Zum Glück - WDR - Radiobroschüren Online - WDR.de
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wdr 3 serie<br />
ten <strong>de</strong>m männlichen Bollwerk <strong>de</strong>r großen<br />
europäischen Orchester die ersten tiefen<br />
Risse zugefügt. 1997 beschlossen die<br />
Wiener Philharmoniker, Frauen in ihren<br />
Reihen zuzulassen. Kurz darauf fiel mit<br />
<strong>de</strong>r Tschechischen Philharmonie die letzte<br />
männliche Bastion Europas. Seit<strong>de</strong>m ist<br />
<strong>de</strong>r Frauenanteil in vielen großen Orchestern<br />
auf immerhin 20 bis 30 Prozent gestiegen.<br />
Ist ein reines Männerorchester also ein<br />
Relikt aus <strong>de</strong>m 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt? Als wdr-<br />
Autorin Julia Spyker im Sommer von <strong>de</strong>r<br />
Gründung <strong>de</strong>s „Women Orchestra of Switzerland“<br />
hörte, beschloss die Musikjournalistin,<br />
<strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r Frau im Orchesterbetrieb<br />
nachzugehen. Das brachte sie<br />
unter an<strong>de</strong>rem auf die Spur <strong>de</strong>r Damenorchester<br />
<strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts: Die Pianistin,<br />
Dirigentin und Komponistin<br />
Josephine Amann-Weinlich grün<strong>de</strong>te<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1860er-Jahre in Wien ein Damenorchester,<br />
mit <strong>de</strong>m sie große Tourneen<br />
durch Europa und die USA unternahm.<br />
Ihr Projekt war Vorbild für zahlreiche Damenorchester,<br />
die En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
in Europa und <strong>de</strong>n USA entstan<strong>de</strong>n<br />
und für Frauen <strong>de</strong>r einzige Weg waren,<br />
eine Laufbahn als Orchestermusikerin<br />
einzuschlagen. „Es galt als nicht schicklich,<br />
wenn Frauen öffentlich auftraten“, erklärt<br />
Julia Spyker.<br />
Die weibliche Ausdruckskraft<br />
„Wenn Frauen Musik spielen, weht ein<br />
an<strong>de</strong>rer Geist. Die Werke bekommen einen<br />
gesteigerten emotionalen Wert und<br />
eine an<strong>de</strong>re Ausdruckskraft“, sagt <strong>de</strong>r<br />
Musiker und Dirigent Gunhard Mattes,<br />
<strong>de</strong>r „The Women Orchestra of Switzerland“<br />
ins Leben rief, um junge Musikerinnen<br />
und Komponistinnen zu för<strong>de</strong>rn.<br />
Als Vorbild diente ihm „The Cleveland<br />
Women‘s Orchestra“, ein seit 1935 bestehen<strong>de</strong>s<br />
semiprofessionelles Frauenorchester.<br />
Das einzige professionelle Frauensymphonieorchester<br />
in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r<br />
BRD grün<strong>de</strong>te Elke Mascha Blankenburg<br />
1986. Die im März dieses Jahres verstorbene<br />
Musikerin und Dirigentin hat sich<br />
Zeit ihres Lebens für die Wertschätzung<br />
von Frauen in <strong>de</strong>r Musikwelt eingesetzt.<br />
Ihr „Clara Schumann Orchester Köln“<br />
führte Werke von Komponistinnen <strong>de</strong>r<br />
Klassik, Romantik und <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne auf.<br />
Julia Spyker fragt in <strong>de</strong>r wdr 3 TonArt-<br />
Reihe, wie sich die Situation von Frauen<br />
Abbie Conant<br />
Anne-Sophie Mutter<br />
Sabine Meyer<br />
Sarah Willis<br />
Ulrike Jakobs<br />
Nicola Jürgensen-Jakobs<br />
Kathleen Putnam<br />
Foto: www.osborne-conant.org<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Foto: picture-alliance/jazzarchiv<br />
Foto: picture-alliance/ZB<br />
Foto: wdr/Kost<br />
Foto: wdr/Kost<br />
Foto: wdr/Kost<br />
in Orchestern im Laufe <strong>de</strong>r Geschichte<br />
geän<strong>de</strong>rt hat und welches Signal von <strong>de</strong>r<br />
Gründung eines reinen Frauenorchesters<br />
in <strong>de</strong>r heutigen Zeit ausgeht. Und<br />
sie erforscht, warum bestimmte Instrumente<br />
bis heute einen weiblichen o<strong>de</strong>r<br />
männlichen Ruf haben: „Die Damenorchester<br />
<strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts mussten<br />
sich männliche Blechbläser dazuholen,<br />
da es einfach keine Frauen gab, die diese<br />
Instrumente spielten“, weiß die Musikjournalistin.<br />
Im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt glaubte<br />
man, dass <strong>de</strong>r Mund <strong>de</strong>r Frauen sich unschön<br />
verformen wür<strong>de</strong>, wenn sie zum<br />
Beispiel die Trompete bliesen. „Außer<strong>de</strong>m<br />
waren Blechblasinstrumente zu<br />
sehr mit <strong>de</strong>m männlich geprägten militärischen<br />
Milieu verwurzelt“, so Spyker.<br />
Noch heute sind Blechbläserinnen<br />
selten.<br />
Musikerinnen beim wdr<br />
Vielleicht hält sich auch <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>r Mythos,<br />
Frauen seien anatomisch für das Spielen<br />
von Blechblasinstrumenten ungeeignet.<br />
Sarah Willis, seit 2001 Hornistin bei<br />
<strong>de</strong>n Berliner Philharmonikern sagt dazu:<br />
„Frauen haben das kleinere Lungenvolumen.<br />
Und sie atmen höher.“ Sie habe aber<br />
durch Training gelernt, mit <strong>de</strong>r Luft auszukommen<br />
und tiefer und dunkler zu atmen,<br />
so dass man keinerlei Unterschied zu ihren<br />
männlichen Kollegen höre. Auch mit drei<br />
Bläserinnen aus <strong>de</strong>m wdr Sinfonieorchester<br />
Köln sprach Julia Spyker für ihre wdr 3<br />
TonArt-Reihe: Fagottistin Ulrike Jakobs,<br />
Klarinettistin Nicola Jürgensen und Hornistin<br />
Kathleen Putnam erzählen von ihren<br />
Erfahrungen als Frauen unter Männern.<br />
„Wenn Josephine Amann-Weinlich<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 1860er-Jahre mit ihrem ‚Europäischen<br />
Damenorchester’ auftrat, dann<br />
erregte wohl <strong>de</strong>n größten Anstoß, dass<br />
da vorne eine Frau mit Taktstock stand“,<br />
sagt Spyker. „Es galt schon als unanständig,<br />
wenn eine Frau auf <strong>de</strong>r Bühne musizierte.<br />
Wenn sie dann aber auch noch<br />
sagte, wo es langgeht, war das ein echter<br />
Skandal.“ Zu guter Letzt wirft die Autorin<br />
in ihrem Beitrag auch einen Blick auf<br />
die heutigen Dirigierpulte und fragt: „Wo<br />
sind hier die Frauen?“ CSh<br />
wdr 3 TonArt<br />
Frau im Orchester o<strong>de</strong>r Frauenorchester<br />
Emanzipation im Orchesterbetrieb<br />
Mo. – Fr., 11. – 15. November,<br />
15:05 – 17:45 Uhr, wdr 3<br />
wdr radioprogramm 7