Femelschlag â Plenterung: wo liegt der Unterschied? - Prosilva
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F O R S T T E C H N I K<br />
Exkursion <strong>der</strong> Schweiz. Arbeitsgemeinschaft Naturgemässe Waldwirtschaft ANW<br />
<strong>Femelschlag</strong> – <strong>Plenterung</strong>:<br />
<strong>wo</strong> <strong>liegt</strong> <strong>der</strong> <strong>Unterschied</strong>?<br />
Nach Erlinsbach (2003), Grenchen<br />
(2004) und Val de Travers (2005)<br />
besuchte die ANW Schweiz am<br />
15. September 2006 in Lengnau/BE<br />
erneut Jurawäl<strong>der</strong>. Die frühherbstliche<br />
Exkursion stand unter dem<br />
Titel «<strong>Femelschlag</strong> – <strong>Plenterung</strong>,<br />
<strong>wo</strong> <strong>liegt</strong> <strong>der</strong> <strong>Unterschied</strong>?» Eine<br />
Frage, um die sich Heinz Rüfli,<br />
Lengnaus Förster mit Visionen,<br />
nur am Rand kümmert.<br />
Von Ernst Rohrbach*<br />
* 4932 Lotzwil.<br />
W A L D U N D H O L Z 12/06<br />
Abbildung 1:<br />
Lengnaus Burgerwald<br />
<strong>der</strong><br />
höheren Lagen:<br />
Gute Ausgangslage<br />
für die<br />
<strong>Plenterung</strong><br />
(Buche, Tanne,<br />
Ahorn).<br />
Heinz Rüfli hält nicht so viel von Begriffen.<br />
Lieber als darüber nachzudenken<br />
ob er nun femelt o<strong>der</strong> plentert ist ihm<br />
die Arbeit draussen im Wald. Letzterer<br />
beginnt unmittelbar über dem Dorf Lengnau<br />
(500 m ü. M.) an bevorzugter, warmer<br />
Jurasüdfuss-Lage, <strong>wo</strong> neben <strong>der</strong> Buche<br />
auch viele Edellaubhölzer bestens gedeihen.<br />
Dank diesen, so des Försters Vision,<br />
soll <strong>der</strong> Hiebsatz im Burgerwald ab ca.<br />
2035 halbiert und <strong>der</strong> Ertrag vervielfacht<br />
werden.<br />
Rüfli will weg von <strong>der</strong> buchig-tannigen<br />
Massenware hin zu edlen Nischenprodukten<br />
wie Nuss, Kirsche, Eiche, Ulme, Esche,<br />
Linde, Mehlbeere, Speierling, Elsbeere o<strong>der</strong><br />
Riegelahorn. Ein Stamm davon hat einen<br />
Wert wie Gold: erst kürzlich tauschten die<br />
Lengnauer zwei Kubikmeter Riegelahorn<br />
gegen 12500 Schweizerfranken ein.<br />
In den 1960er-Jahren – Heinz Rüfli trat<br />
damals gerade seine Stelle bei <strong>der</strong> Burgergemeinde<br />
an – waren die Lengnauer Wäl<strong>der</strong><br />
dicht bestockt mit grossen Fichten, Tannen<br />
und Buchen. Es handelte sich dabei um<br />
Erbstücke aus jenen Zeiten des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />
als in weiten Teilen <strong>der</strong> Schweiz<br />
Waldböden landwirtschaftlich (zwischen-)<br />
genutzt und dann vornehmlich mit Fichten<br />
bepflanzt wurden. Hunger und Holznot<br />
standen bei diesen Aktionen Pate. Die Baumbestände,<br />
die daraus erwuchsen, liessen<br />
allesamt auf ein schnelles Jugendwachstum<br />
und somit auf ein nur geringes Alterungspotential<br />
schliessen. Folglich entschieden<br />
Rüfli und sein Vorgesetzter, F. de<br />
Pourtalès, das Lengnauer Altholz mit dem<br />
bewährten <strong>Femelschlag</strong> ziemlich forciert<br />
zu verjüngen.<br />
Edle Garde in tiefer Lage<br />
Dieses Vorgehen (auch <strong>der</strong> Wind half<br />
zeitweilig mit) führte allmählich zu einer<br />
eigentlichen Zweiteilung des Burgerwaldes.<br />
In den verjüngten Flächen <strong>der</strong> tieferen Lagen,<br />
auf nährstoffreichen Böden <strong>der</strong> Würmeiszeit,<br />
setzen heute junge Laubhölzer (insgesamt<br />
28 Arten, davon 13 verkäuflich)<br />
die Hauptakzente. Weiter bergwärts, auf<br />
den Kalken des Juras, steht mehrheitlich<br />
noch alter Buchen-Tannenwald, schön<br />
garniert mit Ahorn – aber auch mit standortsfrem<strong>der</strong><br />
Fichte. Der Bergwald (bis ca.<br />
1150 m ü. M.), seit langem eher extensiv<br />
bewirtschaftet, lädt zum Vorratsabbau<br />
förmlich ein. Und zur Nutzung von Zielstärken:<br />
die Baumdurchmesser sind so<br />
differenziert, dass sich die Ernte vom starken<br />
(vorerst schlechten) Ende her mehr<br />
als nur rechtfertigen lässt. Gerade so<br />
gesehen hat Rüflis Vision auch Hand und<br />
Fuss. Die anstehenden Erlöse aus dem<br />
Bergwald helfen mit, den etwas teuren<br />
Fotos: E. Lienberger
F O R S T T E C H N I K<br />
und <strong>wo</strong>hl auch mit etlichen Risiken behafteten<br />
Aufbau seiner edlen Garde weiter<br />
unten zu finanzieren.<br />
Rein aus dem Blickwinkel des Dauerwaldes<br />
(naturgemässe Waldwirtschaft) sind<br />
beim Lengnauer Vorgehen und bei <strong>der</strong> an<br />
und für sich bestechenden Vision o<strong>der</strong> Idee<br />
einige Ungereimtheiten auszumachen.<br />
Die gaben während den Exkursions-Halten<br />
am 15. September 2006 denn auch Anlass zu<br />
angeregten, aber stets fairen Diskussionen.<br />
Es ist klar, <strong>der</strong> <strong>Femelschlag</strong> nimmt den<br />
ganzen Bestand aufs Korn, nicht den Einzelbaum.<br />
Da kommen <strong>wo</strong>hl auch immer<br />
etliche, noch zukunftsträchtige Mittelstän<strong>der</strong><br />
vorzeitig zu Fall. Es wird sozusagen<br />
Zins und Kapital vernichtet. Der <strong>Femelschlag</strong><br />
beschert Schlagfronten und Steilrän<strong>der</strong>,<br />
es gibt eine Umtriebszeit, eine zeitliche<br />
und eine räumliche Ordnung, viel<br />
Licht und somit die Gefahr einer Verunkrautung.<br />
<strong>Femelschlag</strong> ist Kahlschlag im<br />
Kleinen und führt zu Altersklassenwald –<br />
o<strong>der</strong> zu Dauerwald.<br />
Übergang zum Dauerwald<br />
Wenn – wie in Lengnaus tieferen<br />
Lagen – sehr verschiedene Baumarten mit<br />
sehr unterschiedlichen Erntezeitpunkten<br />
einzeln bunt gemischt sind, dann werden<br />
Rüflis Nachfolger <strong>wo</strong>hl unweigerlich vom<br />
flächigen Vorgehen Abstand nehmen<br />
und den Wald künftig plenternd bewirtschaften.<br />
Sobald das eintritt, herrscht<br />
Dauerwald. Hier geht <strong>der</strong> Förster eine so<br />
enge Beziehung mit seinen Bäumen ein,<br />
dass er sie sozusagen einzeln kennt. Im<br />
Idealfall setzt er mit <strong>der</strong> Ernte eines grossen,<br />
ausgereiften Wertträgers direkt auf<br />
einen mittleren solchen um. Dadurch erhält<br />
gleichzeitig die nachfolgende, relativ stammzahlarme<br />
Baumgeneration mehr Licht und<br />
Zug nach oben. Es herrscht also ein dauerndes,<br />
zunehmend harmonisches Umsetzen<br />
in <strong>der</strong> Vertikalen, dem höchstens noch<br />
Kalamitäten ein Ende setzen können.<br />
Selbstverständlich ist aber auch im Dauerwald<br />
das Ideal nie Wirklichkeit, dient aber<br />
als stetiger Richtpunkt, um den sich letztlich<br />
alles dreht.<br />
Dauerwald – und das ist <strong>wo</strong>hl das<br />
schönste an ihm – ist dauernd Wald. Er<br />
Heinz Rüfli, Lengnaus Förster mit Visionen<br />
birgt Heiligtümer, Zauber, Poesie und lehrt<br />
uns Menschlichkeit: gerade auch Unnützes<br />
und Skurriles, Altes und Krummes findet<br />
hier neben den edlen Wertholzstämmen<br />
fortwährend seinen unbestrittenen Platz.<br />
Die Waldnatur mit all ihren Kompositionen<br />
wird trotz einer Bewirtschaftung von<br />
hoher Intensität kaum merklich angetastet.<br />
Dauerwald bietet die einmalige Chance<br />
naturnahe Systeme zu nutzen, ohne sie in<br />
ihrer Grundsubstanz entscheidend zu verän<strong>der</strong>n.<br />
Das Spiel mit dem Licht<br />
Dem Dauerwald (naturgemässe Waldwirtschaft)<br />
liegen die naturgegebenen<br />
Abläufe in mitteleuropäischen Urwäl<strong>der</strong>n<br />
zugrunde. Die erneuern sich sehr kleinflächig<br />
(einzelne bis wenige, benachbarte<br />
Bäume brechen zusammen), örtlich und<br />
zeitlich stark differenziert. Dieser Umstand<br />
führt im Mitteleuropa <strong>der</strong> tieferen Lagen<br />
mehrheitlich zu Buchenwald. Baumarten,<br />
die mehr Licht benötigen erliegen häufig<br />
<strong>der</strong> Potenz <strong>der</strong> Buche. So ist Forstwirtschaft<br />
seit jeher eine Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />
dem Licht. Mit verschiedenen Waldbausystemen<br />
o<strong>der</strong> Schlagverfahren wird versucht,<br />
auch wertvollen Lichtbaumarten ein<br />
Dasein zu ermöglichen. Der <strong>Femelschlag</strong> ist<br />
eines davon, aber selbst im (vorratsarmen)<br />
Dauerwald ist es möglich, Eiche, Elsbeere,<br />
Richard Stocker, engagierter Verfechter<br />
des Dauerwaldes<br />
Speierling o<strong>der</strong> Kastanie nachzuziehen.<br />
Welches Vorgehen letztlich gewählt wird,<br />
hängt von den Neigungen <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Waldbewirtschafter ab, von Traditionen,<br />
<strong>der</strong> forstlichen Lehre, dem gesellschaftlichen<br />
Umfeld und nicht zuletzt von <strong>der</strong><br />
ökonomischen Situation.<br />
Eine Erkenntnis jedenfalls gilt als gesichert<br />
und weitere liegen auf <strong>der</strong> Hand:<br />
Hohe Biologische Vielfalt in den Wäl<strong>der</strong>n<br />
einer Region setzt hohe waldbauliche<br />
Diversität voraus. Der Biodiversität sind<br />
also auch gewisse Schlagverfahren sehr<br />
<strong>wo</strong>hl zuträglich. Über <strong>der</strong> Wahl des walbaulichen<br />
Verfahrens stehen aber so o<strong>der</strong><br />
so und nach wie vor die ehernen Grundsätze<br />
einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung:<br />
Schonung des Bodens, Sorgfalt<br />
bei <strong>der</strong> Holzerei, heimische Baumarten,<br />
vielgestaltige Waldrän<strong>der</strong> sowie das Belassen<br />
einiger grosser, alter Bäume (Giant<br />
trees) im Wald. Dafür wie<strong>der</strong>um sind<br />
kleine Einheiten (Reviere, Forstbetriebe),<br />
Behörden mit Weitsicht, sensible Forstwarte<br />
mit Ortsbezug und Förster mit Visionen<br />
absolute Voraussetzung.<br />
So, wie das in Lengnau heute ist.<br />
W A L D U N D H O L Z 12/06