-off-Wert des Labors 0,105 μg/l S 100<br />

GCS<br />

4<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


O In der Gruppe der Verstorbenen unseres<br />

Kollektivs fanden wir die höchsten<br />

Werte (in einem Fall bis 13,99 μg/l)<br />

bei jenen Patienten, die präklinisch<br />

rean<strong>im</strong>iert werden mussten. Pelinka<br />

sieht S100 ebenfalls <strong>als</strong> Marker für<br />

den traumatisch anoxischen Schaden 9)<br />

und auch in einer Übersichtsarbeit<br />

aus 24 Publikationen wurde der<br />

S100-Verlauf über 48 – 72 h mit einem<br />

Cut-off-Wert von 1,2 – 1,5 μg/l <strong>als</strong> aussagekräftigster<br />

Parameter zur Beurteilung<br />

eines bleibenden komatösen<br />

Zustandes nach CPR (Cardiopulmonal<br />

Rean<strong>im</strong>ation) herausgearbeitet 14) .<br />

O Nach 24 h sank die Konzentration<br />

in allen Gruppen unseres Kollektivs<br />

deutlich: schweres SHT 0,225 μg/l<br />

± 0,5, Verstorbene 1,700 μg/l ± 3,6;<br />

Observanz 0,152 μg/l ± 0,1. Auch<br />

zu diesem Zeitpunkt fand sich kein<br />

Unterschied zwischen operativem<br />

und konservativem Kollektiv. Um<br />

Patienten mit ungünstiger Prognose<br />

mit einer Sensitivität von > 80 % nach<br />

24 h zu identifizieren, kann der von<br />

Rainey 15) vorgeschlagene Cut-off-Wert<br />

von 0,53 μg/l herangezogen werden.<br />

O In unserer Observanz-Gruppe lag<br />

S100 nach 48 h <strong>im</strong> Normalbereich,<br />

in der Gruppe mit schwerem SHT<br />

dagegen erst nach 72 h, danach ließen<br />

sich keine signifikanten Unterschiede<br />

mehr feststellen. In der Gruppe mit<br />

den <strong>im</strong> weiteren Verlauf verstorbenen<br />

Patienten sanken die S100-Werte<br />

langsamer und blieben konstant über<br />

dem Cut-off unseres Labors.<br />

Nutzen für den klinischen Alltag<br />

Auch wenn die Literatur noch etwas<br />

widersprüchlich ist: Der prognostische<br />

Wert erhöhter S100-Konzentrationen<br />

unmittelbar nach SHT ist – unabhängig<br />

vom Schweregrad – grundsätzlich unumstritten.<br />

Ein anhaltend hoher Wert über<br />

die ersten 72 h hinaus ist signifikant mit<br />

negativem Outcome (Tod, schwere bleibende<br />

Beeinträchtigungen) korreliert.<br />

Das bestätigen unsere eigenen Daten,<br />

die wir an 37 Patienten mit schwerem<br />

SHT erhoben haben. Die Abgrenzung<br />

zum mittelschweren SHT ergab sich<br />

schon inital. Ein ausgedehntes Gewebstrauma<br />

kann <strong>im</strong> Einzelfall ebenfalls zu<br />

einem Anstieg von S100 führen; dies ist<br />

gegebenenfalls bei der Interpretation zu<br />

berücksichtigen.<br />

Die Schlussfolgerungen unserer Auswertung<br />

sind aufgrund der retrospektiven<br />

Herangehensweise und des kleinen<br />

Kollektivs l<strong>im</strong>itiert. So können wir derzeit<br />

keine Aussage treffen, ob sich S100<br />

zur Detektion einer chirurgischen Interventionsnotwendigkeit<br />

eignet und auch<br />

nicht hinsichtlich des Schwellenwerts<br />

für ein positives oder negatives Outcome<br />

<strong>im</strong> Einzelfall. Eine prospektive Untersuchung<br />

zu diesen Fragestellungen ist in<br />

Vorbereitung.<br />

S100 (µg/l)<br />

6,000<br />

5,000<br />

4,000<br />

3,000<br />

2,000<br />

1,000<br />

0<br />

Aufnahme<br />

Abb. 1: S100 <strong>im</strong> zeitlichen Verlauf bei den 43<br />

Patienten der Tab. 1<br />

Unser grundsätzliches Resümee lautet<br />

heute: S100 spiegelt mit einem raschen<br />

Abfall das Potenzial des Patienten für<br />

eine gute Erholung wider. Hingegen<br />

lassen hohe Serumkonzentrationen bei<br />

Aufnahme, verbunden mit verzögertem<br />

Rückgang in den Normbereich schwere<br />

Beeinträchtigungen bis hin zum letalen<br />

Ausgang nach schwerem SHT befürchten.<br />

Die höchsten Werte waren in der Gruppe<br />

der letztendlich Verstorbenen zu finden.<br />

Dr. Andrea Wodak<br />

schweres SHT<br />

Verstorbene<br />

Observanz<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Aufenthaltstage<br />

Pr<strong>im</strong>. Dr. Helmut<br />

Tr<strong>im</strong>mel<br />

Die Klinik erfüllt <strong>als</strong> Schwerpunktkrankenhaus<br />

einen überregionalen Versorgungsauftrag<br />

für das südliche Niederösterreich sowie das<br />

Nord- und Mittelburgenland. Für die Behandlung<br />

kritisch kranker bzw. schwerverletzter<br />

Patien ten stehen 17 anästhesiologische und<br />

8 internistische Intensivbetten der Kategorie<br />

III zur Disposition.<br />

An der Abteilung für Anästhesiologie, Notfall-<br />

und Allgemeiner Intensivmedizin werden<br />

jährlich zwischen 50 und 70 Patienten mit<br />

schwerem Schädel-Hirn-Trauma behandelt. In<br />

der Therapie dieses Patientenkollektivs folgt<br />

die Einrichtung den Leitlinien der Brain Trauma<br />

Foundation (www.braintrauma.org) bzw. jener<br />

zur Behandlung des „Schädel-Hirn-Traumas<br />

<strong>im</strong> Erwachsenenalter“ (http://www.awmf.org/<br />

leitlinien/detail/ll/008-001.html).<br />

S100B wird mit einem <strong>im</strong>munologischen Test<br />

(ECLIA) an einem cobas e System <strong>im</strong> Zentrallabor<br />

abgearbeitet und ist rund um die Uhr<br />

innerhalb von 30 Minuten verfügbar.<br />

Literatur:<br />

1) Teasdale G, Jennett B: Lancet (1974); 2: 81-84<br />

2) Dikmen SS et al.: Arch Phys Med Rehabil (2003);<br />

84:1449-1457<br />

3) Vitaz TW er la. Surg Neurol (2003); 60: 285-291<br />

4) Bernard S et al.: Ann<strong>als</strong> of Surgery (2010); 252(6):<br />

959–965<br />

5) Petzold A et al.: Crit Care Med. (2002 Dec);<br />

30(12): 2705-2710<br />

6) Bloomfield SM et al.: Neurocrit Care (2007) ;6(2):<br />

121-138<br />

7) Kirchhoff C et al.: Eur J Med Res. (2008) Nov<br />

24;13(11): 511-516<br />

8) Townend W, Ingebrigtsen T: Injury (2006) Dec;<br />

37(12): 1098-108<br />

9) Pelinka L et al.: Shock (2003); 19: 195-200<br />

10) Bellander BM et al.: Acta Neurochir (2011); 153:<br />

90-100<br />

11) Korfias S et al.: Intensive Care Med. (2007) Feb;<br />

33(2): 255-260. Epub (2006) Dec 2.<br />

12) Murillo-Cabezas F et al.: Brain Injury (2010);<br />

24(4): 609-619<br />

13) Savola O et al.: J Trauma (2004) Jun; 56(6): 1229-<br />

1234<br />

14) Shinozaki K et al.: Critical Care (2009), 13: R121<br />

doi:10.1186/cc7973<br />

15) Rainey T et al.: Resuscitation (2009); 80: 341–345<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Dr. Andrea Wodak, MSc, MBA<br />

Oberärztin<br />

und<br />

Pr<strong>im</strong>. Dr. Helmut Tr<strong>im</strong>mel, MSc<br />

Chefarzt<br />

Abteilung für Anästhesie, Notfall- und<br />

Allgemeine Intensivmedizin<br />

Karl Landsteiner Institut für Notfallmedizin<br />

Landesklinikum Wiener Neustadt<br />

Corvinusring 3 – 5<br />

A-2700 Wiener Neustadt<br />

helmut.tr<strong>im</strong>mel@wienerneustadt.lknoe.at<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 5


Medizin<br />

Diagnostische Herausforderung „Leichtes Schädel-Hirn-Trauma“<br />

Dr. med. Bernd A. Leidel, Interdisziplinäre Rettungsstelle / Notfallaufnahme und Aufnahmestation, CBF, Charité –<br />

Universitätsmedizin Berlin<br />

Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) gehört<br />

nicht nur zu den häufigsten Einweisungsdiagnosen<br />

in Notfallaufnahmen, es ist bei<br />

den unter 45-jährigen auch die Nummer<br />

eins der unfallbedingten Todesursachen.<br />

Etwa 300 000 Verunfallte mit SHT sind es<br />

in Deutschland jährlich, davon 90 % mit<br />

einem leichten SHT 1, 2) . Das „leichte“ SHT<br />

ist alles andere <strong>als</strong> banal – das diagnostische<br />

Vorgehen unter Zeitdruck stellt<br />

vielmehr eine erhebliche Herausforderung<br />

<strong>im</strong> klinischen Alltag dar. Nicht oder<br />

verzögert diagnostizierte Hirnverletzungen<br />

können Ursache für Tod oder erhebliche<br />

und dauerhafte neurologische<br />

Funktionsverluste sein. Die definitive<br />

<strong>Diagnostik</strong> mittels Bildgebung ist mit<br />

Strahlenbelastung verbunden, aufwendig<br />

und teuer. Klinische Entscheidungskriterien<br />

sind häufig unsicher. Ein objektiver,<br />

schneller Laborparameter könnte<br />

daher <strong>im</strong> diagnostischen Prozedere des<br />

leichten SHT wertvolle Hilfe leisten.<br />

Zahlreiche Untersuchungen weisen auf<br />

das Protein S100 <strong>als</strong> geeigneten Biomarker<br />

hin.<br />

Intrakranielle Verletzung?<br />

Nach Kopfverletzungen mit Gehirnbeteiligung<br />

spielt der Zeitfaktor für die Prognose<br />

eine entscheidende Rolle. Die Verletzungsschwere<br />

wird dabei initial mit der<br />

Glasgow Coma Scale (GCS) (Abb. 1) abge-<br />

Augen öffnen<br />

4 – spontan<br />

3 – auf Aufforderung<br />

2 – auf Schmerzreiz<br />

1 – kein<br />

Beste verbale Reaktion<br />

5 – orientiert<br />

4 – desorientiert<br />

3 – inadäquat<br />

2 – unverständlich<br />

1 – keine<br />

Beste motorische Reaktion<br />

6 – auf Aufforderung<br />

5 – gezielte Abwehr<br />

4 – ungezielte Abwehr<br />

3 – Beugesynergismen<br />

2 – Strecksynergismen<br />

1 – keine<br />

Abb. 1: Glasgow Coma Scale zur Einschätzung<br />

der initialen Verletzungsschwere des SHT<br />

(bestenfalls 15, <strong>im</strong> schlechtesten Fall 3 Punkte)<br />

schätzt, wobei 13 – 15 Punkte ein leichtes<br />

SHT mit vergleichsweise milder Symptomatik<br />

definieren. Isoliert klinische Kriterien<br />

bergen aber Unsicherheiten, da bei<br />

leichtem SHT eine behandlungsrelevante<br />

Verletzung des Gehirns durch Anamnese<br />

und körperliche Untersuchung alleine<br />

nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden<br />

kann. Entgegen früherer Lehrmeinungen<br />

kann ein SHT auch ohne kompletten Verlust<br />

des Bewusstseins und ohne Amnesie<br />

vorliegen: Schon eine initiale, kurzzeitige<br />

Benommenheit kann potenziell fatale intrakranielle<br />

Verletzungsfolgen nach sich<br />

ziehen 3 – 5) .<br />

Die behandelnden Ärzte stehen daher vor<br />

der Herausforderung, unter Zeitdruck<br />

und trotz der oft unspezifischen Untersuchungsbefunde<br />

und milden Symptome<br />

die richtigen Entscheidungen zu treffen:<br />

O Benötigt ein Patient mit (leichter) Kopfverletzung<br />

und unauffälligem oder<br />

wenig auffälligem klinisch-neurologischen<br />

Befund (GCS 13 – 15 Punkte)<br />

überhaupt eine weitergehende <strong>Diagnostik</strong>?<br />

O Falls eine weitere <strong>Diagnostik</strong> sinnvoll<br />

scheint, welche sollte angestrebt werden?<br />

corbis<br />

O Kann die weitere <strong>Diagnostik</strong> ambulant<br />

erfolgen oder soll der Patient stationär<br />

aufgenommen werden?<br />

Dabei darf einerseits eine eventuell<br />

fatale Hirnverletzung keinesfalls übersehen<br />

werden, andererseits sind unnötige<br />

Belastungen des Patienten zu vermeiden<br />

und die Krankenhausressourcen<br />

adäquat einzusetzen.<br />

Goldstandard für den Ausschluss einer<br />

relevanten intrakraniellen Verletzung<br />

ist die native Computertomographie des<br />

Schädels (CCT). Diverse klinische Entscheidungsregeln,<br />

z.B. die Canadian CT<br />

Head Rule 6) , die New Orleans Criteria 7)<br />

und die NICE Guideline 8) – jede mit eigenen<br />

Stärken und Schwächen – können<br />

den Arzt bei der Indikationsstellung für<br />

eine CCT unterstützen. Der diagnostische<br />

Wert dieser Bildgebung ist sehr hoch,<br />

dennoch gibt es Einschränkungen:<br />

O Die CCT ist mit einer Strahlenbelastung<br />

für den Patienten verbunden.<br />

O Nicht jedes Krankenhaus kann rund<br />

um die Uhr eine zeitnahe CCT anbieten.<br />

Konventionelle Röntgenaufnahmen<br />

des Schädels sind aber <strong>im</strong> diagnostischen<br />

Vorgehen obsolet, da sie<br />

Fehleinschätzungen provozieren können:<br />

Eine intrakranielle Verletzung<br />

lässt sich weder über eine unauffällige<br />

Röntgenaufnahme ausschließen, noch<br />

ist eine sichtbare Schädelfraktur dafür<br />

beweisend.<br />

O Die CCT gehört zu den teuersten<br />

Untersuchungsverfahren in der Notfallaufnahme.<br />

Unabhängig von der Indikation zur<br />

Bildgebung, muss der behandelnde Arzt<br />

weiterhin entscheiden, welcher Patient<br />

stationär zur neurologischen Überwachung<br />

aufgenommen werden soll. Auch<br />

bei initial unauffälliger CCT können <strong>im</strong><br />

Verlauf relevante intrakranielle Läsionen<br />

auftreten. Das gilt insbesondere bei<br />

Patienten mit Gerinnungsstörungen bzw.<br />

mit Einnahme gerinnungshemmender<br />

Medikamente. Die tägliche Dosis von nur<br />

100 mg Acetylsalicylsäure (ASS) zur Pro-<br />

6<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


Vorteil<br />

Nachteil<br />

Ambulante<br />

Behandlung und<br />

Entlassung<br />

- Einsparen von Zeit, Ressourcen und<br />

damit Kosten<br />

- Risiko, relevante Hirn verletzungen<br />

nicht zu erkennen mit potenziell<br />

dauer haften neurologi schen<br />

Funktionsdefiziten bis hin zum Tod<br />

Patienten mit<br />

leichtem SHT<br />

(GCS 13 – 15 Pkt.)<br />

Stationäre<br />

Behandlung<br />

Ambulante<br />

Behandlung und<br />

Entlassung<br />

- Mehr Sicherheit durch Erkennen von<br />

Hirn verletzungen <strong>im</strong> Verlauf<br />

- Schneller und relativ sicherer Ausschluss<br />

von Hirnverletzungen<br />

- Kosten<br />

- Begrenzte Ressourcen<br />

(stationäre Betten)<br />

- Risiko, relevante Hirn verletzungen<br />

nicht oder nur verzögert zu erkennen<br />

- Strahlenbelastung<br />

- Kosten CCT<br />

- Risiko, verzögert auf tretende Hirnverletzungen<br />

nicht zu erkennen<br />

CCT-Unter suchung<br />

Stationäre<br />

Behandlung<br />

- Schneller und relativ sicherer Ausschluss<br />

von Hirnverletzungen<br />

- Auch verzögert auftretende Hirnverletzungen<br />

werden relativ sicher<br />

erkannt<br />

- Strahlenbelastung<br />

- Kosten CCT<br />

- Begrenzte Ressourcen<br />

(stationäre Betten)<br />

Abb. 2: Handlungsoptionen bei leichtem SHT<br />

phylaxe kardiovaskulärer Ereignisse wie<br />

Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöhen<br />

das Risiko für eine Hirnverletzung mit<br />

tödlichem Ausgang maßgeblich 9) .<br />

Die Abb. 2 beschreibt unterschiedliche<br />

diagnostische Vorgehensweisen bei<br />

Patien ten mit leichtem SHT und die<br />

damit verbundenen medizinischen und<br />

ökonomischen Vor- und Nachteile.<br />

Helfen etablierte Leitlinien?<br />

Diverse internationale und nationale Leitlinien,<br />

klinische Richtlinien und klinische<br />

Entscheidungsregeln unterstützen die<br />

Indikationsstellung zur Bildgebung. Das<br />

Problem: Sie weisen inhaltlich zum Teil<br />

erhebliche Unterschiede auf. Während<br />

Bewusstlosigkeit, Amnesie, reduzierter<br />

GCS (< 15 Punkte), fokal-neurologische<br />

Defizite (z.B. Sensibilitätsstörungen,<br />

Muskellähmungen), Krampfanfall, Erbrechen,<br />

Gerinnungsstörung oder Gerinnungshemmung<br />

in den meisten Empfehlungen<br />

<strong>als</strong> Risikofaktoren für eine<br />

Hirnverletzung bei leichtem SHT gelten,<br />

werden die einzelnen Kriterien oft unterschiedlich<br />

definiert und unterscheiden<br />

sich in Anzahl und Kombination. Darüber<br />

hinaus sind die resultierenden<br />

Handlungsempfehlungen oft nicht eindeutig<br />

formuliert.<br />

Nach welcher Entscheidungsregel soll<br />

sich der behandelnde Arzt richten, um<br />

sowohl den medizinischen <strong>als</strong> auch den<br />

ökonomischen Anforderungen gerecht zu<br />

werden? Im klinischen Alltag offenbart<br />

dies ein gewisses Dilemma. Andererseits<br />

ermöglichen überhaupt erst die publizierten<br />

Leit-, Richtlinien und Regeln ein<br />

strukturiertes Vorgehen nach etablierten<br />

Kriterien. Dabei richtet sich die Auswahl<br />

der Kriterien nach dem Anspruch,<br />

mit welcher Genauigkeit Verletzungen<br />

erkannt werden sollen und nach den<br />

lokalen diagnostischen Gegebenheiten 10) .<br />

Hilft der Biomarker S100?<br />

Die „S100-Familie“ besteht aus kalziumbindenden<br />

Proteinen mit einer Vielzahl<br />

von zellulären Funktionen. Es existieren<br />

drei Isoformen, das Isomer S100B (kurz<br />

S100) wird hauptsächlich in den Astrogliazellen<br />

des zentralen Nervensystems<br />

und von best<strong>im</strong>mten Tumorgeweben,<br />

zum Beispiel Gliomen und Melanomen,<br />

gebildet. Bei Verletzung der Blut-Hirn-<br />

Schranke <strong>im</strong> Rahmen eines SHT gelangt<br />

S100 zusätzlich in den Blutkreislauf und<br />

lässt sich <strong>im</strong> Serum erhöht nachweisen. Ist<br />

S100 demnach ein klinisch verwertbarer<br />

Biomarker für Hirnverletzungen? Kann<br />

S100 helfen, bei leichtem SHT schnell die<br />

adäquate Entscheidung zum weiteren diagnostischen<br />

Vorgehen zu treffen?<br />

Verschiedene Untersuchungen der letzten<br />

Jahre haben diese Fragestellungen untersucht.<br />

In einer aktuellen Metaanalyse 11)<br />

wurden alle 76 relevanten, internationalen<br />

wissenschaftlichen Veröffentlichungen<br />

zur diagnostischen Wertigkeit von S100<br />

bei leichtem SHT systematisch recherchiert<br />

und entsprechend evidenzbasierter<br />

Kriterien analysiert. Bei den insgesamt<br />

über 2 000 untersuchten Patien ten lag<br />

O die kombinierte Sensitivität bei 94 %<br />

(95 %-KI 88 – 98 %)<br />

O die kombinierte Spezifität bei 44 %<br />

(95 %-KI 30 – 58 %)<br />

O die kombinierte diagnostische Odds<br />

Ratio (DOR) bei 10,3 (95 %-KI<br />

4,2 – 24,9).<br />

corbis<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 7


Statistisch gesehen definiert eine DOR<br />

von 10 eine exzellente diskr<strong>im</strong>inatorische<br />

Fähigkeit. Für den Anwender bedeutet dieser<br />

Wert eine 10-fach höhere Wahrscheinlichkeit<br />

für einen positiven S100-Test bei<br />

Verunfallten mit struktureller Hirnverletzung<br />

gegenüber Gesunden. Für die Fragestellung,<br />

ob bei einem Patien ten mit leichtem<br />

SHT eine Bildgebung notwendig ist,<br />

erscheint der S100-Test zum vorgeschalteten<br />

Screening daher hilfreich 11) .<br />

Welchen aktuellen Status hat die<br />

S100-Best<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> klinischen Alltag?<br />

In den derzeitigen Leitlinien der<br />

Deutschen Gesellschaft für Neurologie<br />

sowie der Deutschen Gesellschaft für<br />

Neurochirurgie wird der Parameter für<br />

das diagnostische Vorgehen bei leichtem<br />

SHT nicht erwähnt 3, 4) . Demgegenüber<br />

weisen die klinischen Richtlinien der<br />

US-amerikanischen Fachgesellschaft der<br />

Notfallmediziner (American College of<br />

Emergency Physicians) und der US-amerikanischen<br />

Gesundheitsbehörde (Center<br />

for Disease Control and Prevention) bereits<br />

seit 2008 auf die Bedeutung von S100 <strong>als</strong><br />

Screeningtest bei leichtem SHT hin. Eine<br />

eindeutige Empfehlung für dessen Einsatz<br />

erfolgte aufgrund mangelnder Datenlage<br />

jedoch noch nicht 5) . Allerdings wurden<br />

seit dieser Bewertung zahlreiche neue<br />

Untersuchungen publiziert. Die mit über<br />

270 Seiten umfangreichste systematische<br />

Literaturübersicht <strong>im</strong> Rahmen eines<br />

Health Technology Assessment beschreibt<br />

unter anderem die potenzielle Bedeutung<br />

von S100 <strong>als</strong> Screeningtest bei leichtem<br />

SHT. Für eine abschließende Bewertung<br />

fordern die Autoren allerdings noch<br />

Untersuchungen, die S100 mit bereits<br />

validierten, klinischen Entscheidungsregeln,<br />

zum Beispiel der Canadian CT Head<br />

Rule, kombinieren 12) .<br />

Eine erfolgreiche Kombination könnte<br />

dann den Stellenwert von S100 deutlich<br />

steigern, vergleichbar mit dem laborchemischen<br />

Parameter D-D<strong>im</strong>er, den<br />

nationale und internationale Leitlinien<br />

seit Jahren <strong>im</strong> Rahmen der <strong>Diagnostik</strong><br />

bei Verdacht auf Venenthrombose<br />

und Lungenembolie empfehlen 13) . S100<br />

könnte sich unter Berücksichtigung klinischer<br />

Risikofaktoren zum klassischen<br />

Ausschlussparameter relevanter Hirnverletzungen<br />

bei leichtem SHT entwickeln.<br />

Für Patienten mit normalem S100 wäre<br />

die strahlenbelastende, aufwendige und<br />

teure CCT damit verzichtbar.<br />

Hoffnungsträger S100<br />

Die direkten und indirekten Kosten von<br />

Schädel-Hirn-Traumata summieren sich<br />

allein für Deutschland auf ca. 2,8 Milliarden<br />

Euro jährlich 2) . Auch aus ökonomischer<br />

Sicht besteht daher großes Interesse<br />

an einer sinnvollen und effizienten<br />

<strong>Diagnostik</strong>. Ein standardisiertes Konzept<br />

mit etablierten klinischen Risikofaktoren<br />

und dem Biomarker S100 <strong>als</strong> erste diagnostische<br />

Stufe hätte folgende potenzielle<br />

Vorteile:<br />

O Geringeres Risiko dauerhafter<br />

Gesundheitsschäden durch nicht oder<br />

zu spät erkannte intrakranielle Verletzungsfolgen<br />

O Vermeidung von Belastungen für<br />

Patien ten ohne relevante intrakranielle<br />

Verletzung<br />

O Geringere Inanspruchnahme apparativer<br />

und personeller Ressourcen durch<br />

Reduzierung von CCT-Untersuchungen<br />

und stationären Behandlungen.<br />

Ob S100 diese Hoffnungen erfüllt, ist<br />

Gegenstand einer aktuellen, prospektiven,<br />

multizentrischen Beobachtungsstudie<br />

mit einer geplanten Fallzahl von mehreren<br />

tausend Patienten. Erste Ergebnisse<br />

sind hierzu in den nächsten zwei Jahren<br />

zu erwarten.<br />

Literatur<br />

1) Rickels E Chirurg (2009); 80: 153-163<br />

2) Rickels E et al.: Zuckschwerdt, München (2006)<br />

3) Deutsche Gesellschaft für Neuchirurgie (2007)<br />

Leitlinie Schädel-Hirn-Trauma <strong>im</strong> Erwachsenenalter.<br />

URL: http://www.leitlinien.net, abgerufen am<br />

01.12.2012<br />

4) Deutsche Gesellschaft für Neurologie (2008)<br />

Leitlinien für <strong>Diagnostik</strong> und Therapie in der<br />

Neurologie – Leichtes Schädel-Hirn-Trauma. URL:<br />

http://www.leitlinien.net, abgerufen am 01.12.2012<br />

5) Jagoda AS et al.: Ann Emerg Med (2008); 52:<br />

714-748<br />

6) Stiell IG et al.: Lancet (2001); 357: 1391-1396<br />

7) Haydel MJ et a.l: N Engl J Med (2000); 343: 100-<br />

105<br />

8) National Institute for Health and Clinical Excellence<br />

(2007) NICE clinical guideline 56: Head injury<br />

– triage, assessment, investigation and early<br />

management of head injury in infants, children<br />

and adults. URL: http://www.nice.org.uk/CG056,<br />

abgerufen am 01.12.2012<br />

9) Tauber M et al.: J Trauma (2009); 67: 521-525<br />

10) Zock M et al.: Notfall Rettungsmed (2011); 14:<br />

275-285<br />

11) Leidel BA et al.: Unfallchirurg (2012); 115: 903-<br />

912<br />

12) Pandor A et al.: Health Technol Assess (2011); 15<br />

(27)<br />

13) Deutsche Gesellschaft für Angiologie und andere<br />

(2010) Leitlinie für die <strong>Diagnostik</strong> und Therapie<br />

der Venenthrombose und der Lungenembolie.<br />

URL: http://www.leitlinien.net, abgerufen am<br />

01.12.2012<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Dr. med. Bernd A. Leidel<br />

Interdisziplinäre Rettungsstelle /<br />

Notfallaufnahme und Aufnahmestation<br />

Campus Benjamin Franklin<br />

Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin<br />

bernd.a.leidel@charite.de<br />

8<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


Medizin<br />

Präeklampsiemarker: Steile Karriere<br />

Urin, dass es eine Vorstufe gibt: die Präeklampsie.<br />

In den letzten zehn Jahren hat die Präeklampsie-Forschung<br />

bedeutende Erfolge<br />

errungen und ihre Erkenntnisse für<br />

die Praxis nutzbar gemacht. Eine zentrale<br />

Rolle spielen die angiogenen<br />

Faktoren „Soluble FMS-like thyrosinkinase<br />

1“ (sFlt-1) und „Placenta<br />

Growth-Factor“ (PlGF) mit ihrem wertvollen<br />

Beitrag für Prädiktion, (Differenzial-)Diagnose<br />

und Prognose bei<br />

Verdacht auf Präeklampsie. Dank dieser<br />

klinisch validierten, heute voll automatisierten<br />

Marker und insbesondere<br />

des Quotienten sFlt-1/PIGF, gelingt es<br />

<strong>im</strong>mer öfter, Präeklampsien vorherzusagen<br />

und sie auch in ihren atypischen<br />

Formen zu erkennen. Umgekehrt<br />

lässt sich diese Schwangerschaftskomplikation<br />

bei entsprechender Verdachtssymptomatik<br />

auch sicher ausschließen.<br />

Ganz aktuell laufen Untersuchungen, ob<br />

bzw. wie sich die Angiogenesefaktoren<br />

zum Therapiemonitoring und zur Prävention<br />

der Präeklampsie eignen. Erste, ermutigende<br />

Erfolge zeigen sich auch hier.<br />

Die folgenden Ausführungen zeichnen<br />

die Sackgassen der Präeklampsieforschung<br />

sowie die rasante „Karriere“ der<br />

Präeklampsiemarker nach.<br />

In nur einer Dekade entwickelten sich die<br />

angiogenen Faktoren vom „großen Unbekannten“<br />

zum Dreh- und Angelpunkt der<br />

Forschung und Klinik bei Präeklampsie.<br />

Im Rückblick erstaunt dieser schnelle<br />

Sprung ins Rampenlicht. Im Jahr 2002 sah<br />

es noch danach aus, <strong>als</strong> würde die (retrospektiv)<br />

wegweisende Entdeckung von<br />

Ananth Karumanchi, welch wichtige Rolle<br />

die angiogenen Marker bei der Entstehung<br />

der Präeklampsie spielen, den Weg in die<br />

Perinatalmedizin verfehlen. Der Grund:<br />

Der Nephrologe Karumanchi von der<br />

Harvard Medical School in Boston konnte<br />

zunächst kein geeignetes Publikationsmedium<br />

finden – zu fachfremd, unwichtig<br />

oder schlicht unglaublich erschien den<br />

Redakteuren Karumanchis Erkenntnis, <strong>als</strong><br />

dass sie darin den zentralen Ansatzpunkt<br />

für eine bessere Versorgung gefährdeter<br />

Schwangerer sehen konnten!<br />

Viele (Vergiftungs-)Theorien<br />

Bis vor wenigen Jahren war man in puncto<br />

Diagnose und erst recht Behandlung der<br />

Präeklampsie auf bescheidenem Niveau.<br />

Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts galt<br />

diese Schwangerschaftskomplikation <strong>als</strong><br />

„Krankheit der Theorien“ – gefährlich,<br />

aber nicht fassbar und nur durch eine<br />

frühzeitige Entbindung behandelbar.<br />

Während die Eklampsie – gekennzeichnet<br />

durch plötzlich auftretende, lebensbedrohliche<br />

Krampfanfälle – schon in<br />

der griechischen Antike bekannt war,<br />

entdeckte man erst <strong>im</strong> 19. Jahrhundert,<br />

dank der Blutdruckmessung und der<br />

Nachweismöglichkeit von Eiweiß <strong>im</strong><br />

corbis<br />

Aufgrund klinischer Beobachtungen<br />

entwickelte sich in den 1950er Jahren<br />

die Hypothese, wonach die Ursache des<br />

Problems eine Toxinabsonderung der<br />

Plazenta sei. Es entstand die Bezeichnung<br />

„Schwangerschaftsvergiftung“. Dieser an<br />

sich richtige Erklärungsversuch jedoch<br />

scheiterte dam<strong>als</strong>: Trotz intensiver Forschung<br />

ließ sich das postulierte Toxin<br />

nicht nachweisen. Danach kursierten<br />

von der Ursprungsannahme abgeleitete<br />

Theorien. Beispielsweise glaubte man<br />

in den 1980er-Jahren, an einen Wurmbefall<br />

der Plazenta, der die Vergiftung<br />

verursacht. Oder dass es sich bei der<br />

Präeklampsie um eine allergische Reaktion<br />

gegen Sperma handelt.<br />

Uralter Goldstandard mit Mängeln<br />

Aufgrund dieser vagen Erkenntnislage<br />

hielten sich Blutdruck- und Eiweißmessung<br />

<strong>als</strong> Goldstandard vom 19. bis ins<br />

21. Jahrhundert. In der Praxis ist das oft<br />

keine Hilfe, zu ungenau und fehleranfällig<br />

waren und sind beide Parameter. Ihre<br />

Korrelation mit der Klinik ist zudem<br />

nicht zwingend, es gibt symptomarme<br />

aber dennoch schwere Verläufe ohne<br />

vorgängige Erhöhung der Blutdruckund<br />

Eiweißwerte. Darüber hinaus sind<br />

Hypertonie und Proteinurie unspezifische<br />

Symptome, ungeeignet zur Differenzialdiagnose<br />

zwischen Präeklampsie<br />

und anderen (harmloseren) Schwangerschaftshypertonien.<br />

Erst die Entdeckung Karumanchis, wonach<br />

das für die Entwicklung der Präeklampsie<br />

verantwortliche „Toxin“ in<br />

einem Ungleichgewicht angiogener Faktoren<br />

besteht, bot die Chance, neue diagnostische<br />

Wege einzuschlagen. Zwar war<br />

die Pathogenese der Präeklampsie nicht<br />

geklärt, wohl aber der entscheidende Auslöser<br />

aufgedeckt. Karumanchis Erkenntnis,<br />

die etwas verzögert <strong>im</strong> Jahr 2003<br />

doch noch prominent publiziert wurde 1)<br />

war der Ausgangspunkt für alle weiteren<br />

Forschungsarbeiten, die den angiogenen<br />

Faktoren binnen weniger Jahre den Weg<br />

in die klinische Praxis bahnten.<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 9


Start <strong>als</strong> „aid in diagnosis“<br />

Die Beschreibung des krankheitsauslösenden<br />

Ungleichgewichts kam rasch: Das<br />

anti-angiogene Peptid sFlt-1 wird von<br />

der Plazenta <strong>im</strong> Übermaß ausgeschüttet<br />

und hemmt die pro-angiogenen Faktoren<br />

PIGF und VEGF. Kurz darauf gelang<br />

der Nachweis, dass sich die Gegenspieler<br />

sFlt-1 und PIGF <strong>als</strong> diagnostische Marker<br />

eignen. Insbesondere der Quotient sFlt-1/<br />

PIGF kann „präeklamptisch“ von „nicht<br />

präeklamptisch“ zuverlässig trennen, am<br />

sichersten bei Messungen vor der 34.<br />

Schwangerschaftswoche.<br />

2004 folgte der nächste Meilenstein: Die<br />

Erhöhung von sFlt-1 und die Reduktion<br />

von PIGF sind rund fünf Wochen<br />

vor dem Auftreten klinischer Symptome<br />

<strong>im</strong> mütterlichen Serum nachweisbar! 2)<br />

Damit hatte sich der sFlt-1/PIGF-Quotient<br />

innerhalb von 2 Jahren nicht nur<br />

<strong>als</strong> wertvolles Werkzeug zur Diagnose,<br />

sondern auch <strong>als</strong> prädiktiver Marker<br />

erwiesen. Dies kann die Früherkennung<br />

der Präeklampsie, besonders auch ihrer<br />

schweren Form, der early onset Präeklampsie,<br />

entscheidend voranbringen.<br />

Verschiedene Arbeiten haben die enge<br />

Korrelation zwischen Laborbefund und<br />

klinischem Schweregrad bei Präeklampsie<br />

belegt. Das bedeutet in der Praxis: Die<br />

Zeitspanne bis zur notwendigen Entbindung<br />

ist umso kürzer, je höher der Quotient<br />

aus sFlt-1 und PIGF ausfällt. Das<br />

verbessert die Risikoeinschätzung und<br />

die Kurzzeitprognose für die jeweilige<br />

Schwangerschaft.<br />

Spätestens seit 2009, <strong>als</strong> mit den Präeklampsiemarkern<br />

ElecsysT sFlt-1 und<br />

ElecsysT PIGF von <strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong><br />

klinisch validierte, vollautomatisierte<br />

Tests verfügbar wurden, können Geburtsmediziner<br />

nun fundierter beurteilen,<br />

ob das Risiko einer Schwangerschaftsverlängerung<br />

vertretbar ist. Der<br />

Entscheidungs-Cut-off liegt bei 85, dieser<br />

Wert erzielte mit 82 % die höchste Sensitivität<br />

und mit 95 % die beste Spezifität 3) .<br />

Noch mehr Potenzial<br />

2011 gelang einer Forschungskooperation<br />

aus Leipzig, Köln und Boston der Schritt<br />

von der <strong>Diagnostik</strong> in die Therapie.<br />

Mittels Apherese entfernten sie bei acht<br />

Schwangeren das überschüssige sFlt-1 aus<br />

dem Körper und belegten auf diese Weise,<br />

dass eine ursächliche Behandlung des<br />

Ungleichgewichtes technisch machbar<br />

und sicher ist: Diese Schwangerschaften<br />

konnten deutlich länger aufrechterhalten<br />

werden 4) . Eine größer angelegte Studie<br />

dieser Gruppe soll nun die vielversprechenden<br />

Ergebnisse absichern. Ist erst<br />

eine kausale Behandlungsoption verfügbar,<br />

eröffnet sich den Präeklampsiemarkern<br />

auch das Feld des Therapiemonitorings.<br />

Auf dem Gebiet der <strong>Diagnostik</strong> wird<br />

nach wie vor intensiv geforscht. Zwar hat<br />

sich der festgelegte Cut-off von 85 in der<br />

Praxis bewährt, dennoch lohnt sich die<br />

Untersuchung, ob über unterschiedliche<br />

Werte für verschiedene klinische Fragestellungen<br />

noch mehr aus den Markern<br />

herauszuholen ist. Zum Beispiel könnte<br />

bei hochriskanten Entscheidungssituationen<br />

die Sensitivität wichtiger <strong>als</strong> die<br />

Spezifität sein, sodass man sich an einem<br />

niedriger angesetzten Cut-off orientiert.<br />

Die Frage nach sinnvollen Referenzbereichen<br />

bedarf noch detaillierterer Antworten.<br />

Da sich die Serumkonzentrationen<br />

der Angiogenesefaktoren auch<br />

bei gesunden Frauen <strong>im</strong> Verlauf der<br />

Schwangerschaft ändern, könnten sich<br />

stadienspezifische Referenzbereiche<br />

lohnen. Die Definition eines physiologischen<br />

PlGF-Bereichs in der Frühschwangerschaft<br />

ermöglicht vielleicht,<br />

die Risikoprädiktion für Präeklampsie<br />

in das Ersttr<strong>im</strong>ester-Screening zu integrieren.<br />

Dies würde auch die Prävention<br />

der Prä eklampsie – über die frühzeitige<br />

Gabe von Acetylsalicylsäure an Risikopatientinnen<br />

– deutlich voranbringen.<br />

Auch bei der klinisch schwierigen Unterscheidung<br />

von Präeklampsie und chronischer<br />

Niereninsuffizienz in der Schwangerschaft<br />

sind die angiogenen Parameter<br />

eine wertvolle Hilfe. Eine kürzlich veröffentlichte<br />

Studie identifizierte den sFlt-1/<br />

PIGF-Quotienten <strong>als</strong> ersten Biomarker,<br />

der eine effiziente Differenzialdiagnose<br />

erlaubt 5) .<br />

Das tatsächliche Potenzial von sFlt-1<br />

und PIGF dürfte größer sein <strong>als</strong> heute<br />

etabliert. Weitere Fortschritte sind wahrscheinlich<br />

– sie deuten sich in aktuellen<br />

Studien an – und auch nötig. Denn nach<br />

wie vor ist die Präeklampsie weltweit eine<br />

der häufigsten Todesursachen schwangerer<br />

Frauen und eine Hauptursache für<br />

schwere gesundheitliche Schäden durch<br />

Frühgeburtlichkeit oder sogar den Tod<br />

des Ungeborenen.<br />

Literatur:<br />

1) Maynard SE et al.: J Clin Invest (2003); 111: 649-<br />

657<br />

2) Levine RJ et al.: N Engl J Med (2004); 350: 672-<br />

683<br />

3) Verlohren S et al.: AJOG (2010); 202(2):161.<br />

e1-e11<br />

4) Thadhani R et al.: Circulation (2011), Aug. 23;<br />

124(8): 940-950<br />

5) Rolfo A et al.: Kidney Int (2012); 83: 177-181<br />

Sie möchten mehr über Prädiktion, Diagnose, Prognose,<br />

Prävention und Therapie der Präeklampsie<br />

wissen? Dann können Sie eine kommentierte<br />

Literaturliste mit Online-Quellenangaben per<br />

E-Mail bestellen: diana.lohrer@roche.com<br />

Dr. Monika Ostendorf<br />

Medizinisches Marketing<br />

Labordiagnostik<br />

0621 759-1360<br />

monika.ostendorf@roche.com<br />

10<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


Gesundheitspolitik<br />

Bessere Vorsorge be<strong>im</strong> Zervixkarzinom „lieber heute <strong>als</strong> morgen“!<br />

Mediziner sind sich einig: Die deutschen<br />

Richtlinien zur Vorsorge von Gebärmutterh<strong>als</strong>krebs<br />

bedürfen einer grundlegenden<br />

Überarbeitung. Seit Ende 2012 arbeitet<br />

daher eine Kommission aus Experten<br />

an einer evidenzbasierten S3-Leitlinie,<br />

die auch die umfangreichen und überzeugenden<br />

Daten zum verbesserten Vorsorgescreening<br />

mit moderner <strong>Diagnostik</strong><br />

berücksichtigt. Die Experten-Empfehlungen,<br />

zusammen mit Maßnahmen aus dem<br />

Nationalen Krebsplan (Aufbau eines<br />

natio nalen Krebsregisters und flächendeckende<br />

Einladungsverfahren zum<br />

Screening), eröffnen die Chance, die seit<br />

Jahren stagnierenden Morbiditäts- und<br />

Mortalitätszahlen be<strong>im</strong> Zervixkarzinom<br />

zu senken. Darüber hinaus bleibt auf<br />

einen Paradigmenwechsel des Gesetzgebers<br />

zu hoffen, damit neue molekulare<br />

Methoden auch <strong>im</strong> Rahmen der gesetzlichen<br />

Krebsvorsorge den herkömmlichen<br />

Pap-Abstrich (Tab. 1) ergänzen.<br />

<strong>Roche</strong><br />

Mit dem zytologischen Pap-Abstrich<br />

<strong>als</strong> Screeningmethode in der nationalen<br />

Krebsvorsorge gelang es, Morbidität und<br />

Mortalität be<strong>im</strong> Zervixkarzinom um rund<br />

70 Prozent zu senken. Seit einigen Jahren<br />

aber stagniert diese Zahl: Trotz aufwendiger<br />

und kostspieliger Programme bleibt<br />

das Zervixkarzinom die zweithäufigste<br />

Krebserkrankung bei Frauen <strong>im</strong> Alter von<br />

15 bis 44 Jahren. Jedes Jahr erkranken in<br />

Deutschland rund 6 000 Frauen neu; bis<br />

zu 2 000 sterben in Folge dieses Krebses.<br />

„Dabei müsste das nicht so sein“, zeigt sich<br />

Professor Herbert Pfister, Direktor des<br />

Instituts für Virologie am Universitätsklinikum<br />

Köln, überzeugt: „Werden Risiken<br />

und erste Zellveränderungen frühzeitig<br />

erkannt, sind Tumore vollständig vermeidbar.“<br />

Dass dies bislang nicht gelingt,<br />

liegt auch an der heute üblichen diagnostischen<br />

Methode. Bereits seit längerem<br />

hadern Fachärzte und Wissenschaftler mit<br />

der unzureichenden Sensitivität des einmaligen<br />

Pap-Abstrichs. Die Folge ist eine<br />

erhebliche Rate f<strong>als</strong>ch negativer Ergebnisse<br />

bei Patientinnen mit Krebsvorstufen. Deshalb<br />

sollen neue Strategien die Vorsorge<br />

opt<strong>im</strong>ieren, sodass Hochrisikopatientinnen<br />

auch wirklich erkannt werden und die<br />

bestmögliche Behandlung erfahren.<br />

Co-Screening mit HPV-Test ist besser<br />

Die Ursache von Zervixkarzinomen ist<br />

aufgeklärt: Über 99 Prozent aller Tumore<br />

gehen auf die Infektion mit einem von 14<br />

Hochrisikotypen des Humanen Papillomvirus<br />

(hrHPV) zurück. Die aggressivsten<br />

Genotypen sind HPV 16 und 18. Diese<br />

allein wiederum sind für die Entstehung<br />

von rund 75 Prozent aller Karzinome<br />

verantwortlich. Eine HPV-Infektion lässt<br />

sich über die virale DNA z.B. mit einem<br />

PCR-Test sensitiv und schnell nachweisen,<br />

während der Abstrich erst bereits<br />

auffällige Veränderungen der Zellen aufzeigt.<br />

„Entsprechend“, so Pfister, „müsse<br />

es Ziel der neuen Leitlinie sein, lieber<br />

heute <strong>als</strong> morgen die HPV-Testung standardmäßig<br />

in der gesetzlichen Krebsvorsorge<br />

in Deutschland zu verankern“.<br />

Eine sinnvolle Strategie wäre das Co-<br />

Screening mittels HPV-Test und Pap-<br />

Zytologie. Vor allem auch mit dem spezifischen<br />

Nachweis der HPV-Typen 16 und<br />

18 trägt dies zu mehr Sicherheit bei der<br />

Einschätzung eines individuellen Risikos<br />

bei. Das weitere diagnostische Vorgehen<br />

könnte <strong>im</strong> Folgenden entsprechend<br />

angepasst werden, sodass sich die Gefahr,<br />

Krebsvorstufen zu übersehen – wie es bei<br />

der alleinigen Pap-Zytologie <strong>im</strong>mer wieder<br />

vorkommt – deutlich verringert. Der<br />

automatisiert ablaufende cobasT HPV<br />

Test bietet den Nachweis der 14 hrHPV-<br />

Typen mit gleichzeitiger Genotypisierung<br />

von HPV 16 und 18. Er kann überzeugende<br />

klinische Daten aus der prospektiven<br />

Athena-Studie 1 – 2, Tab. 1) vorweisen<br />

und ist zurzeit der einzige von der FDA<br />

zugelassene Test dieser Art.<br />

Seit einigen Jahren stehen den Ärzten<br />

hierzulande HPV-Tests zur Verfügung,<br />

die aber viel zu selten eingesetzt werden.<br />

Dabei ist der Parameter zur frühen Risikostratifizierung<br />

<strong>im</strong> Kontext Zervixkarzinom-Screening<br />

bereits seit 2008 Teil<br />

der konsensbasierten S2k-Leitlinie der<br />

Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie<br />

und Geburtshilfe. Die dort beschriebene<br />

HPV-Testung zur Abklärung unklarer<br />

und leicht- bis mäßig-gradiger Zytologien<br />

(Pap IIw / III / IIID) sowie zum Monitoring<br />

nach Konisation (Tab. 1) gehört<br />

mittlerweile zur gängigen Praxis vieler –<br />

aber längst nicht aller – Gynäkologen. Die<br />

ebenfalls empfohlene Anwendung be<strong>im</strong><br />

Pr<strong>im</strong>ärscreening in Kombination mit<br />

der Pap-Zytologie für Frauen ab 30 Jahren<br />

ist aktuell nicht flächendeckend<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 11


ealisierbar. Der Grund: In der gesetzlichen<br />

Umsetzung, die auch eine adäquate<br />

Vergütung garantiert, hinkt Deutschland<br />

hinterher – übrigens auch gegenüber<br />

anderen Staaten:<br />

O HPV-Tests werden aktuell in den<br />

nationalen Vorsorgeprogrammen der<br />

Niederlande und Dänemarks <strong>als</strong> Teil<br />

des Pr<strong>im</strong>ärscreenings verankert.<br />

O In Italien und Schweden laufen<br />

gesetzlich verabschiedete Pilotprojekte.<br />

O In den USA ist das Co-Screening von<br />

HPV-Test und Pap-Zytologie gesetzlich<br />

umgesetzt. Zusätzlich haben<br />

führende Fachgesellschaften 2012 die<br />

gezielte Typisierung von HPV 16 und/<br />

oder HPV 16/18 in einer Konsensus-<br />

Leitlinie integriert.<br />

Die für spätestens 2015 geplante neue<br />

S3e-Leitlinie mit evidenzbasierten Daten<br />

soll Vergleichbares auch in Deutschland<br />

vorbereiten.<br />

p16 / Ki-67 identifizieren CIN2+<br />

Ein weiteres Problem der Screening-<br />

Praxis in Deutschland ist das Fehlen<br />

Pap-Zytologie<br />

(benannt nach dem<br />

griechischen Arzt<br />

George Papanicolaou)<br />

hrHPV<br />

Athena<br />

ASC-US<br />

LSIL<br />

Konisation<br />

Differenzialkolposkopie<br />

CIN<br />

Tab. 1: Begriffserklärungen<br />

einer flächendeckenden Versorgung mit<br />

Möglichkeiten zur Differenzialkolposkopie<br />

(Tab. 1). Einen Ausweg können Tests<br />

eröffnen, die auf speziellen Biomarkern<br />

beruhen. Relevant sind das Tumorsuppressor-Protein<br />

p16 INK4a (kurz p16) und<br />

der Proliferationsmarker Ki-67. Der<br />

kommerziell erhältliche, <strong>im</strong>munzytochemische<br />

Assay CINtecT PLUS dient der<br />

s<strong>im</strong>ultanen qualitativen Detektion von<br />

p16 und Ki-67 in zervikalen zytologischen<br />

Proben. Sein klinischer Nutzen wurde<br />

in drei Studien mit über 30 000 Frauen<br />

bei verschiedenen Fragenstellungen<br />

<strong>im</strong> Kontext Zervixkarzinom-Screening<br />

demonstriert. Insbesondere kann der<br />

Test innerhalb der Gruppe mit hrHPV-<br />

Testergebnis oder einer LSIL-Zytologie<br />

(Tab. 1) diejenigen Frauen identifizieren,<br />

die hochgradige zervikale intraepitheliale<br />

Läsionen (CIN2+, Tab. 1) aufweisen.<br />

Die Strategie mit p16 / Ki-67 liefert<br />

deutlich mehr Entscheidungs sicherheit<br />

für das weitere Vorgehen,<br />

O weil Patientinnen mit pathologischen<br />

Zellveränderungen, verglichen mit der<br />

herkömmlichen Pap-Zytologie, deutlich<br />

sensitiver erfasst und dann direkt<br />

Visuelle Beurteilung gefärbter Zellabstriche vom Gebärmutterh<strong>als</strong> auf<br />

pathologische Zellveränderungen. Der Befund wird je nach Zellmorphologie<br />

klassifiziert (Pap I – Pap V).<br />

high-risk Humane Papillomviren<br />

Addressing the Need for Advanced HPV <strong>Diagnostics</strong>. Größte jem<strong>als</strong> durchgeführte<br />

FDA-Zulassungsstudie <strong>im</strong> Bereich Gebär mutter h<strong>als</strong> krebs vorsorge.<br />

Atypical Squamous Cells of Undetermined Significance. Entspricht <strong>im</strong><br />

Wesentlichen Pap IIw.<br />

Low grade Squamous Intraepithelial Lesion. Entspricht Pap IIID, d.h.<br />

leichte Dysplasie.<br />

Chirurgisches Entfernen eines Gewebekegels, meistens aus dem<br />

Gebärmutterh<strong>als</strong>.<br />

Untersuchungsverfahren, bei dem Scheide und Gebärmuttermund mittels<br />

speziellem Untersuchungsmikroskop (Kolposkop) begutachtet werden,<br />

inkl. gezielter Entnahme von Gewebeproben aus verdächtigen Arealen.<br />

Cervical intraepithelial Neoplasia. Histologische Diagnose der pathologischen<br />

Zellveränderungen. Klassifiziert <strong>als</strong> negativ bzw. CIN 1 – 3. CIN2+<br />

entspricht einer mäßig-gradigen Veränderung bis hin zum invasiven Karzinom,<br />

bei CIN3+ spricht man von einer hoch-gradigen Läsion bis zum<br />

invasiven Zervixkarzinom.<br />

in eine spezialisierte Dysplasiesprechstunde<br />

zur Differenzialkolposkopie<br />

überwiesen werden können.<br />

O weil es eine relevante Zahl von Patientinnen<br />

gibt, die sich aufgrund eines<br />

f<strong>als</strong>ch positiven oder unklaren Pap-<br />

Befunds einem operativen Eingriff<br />

(Konisation) unterziehen, obwohl<br />

sie (noch) keine ernstzunehmende<br />

Erkrankung aufweisen. „Diese Zahl ist<br />

tatsächlich viel höher, <strong>als</strong> man wahrhaben<br />

möchte“, erklärt Dr. Gerd Böhmer,<br />

Facharzt für Gynäkologie und<br />

Geburtshilfe, Zytologie und Kolposkopie<br />

in Bad Münder. „Überbehandlung<br />

ist ein ernstes Problem <strong>im</strong> Bereich<br />

Gebärmutterh<strong>als</strong>krebs – zumal ein<br />

solcher operativer Eingriff nicht ohne<br />

Risiken für die Patientin ist.“<br />

p16 sichert die Diagnose<br />

Als Voraussetzung für adäquate Therapieentscheidungen<br />

müssen vermutete<br />

Präkanzerosen oder mögliche Krebserkrankungen<br />

(CIN3+ Läsionen, Tab. 1)<br />

mit hoher Sicherheit bestätigt (oder<br />

entkräftet) werden. Auch das gehört<br />

zum Aufgabengebiet von Pathologen.<br />

Grundlage für die Diagnosestellung ist<br />

die H&E- (Hämatoxylin-Eosin) Färbung<br />

am histologischen Zervixpräparat, deren<br />

diagnostische Genauigkeit allerdings in<br />

großen klinischen Studien hinterfragt<br />

wird. Die Betonung liegt vielmehr auf<br />

der Notwendigkeit spezifischer Biomarker<br />

zur objektiveren Einteilung in CIN<br />

und Identifizierung hochgradiger Dysplasien<br />

der Zervix.<br />

Der gewebebasierte p16-Test CINtecT<br />

Histology ist ein <strong>im</strong>munhistochemischer<br />

Assay zur qualitativen Detektion von p16<br />

auf Formalin-fixierten, Paraffin-eingebetteten<br />

Präparaten zervikaler Biopsien.<br />

Er kommt zusammen mit H&E-gefärbten<br />

Präparaten derselben zervikalen Gewebeprobe<br />

zum Einsatz, um die diagnostische<br />

Genauigkeit und damit auch die übereinst<strong>im</strong>mende<br />

Befundung verschiedener<br />

Gutachter (Pathologen) bei der Diagnose<br />

hochgradiger zervikaler, intraepithelialer<br />

Neoplasien und Zervixkarzinome zu<br />

verbessern. Die klinische Performance<br />

dieses Tests wurde in einer kontrollierten<br />

klinischen Studie evaluiert. „Unsere<br />

Ergebnisse zeigen, dass die zusätzliche<br />

Befundung p16-gefärbter Proben die<br />

Routine-Interpretation in der zervikalen<br />

12<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


Histopathologie signifikant verbessert“,<br />

so Prof. Dietmar Schmidt, Pathologe am<br />

Referenzzentrum für Gynäkopathologie<br />

in Mannhe<strong>im</strong>.<br />

Kombination <strong>als</strong> Mehrwert<br />

Der Schlüssel <strong>im</strong> Kampf gegen Gebärmutterh<strong>als</strong>krebs<br />

dürfte in der Kombination<br />

verschiedener Parameter und Methoden<br />

liegen: Zytologie, Molekular- und Gewebediagnostik.<br />

Eine wichtige Voraussetzung<br />

für den kompetenten Umgang ist,<br />

dass Ärzte und Labore über einzelne Tests<br />

und Plattformen hinaus denken und die<br />

Zusammenhänge der verschiedenen<br />

Parameter verstehen.<br />

O HPV-Tests inkl. HPV 16 & 18 Genotypisierung<br />

(z.B. cobasT HPV Test)<br />

sind ideal zum risikostratifizierten<br />

Management einer Patientin.<br />

O Biomarker-basierte Tests differenzieren<br />

bei transformierten Läsionen<br />

„Risiko“ versus „Erkrankung“ und<br />

ermöglichen so eine zielgerichtete<br />

Differenzialkolposkopie (CINtecT<br />

PLUS) sowie eine präzise und reproduzierbare<br />

Diagnosestellung in der<br />

Histologie (CINtecT Histology).<br />

O Dieses Vorgehen hilft, präkanzeröse<br />

Läsionen früh zu identifizieren und<br />

somit Zervixkarzinome zu vermeiden.<br />

Frauen ohne Erkrankung dagegen bleiben<br />

(unnötige) Behandlungen erspart.<br />

„Dieses Vorgehen bringt Ärzten und<br />

Patientinnen eine bislang nicht gekannte<br />

Sicherheit“, erklärt Dr. Markus Lütge,<br />

Geschäftsführer des gleichnamigen<br />

Zytologielabors in Salzgitter. „Der medizinische<br />

Mehrwert entsteht durch das<br />

Zusammenspiel der verschiedenen Tests:<br />

Je besser die Ergebnisse ineinandergreifen,<br />

desto präziser ist das diagnostische<br />

Bild, <strong>als</strong> Voraussetzung für bestmögliche<br />

Behandlungsergebnisse“, erklärt Lütge.<br />

Er hat <strong>im</strong> Jahr 2012 <strong>als</strong> einer der Ersten<br />

in Deutschland das komplette <strong>Roche</strong>-<br />

Portfolio für das Gebärmutterh<strong>als</strong>krebs-<br />

Screening eingeführt (Tab. 2). Die Entscheidung<br />

war für ihn naheliegend:<br />

„<strong>Roche</strong> ist das einzige Unternehmen,<br />

das eine solche Komplettlösung anbietet,<br />

das hat uns überzeugt“, so Lütge. „Das<br />

ist letztlichgenau das, was unsere Kunden<br />

aus der Gynäkologie und Onkologie<br />

brauchen – gerade auch <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf die neue S3-Leitlinie und deren<br />

Umsetzung“.<br />

HPV<br />

neg<br />

Screening<br />

Abb. 1: Aktuell möglicher Algorithmus für die Abklärung auffälliger Pap-Befunde<br />

HPV<br />

neg<br />

Screening<br />

Abb. 2: Co-Screening <strong>als</strong> möglicher zukünftiger Algorithmus in der Gebärmutterh<strong>als</strong>krebs-Vorsorge<br />

Test Testdesign System Testaussage<br />

cobasT HPV<br />

CINtecT<br />

PLUS<br />

CINtecT<br />

Histology<br />

ASC-US (Pap IIw)<br />

12 andere<br />

hrHPV<br />

pos<br />

Wiederholung<br />

nach 6 – 12<br />

Monaten/<br />

p16/Ki-67 Zytologie<br />

Co-Screening HPV & Pap<br />

≥ 30 Jahre<br />

12 andere<br />

hrHPV<br />

pos<br />

Wiederholung<br />

nach 6 – 12<br />

Monaten/<br />

p16/Ki-67 Zytologie<br />

Vollautomatisierter<br />

Real-T<strong>im</strong>e PCR-Test zum<br />

Nachweis der 14 Hochrisikotypen<br />

von HPV<br />

(hrHPV).<br />

Ein Test – 3 Ergebnisse:<br />

HPV 16 Genotypisierung<br />

HPV 18 Genotypisierung<br />

12 andere hrHPV Typen<br />

<strong>als</strong> Gesamtergebnis<br />

Kombinierter <strong>im</strong>munzyto<br />

chemischer<br />

Nachweis des p16 INK4a<br />

Tumorsuppressor-<br />

Proteins und des Ki-67<br />

Proliferationsmarkers<br />

<strong>im</strong> Gebärmutterh<strong>als</strong>abstrich.<br />

Gewebebasierter Test<br />

zum spezifischen<br />

Nachweis einer Überexpression<br />

von p16 in<br />

histologischen<br />

Präparaten der Zervix.<br />

HPV16/18<br />

pos<br />

p16/Ki-67<br />

Zytologie<br />

cobasT 4800<br />

Literatur:<br />

1) Stoler MH et al.: Am J Clin Pathol (2011); 135:<br />

468-475<br />

2) Wright TC at al.: Am J Clin Pathol (2011);<br />

136: 578-586<br />

Hohe klinische Sensitivität be<strong>im</strong> Nachweis von<br />

hrHPV. Der gleichzeitige individuelle Nachweis<br />

der Typen mit höchstem Risiko, HPV 16 und 18,<br />

erlaubt ein risikostratifiziertes Patientenmanagement<br />

sowohl bei Frauen mit unauffälliger Zytologie<br />

<strong>als</strong> auch bei unklaren Zytologien (ASC-US,<br />

Pap IIw).<br />

Ausführlich validiert in der bisher größten<br />

FDA-Zulassungsstudie mit über 47 000 Frauen<br />

(ATHENA).<br />

CE-IVD zugelassen.<br />

Manuell Spezifischer Nachweis einer onkogenen Transformation<br />

von Zervixzellen für eine zielgerichtete<br />

Offene IHC-Färbeautomaten<br />

Differenzialkolposkopie bei HPV-positiven Befunden<br />

oder leicht- bis mäßig-gradigen zervikalen<br />

In Vorbereitung:<br />

Läsionen.<br />

Automatisiert auf<br />

der BenchMark CE-IVD zugelassen.<br />

Serie<br />

Automatisiert<br />

auf der Bench-<br />

Mark Serie<br />

Manuell<br />

Auf offenen IHC-<br />

Färbeautomaten<br />

Tab. 2 : <strong>Roche</strong>-Portfolio zur Zervixkarzinom-Vorsorge<br />

p16/Ki-67<br />

neg<br />

Wiederholung<br />

nach 6 – 12<br />

Monaten<br />

Kolposkopie/Biopsie mit p16 Histologie + H&E<br />

HPV16/18<br />

pos<br />

p16/Ki-67<br />

Zytologie<br />

Pap<br />

IV / V<br />

Kolposkopie/Biopsie mit p16 Histologie + H&E<br />

LSIL (Pap IIID)<br />

Pap-Screening<br />

< 30 Jahre<br />

Pap<br />

IIw / III / IIID<br />

HPV/p16/Ki-67<br />

Zytologie<br />

p16/Ki-67<br />

pos<br />

Pap<br />

I / II<br />

Anwendung in Kombination mit der konventionellen<br />

H&E-Färbung. Bestätigung des Vorliegens<br />

oder Nicht-Vorhandenseins einer präkanzerösen<br />

Läsion (CIN2+ / CIN3+) zur sicheren Diagnosestellung.<br />

FDA-Zulassung in Vorbereitung.<br />

CE-IVD zugelassen.<br />

Dr. Frank Britz<br />

Produktmanagement<br />

Molekulare <strong>Diagnostik</strong><br />

0621 759-3867<br />

frank.britz@roche.com<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 13


Medizin<br />

Hepatitis C-Infektionen: Diagnose-Defizit und hohe Dunkelziffer<br />

Prof. Dr. Claus Niederau, Katholische Kliniken Oberhausen, St. Josef-Hospital, Oberhausen<br />

Jährlich infizieren sich weltweit 3 – 4 Millionen<br />

Menschen mit dem Hepatitis<br />

C-Virus (HCV). Die Infektion zeigt eine<br />

hohe Chronifizierungsrate, sie zählt daher<br />

zu den wichtigsten Leberkrankheiten.<br />

Etwa 150 Millionen Menschen tragen<br />

HCV-bedingt ein erhöhtes Risiko für eine<br />

Leberzirrhose und ein hepato-celluläres<br />

Carcinom (HCC) 1 – 3) . In vielen Ländern<br />

gibt es hochwertige diagnostische Tests<br />

sowie Leitlinien zur HCV-Testung der Allgemeinbevölkerung<br />

und zum Screening<br />

von Risikogruppen. Doch in der Praxis<br />

mangelt es häufig an der konsequenten<br />

Umsetzung oder ausreichenden Kenntnissen<br />

der Ärzte. Daher liegt die Dunkelziffer<br />

chronischer HCV-Infektionen extrem<br />

hoch – vermutlich sind es um die<br />

80 %! Diese Zahl alarmiert auch deshalb,<br />

weil hochwirksame Medikamente zur<br />

Heilung oder Verringerung der Spätfolgen<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Unterschätzte Prävalenz<br />

Die Daten aus dem US-amerikanischen<br />

National Health and Nutrition Examination<br />

Survey (NHANES), die einen repräcorbis<br />

Gründe für eine HCV-Übertragung<br />

waren vor 1992 überwiegend kontaminierte<br />

Injektionen, medizinische Eingriffe<br />

und Blutprodukte. Seit der Identifikation<br />

des HCV 1989 und der Verfügbarkeit<br />

eines Antikörpertests ab 1992 reduzierte<br />

sich die iatrogene Ausbreitung in<br />

den Industrieländern drastisch. Heute<br />

geschehen die meisten Neuinfektionen<br />

<strong>im</strong> Rahmen des i.v. Drogenkonsums. Die<br />

Neuerkrankungsrate geht zurück, die<br />

Folgeerkrankungen der schon infizierten<br />

Personen werden dagegen in den nächsten<br />

Jahren zunehmen. Bei etwa 20 % der<br />

chronisch HCV-Infizierten bildet sich<br />

eine Leberzirrhose, die ihrerseits ein<br />

HCC-Risikofaktor ist. Schon heute geht<br />

ein großer Teil der Zirrhosen, HCC und<br />

Lebertransplantationen auf das Konto der<br />

Hepatitis C. Allein in den USA werden in<br />

den nächsten 40 – 50 Jahren fast 2 Millionen<br />

HCV-Patienten eine Zirrhose entwickeln<br />

4) , etwa 400 000 ein HCC 4 – 7) . Und<br />

etwa 1 Million Personen werden an HCVassoziierten<br />

Komplikationen sterben 7 – 8) .<br />

sentativen Querschnitt der Allgemeinbevölkerung<br />

zeigen, beziffern die Prävalenz<br />

der HCV-Infektion (anti-HCV positiv)<br />

auf 1,5 –1,7 %. Vermutlich jedoch ist dieser<br />

Wert um 1 Million chronisch Infizierter<br />

unterschätzt, da Risikogruppen wie<br />

Inhaftierte und Obdachlose nicht eingeschlossen<br />

waren 9) . In Europa leiden etwa<br />

9 Millionen Menschen an einer chronischen<br />

Hepatitis C 10) . Die HCV-Prävalenz<br />

(anti-HCV positiv) schwankt von 0,4 %<br />

(Schweden, Deutschland, Niederlande)<br />

über 2 – 3 % (Mittelmeerländer) bis > 20 %<br />

in einigen Regionen Süd-Europas 11, 12) .<br />

Nach Angaben des RKI gehört Deutschland<br />

mit 0,4 % zu den Niedrig-Prävalenzregionen,<br />

allerdings werden die eigenen<br />

Zahlen kritisch kommentiert 13) , da z.B.<br />

Risikogruppen wie Drogenabhängige,<br />

Inhaftierte und Migranten in bisherigen<br />

Studien unterrepräsentiert waren. Neuere<br />

Untersuchungen lieferten folgende Daten:<br />

O In einem Hamburger Labor wiesen<br />

12,9 % der unselektierten Blutproben<br />

eine erhöhte GPT auf, 6,3 % davon<br />

waren anti-HCV positiv. In der Kontrollgruppe<br />

mit normaler GPT dagegen<br />

lag dieser Anteil bei nur 1,7 % 14) .<br />

O In den Jahren 2008 – 2009 wurden an<br />

der Berliner Charité 13 328 Patienten<br />

der Notaufnahme auf eine HCV-<br />

Infektion untersucht. 66 % der Patienten<br />

hatten erhöhte Transaminasen<br />

und 2,5 % waren anti-HCV-positiv 15) .<br />

O Noch häufiger ließ sich eine HCV-<br />

Infektion be<strong>im</strong> Screening von Migranten<br />

in 16 Hamburger Praxen und<br />

5 Klinikambulanzen diagnostizieren:<br />

die Prävalenz von anti-HCV betrug<br />

5,8 % (Praxen) bzw. 6,3 % (Ambulanzen)<br />

16) .<br />

O Bei i.v. Drogenabhängigen ist die Prävalenz<br />

um ein Vielfaches höher – in einer<br />

Untersuchung betrug die HCV-Rate in<br />

Berlin 53 % und in Essen 80 % 17) !<br />

Klare Screeningempfehlungen<br />

Die Suche nach einer HCV-Infektion ist<br />

mit der Antikörpermessung einfach und<br />

verlässlich, so dass dieser Test bei <strong>im</strong>munkompetenten<br />

Personen in der Praxis ausreicht.<br />

Mit dem Antikörpertest erkennt<br />

man etwa 99 % der HCV-Infektionen.<br />

Nur bei Immungeschwächten oder in frühen<br />

Phasen der akuten Infektion findet<br />

man eine positive HCV-RNA ohne Antikörpernachweis.<br />

Der Immunoblot hat für<br />

die klinische Praxis keine Bedeutung. Bei<br />

allen Patienten mit nachgewiesenem anti-<br />

14<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


HCV sollte ein entsprechender RNA-Test<br />

durchgeführt werden. Dadurch lässt sich<br />

eine replikative Infektion von einer ausgeheilten<br />

Infektion bzw. einem unspezifisch<br />

positiven Antikörperbefund abgrenzen.<br />

Verschiedene Leitlinien 18, 19) und auch<br />

das Robert-Koch Institut (RKI) 20) geben<br />

bezüglich der Testung auf HCV-Infektion<br />

folgende Empfehlungen ab:<br />

O In der Allgemeinbevölkerung sollten<br />

(auch nur geringfügig) erhöhte Transaminasen<br />

(GPT) Anlass zur spezifischen<br />

Antikörper-<strong>Diagnostik</strong> sein.<br />

O Für Risikogruppen ist ein HCV-Screening<br />

auch bei normalen Leberwerten<br />

obligat.<br />

Zu den typischen HCV-Risikogruppen<br />

gehören<br />

O Patienten, die vor 1992 Blutprodukte<br />

erhalten haben<br />

O Dialyse-, Hämophilie- und transplantierten<br />

Patienten<br />

O i.v. Drogenkonsumenten<br />

O Personen aus Ländern mit endemischer<br />

Häufung der Hepatitis<br />

Mangelnde Umsetzung<br />

Die Screening-Empfehlungen der aktuellen<br />

deutschen S3-Leitlinie (Tab.) werden<br />

derzeit nur unzureichend umgesetzt.<br />

Besonders Migranten aus Ländern<br />

mit hoher Hepatitis-Prävalenz sind in<br />

Deutschland eine wichtige Zielgruppe<br />

für systematisches Screening – auch<br />

ohne Symptome und mit normalen<br />

Leberwerten 13, 19) . In zwei epidemiologischen<br />

Studien z.B. stammten nur<br />

etwa 2/3 der in Deutschland lebenden<br />

Hepatitis C-Patien ten gebürtig aus<br />

Deutschland 21, 22) . Das Screening dieses<br />

Risikokollektivs hat sich <strong>als</strong> kosteneffektiv<br />

erwiesen 23) . Bei i.v. Drogenabhängigen<br />

ist die Evidenz für ein HCV-Screening<br />

aufgrund der sehr hohen Prävalenz<br />

noch klarer.<br />

Die konsequente Umsetzung von Empfehlungen<br />

scheitert auch an mangelnden<br />

Kenntnissen z.B. auf Seiten von Ärzten.<br />

In der Praxis des Hausarztes sind erhöhte<br />

Leberwerte „an der Tagesordnung“. In<br />

einer bundesweiten Studie lagen dort<br />

13,5 % aller GPT-Werte über dem Normwert<br />

24) . Lange Zeit galten leicht erhöhte<br />

Transaminasen aber <strong>als</strong> „Kavaliersdelikt“,<br />

ohne Konsequenzen. Eine Ana-<br />

lyse <strong>im</strong> hausärztlichen Bereich zeigte,<br />

dass etwa 60 % der Hausärzte max<strong>im</strong>al<br />

fünf Anti-HCV-Tests pro Jahr, mehr <strong>als</strong><br />

30 % überhaupt keinen Test durchgeführt<br />

haben 25) . Erhöhte Leberwerte gehören<br />

jedoch abgeklärt, da sie nicht<br />

„automatisch“ durch Alkoholkonsum<br />

oder Leberverfettung entstehen 20) .<br />

Eine HCV-<strong>Diagnostik</strong> mit Best<strong>im</strong>mung von anti-<br />

HCV sollte erfolgen bei:<br />

- Personen mit erhöhten Transaminasen und / oder<br />

klinischen Zeichen einer Hepatitis bzw. chronischen<br />

Lebererkrankung unklarer Genese<br />

- Empfängern von Blut und Blutprodukten (vor 1992)<br />

- Transplantatempfängern<br />

- Hämodialyse-Patienten<br />

- aktiven und ehemaligen i. v. Drogenkonsumierenden<br />

- Insassen von Justizvollzugsanstalten<br />

- HIV- und / oder HBV-Infizierten<br />

- Haushaltsangehörigen bzw. Sexualpartnern HCV-<br />

Infizierter und Kindern HCV-positiver Mütter<br />

- Personen mit Migrationshintergrund aus Regionen<br />

mit erhöhter HCV-Infektionsrate,<br />

- medizinischem Personal<br />

- Blut-, Organ- und Gewebespendern<br />

- jedem, der eine entsprechende Untersuchung<br />

explizit wünscht (incl. adäquater Beratung)<br />

Tab.: Screening-Empfehlung der aktuellen<br />

deutschen S3-Leitlinie (modifiziert aus 19)<br />

Die Bereitschaft von Hausärzten zur<br />

Anforderung eines Antikörpertests korreliert<br />

mit der Höhe der GPT: Sie ist am<br />

größten bei GPT-Konzentrationen über<br />

dem Dreifachen des oberen Normwertes.<br />

Dieses Vorgehen entspricht jedoch nicht<br />

der medizinischen Realität. In einer prospektiven<br />

Untersuchung von 192 Hausarztpraxen<br />

lag die tatsächliche Zahl der<br />

positiven HCV-Tests in der Gruppe mit<br />

sehr hohen Leberwerten relativ niedrig<br />

24) . Demgegenüber können chronische<br />

Lebererkrankungen mit normalen Transaminasen<br />

einhergehen und trotzdem in<br />

eine Zirrhose münden. Auch die Symptomatik<br />

bei HCV-Infektion ist nicht eindeutig;<br />

das ergab eine Fragebogenanalyse<br />

bei in Deutschland lebenden Patienten 26) :<br />

Etwa 30 % aller Personen mit chronischer<br />

Hepatitis C waren asymptomatisch, ca.<br />

60 % gaben nur unspezifische Beschwerden<br />

wie Müdigkeit, Konzentrationsschwäche<br />

und Oberbauchbeschwerden<br />

an. Bei Risikopersonen sollte daher auch<br />

der Hausarzt unabhängig vom GPT- und<br />

Beschwerdestatus eine HCV-Antikörpertestung<br />

veranlassen.<br />

Mangelhafte Umsetzung und Kenntnisse<br />

<strong>im</strong> Kontext der HCV-<strong>Diagnostik</strong> resultieren<br />

in einem unzureichenden Screening.<br />

Dies erklärt, warum so wenige HCV-<br />

Infizierte von ihrer Infektion wissen. Im<br />

Jahr 2011 hat das RKI 127 infektiöse Erreger<br />

hinsichtlich der Bedeutung für<br />

die nationale Surveillance publiziert:<br />

HCV erhielt den Rang 5 und gehört<br />

damit in die Gruppe mit der höchsten<br />

Priorität 27) . Dieser enormen medizinischen<br />

und ökonomischen Bedeutung<br />

der Hepatitis C muss in der täglichen<br />

Praxis mehr Rechnung getragen werden.<br />

Innerhalb Europas haben bisher nur<br />

Frankreich und Schottland ein nationales<br />

Programm, um das Hepatitis-Screening<br />

in Risikogruppen zu verbessern 10) .<br />

Screening „Birth-Cohort“<br />

Das „Center for Disease Control and<br />

Prevention“ (CDC) in den USA hat <strong>im</strong><br />

Jahre 2012 die Screening-Empfehlung<br />

auf die sogenannte „Birth-Cohort“<br />

ausgeweitet 28) . Es handelt sich um die<br />

Geburtsjahrgänge 1945 bis 1965, bei<br />

denen – aufgrund der vielfältigen iatrogenen<br />

Infektionsquellen vor 1990 – die<br />

Prävalenz der chronischen Hepatitis C<br />

bei > 3 % und damit <strong>im</strong> Vergleich zu<br />

anderen Jahrgangsstufen 5-fach höher<br />

liegt. Wie bei den anderen Risikogruppen<br />

soll innerhalb der „Birth-Cohort“<br />

jede Person einmal auf HCV getestet<br />

werden. Das Screening ist auch ökonomisch<br />

sinnvoll: die Kosten liegen bei<br />

15.000 – 39.000 US-$ pro gewonnenem<br />

Lebensjahr und damit in der Größenordnung<br />

anderer Vorsorgemaßnahmen<br />

wie der präventiven Koloskopie und der<br />

Mammographie 29, 30) .<br />

In Deutschland fehlen zwar verlässliche<br />

Zahlen zur HCV-Prävalenz in einer<br />

„Birth-Cohort“, vermutlich aber sehen<br />

die Daten zur Häufigkeitsverteilung in<br />

unterschiedlichen Altersgruppen ähnlich<br />

aus, zumal in anderen europäischen Ländern<br />

eine entsprechende „Birth-Cohort“<br />

nachgewiesen wurde 31, 32) . Da in Deutschland<br />

die HCV-Prävalenz insgesamt wahrscheinlich<br />

niedriger liegt <strong>als</strong> in den USA,<br />

sind weitere Studien erforderlich und die<br />

amerikanischen Richtlinien nicht einfach<br />

übertragbar. Zumindest aber sollten<br />

in Deutschland die jetzigen Empfehlungen<br />

zum Screening von Risikogruppen<br />

umgesetzt werden (Tab.), um die hohe<br />

Dunkelziffer unerkannter Infektionen<br />

zu senken. Das ist sehr oft nicht der Fall:<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 15


verschiedene Untersuchungen beziffern<br />

die tatsächliche HCV-Testung in Risikokollektiven<br />

auf 17 – 87 % 33, 34) .<br />

Hohe Dunkelziffer bekämpfen<br />

Die bisherigen Screening-Strategien hatten<br />

weltweit keine erkennbare Wirkung<br />

auf die hohe Dunkelziffer bei HCV-Infektionen<br />

O In den USA wissen 45 – 85 % der Infizierten<br />

nichts von ihrer Infektion 35 – 38) .<br />

O In Europa kennen bis zu 90 % der<br />

HCV-Infizierten ihren Infektionsstatus<br />

nicht 39) .<br />

O Die Rate unerkannter HCV-Infektionen<br />

liegt in der Gruppe der i.v. Drogenabhängigen<br />

schätzungsweise bei 72 % 40) .<br />

Nationale Screening-Programme sind<br />

essenziell, einerseits um die Virusaus-<br />

Weltweit sind mehr <strong>als</strong> 350 Millionen<br />

Menschen mit dem Hepatits B Virus<br />

infiziert. Langzeitfolgen wie Leberzirrhose<br />

oder HCC betreffen schätzungsweise<br />

25 – 40 % der chronisch Infizierbreitung<br />

zu stoppen, andererseits, um<br />

infizierte Personen über ihren Status<br />

aufklären und ihnen eine adäquate<br />

Therapie anbieten zu können. Die antivirale<br />

Therapie bei HCV-Infektionen<br />

verringert das Risiko von Leberzirrhose,<br />

-karzinom, -transplantation und<br />

Tod deutlich. In einer Studie mit 16 864<br />

HCV-Patienten war die Ausheilung der<br />

Infektion (Sustained Virologic Response<br />

/ SVR) mit einer Halbierung der<br />

Mortalität und einer deutlichen Reduktion<br />

des HCC-Risikos assoziiert 41) . Die<br />

diagnostischen und therapeutischen<br />

Voraussetzungen zur Bekämpfung der<br />

HCV-Infektion und ihrer Folgen stehen<br />

zur Verfügung – die offiziellen Empfehlungen<br />

müssen allerdings auch konsequent<br />

und kompetent in der täglichen<br />

Praxis umgesetzt werden!<br />

Literatur<br />

Die umfangreiche Literaturliste ist über die Redaktion<br />

erhältlich.<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Prof. Dr. Claus Niederau<br />

Katholische Kliniken Oberhausen gem. GmbH<br />

St. Josef-Hospital<br />

Klinik für Innere Medizin<br />

Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität<br />

Duisburg-Essen<br />

Mülhe<strong>im</strong>er Straße 83<br />

46045 Oberhausen<br />

c.niederau@kk-ob.de<br />

Medizin – Für Sie gelesen<br />

„Unsichtbare“ Gefahr für die Leber?<br />

Patienten mit chronischer Hepatitis B<br />

(CHB) tragen ein erhöhtes Risiko für<br />

Leberzirrhose und Leberzellkarzinom<br />

(HCC). Serumkonzentrationen der Hepatitis<br />

B Virus-DNA (HBV-DNA) und des<br />

Hepatitis-B-Antigens (HBsAg) sind für die<br />

Diagnose und Therapiesteuerung von<br />

CHB etablierte Marker. Sind sie auch<br />

prognostisch relevant? Diese Frage<br />

beantwortete die große Kohortenstudie<br />

REVEAL*-HBV. 2006 beschrieben<br />

die Autoren bereits einen deutlichen<br />

Zusammenhang zwischen erhöhter<br />

HBV-DNA und der HCC-Inzidenz 1) .<br />

Neuere Daten identifizierten zusätzlich<br />

HBsAg <strong>als</strong> unabhängigen Risikofaktor<br />

für die Entwicklung eines HCC 2) . Danach<br />

können HBsAg-Tests bis dato „unsichtbare“<br />

Gefahren identifizieren, denn<br />

auch bei niedrigen HBV-DNA-Werten<br />

besteht ein gewisses HCC-Risiko. Vor<br />

allem für Patienten mit niedriger viraler<br />

DNA <strong>im</strong> Serum ist HBsAg <strong>als</strong> komplementärer<br />

Prognosemarker von klinischer<br />

Bedeutung.<br />

ten. Kommerziell verfügbare Methoden<br />

zur Quantifizierung von HBV-DNA und<br />

HBsAg unterstützen die Diagnose und<br />

die Therapiesteuerung. Besitzen diese<br />

Marker auch einen klinischen Wert für<br />

die Risikostratifizierung hinsichtlich<br />

HCC? Mit dieser Fragestellung beschäftigte<br />

sich die seit 1991 laufende REVEAL-<br />

HBV-Studie aus Taiwan. Ihre Daten<br />

spiegeln den „natürlichen“ Krankheitsverlauf<br />

wider, da keine therapeutischen<br />

Interventionen erfolgten.<br />

Risikofaktor HBV-DNA<br />

In einem Kollektiv aus 3 653 CHB-Patienten<br />

– bis 2003 ohne Zugang zu therapeutischen<br />

Maßnahmen – wurde über<br />

13 Jahre die HCC-Inzidenz beobachtet<br />

und in verschiedenen Studiengruppen<br />

miteinander verglichen 1) . Maßgeblich<br />

corbis<br />

für die Gruppenzuteilung war die Ausprägung<br />

folgender HCC-Risikofaktoren:<br />

Geschlecht, Alter, Nikotin- und Alkoholkonsum,<br />

Konzentration der Transaminasen,<br />

HBe-Antigen-Status, bestehende<br />

Leberzirrhose sowie Konzentration der<br />

HBV-DNA (gemessen mit dem COBAST<br />

AMPLICOR HBV Test Kit von <strong>Roche</strong> aus<br />

tiefgefrorenen Proben vom Beginn und<br />

vom Ende der Studie).<br />

Das Ergebnis war ein statistisch signifikanter<br />

Zusammenhang zwischen HBV-<br />

DNA und HCC:<br />

O Verglichen mit Patienten ohne detektierbare<br />

HBV-DNA (d. h. unter 300 Kopien/<br />

ml), lag das HCC-Risiko bei HVB-<br />

DNA-Konzentrationen > 10 4 Kopien/ml<br />

etwa 3-fach und bei > 10 5 Kopien/ml<br />

etwa 10-fach höher. Bei HBV-DNA-<br />

Werten < 10 4 Kopien/ml ließ sich dagegen<br />

kein größeres Risiko erkennen.<br />

O Hohe HBV-DNA-Titer korrelieren<br />

häufig mit anderen oben genannten<br />

Risikofaktoren. Daher wurde die<br />

Unabhängigkeit des molekularen Markers<br />

hinsichtlich HCC-Risiko geprüft<br />

und auch bestätigt: Verglichen mit<br />

Patienten ohne detektierbare HBV-<br />

DNA lag das angepasste HCC-Risiko<br />

bei HVB-DNA-Konzentrationen > 10 4<br />

16<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


Kopien/ml etwa 2-fach und bei > 10 5<br />

Kopien/ml etwa 6-fach höher.<br />

O Die erst kürzlich publizierte sogenannte<br />

ERADICATE-B-Studie** hat<br />

diese Erkenntnisse verifiziert 3) .<br />

HBsAg für das „unsichtbare“ Risiko<br />

Bei Patienten mit niedrigen HBV-DNA-<br />

Werten zwischen 300 und 10 000 Kopien/<br />

ml ist die Stratifizierung hinsichtlich<br />

HCC-Risiko schwierig, aber klinisch relevant.<br />

Denn in diesem Bereich finden sich<br />

neben den „inaktiven Trägern“ mit guter<br />

Prognose und ohne Therapieindikation<br />

auch behandlungsbedürftige Patienten<br />

mit deutlich schlechterer Prognose 1) .<br />

Die Autoren der REVEAL-HBV-Studie<br />

wählten daher einen weiteren Ansatz. Sie<br />

best<strong>im</strong>mten aus gefrorenem Probenmaterial<br />

zusätzlich die HBsAg-Titer (ElecsysT<br />

HBsAg II quant) 2) . Zur Auswertung<br />

kamen aus dem ursprünglichen Kollektiv<br />

die Daten von 3 411 Patienten, die 17<br />

Jahre lang beobachtet worden waren. Die<br />

Studienteilnehmer wurden entsprechend<br />

ihrer HBsAg-Werte in die Kategorien<br />

< 100, 100 – 999 und > 1 000 IU/ml sowie<br />

in Abhängigkeit ihrer HBV-DNA-Titer<br />

in < 10 4 , 10 4 – 10 5 und > 10 5 Kopien/ml<br />

unterteilt (Abb.).<br />

Relatives HCC-Risiko<br />

15<br />

12<br />

13,3<br />

11,1<br />

9<br />

6<br />

5,7 6,1<br />

4,2<br />

5,6<br />

3<br />

2,9<br />

1,0<br />

1,5<br />

0<br />

HBV DNA < 10 4 10 4 – 10 5 > 10 5<br />

HBsAg < 100 100 – 999 > 1000<br />

Abb.: Relative HCC-Inzidenz in Abhängigkeit<br />

von HBV-DNA und HBsAg (modifiziert aus 2)<br />

Die Gruppe mit HBV-DNA unter<br />

10 4 Kopien/ml zeigt insgesamt, wie oben<br />

beschrieben, ein geringes HCC-Risiko. Die<br />

zusätzliche Messung von HBsAg erlaubt<br />

allerdings eine genauere Differenzierung<br />

dieser „low-risk“-Patienten: Gegenüber<br />

einem niedrigen HBsAg-Wert von<br />

< 100 IU/ml (Referenz) beträgt die HCC-<br />

Inzidenz bei mittleren HBsAg-Titern<br />

(100 – 999 IU/ml) das 3-Fache und bei<br />

HBsAg > 1 000 IU/ml das über 5-Fache.<br />

Auch bei mittleren und hohen HBV-<br />

DNA-Konzentrationen erlaubt die zusätzliche<br />

Best<strong>im</strong>mung von HBsAg eine differenziertere<br />

Risikobetrachtung (Abb.).<br />

HBV-DNA und HBsAg sind damit zwei<br />

relevante und unabhängige Prognosefaktoren<br />

für die Entwicklung eines HCC bei<br />

Patienten mit chronischer Hepatitis B.<br />

Die Autoren empfehlen eine quantitative<br />

Erfassung beider Marker – insbesondere<br />

dann, wenn die HBV-DNA niedrig ist.<br />

* REVEAL-Studie: Risk Elevation of Viral Load Elevation<br />

and Associated Liver disease<br />

** ERADICATE-B-Studie: Elucidation of Risk Factors<br />

for Disease Control or Advancement in Taiwanese<br />

Hepatitis B Carriers<br />

Literatur:<br />

1) Chen et al.: JAMA (2006); 295: 65-73<br />

2) Chen et al.: 62nd AASLD (2011); Abstract 1095<br />

3) Tseng et al.: Gastroenterology (2012); 141: 517-525<br />

Dr. Bernd Neufeld<br />

Produktmanagement<br />

Immunologie<br />

0621 759-3640<br />

bernd.neufeld@roche.com<br />

Medizin<br />

Antikoagulation richtig gemacht<br />

„Brisante Fragen an das Gerinnungslabor“<br />

lautet der Titel des jährlichen <strong>Roche</strong><br />

Symposiums be<strong>im</strong> Kongress der Gesellschaft<br />

für Thrombose- und Hämostaseforschung<br />

(GTH). Es ist ein Thema, das<br />

<strong>im</strong>mer wieder brennend interessiert. Die<br />

neuen oralen Antikoagulanzien (NOAC)<br />

sind wohl doch nicht so s<strong>im</strong>pel in der<br />

Anwendung, wie gehofft. Bei den Kombinationstherapien<br />

zur Hemmung der<br />

Thrombozytenfunktion und der plasmatischen<br />

Gerinnung bedarf das höhere Blutungsrisiko<br />

besonderer Beachtung. Die<br />

Testung der Thrombozytenfunktion unter<br />

aggregationshemmender Therapie kann<br />

und sollte besonders nach Koronarinterventionen<br />

<strong>als</strong> diagnostischer und prognostischer<br />

Marker genutzt werden.<br />

Fallstricke der NOAC<br />

Prof. Dr. Schellong aus dem Krankenhaus<br />

Dresden-Friedrichsstadt wies unter<br />

dem Titel „Mit welchen Fallstricken ist<br />

be<strong>im</strong> Einsatz der neuen oralen Antikoagulanzien<br />

zu rechnen?“ unter anderem<br />

auf folgende Missverständnisse hin:<br />

O NOAC seien wirksamer <strong>als</strong> bisherige<br />

Antikoagulanzien<br />

O Unter NOAC blute es weniger <strong>als</strong><br />

unter herkömmlicher oraler Antikoagulation<br />

O NOAC seien ein preiswerter Ersatz für<br />

niedermolekulares Heparin (NMH) in<br />

der ambulanten Medizin<br />

Die Antikoagulation bleibt auch mit den<br />

neuen Wirkstoffen anspruchsvoll. Um<br />

hämorrhagischen oder thromboembolischen<br />

„Unfällen“ vorzubeugen, gilt es,<br />

zahlreiche Aspekte zu beachten. Hierzu<br />

zählt zunächst der indikationsgerechte<br />

Einsatz der Medikamente: Dabigatran,<br />

Rivaroxaban und Apixaban sind für die<br />

Thrombosephrophylaxe bei Hüft- und<br />

Kniegelenksersatz sowie bei nicht valvulär<br />

bedingtem Vorhoffl<strong>im</strong>mern zugelassen,<br />

Rivaroxaban darüber hinaus zur<br />

Therapie bei venöser Thrombose. Von<br />

einem „off-label“-Gebrauch ist unbedingt<br />

abzuraten und ein „no go“ ist die Verordnung<br />

bei mechanischem Herzklappenersatz<br />

und <strong>als</strong> Überbrückungsmedikation<br />

statt der Vitamin K-Antagonisten (VKA)<br />

vor geplanten Operationen.<br />

Für eine sichere Antikoagulation müssen,<br />

genau wie bei den VKA, Patient bzw.<br />

Betreuungsperson zu Therapiebeginn<br />

und danach in regelmäßigen Abständen<br />

<strong>im</strong>mer wieder über die Risiken aufgeklärt<br />

werden. Und ganz praktisch gilt: Die<br />

Patien ten benötigen einen Antikoagulanzien-Pass,<br />

der wie be<strong>im</strong> Marcumarausweis<br />

aus langlebigem Material gefertigt<br />

ist. In der Realität erweist sich der scheinbar<br />

einfache Einsatz der NOAC hinsicht-<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 17


lich Therapiesicherheit schwieriger <strong>als</strong> die<br />

VKA, mit den regelmäßig notwendigen<br />

Kontrollen und den damit verbundenen<br />

Arztkonsultationen.<br />

Wie ist mit NOAC vor elektiven Prozeduren<br />

umzugehen, ohne den Patienten zu<br />

gefährden? Die Erfahrung mit den herkömmlichen<br />

VKA zeigt, dass be<strong>im</strong> antikoagulatorischen<br />

„Bridging“ (zeitweise<br />

Überlappung mit Heparin zum Aus- bzw.<br />

wieder Einschleichen der VKA) nicht die<br />

von allen gefürchtete Thrombose das Problem<br />

ist, sondern die Blutung, insbesondere<br />

am 1. – 3. Tag postoperativ. Patienten<br />

mit NOAC benötigen kein präoperatives<br />

„Bridging“ und die Medikation sollte –<br />

in Abhängigkeit vom Prozedur-bedingten<br />

Blutungsrisiko – frühestens am Tag nach<br />

der Operation neu beginnen. NOAC<br />

haben eine deutlich kürzere Wirkdauer<br />

<strong>als</strong> VKA. Die medizinisch sichere<br />

Beschreibung des antikoagulationsfreien<br />

Intervalls lautet daher: „Letzte Dosis xy<br />

Stunden vor dem Eingriff “ (und nicht „xy<br />

Tage vorher absetzen“).<br />

Notfalleingriffe unter NOAC geraten mitunter<br />

zum Vabanquespiel. Im Gegensatz<br />

zu den VKA existiert kein Antidot! Sind<br />

Operationen wirklich dringlich, bleibt<br />

letztlich nur das Motto „Augen zu und<br />

durch“! Die Anamnese (falls möglich)<br />

kann zur Klärung des aktuellen antikoagulatorischen<br />

Status beitragen: Wann<br />

wurde was zuletzt eingenommen? Mit<br />

dieser Kenntnis lässt sich über die HWZ<br />

der Wirkspiegel abschätzen. Wichtig ist,<br />

prophylaktisch eine Blutprobe zu entnehmen<br />

und zurückzustellen, um gegebenenfalls<br />

später feststellen zu können,<br />

bei welchem Medikamentenspiegel der<br />

Eingriff erfolgte.<br />

Essenziell für den sicheren Umgang mit<br />

den NOAC, dies betonte Schellong mehrfach,<br />

ist die Kenntnis ihrer Pharmakodynamik<br />

und -kinetik, <strong>als</strong>o auf welche Weise<br />

und wie schnell die einzelnen Wirkstoffe<br />

verstoffwechselt werden. Bei niereninsuffizienten<br />

Patienten beispielsweise ist<br />

die Kumulationsgefahr von Xa-Inhibitoren<br />

geringer (30 % renale El<strong>im</strong>ination)<br />

<strong>als</strong> vom Thrombininhibitor Dabigatran<br />

(über 80 % renale El<strong>im</strong>ination). Dabigatran<br />

dagegen ist aufgrund seiner geringen<br />

Proteinbindung dialysierbar, Xa-Hemmer<br />

nicht.<br />

Kombinationstherapien<br />

Was gilt es bei Kombinationstherapien<br />

zu beachten? Diese Frage behandelte der<br />

Vortrag von Prof. Dr. Dempfle aus der<br />

Gerinnungspraxis Mannhe<strong>im</strong>. Kombinationstherapien<br />

– die Verbindung von<br />

Antikoagulation und Aggregationshemmung<br />

– ist häufig erforderlich für<br />

O Patienten mit Vorhoffl<strong>im</strong>mern (VHF)<br />

und Koronarer Herzkrankheit (KHK)<br />

O Patienten mit VHF und Stent<strong>im</strong>plantation<br />

wegen Akutem Koronarsyndrom<br />

(ACS)<br />

Die Einnahme mehrerer Medikamente<br />

mit unterschiedlichen Angriffsorten<br />

innerhalb des Gerinnungssystems erhöht<br />

das Blutungsrisiko. Dies wird bewusst in<br />

<strong>Roche</strong><br />

Kauf genommen, um die erforderlichen<br />

antithrombotischen Effekte zu erzielen.<br />

Bezüglich hämorrhagischem Risiko bei<br />

Verwendung der NOAC statt der VKA ist<br />

die Datenlage derzeit eher dünn. Bekannt<br />

ist ein geringeres Blutungsrisiko bei Dabigatran<br />

+ Aggregationshemmer verglichen<br />

mit der Kombination aus VKA und<br />

Plättcheninhibitoren. Für Rivaroxoban,<br />

Apixaban und Edoxaban liegen keine<br />

diesbezüglichen Daten vor. Die zentrale<br />

Frage „Wie lange müssen Patienten mit<br />

einer Kombinationstherapie behandelt<br />

werden?“ ist zurzeit ebenfalls nicht definiert.<br />

Die wenig konkrete Anwendungsformel<br />

lautet daher: So lange wie nötig,<br />

so kurz wie möglich.<br />

Das jeweilige Blutungsrisiko addiert sich<br />

<strong>im</strong>mer aus den therapiebedingten Faktoren<br />

Intensität und Dauer der Antikoagulation<br />

(mehr Blutungsereignisse zu Therapiebeginn)<br />

mit patientenindividuellen<br />

Gegebenheiten, wie:<br />

O Qualität der Einstellung (Compliance,<br />

Kontroll-Disziplin, Aufklärungsstatus)<br />

O Alter<br />

O Sturzgefahr<br />

O Genetische Faktoren<br />

O Alkoholkonsum<br />

O Leberfunktionsstörung („Spontan-<br />

Quick“ vermindert)<br />

O Vit. K-Mangel<br />

O Herzinsuffizienz<br />

O Thrombozytopenie<br />

O Einnahme von nicht steroidalen Entzündungshemmern<br />

(Ibuprofen, Diclofenac,<br />

…) oder Ginko-Präparaten<br />

Es gibt Scores zur Abschätzung der individuellen<br />

Blutungsgefährdung, in der<br />

auch oben genannte Faktoren Anwendung<br />

finden.<br />

Intrakranielle Blutungen sind besonders<br />

gefürchtet. Auslöser dafür können sein<br />

O Hypertensive Krise<br />

O Kopfverletzung<br />

O Aneurysma-Ruptur<br />

O Mikroangiopathie<br />

O Tumor bzw. Metastasen <strong>im</strong> Gehirn<br />

O Best<strong>im</strong>mte Begleitmedikamente<br />

Sollen Patienten mit kombinierter Antikoagulation<br />

bezüglich Therapieintensität<br />

abgeklärt werden (z.B. bei Blutungen<br />

oder präoperativ) ist – je nach Antikoagulanz<br />

– ein unterschiedliches Vorgehen<br />

erforderlich:<br />

18<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


O Unter VKA dient der INR-Wert zur<br />

Beurteilung der aktuellen Gerinnungshemmung.<br />

O Die NOAC benötigen definitionsgemäß<br />

keine Wirkungskontrolle, in<br />

dezidierten klinischen Situationen<br />

(siehe oben) sollten jedoch die Nieren-<br />

und Leberparameter gemessen<br />

werden. NOAC beeinflussen die Globaltests<br />

der Gerinnung unspezifisch<br />

und wirkstoff individuell. Soll unter<br />

Einnahme von NOAC das Hämostasepotenzial<br />

des Patienten abgeschätzt<br />

werden, muss die Blutabnahme dafür<br />

<strong>im</strong> T<strong>als</strong>piegel der NOAC erfolgen.<br />

Zusätzlich ist die Messung des Wirkstoffspiegels<br />

erforderlich, sonst sind<br />

die Ergebnisse der Gerinnungstests<br />

nicht interpretierbar.<br />

Die Einschätzung der pr<strong>im</strong>ären Hämostase<br />

gelingt mit der Thrombozytenzahl<br />

und geeigneten Thrombozytenfunktionstests.<br />

Thrombozytenfunktionstests – wann?<br />

Dr. Sibbing von der Medizinischen Klinik<br />

und Poliklinik I der Ludwig Max<strong>im</strong>ilians<br />

Universität richtete den Fokus<br />

seines Vortrags „Thrombozytenfunktionsdiagnostik<br />

– (wann) ist ein Monitoring<br />

sinnvoll?“ auf ein Thema mit<br />

hoher Aktualität und Bedeutung: die<br />

Koronarinterventionen.<br />

In der Pathogenese eines ACS spielen die<br />

vermehrte Aktivierung und Aggregation<br />

der Blutplättchen eine zentrale Rolle.<br />

Patienten erhalten daher Plättcheninhibitoren<br />

gegebenenfalls in Kombination<br />

mit einer Stenteinlage zur mechanischen<br />

Erweiterung verengter Gefäßbereiche.<br />

Das Medikament der Wahl ist häufig Clopidogrel,<br />

ein ADP Rezeptorantagonist. Er<br />

verhindert irreversibel die Bindung von<br />

ADP an seinen spezifischen Rezeptor<br />

P2Y12 <strong>als</strong> Voraussetzung für die Plättchenaktivierung.<br />

Clopidogrel hat – bei<br />

etlichen Pluspunkten gegenüber anderen<br />

Wirkstoffen – einen „Makel“: Die Verstoffwechslung<br />

zum aktiven Metaboliten<br />

ist komplex, daraus resultieren interindividuelle<br />

Dosis-Wirkungs-Schwankungen.<br />

Etwa bei jedem fünften Patienten reicht<br />

die Standarddosierung Clopidogrel nicht<br />

aus („low-responder“ und „non-responder“)<br />

(Zechmeister et al.: Clin Res Cardiol<br />

(2010); 99, Suppl : V 1728). Sibbing fasste<br />

die Daten aus vielen Studien folgendermaßen<br />

zusammen:<br />

O Das Risiko einer Re-Stenose nach<br />

Stenteinlage ist unter Clopidogrel bei<br />

low- oder non-respondern eindeutig<br />

höher <strong>als</strong> bei normal reagierenden<br />

Patienten.<br />

O Die Kontrolle der Clopidogrel-Wirksamkeit<br />

mittels Thrombozytenfunktionsmessung<br />

ist sowohl diagnostisch<br />

<strong>als</strong> auch prognostisch hochrelevant.<br />

Die Rate an Re-Stenosen und anderen<br />

schweren kardialen Komplikationen<br />

30 Tage (Endpunkt der meisten<br />

Studien) nach Stentintervention ist<br />

statistisch hochsignifikant verschieden.<br />

Low- und non-responder sollten<br />

daher eine angepasste Clopidogrel-<br />

Dosierung oder alternative Aggregationshemmer<br />

erhalten.<br />

Bei der Therapie mit VKA dienen die<br />

INR-Bereiche <strong>als</strong> therapeutisches Fenster.<br />

Die Definition allgemein gültiger<br />

therapeutischer Bereiche wäre auch für<br />

die P2Y12-Antagonisten wünschenswert,<br />

ist aber derzeit nicht realisiert.<br />

Immerhin gibt es für Patienten nach<br />

Stenteinlage unter Clopidogrel-Therapie<br />

einen validierten anzustrebenden therapeutischen<br />

Bereich, wenn die Kontrollmessungen<br />

mit dem MultiplateT Analyzer<br />

erfolgen: AUC (Area under the curve)<br />

19 – 47.<br />

Eine spannende Frage ist, ob sich die<br />

Thrombozytenfunktionsmessung zur<br />

Steuerung einer individualisierten aggregationshemmenden<br />

Therapie eignet.<br />

Einige (große) Studien (GRAVITAS,<br />

ARTIC) dazu geben eine scheinbar eindeutige<br />

Antwort: Nein! Die Diskussion<br />

darüber ist dennoch in vollem Gange. Es<br />

gibt etliche Kritikpunkte an den Studiendesigns,<br />

z.B. bezüglich der untersuchten<br />

Kollektive und der dort verwendeten<br />

Plättchenfunktionstests. Offensichtlich<br />

gibt es relevante Unterschiede in der Eignung<br />

kommerzieller Testsysteme für die<br />

individuelle Therapiesteuerung mit Plättcheninhibitoren.<br />

Denn Pilotstudien unter<br />

Verwendung des spezifisch messenden<br />

MultiplateT Analyzers sind vielversprechend.<br />

Es gilt jetzt, die ersten positiven<br />

Ergebnisse in größeren, randomisierten<br />

Untersuchungen mit genau definierten<br />

Kollektiven (z.B. ACS-Patienten mit<br />

Stentinterventionen) zu verifizieren. Für<br />

Sibbing ist das letzte Wort bei der individualisierten<br />

plättchenhemmenden Therapie<br />

noch nicht gesprochen!<br />

Last but not least könnte die Thrombozytenfunktionsdiagnostik<br />

auch für ein<br />

Langzeitmonitoring sinnvoll sein. Beispielsweise<br />

stellt sich die Frage, ob ein<br />

ACS-Patient potentere Plättchenhemmer<br />

(Prasugrel, Ticagrelor) <strong>als</strong> Clopidogrel<br />

wirklich über 12 Monate benötigt.<br />

Diese neuen Wirkstoffe sind nicht nur<br />

teurer, sie induzieren aufgrund ihrer<br />

stärkeren Aggregationshemmung vor<br />

allem ein deutlich höheres Blutungsrisiko.<br />

Ein Alternativkonzept könnte sein,<br />

<strong>im</strong> Anschluss an die akute Phase nach<br />

Stenteinlage auf Clopidogrel und ein<br />

regelmäßiges Monitoring umzustellen.<br />

Auch dieser Hypothese müssen geeignete<br />

Studien nachgehen.<br />

GTH 2014<br />

Das GTH-Symposium hat einige Antworten<br />

gegeben, viele „brisante Fragen“ <strong>im</strong><br />

Kontext antikoagulatorischer und aggregationshemmender<br />

Therapien aber sind<br />

weiterhin offen oder stellen sich neu. Das<br />

Symposium ist daher auch für die GTH<br />

2014 in Wien fest eingeplant.<br />

Dr. Christine<br />

Hettmann-Dreuw<br />

Produktmanagement<br />

Gerinnung<br />

0621 759-2392<br />

christine.hettmann-dreuw<br />

@roche.com<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 19


Produkte & Services<br />

Stolpersteine der Präanalytik – Teil II<br />

Fehler komplizieren den Ablauf der Invitro-<strong>Diagnostik</strong><br />

(IVD). Überflüssige<br />

Laboruntersuchungen, Nachmessungen,<br />

verzögerte oder unplausible Befundübermittlungen<br />

sind mögliche Folgen. Manche<br />

Fehler passieren offenkundig in der präanalytischen<br />

Phase: Beispielsweise lässt<br />

sich ein Röhrchen nicht eindeutig einem<br />

Patienten zuordnen oder das Probenmaterial<br />

ist von zweifelhafter Qualität. In solchen<br />

Fällen müssen verantwortungsvolle<br />

Labormitarbeiter die Analyse der Probe<br />

zurückweisen. Doch wo liegt der Fehler,<br />

wenn bereits gemessene Werte nicht<br />

nachvollziehbar sind? Diese Fragestellung<br />

führt häufig zu Reklamationen be<strong>im</strong><br />

Kundenservice Center (KSC) von <strong>Roche</strong><br />

<strong>Diagnostics</strong>. Hier gilt es, zusammen mit<br />

dem Anwender, systematisch und akribisch<br />

den gesamten IVD-Prozess zu<br />

betrachten. Wenn die analytische Phase<br />

unauffällig ist, was sehr häufig die Vor-<br />

Ort-Überprüfung durch den Technischen<br />

Außendienst benötigt, gerät die Präanalytik<br />

mit ihren zahlreichen Stolpersteinen*<br />

in Verdacht. Reale Beispiele aus der<br />

Reklamationsbearbeitung der Klinischen<br />

Chemie und Immunologie zeigen, wie<br />

„detektivisch“ manchmal zur Ursachenfindung<br />

vorgegangen werden muss.<br />

Unspezifisch reaktive HBsAg-Werte<br />

Reklamation: Vermehrtes Auftreten<br />

unplausibel reaktiver Messergebnisse<br />

bei ElecsysT HBsAg II <strong>im</strong> Cut-off-nahen<br />

Bereich.<br />

Die weitere Befragung ergab:<br />

O Die Blutentnahme erfolgte mit Gelröhrchen<br />

O Bei genauer Betrachtung fielen „Fettschlieren“<br />

auf der Serumoberfläche auf<br />

Auflösung: Nach einer ausführlichen<br />

Systemprüfung vor Ort wurde auch die<br />

Lagerung der Gelröhrchen gesichtet. Es<br />

zeigte sich eine direkte Sonnenbestrahlung<br />

der Röhrchen; die Temperatur <strong>im</strong><br />

Raum betrug über 30° C. Dadurch trat<br />

Öl aus dem Gel aus und kontaminierte<br />

Proben und Geräte.<br />

Zu beachten ist: Blutentnahmeröhrchen,<br />

besonders Gelröhrchen, bei Raumtempe-<br />

ratur (18 – 25° C) lagern und <strong>im</strong>mer auch<br />

die weiteren Herstellerempfehlungen einhalten.<br />

Folgen:<br />

O Vernichtung des gesamten Vorrats an<br />

Gelröhrchen<br />

O Wegen der erfolgten Systemkontamination<br />

komplette, aufwendige Reinigung<br />

des cobas e 411 Systems durch<br />

den <strong>Roche</strong> Service. Danach unauffällige<br />

HBsAG II-Werte.<br />

F<strong>als</strong>ch reaktive Personalproben<br />

Reklamation: Unerklärlich viele Proben<br />

von Mitarbeitern eines Krankenhauses<br />

zeigten positive Werte mit den ElecsysT<br />

Tests HIV combi, HCV und weiteren<br />

Infektionsparametern.<br />

Die weitere Befragung ergab:<br />

O Im Krankenhaus fand eine Reihenuntersuchung<br />

des Person<strong>als</strong> statt. Die<br />

Mitarbeiter brachten ihre Serum-Proben<br />

persönlich ins hauseigene Labor.<br />

O Zur kurzfristigen Analytik wurden die<br />

Proben sofort zentrifugiert.<br />

Auflösung: Die Zeitspanne zwischen Blutentnahme<br />

und Zentrifugation betrug<br />

weniger <strong>als</strong> 30 Minuten, damit wurde die<br />

notwendige Zeit zur vollständigen Gerinnung<br />

von Serumproben unterschritten.<br />

Zu beachten ist: Serumproben müssen<br />

zur vollständigen Gerinnung mindestens<br />

30 Minuten bei Raumtemperatur stehen<br />

und dürfen erst anschließend zentrifugiert<br />

werden. Bei vielen Immunoassays<br />

bindet Fibrin unspezifisch an den Antikörper<br />

und generiert f<strong>als</strong>ch reaktive<br />

Ergebnisse.<br />

Wiederholt unplausible HIV-Werte<br />

Reklamation: Das Labor erhielt aus einer<br />

Serumprobe ein wiederholt reaktives<br />

HIV-Ergebnis mit ElecsysT HIV combi.<br />

Das Ergebnis war klinisch nicht plausibel,<br />

daher wurde die Qualität der Messmethode<br />

angezweifelt.<br />

Die weitere Befragung ergab:<br />

O Es handelte sich um einen Patienten,<br />

der mit unfraktioniertem Heparin<br />

antikoaguliert wurde.<br />

O Die Serumprobe, über Leistenzugang<br />

entnommen, war eine Stunde später<br />

<strong>im</strong> Labor und wurde dort routinemäßig<br />

zentrifugiert.<br />

O Die erste Messung etwa zwei Stunden<br />

nach Blutentnahme ergab einen reaktiven<br />

HIV-Wert, ebenso die Nachmessung<br />

80 Minuten später nach nochmaliger<br />

Zentrifugation.<br />

O Außer dem Serumröhrchen war auch<br />

Heparinplasma dieses Patienten verfügbar.<br />

<strong>Roche</strong><br />

20<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


Auflösung: Das alternative Probenmaterial<br />

wurde ebenfalls mit ElecsysT HIV<br />

combi getestet. Das Ergebnis war negativ<br />

und passte zur Klinik und den Vorwerten.<br />

Grund der f<strong>als</strong>ch positiven HIV-Werte<br />

war vermutlich eine Nachgerinnung der<br />

Serumprobe <strong>im</strong> Analysensystem, ausgelöst<br />

durch die Antikoagulation des<br />

Patien ten kurz vor der Blutentnahme. Das<br />

verhinderte die quantitative Gerinnung<br />

<strong>im</strong> Serumröhrchen innerhalb der normalen<br />

Zeitspanne. Unspezifische Bindungen<br />

zwischen Fibrinfäden und Testantikörpern<br />

generierten reaktive Ergebnisse.<br />

Zu beachten ist:<br />

O Bei Patienten mit Hämorrhagien oder<br />

unter Antikoagulantientherapie ist die<br />

Gerinnung oft so verzögert, dass es zu<br />

einer Nachgerinnung <strong>im</strong> Analysensystem<br />

kommt.<br />

O Kann die für eine korrekte Serumanalytik<br />

notwendige Gerinnungszeit nicht<br />

eingehalten werden (z.B. Notfälle oder<br />

Proben antikoagulierter Patienten),<br />

empfiehlt sich die Verwendung von<br />

Heparinplasma. Dieses ist aufgrund<br />

des zugesetzten Gerinnungshemmers<br />

sofort zentrifugierbar.<br />

O Sichtbare Gerinnsel und Fibrinfäden<br />

sind manuell mittels „Häkelnadel“ aus<br />

der Probe zu entfernen.<br />

O Kleine Gerinnsel oder Gerinnsel, die<br />

sich <strong>im</strong> Analysensystem bilden, entgehen<br />

der Clot-Detektion.<br />

O Fibrinfäden <strong>im</strong> Probenüberstand<br />

interferieren auch mit Parametern der<br />

Klinischen Chemie, wobei generell die<br />

Parameter häufig betroffen sind, die<br />

zuerst analysiert werden.<br />

litätskontroll-Labor von <strong>Roche</strong><br />

<strong>Diagnostics</strong>.<br />

Auflösung: Die Versuchsreihen wiesen<br />

erstens nach, dass die Proben aus dem<br />

reklamierenden Labor kaum Glukose<br />

enthalten und zweitens, dass nur Proben<br />

eines einzelnen Einsenders betroffen<br />

waren. Diese Praxis schickt Vollblutproben<br />

auf dem Postweg ins Labor. Die<br />

zu lange Transportzeit begünstigt einen<br />

Abbau der Glukose, was letztendlich die<br />

Messung der GPT stört.<br />

Zu beachten ist: Bedingt durch den Abbau<br />

der Glukose während des längeren Posttransports<br />

reichert sich <strong>als</strong> Abbauprodukt<br />

der Glykolyse Pyruvat in der Probe<br />

an. Bei der Analytik der GPT entsteht<br />

<strong>als</strong> Zwischenprodukt Pyruvat, das von<br />

LDH zu L-Lactat und NAD+ umgesetzt<br />

wird. In den fraglichen Proben war die<br />

Anfangskonzentration des Pyruvats für<br />

nach der Blutentnahme ein – die Glykolyse<br />

und damit der Abbau der Glukose<br />

beispielsweise bereits eine halbe Stunde<br />

nach Abschluss der Gerinnung. Nach<br />

vier Stunden Raumtemperatur hat die<br />

Glukosekonzentration um ca. 7 % abgenommen<br />

1, 2) .<br />

Kalium f<strong>als</strong>ch zu hoch – Fall 1<br />

Reklamation: Der Kaliumwert eines Patienten<br />

aus der Notaufnahme war mit<br />

6,9 mmol/l eindeutig pathologisch (Norm<br />

3,6 – 4,8 mmol/l), bei der Folgeuntersuchung<br />

nach stationärer Aufnahme aber<br />

normal.<br />

Die weitere Befragung ergab:<br />

O Die Blutentnahme in der Notfallaufnahme<br />

gestaltete sich schwierig, eine<br />

längere Stauung und das „Pumpen<br />

mit der Faust“ waren erforderlich.<br />

O Eine Hämolyse war nicht erkennbar.<br />

Linearitätsfehler GPT<br />

Reklamation: In einem Privatlabor wurden<br />

normale GPT (ALTPM)-Werte am<br />

cobas c 701 des Öfteren mit einem Linearitätsfehler<br />

markiert (LIN Flag), was<br />

<strong>im</strong>mer eine Wiederholungsmessung zur<br />

Folge hatte.<br />

die GPT Messung zu hoch und löste den<br />

Datenalarm „> Lin“ aus, <strong>als</strong> Zeichen dafür,<br />

dass die Reaktionskinetik (Änderung der<br />

Extinktion) nicht dem erwarteten Verlauf<br />

entsprach. Die Messung wird daraufhin<br />

mit dem ursprünglichen Probevolumen<br />

wiederholt.<br />

Vollblutproben sollten möglichst rasch<br />

<strong>im</strong> Labor ankommen, es empfiehlt sich<br />

der Transport mit einem Kurier. Besonders<br />

bei höheren Temperaturen setzen<br />

In-vitro-Abbauprozesse sehr schnell<br />

Auflösung: Aufgrund des normalen Folgewertes<br />

und der geschilderten Blutentnahmebedingungen<br />

in der Notfallaufnahme,<br />

ist von einer Pseudohyperkaliämie<br />

dieses Patienten aufgrund f<strong>als</strong>ch erhöhter<br />

Kaliumwerte <strong>im</strong> Abnahmeröhrchen auszugehen.<br />

Zu beachten ist: Auch bei optisch unauffälligen<br />

Proben kann bereits eine Hämolyse<br />

(Hb < 300mg/l) vorliegen. Dadurch<br />

tritt vermehrt Kalium aus den Erythrozyten<br />

in die Extrazellulärflüssigkeit, es<br />

Folgen:<br />

O Ein <strong>Roche</strong> Techniker führte eine<br />

komplette Systemüberprüfung durch:<br />

Austausch von Fotometerlinse und<br />

Ultraschallmischer sowie Spülung<br />

des Gerätes. Die Fehlerursache blieb<br />

unbekannt.<br />

O Es liefen Versuchsreihen sowohl<br />

<strong>im</strong> Kundenlabor <strong>als</strong> auch <strong>im</strong> Quacorbis<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 21


esultieren f<strong>als</strong>ch zu hohe Kaliumwerte.<br />

Sehr häufig ist eine unsachgemäße Blutentnahme<br />

die Ursache:<br />

O zu langes Stauen (> 1 Minute),<br />

O Pumpen mit der Faust (erhöhte<br />

Muskelaktivität),<br />

O zu schnelle Aspiration durch zu kleinlumige<br />

Kanülen<br />

Auch wenn Vollblut vor der Zentrifugation<br />

zu lange steht, zerfallen Erythrozyten.<br />

Kalium f<strong>als</strong>ch zu hoch – Fall 2<br />

Reklamation: Der hochpathologische<br />

Kaliumbefund (9,5 mmol/l) eines ansprechbaren<br />

und gehfähigen Patienten<br />

war nicht plausibel.<br />

Die weitere Befragung ergab:<br />

O Die Probe zeigte keine Anzeichen<br />

einer Hämolyse.<br />

O Die Blutentnahme war komplikationslos.<br />

O Die Probe war am Vortag abgenommen<br />

und von einem Pfleger auf der<br />

Station <strong>im</strong> Kühlschrank aufbewahrt<br />

worden, um sie am nächsten Morgen<br />

ins Labor zu senden.<br />

Auflösung: Kühlung hemmt den Erythrozyten-Stoffwechsel.<br />

Dadurch ist Kalium<br />

aus den Erythrozyten ins Serum ausgetreten,<br />

ohne sichtbare Beschädigung der<br />

Zellen.<br />

Zu beachten ist: Die Natrium-Kalium-<br />

ATPase an der Zellwand der Erythrozyten<br />

reguliert den physiologischen Konzentrationsgradienten<br />

zwischen extrazellulärem<br />

Natrium und intrazelluläre Kalium.<br />

Sie wird durch Kühlung gehemmt. Daher<br />

darf man Vollblut nie <strong>im</strong> Kühlschrank<br />

aufbewahren, die Hämolyse setzt bereits<br />

kurzfristig ein! Bei Kenntnis dieser Probenhistorie<br />

hätte das Labor die Analytik<br />

zurückgewiesen und damit Zeit und Kosten<br />

gespart.<br />

Das Labor muss seine Einsender kontinuierlich<br />

darauf hinweisen, Abweichungen<br />

von der normalen Probennahme<br />

und -behandlung unbedingt mitzuteilen,<br />

ebenso wie „Besonderheiten“ des Patienten<br />

(z.B. Geschlecht, Ethnie, Nüchternzustand<br />

oder nicht, Alkohol-/ Drogenkonsum).<br />

Diese Informationen sind auf dem<br />

Anforderungsschein oder der Probe zu<br />

vermerken.<br />

F<strong>als</strong>ch niedriges CRP<br />

Reklamation: Sporadisch beanstandeten<br />

Kliniker vom Labor freigegebene, sehr<br />

niedrige (nahe Null) CRP-Werte, gemessen<br />

aus Gelröhrchen, <strong>als</strong> nicht plausibel.<br />

Auflösung: Be<strong>im</strong> Vorgang der Probenpipettierung<br />

wurde auch ein winziges<br />

Gelteilchen aspiriert, was die aufgenommene<br />

Probenmenge reduzierte. Die CRP-<br />

Best<strong>im</strong>mung lief praktisch ohne Probe,<br />

daher die Werte <strong>im</strong> Nullbereich.<br />

Folge: Wartung und Reinigung des gesamten<br />

Systems durch Techniker von <strong>Roche</strong><br />

<strong>Diagnostics</strong>.<br />

Zu beachten ist: Diese Fehlerquelle betrifft<br />

vor allem Test mit geringen Probenmengen<br />

(≤ 3 µl). Das System löst keinen Clot-<br />

Alarm aus, solange ein Gelteilchen (oder<br />

auch ein Mikrogerinnsel) größenmäßig<br />

unterhalb einer Toleranzschwelle liegt.<br />

Die Kontamination mit dem adhäsiven<br />

Gel kann auch die ISE-Schläuche oder die<br />

Außenseite der Probennadel betreffen.<br />

Daher sind insbesondere bei Verwendung<br />

von Gelröhrchen folgende Maßnahmen<br />

essenziell bzw. hilfreich:<br />

O korrekte Handhabung der Röhrchen<br />

unter Befolgung der Herstellerangaben<br />

(Zentrifugationsgeschwindigkeit<br />

und -dauer, Lagertemperatur, etc.)<br />

O tägliche, manuelle Reinigung der<br />

Nadel mit Wasser und einem fuselfreien<br />

Tuch. Falls äußere Reinigungsmaßnahmen<br />

das Problem nicht<br />

beseitigen, ist gegebenenfalls ein<br />

Nadeltausch in Erwägung zu ziehen.<br />

O Bei geringen Probevolumina Sekundärröhrchen<br />

verwenden<br />

Auswege?<br />

Die sensible präanalytische Phase außerhalb<br />

des Labors lässt sich nicht automatisieren.<br />

Deshalb setzt die für ein richtiges<br />

Patientenergebnis notwendige Prozessqualität<br />

voraus, dass<br />

O alle Beteiligten die erforderlichen<br />

Richtlinien kennen und befolgen<br />

O Abweichungen vom Standardprozess<br />

und andere Besonderheiten dem<br />

Labor mitgeteilt werden.<br />

Das Labor sollte die Verantwortung<br />

übernehmen, seine Einsender /Anforderer<br />

<strong>im</strong>mer wieder auf die „Stolpersteine<br />

der Präanalytik“ hinzuweisen, und es<br />

sollte notwendige Zusatzinformationen<br />

zur Probe einfordern. Zweifelhafte Proben<br />

dürfen – zum Wohle des Patienten<br />

und zur Vermeidung unnötiger Kosten –<br />

grundsätzlich nicht analysiert werden.<br />

Die präanalytische Phase innerhalb des<br />

Labors befindet sich dagegen auf dem<br />

Weg der zunehmenden Automatisierung.<br />

Das macht etliche Fehlerquellen, die sich<br />

einer visuellen Beurteilung entziehen,<br />

transparent und vermeidbar. Flexible prä-<br />

(und post-) analytische Systeme stehen<br />

heute für ein breites Spektrum an Probenaufkommen<br />

und für unterschiedliche<br />

Anforderungen zur Verfügung. Sie bieten<br />

echten Mehrwert für die Sicherheit von<br />

Patientenergebnissen. Wir setzen unsere<br />

Artikelreihe zur Präanalytik in der nächsten<br />

Ausgabe von „<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong>“<br />

mit einem Ausflug in die vollautomatisierte<br />

Prä- und Postanalytik fort.<br />

*s. Artikel „Stolpersteine der Präanalytik“, <strong>Diagnostik</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> 39, Ausgabe 2/2013<br />

Literatur:<br />

1) Bruns DE, Knowler WC: Clin Chem (2009); 55: 5<br />

2) Koschinsky T, Luppa PB: J Lab Med (2012): 36<br />

(3): 159-163<br />

Claudia Storm<br />

Produktmanagement<br />

Klinische Chemie<br />

0621 759-8799<br />

claudia.storm@roche.com<br />

22<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


Labororganisation<br />

Pathologien profitieren von 35 Jahren Erfahrung<br />

Fortschritte be<strong>im</strong> Verständnis von physiologischen<br />

und pathophysiologischen Prozessen<br />

ermöglichen, insbesondere in der<br />

Onkologie, eine zunehmend differenzierte<br />

<strong>Diagnostik</strong> und Therapie. Pathologien<br />

spielen hierbei eine zentrale Rolle, denn<br />

der pathologische Befund ist oft Basis<br />

einer individualisierten Behandlung.<br />

Demzufolge sehen sich Pathologien mit<br />

stetig steigendem Probenaufkommen<br />

sowie neuen diagnostischen Methoden<br />

(Immunhistochemie, Molekulargenetik)<br />

und Markern konfrontiert. Die Komplexität<br />

der Arbeitsprozesse steigt und damit<br />

auch die Anforderungen an das Qualitätsmanagement.<br />

Um die Leistungsstärke und<br />

Wirtschaftlichkeit eines pathologischen<br />

Instituts für die Zukunft sicherzustellen,<br />

müssen diese Herausforderungen bewältigt<br />

werden. Die ConsulabT – Beratung für<br />

die <strong>Diagnostik</strong> bietet seit kurzem auch<br />

Pathologien ihre Unterstützung bei Workflow-,<br />

Schwachstellen- und Benchmark-<br />

Analysen an.<br />

Seit über 35 Jahren berät die ConsulabT<br />

medizinische Labore mit dem Ziel,<br />

Mensch, Technik, Zeit und Raum zu einer<br />

harmonischen, leistungsfähigen Einheit<br />

zusammenzuführen. Dadurch entwickelte<br />

sie <strong>im</strong> Bereich Labororganisation<br />

einen enormen Fundus an Markterfahrung<br />

und methodischem Wissen. Viele<br />

Labore haben bereits die Dienstleistungen<br />

der ConsulabT angenommen, um in<br />

dem sich ständig verändernden Umfeld<br />

der Labormedizin gut zu bestehen. Vor<br />

rund 18 Monaten hat die ConsulabT ihre<br />

ersten Schritte in pathologische Institute<br />

unternommen und kann jetzt fünf erfolgreiche<br />

Pilotprojekte verzeichnen. Weitere<br />

Projekte sind in Bearbeitung.<br />

Handlungsoptionen identifizieren<br />

Der methodische Ansatz der Prozessberatung,<br />

der sich <strong>im</strong> Bereich der Labormedizin,<br />

Mikrobiologie und Transfusionsmedizin<br />

vielfach bewährt hat, wurde an die<br />

spezifischen Bedürfnisse und Besonderheiten<br />

des pathologisch-histologischen<br />

Labors angepasst und in einer Pilotphase<br />

erprobt. Zu beachten ist z.B., dass in der<br />

Gewebediagnostik noch viele manuelle<br />

Schritte existieren. Die zur Kompen-<br />

sation notwendige Automatisierung<br />

lässt sich jedoch aufgrund räumlicher<br />

Strukturen oftm<strong>als</strong> schwer umsetzen.<br />

Dagegen gilt wie bei allen Einsätzen der<br />

ConsulabT auch für Pathologien:<br />

O Im ersten Schritt Transparenz über<br />

die Ist-Situation schaffen<br />

O Im zweiten Schritt Opt<strong>im</strong>ierungsvorschläge<br />

unter Nutzung von Standardisierungsmöglichkeiten<br />

und IT-Lösungen<br />

entwickeln.<br />

Im Einzelnen umfasst das Leistungspaket<br />

„Workflowanalyse und Neukonzeption“<br />

für die Pathologie folgende Punkte:<br />

O Beobachtung und Prozessanalyse vor<br />

Ort, inklusive Raumsituation und<br />

Laufwege zwischen einzelnen Arbeitsbereichen<br />

O Datenerhebung zum Probenaufkommen<br />

(Material, Blöcke, Objektträger)<br />

sowie zur Mitarbeiter- und Geräteanzahl<br />

O Personal- und Geräte-Benchmarking<br />

bei der Probenbearbeitung<br />

O Transparente, grafische Ist-Darstellung<br />

aller Laborabläufe inklusive<br />

Schwachstellenanalyse<br />

Knochenmaterial Biopsien Zytologie Schnellschnitt<br />

Einlegen in<br />

EDTA<br />

Material<br />

weich?<br />

Material-<br />

Barcode<br />

einscannen<br />

Kapseln<br />

vorbereiten<br />

Einkapseln<br />

Material-<br />

Barcode<br />

einscannen<br />

Kapseln<br />

vorbereiten<br />

Einkapseln<br />

Nummernzettel<br />

mit Auftragsnummer<br />

in<br />

Kapsel legen<br />

Dokumentation<br />

Kapselanzahl<br />

auf Antrag<br />

Abb. 1: Beispielhafter Ausschnitt aus einer Workflowdarstellung in der Pathologie<br />

<strong>Roche</strong><br />

Sortierung<br />

der Aufträge<br />

Molekulare<br />

Pathologie<br />

Kapseln<br />

vorbereiten<br />

Makroschnitt<br />

und großer<br />

Zuschnitt<br />

Material-<br />

Barcode<br />

einscannen<br />

Kapseln<br />

vorbereiten<br />

Areale festlegen<br />

und zuschneiden<br />

durch Arzt<br />

Diktat<br />

Makroskopie<br />

Einkapseln<br />

durch MTA<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 23


O Vorschlag opt<strong>im</strong>ierter Konzepte unter<br />

Berücksichtigung der tatsächlichen<br />

Machbarkeit (Soll-Konzept)<br />

O Raumplanung für Neukonzepte<br />

O Personalbedarfsplanung<br />

Als exzellentes „Werkzeug“ innerhalb der<br />

Ist-Analyse hat sich die grafische Darstellung<br />

der Laborabläufe erwiesen (Beispiel<br />

Abb. 1).<br />

Gemäß dem Sprichwort „Ein Bild sagt<br />

mehr <strong>als</strong> tausend Worte“ fördert oftm<strong>als</strong><br />

nur die Visualisierung von Gesamtprozessen<br />

Schwachstellen zutage – etwa,<br />

wo aufgrund historisch gewachsener<br />

Strukturen, Redundanzen und Engpässe<br />

entstanden sind. Diese objektive Transparenz<br />

ist Grundlage zur Aufarbeitung<br />

gefühlter, vielleicht sogar emotional<br />

belasteter „Bremsklötze“ und macht<br />

deutlich, wie sich punktuelle Veränderungen<br />

in der Prozesskette auswirken<br />

Abb. 2a<br />

60 000<br />

Anzahl<br />

50 000<br />

40 000<br />

30 000<br />

20 000<br />

10 000<br />

0<br />

Abb. 2b<br />

140 000<br />

120 000<br />

100 000<br />

80 000<br />

60 000<br />

40 000<br />

20 000<br />

0<br />

Anzahl<br />

KH 1<br />

Blöcke/MTA<br />

KH 2<br />

KH 3<br />

KH 4<br />

KH 5<br />

Blöcke/Ausgießstation<br />

OT/MTA<br />

KH 6<br />

KH 7<br />

könnten. Die Ist-Grafik liefert Ansätze<br />

für Alternativ-Konzepte und dient der<br />

Ermittlung von Stellhebeln zur Profitabilitätserhöhung.<br />

Aus den Pilotprojekten ergaben sich z.B.<br />

folgende Handlungsoptionen<br />

O Integration der Knochenbearbeitung<br />

in das Hauptlabor<br />

O Konsolidierung und Automatisierung<br />

der Spezialfärbungen<br />

O Opt<strong>im</strong>ierung der Laufwege durch<br />

geänderte Stellplätze von Geräten<br />

Die Ist-Aufnahme berücksichtigt <strong>im</strong><br />

Übrigen auch akkreditierungskritische<br />

Punkte, die <strong>im</strong> Rahmen einer Neukonzeption<br />

akkreditierungsfähig umgesetzt<br />

werden können. Ein optionales Angebot<br />

der ConsulabT ist – in Kooperation mit<br />

Henker Consulting Reutlingen – eine<br />

spezielle Akkreditierungsunterstützung.<br />

Diese umfasst die Bereitstellung eines<br />

OT/Arzt<br />

Schnitte/Mikrotom<br />

Priv. Inst. 1<br />

Priv. Inst. 1<br />

Priv. Inst. 2<br />

Priv. Inst. 2<br />

Priv. Inst. 3<br />

Priv. Inst. 3<br />

Abb. 2: Beispielhafte Benchmarking-Diagramme der ConsulabT<br />

a) Anzahl Block- und Objektträger (OT)-Herstellung (OT) pro MTA und Jahr sowie Anzahl befundeter<br />

Objektträger pro Arzt und Jahr.<br />

Interpretation: Das untersuchte Pathologielabor (Uni 4) hat eine unterdurchschnittliche Personalauslastung,<br />

bedingt durch mehrere Außenstellen.<br />

b) Anzahl Blöcke pro Ausgießstation und Jahr sowie Anzahl Schnitte pro Mikrotom und Jahr<br />

Interpretation: Das untersuchte Pathologielabor (Uni 4) zeigt einen Engpass an der Ausgießstation<br />

und eine geringe Auslastung der Mikrotome. Eine mögliche Erklärung dafür ist das Bestehen eines<br />

konsolidierten Ausgießplatzes und mehrerer Arbeitsbereiche mit Schneideplätzen.<br />

KH 6+7<br />

Uni 1<br />

KH 1<br />

KH 2<br />

KH 3<br />

KH 4<br />

KH 5<br />

KH 6<br />

KH 7<br />

KH 6+7<br />

Uni 1<br />

Uni 2<br />

Uni 3<br />

Uni 4<br />

Uni 2<br />

Uni 3<br />

Uni 4<br />

standardisierten QM-Handbuchs und<br />

einen Vor-Ort-Support bei der Ausgestaltung<br />

der kundenindividuellen Akkreditierung<br />

(weitere Details dazu enthält der<br />

folgende Beitrag „Qualitätsmanagement<br />

und Akkreditierung in der Pathologie“).<br />

Benchmarking zeigt Leistungsfähigkeit<br />

Zur Frage der Zukunftssicherung gehört<br />

auch der Vergleich mit anderen Einrichtungen,<br />

demzufolge ist ein transparenter<br />

Blick über den eigenen Tellerrand hinaus<br />

hilfreich. Das Benchmarking der ConsulabT<br />

bietet einen ersten Anhaltspunkt<br />

dafür, die eigene Leistungsstärke einzuordnen.<br />

Pathologische Institute werden<br />

zum Ausgleich grundsätzlicher struktureller<br />

Unterschiede in die Sektoren Universität,<br />

Krankenhaus und Privatlabor<br />

unterteilt und hinsichtlich Probenaufkommen<br />

und verfügbarem Personal bzw.<br />

Gerätepark miteinander verglichen. Die<br />

Interpretation gewonnener Benchmarking-Daten<br />

ist zweifelsohne diffizil: Zu<br />

berücksichtigen sind sowohl unterschiedliche<br />

Fall-Komplexitäten und damit verbundene<br />

Untersuchungsmethoden <strong>als</strong><br />

auch die Besonderheiten der Probenbearbeitung<br />

in der Pathologie. Dennoch ergibt<br />

sich ein qualitativ verwertbares Ergebnis<br />

und Benchmarking-Diagramme (Beispiel<br />

Abb. 2) konkretisieren Handlungsoptionen<br />

aus der Workflow-Analyse.<br />

Im Mittelpunkt steht der Patient<br />

Opt<strong>im</strong>ierte Prozesse und nachhaltige<br />

Wirtschaftlichkeit sind zwei wichtige<br />

Anliegen der ConsulabT. Das zentrale<br />

Thema jedoch, an dem sich alle Neukonzeptionen<br />

ausrichten und alle am<br />

Diagnose-Prozess beteiligten Funktionen<br />

orientieren müssen, ist die Qualitätssicherung.<br />

Denn am Anfang und am Ende<br />

der „Anforderung“ steht ein Patient mit<br />

dem Anrecht auf eine qualitativ hochwertige<br />

und sichere <strong>Diagnostik</strong>.<br />

Bernd Rabenstein<br />

Projektmanager<br />

ConsulabT – Beratung<br />

für die <strong>Diagnostik</strong><br />

0173 5861-464<br />

bernd.rabenstein@roche.com<br />

24<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


Labororganisation<br />

Qualitätsmanagement und Akkreditierung in der Pathologie<br />

Dipl. Kfm. Otto Henker Unternehmensberater CMC / BDU, Reutlingen<br />

Das Qualitätsmanagement (QM) gewinnt<br />

in der Pathologie – so wie <strong>im</strong> medizinischen<br />

Labor und in anderen methodendefinierten<br />

Fächern auch – zunehmend an<br />

Bedeutung. Einige wenige pathologische<br />

Institute, vorwiegend an Universitätskliniken<br />

und sonstigen Krankenhäusern der<br />

Max<strong>im</strong>alversorgung, sind bereits akkreditiert.<br />

Eine wachsende Gruppe hat mit<br />

der Einführung eines QM-Systems (QMS)<br />

begonnen und strebt eine Akkreditierung<br />

nach der Norm DIN EN ISO / IEC 17020 an.<br />

Henker Consulting hat <strong>im</strong> Auftrag von<br />

<strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong> eine elektronisch verlinkte<br />

QMS-Dokumentation mit zusätzlichen<br />

hilfreichen „Extras“ entwickelt, die<br />

Pathologien <strong>als</strong> Muster („Rohling“) für<br />

ein eigenes, normgerechtes und doch<br />

individuell gestaltetes QMS <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Erst-Akkreditierung nutzen oder bei<br />

Re-Akkreditierungen fortschreiben können.<br />

Qualitätsmanagement darf keine<br />

Einmal-Aktion sein, sondern muss zur<br />

systematischen und permanenten Verbesserung<br />

der medizinischen und organisatorischen<br />

Qualität beitragen.<br />

„E-QMH-Patho“<br />

Die Bestandteile des elektronischen QM-<br />

Handbuchs für die Pathologie (E-QMH-<br />

Patho) und der QMS-Dokumentation<br />

zeigt die Abb. 1.<br />

O Das Register 1 enthält einen Normvorspann<br />

sowie ein zweigeteiltes<br />

Glossar mit einerseits Standardbegriffen<br />

aus der Norm und andererseits<br />

speziellen und institutsindividuellen<br />

Fachwörtern<br />

O Register 2 bildet den Kern der gesamten<br />

Dokumentation. Es beinhaltet das<br />

QM-Handbuch <strong>im</strong> engeren Sinne mit<br />

dem QMH-Text und QMH-Anlagen.<br />

O Das Register 3 enthält <strong>im</strong> Normnachspann<br />

und den Normanhängen<br />

Gesetze, Richtlinien und weitere<br />

sogenannte „Mitgeltende Unterlagen“<br />

(MGU).<br />

Die Register 1 – 3 bilden alle Anforderungen<br />

der aktuellen Norm ISO / IEC<br />

17020:2012 ab. Darüber hinaus gibt es<br />

zwei weitere Kapitel, die über die Norm<br />

hinausgehen. Die Hinweise und Hilfe-<br />

funktionen geben speziell Erstanwendern<br />

zusätzliche Hilfestellung, sind aber auch<br />

für Folgeanwender hilfreich.<br />

Im Register 4 sind – ebenfalls zusätzlich<br />

zur Norm – verschiedene Gliederungen,<br />

Sichten und Zugriffspfade auf das QMS<br />

beschrieben. Dies hilft Mitarbeitern der<br />

Pathologien, sich in ihrer vertrauten<br />

Sprache und Umgebung – statt der abstrakten<br />

und relativ bürokratischen<br />

Normsprache – mit dem QMS vertraut<br />

zu machen und schnell auf das jeweils<br />

benötigte QM-Dokument zugreifen<br />

zu können. Optional <strong>im</strong> Angebot sind<br />

mehrere Zugriffspfade, die der QMH-<br />

Nut zer, je nach Priorität, wahlweise<br />

einzeln oder auch mehrfach zusammen<br />

benutzen kann, z.B.<br />

O Technisches Personal: Struktur-,<br />

Funktions- und Prozesssicht<br />

O Institutsleitung: Ziel-/Planungs- und<br />

Strategiesicht<br />

Viele Vorteile<br />

Neben dem vorgenannten Register 4<br />

ist die vollelektronische QM-Dokumentation<br />

mit mehrd<strong>im</strong>ensionalem<br />

Verlinkungskonzept das zweite Sonderstellungs-Merkmal<br />

dieses QM-Instrumentariums.<br />

Im Gegensatz zur starren<br />

Dokumentation auf Papier in mehreren<br />

Ordnern, in Schränken oder Regalen<br />

in entfernten Räumen, bietet die elektronische<br />

Version eine komfortable und<br />

schnelle Bearbeitung direkt am Arbeitsplatz.<br />

Dabei kann der Anwender über<br />

Links zwischen verschiedenen Registern<br />

und Kapiteln hin und her, sowie auf und<br />

ab navigieren. Eine Verfahrensanweisung<br />

z.B., die für einen Prozessschritt an einem<br />

Arbeitsplatz aktuell gebraucht wird, ist so<br />

kurzfristig aufruf- und einsehbar. Auch<br />

auf Mitgeltende Unterlagen (MGU) kann<br />

per Link verwiesen werden. Sind weder<br />

Name noch Nummer eines Dokuments<br />

ad hoc bekannt, hilft die Schlagwortsuche<br />

schnell weiter.<br />

Die Nutzung der elektronischen QMS-<br />

Dokumentation <strong>als</strong> Muster bzw. „QMH-<br />

Rohling“ kann den eigenen Zeitaufwand<br />

für die Erstakkreditierung, der<br />

oft in einer Größenordnung von Personenjahren<br />

(PJ) liegt, mehr <strong>als</strong> halbieren!<br />

Außerdem erleichtert, beschleunigt und<br />

sichert das E-QMH-Patho Überwachungs-<br />

und Re-Akkreditierung-Audits.<br />

Eine weitere Opt<strong>im</strong>ierung der Akkreditierungsprozesse<br />

lässt sich mit Hilfe<br />

eines externen Beraters erreichen. In der<br />

Kooperation zwischen <strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong><br />

(Abteilung ConsulabT) und Henker Consulting<br />

gibt es dafür unterschiedliche<br />

Varianten:<br />

O Die „kleine“ Lösung heißt hier „Workshop-Variante“.<br />

Der/die Berater werden<br />

nur bei gemeinsamen Workshops<br />

hinzugezogen. Sie übernehmen dort<br />

z.B. anfangs, bis sich eine gemeinsame<br />

QM-Projektarbeit eingespielt hat,<br />

Moderation und Projektmanagement<br />

und stellen eine straffe Projektabwicklung<br />

sicher. Zwischen den Workshops<br />

können ein Telefon-Support oder<br />

auch eine „Hausaufgabenbetreuung“<br />

vereinbart werden. Die Anzahl der<br />

Workshops und damit den externen<br />

Kostenaufwand best<strong>im</strong>mt der Anwender.<br />

O Die „große“ Lösung ist die klassische<br />

Beratungsvariante, bei der der Berater<br />

einen Großteil der Dokumente vorschlägt<br />

und vorformuliert.<br />

Erweiterungsoptionen<br />

Das E-QMS-Patho ist so flexibel und<br />

<strong>Roche</strong><br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 25


offen aufgebaut, dass individuelle Erweiterungen<br />

„in alle Richtungen“ jederzeit<br />

möglich sind.<br />

Hinweise und Hilfefunktionen für QMH-Ersteller und -Nutzer<br />

- Allgemeine Hinweise zur Nutzung der elektronischen Dokumente<br />

- Spezielle Hinweise und Hilfetexte zu einzelnen Kapiteln und Punkten<br />

Die „horizontale“ Erweiterung auf andere<br />

wichtige Managementfunktionen verknüpft<br />

O Kontakt- und Beziehungsmanagement<br />

O Informations- und Wissensmanagement<br />

O Projekt-, Vorgangs- und Aufgabenmanagement<br />

O Ziel-, Zeit- und Selbstmanagement.<br />

Register 1<br />

Norm-Vorspann<br />

und Begriffe<br />

Vorwort / Einleitung 1. – 3.<br />

Begriffe /Abkürzungen nach<br />

Normstandard und<br />

patho- / instituts-spezifisch<br />

Register 2<br />

QMH-Text und<br />

QMH-Anlagen<br />

Qualitätsmanagement-<br />

Handbuch <strong>im</strong> engeren Sinne<br />

(QMH i.e.S.)<br />

Handbuchtexte zu Normkapitel<br />

4. – 8. mit Links auf Anlagen<br />

und Unterlagen<br />

Register 3<br />

Norm-Nachspann<br />

Normanhänge<br />

Gesetze, Richtlinien und<br />

andere mitgeltende Unterlagen<br />

(MGU)<br />

Eine Verbindung zur „Zahlenwelt“, d.h.<br />

zu einem Risikomanagement-, Controlling-<br />

und Costing-System (RICO) ist<br />

ebenfalls sinnvoll und schafft ein integriertes<br />

Qualitäts- und Kostenmanagement.<br />

Auch „vertikal“ ist eine Erweiterung bzw.<br />

Verknüpfung machbar<br />

O mit dem EDV-System der Pathologie<br />

(LIS)<br />

O mit einem Pathologie-spezifischen<br />

Prozessüberwachungs- und -steuerungssystem<br />

(z.B. VANTAGE von<br />

<strong>Roche</strong> Tissue <strong>Diagnostics</strong>).<br />

Entsprechend der Zielvorstellung der<br />

Deutschen Akkreditierungsstelle DAkkS,<br />

nach der sich ein QMS zu einem Managementsystem<br />

weiterentwickeln sollte, ist<br />

<strong>im</strong> E-QMH-Patho diese vertikale Erweiterungsmöglichkeit<br />

in den Bereich des<br />

strategischen Managements bereits vorgesehen.<br />

Als Methoden-Tool, das sich<br />

auch <strong>als</strong> Zugriffspfad gemäß Register<br />

4 benutzen lässt, wird ein spezielles<br />

Balanced Scorecard Modell empfohlen<br />

(Abb. 2). Es eignet sich besonders zur<br />

Verfolgung der QMS-Weiterentwicklung<br />

und dessen kontinuierlicher Verbesserung.<br />

Die vorgestellte E-QMS-Dokumentation<br />

hilft Pathologien, die Normanforderungen<br />

für die Akkreditierung vollständig<br />

und sicher zu erfüllen – bei<br />

gleichzeitig erheblich verkürztem Zeitaufwand.<br />

Zudem ist dieses QM-Werkzeug<br />

für anschließende, kontinuierliche<br />

Verbesserungen geradezu prädestiniert,<br />

weil es bereits Schnittstellen nach mehreren<br />

Seiten – vor allem auch in Richtung<br />

eines strategischen Management-<br />

Systems hat.<br />

Register 1, 2, 3:<br />

QMS-Doku gesamt nach DIN EN ISO/IEC 17020:2012 = QM-Handbuch <strong>im</strong> weiteren Sinne (QMH i.w.S.)<br />

Register 4<br />

Struktur- und Prozess-Sicht<br />

Ziel-/Planungs- und Strategie-Sicht<br />

Abb. 1: Struktur der elektronischen Qualitätsmanagement-System-Dokumentation<br />

Arbeitsmarkt<br />

Personal / Mitarbeiter<br />

Wissen / Können/<br />

Fach- und Methoden-<br />

Know-how<br />

Partner / Lieferanten /<br />

Vervielfältiger<br />

Einkauf<br />

Beschaffungsmarkt<br />

Abb. 2: Ziel-, Planungs- und Strategie-Sicht auf das Patho-QMS<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Dipl.-Kfm. Otto Henker<br />

HC Henker Consulting<br />

Listplatz 1<br />

72764 Reutlingen<br />

07121 1622-0<br />

office@henker-con.de<br />

http://www.henker-con.de<br />

Kunden (-gewinnung / -pflege)<br />

Corporate Identity<br />

Marketing/Vertrieb, Akquisition<br />

Rentabilität<br />

Wirtschaftlichkeit<br />

Optionale, zusätzliche Gliederungen,<br />

Sichten, Zugriffspfade auf das QMS<br />

Biopsien Finanzen<br />

Liquidität<br />

Produktivität<br />

Organisation und Prozesse<br />

Büroorganisation und -kommunikation<br />

Aufbau- / Ablauf- / IT-Organisation<br />

Administration + Management<br />

Außenbild<br />

Auftragsabwicklung<br />

„Produktion“<br />

Leistungs- / Produkt- /<br />

Ergebnis-Qualität<br />

Absatzmarkt<br />

26<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013


Veranstaltungen & Kongresse<br />

Juni – August 2013<br />

Veranstaltungen von <strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong> Datum Ort<br />

Intensivkurs Infektiologie 27. – 28. Juni Mannhe<strong>im</strong><br />

Basisschulung BenchMark Ultra 3. – 6. Juni Mannhe<strong>im</strong><br />

Workshop Her2/Chr17 DISH Cocktail 17. – 18. Juni Mannhe<strong>im</strong><br />

CINtecT PLUS Interpretationstraining 22. Juni Frankfurt<br />

Ute Re<strong>im</strong>ann<br />

Kommunikation<br />

0621 759-4078<br />

ute.re<strong>im</strong>ann@roche.com<br />

Veranstaltungen verschiedener Organisationen Datum Ort<br />

Jahrestagung der Berufsvereinigung der Naturwissenschaftler in der Labordiagnostik<br />

15. Juni Heidelberg<br />

(BNLD) e.V.<br />

(www.bnld.de)<br />

Unseren ausführlichen Kongresskalender<br />

finden Sie unter:<br />

www.roche.de/diagnostics<br />

Ausgewählte Kongresse & Messen Datum Ort <strong>Roche</strong><br />

Ausstellungsstand<br />

<strong>Roche</strong> Satellitensymposium<br />

Schloss Akademie für Zytologie 7. – 8. Juni Mannhe<strong>im</strong><br />

15. Deutscher Gestose Kongress 7. – 8. Juni Berlin <br />

14. Münchner Neuroradiologie Symposium 13. – 14. Juni München<br />

HepNet Symposium 21. – 22. Juni Hannover<br />

Innovationskongress der Deutschen Hochschulmedizin 27. – 28. Juni Berlin <br />

4. Frankfurter Gerinnungssymposium 30. – 31. August Mannhe<strong>im</strong> <br />

HERAUSGEBER:<br />

<strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong> Deutschland GmbH<br />

Geschäftsführer Jürgen Redmann<br />

Sandhofer Straße 116<br />

68305 Mannhe<strong>im</strong><br />

V.I.S.D.P. (CHEFREDAKTION)<br />

Ute Re<strong>im</strong>ann, Kommunikation<br />

„<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong>“ können Sie jederzeit über eine kurze Mitteilung per E-Mail<br />

abbestellen. Es fallen selbstverständlich keine weiteren <strong>als</strong> die für Sie üblichen<br />

Online-Gebühren an. Nutzen Sie dafür, ebenso wie für mögliche Rückfragen, gerne<br />

folgende E-Mail-Adresse: mannhe<strong>im</strong>.diagnostik-<strong>im</strong>-dialog@roche.com<br />

Die dargestellten Informationen geben die subjektive Einschätzung der Autoren<br />

wieder. Die <strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong> Deutschland GmbH übern<strong>im</strong>mt keine Gewähr für<br />

die Richtig keit der dargestellten Informationen. Die Weitergabe der Daten in jedweder<br />

Form bedarf der schriftlichen Zust<strong>im</strong>mung der <strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong> Deutschland<br />

GmbH.<br />

© 2013 <strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong>. Alle Rechte vorbehalten.<br />

COBAS, COBAS C, COBAS E, CONSULAB, ELECSYS, MODULAR und MULTIPLATE sind Marken von <strong>Roche</strong>. Andere Marken sind Marken der jeweiligen Eigentümer.<br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> • Ausgabe 40 • 5/2013 27


Die Wegbereiter<br />

35 Jahre Partnerschaft –<br />

Wegbereiter für Qualität, Leistungsfähigkeit und Zukunftsausrichtung <strong>im</strong> Labor!<br />

M E I L E N S T E I N E<br />

2013<br />

Ab 2006<br />

2002<br />

1999<br />

1996<br />

cobasT 8100 automated workflow series:<br />

Die nächste Generation der Vollautomation<br />

√ Vollautomatisierte Prä- und Postanalytik für alle Arbeits bereiche <strong>im</strong> Zentrallabor<br />

√ Laborindividuelle, adaptierbare Systemlösungen für heute und morgen<br />

cobasT modular platform:<br />

Maßgeschneiderte, wandelbare Systemlösungen für alle Labore<br />

√ Über 110 Systemkonfigurationen für den individuellen, konsolidierten Serumarbeitsplatz<br />

√ Mehr <strong>als</strong> 120 klinisch-chemische und mehr <strong>als</strong> 100 <strong>im</strong>muno logische Applikationen<br />

MODULAR ANALYTICS SWA:<br />

Erstm<strong>als</strong> Konsolidierung von Klinischer Chemie und Immunologie in einem System<br />

MODULAR ANALYTICS:<br />

Einstieg in flexible System-Kombinationen<br />

MODULAR PRE-ANALYTICS:<br />

Einstieg in die automatisierte Prä- und Postanalytik<br />

ElecsysT 2010:<br />

Erster Analyzer mit der hochinnovativen ECL-Technologie für eine neue<br />

Sensitivitäts-D<strong>im</strong>ension in der Immunologie<br />

Hitachi 717<br />

Hitachi 737<br />

Hitachi 747 Hitachi 917<br />

Hitachi 911<br />

1981<br />

Hitachi 705:<br />

Weltweit erster Analyzer der Klinischen Chemie für die automatisierte,<br />

selektive Probenbearbeitung (Random Access)<br />

Hitachi 705<br />

1978 Erste Vertriebsvereinbarung zwischen Boehringer Mannhe<strong>im</strong> und Hitachi<br />

<strong>Roche</strong> <strong>Diagnostics</strong> Deutschland GmbH<br />

Sandhofer Straße 116<br />

68305 Mannhe<strong>im</strong><br />

www.roche.de/diagnostics

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